Welt ohne Grenzen von SoraNoRyu ================================================================================ Kapitel 41: Rettungsmission (Noctis Lucis Caelum) ------------------------------------------------- Ich bin froh, dass Prompto uns nun doch begleitet. Sicher hätte ich es ihm nicht übel genommen, wenn er lieber in Hammerhead geblieben wäre, bei seiner Cidney und dem süßen Baby. Kann ich verstehen. Aber ich hätte ihn hier unten vermisst, und zwar nicht nur, weil ich dann mit Ravus allein wäre. Wir wären jetzt alle gern woanders. Ravus ist ganz okay. Er ist sogar einigermaßen nett, jetzt, wo alles im Reinen ist. Aber er ist ein stiller Mensch, und seine verschlossene Natur macht es mir schwer, mich von der unangenehmen Atmosphäre hier drin abzulenken. Prompto macht Konversation, lenkt ab, unterhält. Ohne ihn hätte ich hier unten nichts, was mich von der Tatsache ablenkt, dass ich bis über die Hüfte im Abwasser stehe, auf tote wie lebendige Ratten trete und versuche, die Frau meines Lebens wiederzufinden, bevor sie vielleicht hingerichtet wird. Wir waren viel zu lange weg, viel zu lange in Gralea, während meine Jungs im Krankenhaus lagen. Luna und die anderen sind seit über zwei Wochen gefangen… allein in einem Kerker, der seit Jahrhunderten unbenutzt unter der Zitadelle lag. Es ist sicher kalt und unbequem dort unten, kein Ort für eine Königin. Kein Ort für irgendwen, der nicht gerade in der Gosse aufgewachsen ist. Auf der anderen Seite ist dieser Abwasserkanal auch nicht gerade der richtige Ort für zwei Könige, und hier sind wir und suchen nach der rostigen Eisenleiter, an der wir uns aus dem Morast auf die nächsthöhere Eben ziehen können. Mir ist kalt, aber diesmal brauche ich nicht zu jammern; Prompto hat schon vor Stunden festgestellt, dass die Temperaturen unbequem sind, ich brauche ihm nur zuzustimmen. Und kann ihn noch dafür aufziehen, dass er schon wieder nur eine ärmellose Weste trägt. So macht es sogar fast Spaß, hier durch den Dreck zu kriechen wie eine dreckige Ratte. Oder wie ein kleines Kind, dass sich freiwillig schmutzig macht. Sogar Ravus lässt sich ein wenig von unserem Optimismus anstecken. Endlich finden wir die gesuchte Leiter und stehen wieder auf trockenem Beton. Prompto lässt uns netterweise den Vortritt, schüttelt sich dafür aber wie ein nasser Hund, als wir gerade damit fertig sind, unsere nasse Kleidung auszuwringen. „Mensch, pass doch auf!“, schimpfe ich, aber Prompto lacht nur. „Sorry“, entschuldigt er sich grinsend und ich schubse ihn einfach zurück ins Wasser. Es gibt ein sehr zufriedenstellendes Platschen und ich gehe einfach schon mal weiter. Ravus folgt mir, blickt aber über die Schulter zurück. „Findest du nicht, dass er…“ „Der tut sich schon nichts, das Wasser war tief genug“, versichere ich. Ich muss mich nicht mal umdrehen um sicher zu gehen; Prompto ist längst wieder aufgetaucht und klettert schimpfend die Leiter hoch. Ich grinse als ich seine schnellen Schritte auf dem Beton höre, weiche aber nicht aus, als er abspringt um mich zu Boden zu werfen. Er schafft es eh nicht, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber ich spiele mit, als er mit mir ringt und versucht, mich zu Boden zu drücken. „Das war gemein, Noct!“ „Ich fand‘s lustig“, gebe ich zurück, werfe Prompto wieder ab und schiebe ihn vorwärts. Wir sind beide komplett nass nach der Aktion und die Kälte zieht eisig durch den Stoff meiner Kleidung, aber das macht mir im Moment nichts aus. Prompto allerdings friert erbärmlich, also biete ich ihm ein paar Ecken weiter meine langärmlige Jacke an. Dass ich ihn vorhin ins Wasser geschubst habe, hat er mir längst verziehen, aber er nimmt trotzdem dankend an und beklagt sich ein bisschen weniger über die Kälte hier unten. „Wir dürften bald da sein, wo wir letztes Mal übernachtet haben“, stelle ich fest, das Handy mit Ignis‘ selbstgezeichnetem Lageplan fest in der Hand, „von hier sind es noch etwa vier Stunden bis zur Zitadelle. Wollt ihr kurz Pause machen?“ „Ich wäre lieber so schnell es geht bei meiner Schwester“, meint Ravus ruhig. Beide blicken wir Prompto an, der zweifellos der Schwächste in unserer Gruppe ist. „Von mir aus können wir gern ohne Pause weiter“, stimmt der uns zu, ohne hochzusehen. Seine Arme sind verschränkt, die Hände in meine Sweatjacke vergraben, und ich kann sehen, dass er zittert, „Kalt ist es so oder so, je schneller wir Lunafreya und die anderen finden, desto schneller kommen wir wieder ins Warme, oder?“ Er blickt auf, sieht mir direkt in die Augen und ich muss wieder daran denken, dass er jetzt genauso gut in der Sonne sitzen könnte. Mit dem Baby im Arm und dem Abgas als schlimmsten Geruch. Stattdessen ist er hier und hält mir den Rücken frei, nass, frierend und abgekämpft mit dem Gestank nach Moder und schlimmerem in der Nase. Er könnte um eine Pause bitten, aber er tut nicht mal das. „Dann gehen wir weiter“, entscheide ich, „Trockener wird es erst mal nicht, fürchte ich.“ Ich lege einen Arm um Promptos Schultern und ziehe ihn mit mir, als könnte es irgendwie dabei helfen, ihn zu wärmen. Dabei ist mir selbst verdammt kalt in dem nassen T-Shirt. Mit der durchweichten Hose und dem Gestank hier unten fühle ich mich fast, als hätte ich mich frisch eingemacht, nur kälter. Widerlich. Aber ich bin nicht alleine und das ist das Wichtigste. Ravus ist entschlossen und ein starker Kämpfer und Prompto… Prompto sorgt dafür, dass ich bei Verstand bleibe. Nicht unbedingt erwachsen und vernünftig, aber geistig gesund. Die Siecher sind erstaunlicherweise kein Problem; sie sind klein und schwach, zumindest im Vergleich zu uns. Aber das Wasser, der Gestank und die Kälte, die machen einem immer zu schaffen. Egal wie stark und erfahren man ist, dagegen wird man nicht immun. Im Gegenteil; es wird schlimmer, je älter man wird. Die nasse Kälte zieht mir tief in die Knochen, erinnert mich an jede Verletzung, die ich in meinem Leben erlitten habe. Es tut weh. Nicht wie damals, als ich die Verletzungen erlitten habe, es ist mehr ein gedämpfter, schleichender Schmerz, der meine Gelenke lähmt und an meinen Kräften zehrt. Den anderen geht es sicher nicht viel besser. „Und… von hier aus sind es nochmal vier Stunden?“, wimmert Prompto. „Ungefähr, ja“, entgegne ich, „Noch ein Stück schwimmen, eine Rampe runter rutschen, dann geht es zum Glück zum größten Teil auf Beton weiter. Mit kleinen Abweichungen.“ Prompto nickt nur still. Er sieht furchtbar aus, halb erfroren und passiv. Irgendwie ist er auch stiller als bisher. „Willst du doch eine Pause machen?“ Prompto schüttelt nur den Kopf. „Nein, geht schon. Lunafreya und die anderen frieren sicher auch… ich brauch keine Pause.“ „Wenn du das sagst.“ Ravus sagt nichts, aber auch sein Blick auf Prompto scheint besorgt. Natürlich machen wir beide uns Sorgen um Luna, Iris und Talcott, aber Prompto begleitet uns freiwillig, nur um zu helfen. Wir wollen beide nicht, dass er unseretwegen leiden muss. Aber er ist entschlossen, mitzuhalten, und ich will ihn nicht beleidigen. Prompto ist es wichtig, dass er mit mir mithalten kann. Also gehen wir weiter, und auch wenn er hin und wieder ein Stück weit zurückfällt, holt er immer wieder auf. „Könntet… ihr doch kurz warten?“, bittet er schließlich. Ich drehe mich sofort nach ihm um, erschrocken, wie groß der Abstand zwischen uns plötzlich geworden ist. Aber Prompto wirkt weniger erschöpft als verwirrt. „Hört ihr das?“, fragt er leise und wir lauschen. „Ein Hund?“, schätze ich. „Das ist Pyrna!“ erkennt Prompto, und während ich mich noch frage, woran er das erkennt, stürmt er auch schon los. Ich wechsle einen knappen Blick mit Ravus und sprinte hinterher, nur um wenige Meter später abrupt zu bremsen, weil es steil in die Tiefe geht. Aber Prompto hat Recht: Es ist Pyrna, die bellt. Direkt vor mir, fünf Meter unter uns, steht die weiße Hündin bis zum Bauch im Wasser und kläfft eine riesige Nagaraja an. Der Siecher scheint stärker zu sein als die anderen hier drin. Luna, Iris und Talcott sind bei ihr, und es sieht nicht gut aus für sie. Luna ist noch halbwegs auf den Beinen, gestützt auf ihren Dreizack, Iris und Talcott liegen bereits geschlagen am Boden, lebend, aber kampfunfähig. Talcott liegt mit dem Gesicht im Wasser, Iris hat sich soweit hoch gestemmt, dass sie auf ihn zu kriechen und ihm helfen kann. Während wir noch entsetzt nach unten blicken greift die Nagaraja an. Ihre spitzen Zähne kratzen an dem magischen Schild, den Luna mühsam aufrecht erhält, das Geräusch klingt grässlich, wie Fingernägel auf Glas. Lunas Schild hält stand und die Schlange zieht sich zurück um stattdessen mit dem langen, schuppigen Schwanz anzugreifen. Ich verstehe nicht, wie Luna, Iris und Talcott hier in die Kanalisation gekommen sind aber ich sehe, dass Luna langsam die Kraft ausgeht. Ohne weiter nachzudenken werfe ich mein Schwert nach der Schlange und warpe mich mitten ins Geschehen, gerade rechtzeitig, um den nächsten Treffer abzublocken. Der Block gelingt, dennoch wirft die Wucht des Schlages mich rückwärts. Schlanke Hände fassen meine Schultern und halten mich davon ab, komplett ins brackige Wasser zu fallen. Auch die Nagaraja weicht getroffen zurück, wütend, aber fürs Erste kann sie nur fauchen. Luna fasst meinen Arm und hilft mir wieder auf die Beine. Sie zittert und aus der Nähe kann ich deutliche Schnittwunden in ihrer blassen Haut sehen. Iris hat Talcott erreicht und seinen Kopf aus dem Wasser gezogen; er atmet, scheint selbst langsam zu sich zu kommen. Ich grabe in meiner Tasche nach den Magieflakons, die ich bei mir habe, und spreche meinen mächtigsten Heilzauber auf die drei. Selbst Pyrna lässt ein deutliches Aufatmen hören, als ihre menschlichen Freunde wieder auf die Beine kommen. Leider haben wir kaum Zeit, einander zu begrüßen, da hat auch die Nagaraja sich von ihrer Überraschung erholt und stößt fauchend nach vorne. Ich reiße mein Schwert hoch, aber noch bevor die Schlange mich erreicht hallt ein Schuss durch den Tunnel und der Siecher bricht zusammen wie eine leere Hülle. Ich blicke hoch in den Seitengang, aus dem ich gekommen bin, und sehe gerade noch, wie Prompto sein Scharfschützengewehr wegpackt um beide Daumen hochzuhalten. „Guter Schuss!“, juble ich ihm zu und er grinst zu mir runter. „Geht es allen gut?“, ruft er zurück, „Können wir jetzt wieder wo hin gehen, wo es warm und trocken ist?“ Ich muss lachen und Luna stimmt sofort mit ein. Sie hält immer noch meinen Arm fest; nicht unangenehm, im Gegenteil. Die Berührung gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. „Und dir geht es auch gut“, flüstert sie, „Ein Wunder.“ „Nur gute Medizin von jemandem, der hart dafür studiert hat“, erwidere ich, „Aber ich bin auch froh, dass es mir wieder besser geht. Und, dass ihr drei wohlauf seid. Tut mir Leid, dass wir erst jetzt kommen… Wie seid ihr aus dem Kerker gekommen?“ „Iris hat die Zellentür aufgebrochen“, erzählt Talcott nicht ohne eigenen Stolz, „hat uns all unsere Heiltränke gekostet, aber wir sind in die Kanalisation entkommen bevor die Wachen was gemerkt haben. Naja, außer dem einen, den Iris leider KO treten musste…“ Er seufzt tief, Iris blickt schuldbewusst zu Boden. Sicher ist es nicht leicht für sie, gegen die eigenen Leute zu kämpfen; die Amicitias haben einen strengen Schwur geleistet, den König UND das Volk zu schützen. Wenn der Konflikt zwischen beidem es nötig macht, darf sie natürlich auch einen Bürger der Königsstadt verletzen, aber sie hat es sicher nicht gern getan. „Wenn dieser Siecher nicht gewesen wäre, hätten wir es ganz raus geschafft.“ „Da bin ich mir ganz sicher“, bestätige ich, „Das war eine großartige Leistung, Iris.“ Iris nickt schwach und reibt ihre nackten Arme, sicher friert sie noch schlimmer als Prompto. „Ist Gladdi nicht bei euch?“ „Er ist oben in der Stadt. Hält uns den Rücken frei“, informiert uns Prompto. Er scheint eine Leiter nach unten gefunden zu haben und schließt zu unserer Gruppe auf, Ravus ist direkt hinter ihm. Auch er sieht sehr erleichtert aus, Luna lebend wiederzusehen und sie muss mich kurz loslassen, um ihren großen Bruder zu umarmen. Pyrna dagegen springt begeistert auf Prompto zu und stütz dabei ihre schlammigen Pfoten begeistert auf meine teure Jacke. Nicht, dass das noch viel Schaden anrichten kann, nachdem wir schon sechs Stunden damit durch die Kanalisation getrekkt sind, aber irgendwie ist der Anblick doch äußert unangenehm. Dabei würde es mich sicher gar nicht stören, wenn ich die Jacke selbst anhätte… Hunde haben etwas an sich, dass man ihnen jeden Schmutz verzeiht, wenn sie einen liebevoll berühren. „Uhm, Noct, kann es sein, dass dein Handy noch in deiner Jacke ist?“, fragt Prompto nervös, setzt Pyrna ab und gräbt in meinen Jackentaschen nach, „Es klingelt.“ „Dann geh doch ran“, schlage ich vor, „Wen ich kenne kennst du auch.“ Prompto hebt ab und stellt das Handy auf Laut. Es ist Gladio, der anruft, und mir gefällt nicht, was er zu erzählen hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)