Das Schweigen hat ein Ende von lulubluelau (Ein Hiwatari hält sein Wort) ================================================================================ Prolog: Die Hatz ---------------- Der Schuss dröhnte nach wie vor in seinen Ohren. Sein Herz raste und seine rechte Schulter pochte dumpf unter dem gleissend scharfen Schmerz der frischen Schusswunde. Seine Beine, seine Lungen; seiner ganzer Körper war auf das Gelingen dieser Flucht ausgelegt. Alles, ja wirklich alles hing davon ab.   Er hetzte durch ein Gewirr von schmalen Gassen mit hohen, dunklen Wänden. Nicht unweit hinter sich vernahm er seine Treiber, deren Rufe und schweren Schritte laut an den Wänden wiederhalten. Kraftvoll wetzte er um eine enge Biegung und hielt sich dabei haltsuchend an der inneren Mauer fest, als er unverhofft ins Schlittern kam.   Komm schon. Weiter. Schneller.   Verbissen trieb er sich voran. Bald schon hätte das elende Versteckspiel ein Ende. All den Aufwand, welchen er dafür auf sich genommen hatte, durfte und konnte nicht umsonst gewesen sein. Nicht heute. Nicht jetzt.   Er entkam dem Labyrinth der schmalen, tückischen Gassen, als er sich, mit einem gewagten Sprung, über eine Gruppe stinkender Mülltonnen hinwegsetzte und unmittelbar in die Mündung eines belebten Bürgersteigs stiess. Grob kollidierte er dabei mit einem Mann mittleren Alters, dessen schwarzer Regenschirm unheilvoll über seinem Kopf schwebte, wie die nassen Schwingen eines todbringenden Raben. Klar und deutlich hörte er die wüsten Beschimpfungen die nur seiner Person galten, und doch war er in der gerade herrschenden Situation aus Getriebenheit, Hektik und unermesslichem Stress unfähig auch nur ein einziges Wort in sich aufzunehmen. Energisch und mit aller ihm verbleibenden Kraft, entriss er sich dem harschen Griff des empörten, schimpfenden Mannes und blickte dessen wütendem Augenpaar fiebrig entgegen. Sein rechter Arm war schon fast gänzlich taub.   Die Hetzjagd und dieser unglaublich präsente Schmerz in seiner Schulter zehrten schwer an seinen körperlichen Ressourcen, was auch sein Gegenüber im Bruchteil einer Sekunde plötzlich zu erkennen schien. Der Mann stockte, sah an ihm hinunter und blieb mit den Augen an seiner rechten Hand hängen, die, zu seinem eigenen Entsetzen, im Blut getaucht war.   Scheisse, ich werde verbluten. Durchfuhr in ein plötzlicher, schrecklicher Gedanke.   Er schwankte, fühlte wie sein Adrenalinpegel beim Anblick des vielen Blutes schlagartig abfiel und ihm im Austausch dafür eine gebündelte Ladung körperlichen Schmerzes entgegen geschmettert wurde, die ihn, für einen kurzen Moment, fast in die Knie zwang. Sein Gegenüber öffnete den Mund und sprach zu ihm, diesmal leiser, eine Spur wärmer aber auch bedeutend zaghafter. Ganz kurz verschwamm seine Sicht. Er blinzelte, torkelte 1, 2 Schritte rückwärts und wurde erneut am Arm ergriffen. Seine Sicht kehrte in dem Moment zurück, als seine Ohren das laute Scheppern auf den Boden krachender Mülltonnen vernahmen. Hektisch blickte er über seine Schulter und entriss sich dabei dem zaghaften Griff des Mannes, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Sie hatten ihn eingeholt. Die Einsicht kam schnell. Kreidebleich sah er sich seinem Ende gegenüber; Ein Mann, eine Handfeuerwaffe und er selbst, das Ziel.   Nein. Nicht jetzt. Oh bitte.   Ein ohrenbetäubender Knall versetzte die Passanten um ihn herum in blanke Panik. Sein Gehör wurde von einem einzigen lauten Pfeifen dominiert, welches keine anderen Geräusche mehr zuliess. Er fuhr herum, weg von der Gasse. Er stiess eine vor Schreck versteinerte Frau zu Boden und fiel hart auf die Knie, nur um sich gleich darauf sofort wieder aufzurappeln. Er hinkte, schlug die bedrohlich schwarzen Regenschirme zur Seite und hastete so schnell er konnte über eine rege befahrene Querstrasse während er ein allerletztes Mal über seine Schulter zurückblickte. Und dann war da nur noch Stille.   Von einem Moment auf den anderen verlor er jegliches Gefühl von festem Boden unter seinen Füssen. Nur ganz, ganz weit entfernt vernahm er das grollende Donnern von Blech auf Blech als er, wie eine Puppe, durch die Luft geschleudert wurde. Keine Schreie, keine Menschen. Nach einer schier endlosen Schwerelosigkeit, gepaart mit vollkommener Orientierungslosigkeit, war der dumpfe Aufprall seines Hinterkopfes auf dem nassen, rauen Asphalt das Einzige was er wahrzunehmen glaubte. Augenblicklich zog sich die Nässe in seine Kleidung. Kalte Regentropfen prasselten auf sein Gesicht, wobei er intuitiv blinzelte, als diese seine Augen trafen. Geblendet vom gelblichen Scheinwerferlicht eines stehenden Wagens war er so gut wie blind. Er schnappte nach Luft, welche ihm durch den plötzlichen Aufprall auf den Boden weggeblieben war. Er keuchte. Seit wann war Atmen nur so schwer?   Den Blick starr in den nächtlichen, wolkenverhangenen Himmel gerichtet, lauschte er einer plötzlichen und von Sekunde zu Sekunde dominanter werdenden, faszinierenden Ruhe. Es fröstelte ihn, als er seine Augen schloss und seine Lippen bei einem weiteren kläglichen Versuch tief einzuatmen, stark erzitterten. Die dumpfen Laute um ihn herum verstummten, ebenso wie das gleichmässige Prasseln des kalten Regens. Seine Sinne zogen sich in sein tiefstes Inneres zurück und liessen ihn in einer schier luftleeren Blase der Ruhe, der unsäglichen Müdigkeit und einer vollkommenen Schmerzfreiheit zurück, die keine klaren Gedanken mehr zuliess. Dann kam die Kälte. Nur noch Kälte.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)