Apfelblüte von Morgi (Inu no Taishō / Izayoi) ================================================================================ Kapitel 3: Edelweiß ------------------- Apfelblüte - Edelweiß - Autor: Beta: - Fandom: Inu Yasha Genres: Romantik (Hetero), Drama, Epik, Alternate Timeline Triggerwarnungen: Gewalt, Tod, Trauma Disclaimer: Inu Yasha ist Eigentum von Rumiko Takahashi, ich verdiene hiermit kein Geld. - - - - - - - 8 Drohend verengten sich die schlangenhaften Pupillen, bevor eine Rauchwolke aus den Nüstern emporstieg. Sie sollte nicht einmal die Zeit finden völlig aufzugehen, da neigte der gewaltige Drachenyoukai bereits den Kopf. "Du willst mir also erzählen, dass dieser Hundedämon es noch immer wagt, uns zu widerstehen?" "Verzeiht!", brach es aus dem Niederen hervor, der sich augenblicklich zu Boden warf. Wimmernd hielt er den Atem an, während von einer Schneewehe eine eiskalte Brise herüberwirbelte - und ihm schmerzhaft bewusst wurde, aus welchem Grund eine Verbeugung inmitten unwirtlicher Berghänge grausamer sein konnte, als den Zorn Ryukotsuseis zu spüren. "Ich ... wir wussten nicht, dass er seinen Sohn schicken würde." "Seinen Sohn?!", donnerte es in die Tiefen der Schlucht. "Ihr habt euch von einem Welpen abhalten lassen?" "Kein gewöhnlicher Welpe!", fiepte es hastig und das Paar Ohren legte sich ängstlich an das dichte Schuppenkleid. "Er riss nur die Unfähigen aus dem Leben, ich schwöre es Euch!" Grollend verebbte ein Geräusch, das ihm kalten Schweiß ausbrechen ließ. Selbst die Luft schien in seinen warmen Lungen gefrieren zu können, aber das war es nicht, was ihn zutiefst verstörte. Vielmehr war es die einkehrende Totenstille, während die lodernden, roten Augen des Drachen auf ihm ruhten. Er hatte sich nie unwohler gefühlt. Ausgeschlossen. Dennoch, was konnte er dafür? War es etwa seine Schuld gewesen, dass man sie in den üblichen Sechsergruppen los schickte, direkt in das Gebiet der Hunde? Natürlich mussten sie irgendwann auf Widerstand treffen und überhaupt- "Wage es nicht, deiner toten Brüder und Schwestern zu gedenken, Davonlaufender!", fauchte es messerscharf, bevor ob des nach links schwingenden Echsenschwanzes eine Formation Findlinge in den Abgrund stürzte. Krachend brach das Gestein an den eisbeschichteten Wänden auseinander und entlockte ihm ein klägliches Schlucken. "Ich-" "Schweig still!" Jäh biss er sich auf die Zunge, bevor er schuldbewusst den Blick senkte und minutenlang in der gleichen, erniedrigenden Position ausharrte. Die Fingerspitzen mit den langen, grünen Krallen waren die letzten, die er nicht mehr zu spüren vermochte, aber das würde sein geringstes Problem werden, sobald er auch nur einen Mundwinkel bewegte. Ryukotsusei war der mächtigste Drachendämon unter ihnen und konnte sich damit rühmen, steinharte Schuppen wie Seide am Leib zu tragen. Nur die Brutmutter überflügelte ihn noch im Blutdurst, doch auf deren Gnade brauchte niemand zu hoffen. Ihr Ältester richtete, wann und wie es ihm gefiel. Seine dichte, graue Mähne besaß angeblich das Talent, sich um Hälse zu schlingen und- "Geh", zischte es da rau. "Geh und bereinige die Schuld, die auf deinen Schultern ruht, Kakesa. Fort mit dir in die Gefilde der Menschen. Weide fernab der Straßen meine Brut und kehr nicht eher zurück, bis dieser lächerliche Herr der Hunde sein Revier verwüstet vorfindet!" Rasch presste der Büttling die Stirn in das Meer der weißen Kristalle, dann drückte er sich von dem kargen Untergrund ab und fädelte sich im Gleitflug an Felsvorsprüngen und Schiefergestein entlang, um über die Klippen hinabzustürzen. Der Wind toste unbarmherzig, doch trotz des Pfeifens scheiterte die Naturgewalt daran, den Lindwurm am Gestein des Hangs zu zerschmettern. Die ledrigen Schwingen waren kaum außer Sichtweite geraten, da öffnete Ryukotsusei das gewaltige Maul und spie ein Zischen aus. "Wir werden sehen, wer den längeren Atem besitzt, Inu no Taishou. Wir werden sehen." 9 "Izayoi-sama." Ernst musterte Takemaru die Frau, die ihn ihrerseits mit Sanftmut bedachte. Der Morgen war kaum angebrochen und kroch im roten Dämmerlicht über den Horizont, doch das war nichts verglichen zu der Pracht ihres wattierten Überkimonos, wie er fand. Zart schoben sich Pflaumenzweige als Stickereien über die Säume und boten Kontrast zu den Rüstungen der anwesenden Männer. Vier Dutzend Krieger standen hinter ihm und reckten stolz das Kinn. Sie waren der handverlesene Kern, an dem sich Banditen und niederes Dämonenpack die Zähne ausbeißen würden - drei Tagesmärsche lang, so lautete der Befehl des Daimyos der südwestlichen Gefilde. Der Fürst gab nichts auf die aufwendigen Prozessionen, mit denen Töchter und Enkelinnen sonst länger zu reisen pflegten: Männer in Waffen waren nützlicher als plaudernde Hofdamen. Ein schnellerer Schritt und kurze Rasten erstickten viele Gefahren. Setsuna no Takemaru erfüllte es mit Stolz, diese Weitsicht in die Tat umzusetzen. Er hatte jedem Einzelnen harte Strafen angedroht, sollte auch nur ein Stäbchen an der falschen Stelle zu Boden fallen. Einzig das Gefährt blieb ihm ein Dorn im Auge: Die Palankin zeigte die Holzarbeit aus Kiefern und Zedern, welche mit Lack überpinselt glänzten. Bambusjalousien waren zu beiden Seiten der Schiebetüren befestigt und im Innern gab es Seidenpapiere, die verschiedene Blumen und Reiher schmückten. Die Eleganz rührte ihn jedoch wenig. Es waren die sich nach oben öffnenden Dachpaneele und die passend lackierte Tragestange, die ihn beschäftigten. Ein Feind würde die Schwachstellen erkennen. Still bedauerte Setsuna, dass ihn die Pflichten der Frühjahrssaat noch zwei Tage an die Residenz banden, aber das frohe Gemüt der Enkeltochter des Daimyos erweichte den in ihm brodelnden Unmut. Sie lächelte ihn an. Hätte er nach einem Unterschied zwischen Tag und Nacht gesucht, wäre ihm kein besserer in den Sinn gekommen. Sogar der dunkelgrüne Kimono der Amme Mashiko, die klein wie ein Ahornblatt neben Izayoi wartete, verblasste neben der Fürstentochter. "Reist wohl und sicher." "Wie ungewohnt, Euch zurückzulassen, Takemaru." "Ich bin entbehrlich", behauptete er eisern, doch sein Herz tat einen Schlag, der dem Klang ihrer Stimme und den kunstvoll aufgeschlagenen Haarschlaufen galt. Erst dann reichte sie ihm die zierliche Hand und ließ sich über einen verzierten Tritt aus Holz in den Palankin helfen. Geduldig wartete Takemaru, bis Izayoi auch die letzte, winzige Falte ihres Kimonos in das Innere gezogen hatte und ihre Amme folgte, dann schob er die Tür zu. Ein scharfer Pfiff und die zugeteilten Männer nahmen ihre Plätze ein, um die Tragestange auf die Schultern zu hieven. Sie trugen nicht nur Verantwortung, sondern als Einzige gefütterte Baumwolljäckchen und Beinkleider. Die übrigen Krieger führten schnaubende Rösser herbei oder widmeten sich ihren mit Leinen umwickelten Strohsandalen. Es hätte ein beruhigender Anblick sein sollen, als sein drahtiger, hünenhafter Stellvertreter den Kopf vor ihm neigte, doch aus irgendeinem Grund verpuffte die Wirkung wieder. "General Takemaru." "Haltet Euch von den Wäldern fern", rief er barsch in Erinnerung. "Die Reisfelder der Bauern säumen den besten Weg. Nun geht!" Es war, als ob er ein Stück seines Schicksals preisgab - als würde er die Fürstentochter verleugnen, indem er von ihrer Seite wich. Freilich war das lächerlich. Er hatte lediglich vergessen, wie es gewesen war, als er dergleichen in seiner ungestümen Jugend tat. Der Schutz Izayoi-samas nahm einen Teil seines Lebens in Anspruch, den er mit Inbrunst erfüllte und so sah er wortlos seinem Untergebenen nach, der den Traber an die Spitze des Trosses lenkte. Es schien Setsuna no Takemaru eine blanke Ewigkeit her zu sein, als sein alter Lehrmeister ihn noch ob des seligen Lächelns seiner Lippen gerügt hatte. Als Schüler war das ein undenkbares Vergehen, das er mit harter Arbeit und etlichen Stockschlägen hatte büßen müssen. Aber jeder einzelne davon hatte sein Ziel getroffen, seinen Geist gestählt. Mochte die Sonnengöttin ein Auge auf Izayoi haben und ihren Weg bescheinen, solange er nicht zugegen war. Grimmig verfestigte sich der Griff Takemarus auf der Schwertscheide, dann wandte er sich ab und ging mit der ihm eigenen Eleganz über den weiten Hof. 10 Schweigend sah der Herr der Hunde auf die Ebenen hinab, die er im letzten Sommer noch in ungeahnter Pracht und Blüte vorgefunden hatte. Kein einziger Meter war damals sichtbar gewesen, der nicht von den Früchten der menschlichen Arbeit strotzte, ja, nicht einmal ein einziges Gesicht war ihm aufgefallen, das den Winter fürchtete. Und nun lagen eben jene weitläufigen Reisfelder in Asche und schwarzem Sud begraben, lamentierten noch immer wimmernde Gestalten in den Wirren des Morgens. Er hätte dichter gehen können, aber das Ausmaß dieser Schneise erschloss sich ihm bereits durch die blutgetränkte Witterung, die in der Luft wie ein Nebel hing. "Meister!", wisperte Myouga heiser vor Entsetzen, doch das leise Knurren warnte ihn davor, seinen Satz zu beenden. "Ich weiß. Es kann kaum eine Stunde her sein", grollte der Inu no Taishou beherrscht, bevor ihn die weiß hervortretenden Fingerknöchel doch verrieten. "Sollen sie darum beten, dass ihr Vorsprung ihnen die Hälse rettet." Die Augen des Flohs weiteten sich erschrocken, ehe er nach Luft schnappte. Im nächsten Moment musste er auch schon die vier Hände in das Schulterfell bohren, um nicht den Halt zu verlieren. Der protestierende Aufschrei des winzigen Youkais ging jedoch im Knurren seines Meisters unter, als dieser wüst über eine knorrige Wurzel setzte und etliche Grashalme später dem noch weit entfernten Lachen der Drachendämonen folgte. Die sechsköpfige Schar hatte sich auf einer Lichtung zusammengerottet, die von Farn und Fächerahorn umrahmt wurde. Ihre Schuppenleiber glänzten in den Farben der Dämmerung, aber ihre gebleckten Fänge verrieten die Mordlust hinter der Schönheit. "Wie schwach diese Geschöpfe doch sind", höhnte der Kleinste, während ein Ast unter dem Gewicht der Windschlange zerbrach. "Wir sollten die gesamte Provinz Musashis auslöschen." "Zu leicht", raunte die Stimme Kakesas, der den Himmel über sich musterte. Die friedlich dahinziehenden Wolken spotteten des Grauens, das sie noch vor kurzer Zeit über die Dörfler gebracht hatten, aber es genügte nicht, um ihn zu befriedigen. Ryukotsusei hatte ihm einen unwiderruflichen Befehl gegeben und diesen halbherzig auszuführen, stand außer Frage. Er konnte von Glück reden, dass er überhaupt noch die würzige Luft atmen durfte! Finster blickte der Drachendämon auf seine Gefährten zurück, von denen sich eine mit einer Schar Blätter bewarf und diesen fasziniert bei ihren trudelnden Bewegungen zusah. "Ligosh!", donnerte der Anführer barsch. "Was auch immer du da treibst; du bist eine Youkai!" Die Gestalt zuckte zusammen, ehe sie nervös zur Seite linste. "Aber ... es ist so langweilig", gab sie zu bedenken, bevor die lange, rote Zunge über das Maul schleckte und somit die letzten getrockneten Blutstropfen entfernte. "Was sollte ich sonst tun?" Drohend glitzerten die Augen Kakesas, ehe ihn ein Wiehern am Horizont aufhorchen ließ. Augenblicklich kehrte Stille in seine Bewegungen ein, ja, weiteten sich die Nüstern unter dem herben Geruch einiger Traber. "Mir scheint, als ob ich etwas Besseres wüsste", gurrte der Dämon. 11 Seufzend zupften ihre Fingerspitzen an dem schweren Überkimono. Obwohl die Seidenlagen ihr Gesäß hätten dämpfen müssen, fühlte Izayoi nach den ersten Stunden der Reise nur dumpfen Schmerz in ihrem Rücken. Es war, als ob sie auf glatter Watte säße. Ach, was hätte sie doch darum gegeben, in den schlichteren Gewändern ihrer Amme zu reisen. "Fühlt ihr Euch nicht gut, Izayoi-sama?" Fragend hob die alte Frau ihren Blick, während sie die Stickerei in ihren Händen sinken ließ. Es sah hübsch aus, wie sie die rote Seide in den berahmten Stoff zu ziehen vermochte und die junge Frau war auch nach Stunden nicht müde geworden, ihr dann und wann bewundernd zuzusehen. Wie konnte sie nur trotz jeden spürbaren Steins und aller Holperei vermeiden, sich in den Finger zu stechen? Sie selbst hatte diese Beschäftigung wenige Minuten nach ihrer Abreise fallen gelassen. "Was meinst du, wann wir wieder pausieren werden?" Ein mildes Lächeln streifte die Lippen ihrer Dienerin, bevor sie sich besann. Rasch sah sie auf die Hüften ihrer Herrin hinab. Trotz des engen Raumes gab es keinen Grund, die Etikette fallen zu lassen. "Solltet Ihr es wünschen, werden die Männer gewiss anhalten." "Mir wäre es lieber, wir wären schon da", gab Izayoi seufzend zu verstehen. "Ich möchte sie nur ungern von ihren Pflichten abhalten, Mashiko. Es ist bestimmt nicht leicht, die ganze Zeit auf dem Pferd zu sitzen oder neben uns herzulaufen. Sie sind so bemüht, die Umgebung auf jegliche Gefahr hin im Auge zu behalten." Die Dienerin nickte verständnisvoll, auch wenn sie sich davor hütete, die Bewegungsfreiheit der Männer zu beurteilen. "Ihr wart als kleines Mädchen ungeduldiger, Izayoi-sama. Ich bin mir sicher, dass wir bald an blühenden Wiesen vorbeikommen, von denen Ihr Eurer Schwester erzählen werden wollt." Ruhig sah die Alte dabei zu, wie sich ihre Herrin daraufhin zum Bambusfenster hinüberlehnte, dessen Rahmen mit dunklem Holz verstärkt worden war. Regentropfen würden darauf einen wundersamen Klang spielen, doch die am Himmel wandernde Sonne gefiel ihr ebenso gut. Der Tag war friedlich. Draußen erklangen die Verse der Männer, die sich gegenseitig an Siege erinnerten. Ihre Stimmen waren tief und stolz, während sie prahlten wie es nur kriegserfahrene Seelen konnten. Der Weg der Palankine wurde von zwei tiefen Gräben und Steinen gesäumt, an denen Schachtelhalmgras und fedriges Buschwerk gedieh. Unter einem feinen Kopfschütteln wandte sich Mashiko wieder ihrer Arbeit zu. In der zugigen, aber doch angenehm ausstaffierten Palankine zu reisen, war ein Augenschmaus - aber ihre Knochen blieben unruhig. Sie war es nicht mehr gewohnt, solange stillzusitzen. In ihrer Position hatte sie immer zu tun, erledigte dieses und jenes. Jahr um Jahr lief sie hinter ihrer Herrin her, trichterte ihr Regeln ein, die sie manchmal selbst nicht verstand. Wenn sie ihr Tagewerk jedoch mit dem der Dienerinnen fremder Herrschaften verglich, musste sie es gut getroffen haben. Flink stach die Nadel durch das Gaze des Stoffes, um einer Apfelblüte eine Dolde zu verleihen, dann erklang draußen ein abruptes, panisches Wiehern. Auf dem ausgetretenen Pfad schlugen Hufe ins Nichts; wurde ein Ross unter der herrischen Hand zurückgerissen. Ein markerschütternder Ruf erstickte die Ruhe: "Zu den Waffen! Zu den-" Mashiko schaffte es gerade noch, zu ihrem Bambusfenster zu sehen und den Reiter auf ihrer Seite zu entdecken, als sie bereits erbleichte. Der Ausruf erstarb in einem blutigen Gurgeln, bevor sich die Krallen eines Ungeheuers aus dem empfindlichen Hals lösten. Die Amme schrie auf, und presste sich genauso überstürzt die Hände auf den Mund, sodass ihre Stickerei herunterfiel, während das gewaltige Schuppentier gierig das Ende des Trosses fixierte. Ein Drache, dachte Mashiko fahrig. Ein Drache! Übertüncht wurde ihre Erkenntnis von einem ohrenbetäubenden Brüllen, ehe die geflügelte Echse aus ihrem Sichtfeld sprang. "Komm her, Menschlein!" Der Samurai fand kaum die Zeit auch nur die Klinge aus der Verankerung zu zerren, da stürzte sich die Dämonin schon auf ihr Opfer. Das Krachen des Metalls, das von dem erhitzten Pferdeleib aus zu Boden gerissen wurde, tränkte sich in dem geifernden Speichel Ligoshs, dann fuhr ihr Körper gegen die lächerliche Tragestange des Palankin. Die Männer gaben ihr Bestes, die Wucht mit ihren Schultern abzufangen, doch zu spät. Holz splitterte unter den Schreien der Eskorte, dann fiel der Palankin wie ein Papierschirm auf die Seite und rutschte in den nahen Graben. Steine schossen ins Innere, Gräser knickten ab, als ob sie nicht mehr als müßiges Beiwerk wären. Das Knacken der Dachbalken war kaum ertönt, da versuchte Mashiko auch schon sich von dem brennenden Schmerz hinter ihren Rippen loszusagen. "Herrin!", drang ihre Stimme durch den Innenraum, ehe ihre Hand grob eine zerrissene Seidenpapiertapete fortzuschieben versuchte. "Izayoi-sama!" Das erklingende Stöhnen kam ihr wie eine Offenbarung vor, aber sie sollte keine Zeit finden, ihre Fingerspitzen nach dem durcheinander gewirbelten Kimono auszustrecken. Im gleichen Augenblick wurde die ohnehin nur noch schief in den Angeln hängende Schiebetür fortgerissen. Rotglühende Augen brandeten auf. "Bei allen Göttern", hauchte die Dienerin, ehe die grünen Krallen eines zweiten Drachen ins Innere schossen und unter einem Schrei in ihren Leib fuhren. Der Schmerz brachte sie fast an den Rand der Ohnmacht. Dann ging ein Ruck durch ihre Gestalt und löste blankes Entsetzen bei der nach Luft schnappenden Fürstentochter aus. "V-vergebt mir", keuchte Mashiko, ehe ihr Körper von dem Dämon unter triumphierenden Gebrüll herausgerissen wurde und Izayoi die Szenerie mit einem lauten Gellen vergalt. Das Dröhnen eines überlauten Pferdewieherns tränkte den Boden jenseits des Grabens. Der Drache belohnte beides mit einem irrwitzigen Auflachen. "Tötet sie! Tötet sie alle!", befahl Kakesa dann, bevor er die Amme in seiner Klaue gegen den nächsten Findling schleuderte und mit inbrünstiger Befriedigung ein Knacken vernahm. Danach widmete er sich wieder dem lächerlichen Gefährt, in dem noch immer ein kleines Menschlein schrie, was die Seele hergab. Lächerlich, wie das Weib den verhakten Seidenstoff unter der Lacktruhe zu befreien versuchte. Absolut lächerlich! Einen Moment ging der Drachenyoukai vollkommen darin auf, unter dem Geräusch der anderen, mit dem Tode ringenden Wachen ihren armseligen Versuch zu beobachten. Doch kaum, dass die erste Lage des Überkimonos nachgab und in einem hässlichen Reißen Freiheit versprach, verging ihm die stille Faszination und sein Kopf preschte jäh vor. Einen Herzschlag später erzitterte sein Leib und Izayois langer, spitzer Schrei mündete in einem wimmernden Keuchen. Wie in Trance sah sie, dass das Augenlid des Dämons zu zucken begann und die Pupillen sich weiteten. Dann war es die Kreatur, die unsagbar laut aufheulte, während Blut in alle Richtungen spritzte. Es sollten keine zwei Atemzüge vergehen, ehe der Lindwurm von ihr abließ und fiebrig vor Zorn einem weißen Schatten nachjagte, der zu schnell war, um Izayois Augen irgendetwas erkennen zu lassen. Was bei allen-? Die Frau fuhr unter dem winzigen, schwarzen Punkt zusammen, der sich auf ihrer Schulter räusperte: "Seid Ihr unversehrt?" Ihr erneuter Aufschrei war das Erste, was Myouga in den Ohren klingelte, bevor ihre Hand Millimeter vor seinem Gesicht ins Leere schlug. Hatte er bis dato vorgehabt, sich um das Mädchen zu sorgen, wich dieses Vorhaben einem heiseren: "Bist du noch ganz bei Trost?!", ehe er sich vor dem nächsten Schlag mit einem knappen Hechtsprung rettete. Wenn ihn die Finger getroffen hätten, wäre er noch mehr Matsch gewesen, als all die Leichen, die draußen den Pfad säumten. Dennoch schien diese Aussicht nichts daran zu ändern, dass die Frau wie eine Wahnsinnige an dem verbliebenen Rest ihres Kimonos zu zerren begann und es in einer schier unmenschlichen Körperkraft vermochte, die letzten Lagen aus der Falle zu reißen. Ihr Verstand kreischte ob dieser anzunehmenden Dummheit, aber alles schien besser, als in diesem Gefährt zu bleiben. Den Floh ignorierend, gruben sich die Fingernägel der jungen Frau in den Rahmen des umgestürzten Palankin, um sich unter etlicher Anstrengung hochzuziehen. Fast wäre sie dank des steilen Winkels wieder zurück ins Innere gestolpert, aber irgendwie gelang es ihr hinauszukriechen - ins aufgewühlte Gras zu fallen. Die Strähnen ihres langen, schwarzen Haares hatten sich längst aus den gewachsten Schlingen und Knoten gelöst, hingen ihr wirr ins Gesicht. Izayoi wusste es nicht, aber sie sah schlimmer aus als in den Stunden, in denen sie als kleines Mädchen von einem Baum gefallen war, hinein in das Dickicht eines Haselnussstrauchs. Wahrscheinlich hätte sie das jedoch genauso wenig gekümmert wie das warnende Jappsen Myougas: "Nicht! Deckung!" Oh, wenn diese Menschen doch nur einmal neben der nackten Panik ihren Verstand benutzen würden! Wütend schnaubte der kleine Floh auf, dann glitt er mit einem galanten Sprung hinaus zu den ihn weit überragenden Gräser und Steinen – und schrie nicht minder entsetzt auf, als vor ihm das Fauchen einer Drachendämonin erklang. Waren die denn überall? Sein Meister hatte doch gerade erst einen- "Weg!", quiekte er, aber Izayois Tugenden bestanden nicht aus denen einer Kämpferin. Mit Müh und Not gelang es ihr dem ersten Vorstoß der messerscharfen Zähne zu entkommen und auch das nur, weil sich die im Blutrausch befindliche Echse weder um Winkel, noch um Entfernung scherte. Fauchend fuhr Ligoshs Maul wieder in die Höhe, dann wurde die Youkai taub gegenüber dem Klirren, das von Schwertern und Rüstungen irgendwo in ihrer Nähe kündete. Die Rufe der Verbliebenen waren längst einem Taumel von Eisen und Metallen gewichen, doch all das interessierte sie nicht. Stattdessen sah die gewaltige Dämonin auf die Frau hinab, deren zerfetzte Kleiderschichten bereits mit dem Staub und Schmutz des Bodens besudelt waren. Izayoi wusste um ihre Chancenlosigkeit, noch bevor sie auf die Beine gestolpert war und nach einem abgesplitterten Holzstück griff. Sie war keine Kriegerin, ja, sie wusste nicht einmal wie sie es halten sollte. Allein der Versuch die Drachenyoukai anzufunkeln, war so bizarr, dass es diese in lautes Gelächter ausbrechen ließ. "Du wagst es, Mensch?", höhnte diese. "Du wagst es allen Ernstes?" Drohend bleckte sie die spitzen Zähne, während die junge Frau nach Atem rang und zitternd das Holz entgegnete. Es wurde ihr so rasch entrissen, dass sie nicht einmal schaffte aufzuschreien, bevor die gewaltigen Kiefer die Überreste ins Gras spien. "Närrin", entkam es der Dämonin schlicht, ehe sie unter einer in ihrem Rücken aufbrandenden Welle Youki zusammenzuckte. Diese Energie! "Willst du dir nicht jemanden in deiner Größenordnung suchen, Wurm?" - - - - - - - Uh, aufregend, aufregend. Wie es weitergeht, erfahrt ihr in Kapitel #4, "Dahlienschimmer". [Februar 2020: Die Originalszene fand 2009 noch in einer Kutsche statt, welche nun umgeschrieben wurde. Um der Gewohnheit Willen blieb nur 'Ligosh' erhalten, obwohl das kein klassisch-japanischer Vorname ist.] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)