Stand by me von Puppenspieler ================================================================================ I - Es war das erste Mal seit dem Ende der Verheerung Ganon, dass er Fuß ins Dorf der Zora setzte. Das erste Mal seit über einem Jahrhundert, dass er hier war, ohne eine endlos schwere Bürde auf den Schultern zu tragen. Hyrule war gerettet. Natürlich gab es noch immer unzählige Dinge zu tun, Wiederaufbauarbeiten zu leisten. Ganons Terror hatte Folgen hinterlassen, an denen Land und Leute noch lange zu tragen haben würden, doch die Wunden konnten heilen. Da war kein großes Grauen mehr, das es zu vernichten galt.   Nichts, das ihn davon abhielt, sich seiner persönlichen Vergangenheit zu stellen.   „Link.“ Zeldas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Ohne eine Miene zu verziehen wandte er sich zu seiner Gefährtin um. In ihrem Blick lag Sorge, und er sah die stumme Frage, die es noch nicht über ihre Lippen schaffte. Ja, es ist hart. Es zerreißt mir das Herz, hier zu stehen. Er schüttelte den Kopf, bevor Zelda ihre Frage verbalisieren konnte, kaum dass die junge Frau die Lippen öffnete. Sie schloss den Mund nach kurzem Zögern wieder. Sie verstand. Sie hatten beide Verluste erlitten, die zu schmerzhaft waren, um jemals verwunden zu werden. Und da, wo Zelda in Momenten der Schwäche nur zu gern ins Plappern geriet und stundenlang Geschichten über ihre liebste Freundin Urbosa erzählen konnte, hielt Link es mit seinem eigenen Herzschmerz, wie er es mit jeder Bürde hielt – er schulterte sie schweigend.   Anders könnte er Miphas Vater auch gar nicht entgegentreten. Der alte Zora-König hatte selbst genug Schmerz erlitten. Link könnte ihm niemals sein eigenes Leid aufbürden.   Die Statue Miphas, die inmitten des Dorfes aufragte, ließ ihn innehalten. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm bewusst wurde, dass auch Zelda neben ihm stehen geblieben war. Es war so befremdlich, sie zu sehen. Es war schon beim ersten Mal befremdlich gewesen, auch wenn ihrem Anblick zu verdanken war, dass seine Erinnerungen an die Zora-Prinzessin zurückgekehrt waren. Inzwischen war es nicht mehr nur befremdlich, es war herzzerreißend. Ein Monument eines Lebens, das viel zu früh geendet war. Sie sah so lebensecht aus, als könne sie jederzeit wieder in Bewegung kommen, von ihrem Podest herabsteigen. Es war Link, als könne er ihre Stimme hören:   „Da bist du ja! Danke, dass du mich wirklich noch einmal besuchst.“   Es kostete Link alle Mühe, sich abzuwenden. Weiter zu gehen, die Treppen hinauf zum Thronsaal des Königs. Jeder Schritt schien schwerer zu wiegen, und mehr als einmal musste er den Impuls unterdrücken, sich zu dem Denkmal seiner alten Freundin umzuwenden. Vor dem Thronsaal blieb Zelda noch einmal stehen. Sie lächelte, während sich Wehmut in ihren Augen spiegelte. „Ich bin sicher, König Dorephan ist froh. Dass wir noch hier sind, und ihm von seiner Tochter berichten können. Auch wenn es ungerecht sein mag, dass wir flimsigen Hylianer noch hier stehen, weit über unsere Lebensspanne hinaus.“   Link schwieg.       ***     Der König empfing sie in aller Freundlichkeit, die viele der anderen Zora ihnen immer noch nicht wieder ganz entgegenbringen konnten. Er erzählte, was sich im Dorf der Zora seit dem Fall der Verheerung Ganon getan hatte. Link verfolgte das Gespräch über den Stausee und Vah Ruta nur mit mäßigem Interesse – er war in solchen Dingen nicht versiert. Alles, was er über Vah Ruta wissen musste, war, dass der kühne Recke, der das riesige Ungetüm gesteuert hatte, endlich seinen Frieden gefunden hatte und nicht länger als flüchtiges Abbild seiner Selbst in dieser Welt harren musste. Mipha war fort. Sie musste nicht mehr einsam und verzweifelt sein. Es war gut. Link war dennoch nicht glücklich.   „Wenn es für Euch in Ordnung ist, werden wir einige Tage bleiben. Ich möchte wirklich sichergehen können, dass ich genug Zeit habe, Vah Ruta gründlich zu inspizieren. Es mag keinen schwerwiegenden Grund haben, dass es zum Stillstand kam, aber es ist besser, wenn wir sichergehen.“ Der alte Zora-König lächelte, wobei Falten sein Gesicht zerfurchten. „Es ist mir eine Freude, wenn Ihr bleibt, Prinzessin – Gleiches gilt natürlich auch für Euren Begleiter. Miphas Freunde sind mir immer gern gesehene Gäste. Sie wäre gewiss nicht zufrieden mit ihrem alten Vater, wenn ich Euch einfach wieder fortschicke.“ Zelda lachte sanft. Es war alle Überleitung, die sie brauchte, um eine Anekdote aus ihrer Bekanntschaft mit Mipha zu erzählen.   Inzwischen hörte Link aufmerksam zu.   Er kannte Mipha. Er kannte einige der Anekdoten, die Zelda erzählte, vor allem aus der kurzen Zeit, die alle Recken gemeinsam miteinander verbracht hatten. Einige wenige Erzählungen waren ihm neu. Jede einzelne war bittersüßer Schmerz. Irgendwann hielt Zelda inne. Seufzte leise. „Mipha war ein wunderbares Geschöpf. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit ihr verbringen können, wie auch mit den anderen Recken.“ Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit Urbosa verbracht, klang in ihren Worten durch. „Zu gern hätte ich Euch heute mehr zu erzählen. Aber vielleicht kann Link die Lücken füllen, die meine Worte hinterlassen haben.“ Zeldas Blick war warm. Ermutigend. Links erster Impuls war trotzdem ein Kopfschütteln, das er nur mühsam unterdrücken konnte. Er wusste nicht, ob er das schaffte. Ob seine Stimme nicht am Ende zittern würde, oder sein Blick verraten, welchen Schmerz er fühlte. Doch hatte er eine Wahl? Mipha hatte ihre Familie so sehr geliebt. Er konnte ihrem Vater keine einzige Erinnerung vorenthalten, egal, wie schwer sie ihm über die Lippen kam.   „Einmal nahm sie mich bei Sonnenuntergang mit, um auf Vah Ruta zu reiten.“ Es war schwerer, als Link geglaubt hatte. Sein Hals schmerzte von der Anstrengung, Worte hervorzubringen. Es war jahrelange Übung, die seine Stimme trotzdem noch gefasst klingen ließ. „Sie nahm mir das Versprechen ab, sie wieder zu besuchen, wenn die Verheerung Ganon erst gebannt sei.“ Es war nie so weit gekommen. Link sah Traurigkeit in den Augen des Königs. Mit einem Mal wirkte er so viel älter noch, als er tatsächlich sein mochte. Unvorstellbar alt, nach hylianischem Maßstab, doch nach Zora-Standards gemessen war er noch weit von seinem Totenbett entfernt.   Eine viel zu lange Zeit, um das eigene Kind zu überdauern.   „Sie war wirklich so vernarrt in dich. Ich habe ihr unzählige Male gesagt, dass das kein gutes Ende nehmen kann, aber sie wollte nicht auf mich hören.“ König Dorephan lachte. Es war ein lautes, dröhnendes Lachen voller Wehmut und Sehnsucht und ungeweinter Tränen – aber auch voll von väterlicher Liebe. „Sie konnte so ein Sturkopf sein. Unbeirrbar, wenn sie etwas unbedingt wollte. Dass sie dich sogar mit zu Vah Ruta genommen hat! Sidon konnte betteln, wie er wollte, Mipha wollte ihn nicht in die Nähe des Titans lassen.“ Mit einem Seufzen schloss der König die von Runzeln umrahmten Augen. Er schien sich in Erinnerungen zu verlieren, und er war nicht der Einzige. Link erinnerte sich noch viel zu gut an diesen einen Sonnenuntergang. An Miphas Versprechen, dass sie immer für ihn da sein würde, um ihn zu heilen, wenn er sich wieder einmal verletzte. An ihre Bitte, dass er wiederkommen möge. Ihr Lächeln. Ihre sanfte Stimme, die von einer lauen Brise übers Wasser hinaus in die Ewigkeit getragen wurde. Sie war schön gewesen im schwindenden Licht der Abendsonne.   Das Kopfschütteln von König Dorephan riss Link wieder aus seinen Gedanken. Der alte Zora öffnete die Augen wieder, sah ihn direkt und eindringlich an. „Oft habe ich mich gefragt, ob die Gefühle meiner Tochter erwidert wurden oder nicht.“   Es war das erste Mal, dass Link nicht aus eigener Entscheidung heraus nicht antwortete, sondern weil seine Kehle so sehr zugeschnürt war, dass er nicht einmal mehr Luft bekam, geschweige denn ein Wort hervorbrachte.   Ich habe sie geliebt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)