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Vorwort zu diesem Kapitel:
Die FF kann man etwa in der 8. Staffel ansiedeln.

Kritik oder Hinweise sind gern gesehen.

Nun viel Spaß :) Komplett anzeigen

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Zu träge um aufzugeben.

Lange starrte Dean in die blauen Augen seines Gegenübers. Er wandte den Blick nicht ab, blinzelte nicht einmal, auch wenn die Wände um sie herum wackelten. „Cas! Lass es fallen! Ich sag es nicht noch mal.“

„Dean… Du weißt, es geht nicht anders. Es tut-…“

„Dir leid, schon klar“, beendete Dean den Satz kühl. Castiel trieb ihn mal wieder in den Wahnsinn. „Cas, du musst das nicht machen. Wir finden einen anderen Weg, wie immer.“ Er bemerkte das kurze, unsichere Flackern in Castiels Augen. Normalerweise strahlten sie indigoblau, aber heute erschienen sie ihm grau.

„Diesmal nicht, fürchte ich.“ Castiel senkte den Blick, sein Körper war nach wie vor angespannt. Die Hand klammerte sich fest an das Messer. Er würde es nicht los lassen. „Ich habe viele Fehler gemacht. Ich will keinen weiteren mehr machen. Und hiermit kann ich euch retten.“ Er blickte auf. „Dich retten.“

Dean öffnete den Mund, wollte weiter auf Castiel einreden. Ihn davon überzeugen, dass er das verdammte Messer endlich fallen lassen sollte. Doch der Engel stach zu.

„Nein nein nein!! Cas, nein!“

Hilflos musste Dean zusehen, wie die Klinge sich in Castiels Fleisch bohrte und der Engel aufleuchtete. Kein weiteres Wort kam diesem über die Lippen, kein Schrei, nichts.

Castiel starb.

Nach nur wenigen Sekunden verging das Leuchten, und die Hülle des Engels sackte zusammen. Schlagartig wurde es still, der Boden hörte auf zu beben.

Dean stürzte zu Castiel auf die Erde, griff nach dem leblosen Körper. Auch wenn ihm klar war, dass dies nur die Hülle des Engels war, zog er diese in seinen Arm. Er brauchte den Körper, um zu begreifen. Er brauchte das in seinen Armen, was von dem Engel übrig geblieben war.

„Cas…“

Er schloss kurz die Augen und versuchte, sich zusammenzureißen.
 

„Dean!“ Die Tür flog auf und Sam kam herein gestolpert. „Dean, bist du-…“ Sam hielt inne, als er Castiel in den Armen seines Bruders sah. Wie angewurzelt blieb er stehen, seine Augen weiteten sich. Er wechselte einen Blick mit Dean, starrte dann wieder auf den leblosen Körper.

Dean schluckte, dann ließ er die Hülle los und stand langsam auf. „Er hat uns gerettet“, erklärte er leise. „Uns alle. Nur nicht sich selbst.“

Sam hob den Blick. „Wir hätten doch einen Weg gefunden. Wie immer.“

„Das hab ich ihm auch gesagt. Aber dieses Mal wollte er nicht hören…“ Dean strich sich über das Gesicht und blickte wieder zu dem reglosen Körper am Boden. „Ich glaub das einfach nicht…“

Sam trat dichter an sie beide heran und seufzte. „Was machen wir mit ihm? Verbrennen?“

Dean schloss erneut die Augen, seine Lippen zitterten leicht. Es fiel ihm schwer, Sam jetzt nicht anzuschreien. Darüber, was sie nun mit dem Körper anstellen sollten, wollte er jetzt nicht nachdenken, aber das konnte er sich nicht erlauben. „Wir vergraben ihn“, meinte er schließlich.

Sam sah ihn lange an, sagte aber nichts, auch wenn er die Entscheidung offenbar anzweifelte.

„Hat sich draußen alles beruhigt?“, erkundigte sich Dean schließlich, woraufhin Sam eine Schulter hob.

„Es scheint so. Wir sollten uns umgucken, sobald wir… Sobald wir Castiel begraben haben…“

Ein kalte Hand schloss sich um Deans Herz, welches wild in seiner Brust schlug. Castiel begraben? Was für ein absurder Gedanke. Es war nicht das erste Mal, dass er glaubte, dass der Engel tot war – doch dieses Mal fühlte es sich endgültig an. Es war endgültig.

Auch wenn Sam direkt neben ihm stand, ließ er für einen Moment die Schwäche zu und vergrub das Gesicht in den Händen. „Oh Gott…“

Schon sehr lange schleppte er dieses Gefühl mit sich herum – Angst vor Verlust. Schon immer hatte er es gefühlt, wenn er an seinen Bruder dachte. Ständig hatte er Angst, dass dieser sterben würde. Irgendwann war es auch bei Castiel so gewesen. Mit der Zeit war der Engel ein Teil von ihnen geworden – und es war schnell klar geworden, dass auch Engel nicht unsterblich waren. Seitdem hatte er auch um ihn Angst gehabt. Es war manchmal kaum auszuhalten. Jetzt, wo Castiel sie tatsächlich verlassen hatte, überwältigte ihn das Gefühl. Es betäubte ihn beinahe, so sehr schmerzte es.

„Cas…“ Dean atmete tief durch, während er Sams warme Hand tröstend auf seiner Schulter spürte.

„Wo sollen wir ihn begraben?“, fragte sein Bruder leise, woraufhin Dean sich zu dem Engel hockte.

Für einen Moment ließ er den Blick über den toten Körper gleiten. „Direkt hier“, murmelte er und zog die Klinge aus dem Fleisch. Würde ihm je wieder ein Engel über den Weg laufen, würde er ihn damit erstechen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Die Engel waren schuld an Castiels Tod. Am Ende waren es diese Biester, die ihnen das angetan hatten. Ihr Hass auf Cas ging sogar so weit, dass sie die halbe Erde vernichtet hätten, nur um ihn zu kriegen – ob tot oder lebendig. Und im Endeffekt hatten sie bekommen, was sie wollten. Während Dean und Sam verzweifelt versucht hatten, sowohl ihren Engel als auch den ganzen Kontinent vor der Gewalt der himmlischen Schar zu retten, hatte Castiel nur einen Ausweg gesehen: sich selbst zu opfern. Die Engel nicht weiter zu reizen und herauszufordern. Dean war kotzübel vor Zorn. Aber es war vorbei. Erstmal.
 

„Bist du soweit?“, fragte Sam nach einer Weile zögerlich und riss ihn somit aus seinen Gedanken.

„Nein“, erwiderte Dean, hob den leblosen Körper dennoch auf die Arme. „Lass uns das hinter uns bringen.“

Sam nickte und öffnete ihm die Türen. Castiels Hülle war schwerer als gedacht, aber Dean schaffte den Weg problemlos hinaus.

Sie befanden sich auf einem Fabrikgelände in Kansas. Hierher hatten jene Engel sie gelockt., die von Rafaels Anhängerschaft übrig geblieben waren. Sie hatten Castiel endgültig aus dem Weg schaffen wollen und dieser war letztendlich so unter Druck geraten, dass er sich selbst geopfert hatte. Sicher eine selbstlose Geste, und dennoch war Dean unzufrieden. Eine geliebte Person zu verlieren, hatte er schon immer schwer akzeptieren können. Er musste immer bis zum Ende kämpfen und alle Möglichkeiten ausschöpfen. Dieses Mal hatte Castiel ihn jedoch nicht gewähren lassen. Dieser dumme Engel…

Theoretisch war die Welt nun wieder in Ordnung. Sie drehte sich weiter – nur ohne Castiel. Daran würde er sich schon irgendwie gewöhnen. So wie bei Bobby. Es musste ohne die beiden weitergehen.
 

„Dean, lass mich helfen.“

Er hielt inne und blickte zu Sam, während er die Schaufel in die Erde stach. „Ich komm klar, Sam“, erwiderte er und stemmte die Hände in die Hüften. Mit einem Blick deutete er seinem Bruder an, zu verschwinden.

„Dean… Bitte. Cas‘ war auch mein Freund, okay? Ich will… Lass mich helfen.“

Leicht runzelte Dean die Stirn und sah Sam für einen langen Moment an. Ja, sein Bruder hatte Recht. Castiel hatten ihnen beiden immer wieder geholfen. Bedingungslos. Sie beide hatten ihn verloren. Dean war nicht der Einzige, der tiefe Trauer empfand.

„Schnapp dir ne Schaufel“, murmelte er daher schließlich, bevor er selbst wieder nach seiner griff und weiter das Grab aushob. Die Sonne ging bereits langsam unter. Castiels Hülle lag nur wenige Meter von ihnen entfernt, ein schmutzig-weißes Leinentuch bedeckte den toten Körper. Dean hätte den Blick sonst nicht abwenden können. Es fühlte sich falsch an. Surreal. Er erwartete, dass Castiel jeden Augenblick hinter ihm stand. Mit ihm redete. Wiederauferstand. Wie es schon das ein oder andere Mal geschehen war. Sie hatten ihn verloren geglaubt. Doch irgendwann war er zurückgekehrt.

Ob dies jedoch erneut passieren würde, daran zweifelte Dean. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.
 

Es war dunkel, als sie Castiels Hülle begraben hatten. Schweigend saßen Dean und Sam vor dem improvisierten Grab und starrten hinauf in den Nachthimmel.

„Dann sind wir jetzt wohl auf uns allein gestellt“, murmelte Sam leise.

„Ja… Kein himmlischer Beistand mehr. Kein Bobby…“ Dean schluckte, rang sich dann ein mattes Lächeln ab. „Hey, wenn wir mal in Schwierigkeiten stecken, gibt es noch Garth.“

Sam schnaubte mit einem schwachen Grinsen auf den Lippen. „Ja… Na ja. Mal sehen.“ Er griff nach der Bierflasche zwischen seinen Beinen und hob sie in Deans Richtung.

Sie stießen an. „Auf Cas…“ Deans Blick wanderte wieder nach oben. „Ich hoffe, dir geht’s gut da oben. Und dass du deinen Frieden gefunden hast.“ Auch er nahm einen großen Schluck von dem Bier. Eigentlich hätte er etwas Stärkeres gebraucht, aber so etwas hatten sie nicht dabei.

„Danke, Cas“, fügte Sam leise hinzu. „Für alles.“ Langsam stand sein Bruder auf. „Ich warte am Auto auf dich.“

Dean nickte und leerte sein Bier, dann starrte er noch mal eine Weile auf das kleine Kreuz aus Holz, dass sie in Eile gebastelt hatten. „Du hast die Welt gerettet, Cas. Aber… Es fühlt sich immer noch wie das Ende an.“

Seufzend stand er auf, warf einen letzten Blick hinauf zu den funkelnden Sternen. Er fühlte sich wirklich verlassen von Castiel. Da war nicht mehr dieses unterschwellige Gefühl, bewacht zu werden. Er brauchte nicht mal versuchen, den Engel zu rufen. Auch ohne diesen verzweifelten Versuch wusste er, dass Castiel nicht erscheinen würde. Es ging nicht.

Dean atmete tief durch. Es war schwer, aber er würde mit der Tatsache umgehen können, keinen Engel mehr an seiner Seite zu haben. So viele Freunde hatte er bereits verloren. Nun auch Castiel. Verlust war er doch mittlerweile gewohnt. Oder nicht?
 

„Mach dir keine Sorgen, Cas. Wir kommen klar. Ich bin viel zu träge, um aufzugeben. Es wär‘ auch zu früh. Weil immer was geht…“, sagte Dean leise, während er das Grab betrachtete. „Mach’s gut.“ Er hob die Hand zum Abschied, dann folgte er Sam zu dem Impala. Es war Zeit, nach Hause zurückzukehren. Und sich dann wieder ihrem Auftrag zu widmen. Sie mussten schauen, was aus der Welt geworden war.
 

***

Ich kann nicht mehr sehen

Trau nicht mehr meinen Augen

Kann kaum noch glauben

Gefühle haben sich gedreht

Ich bin viel zu träge

Um aufzugeben

Es wär' auch zu früh

Weil immer was geht

- Herbert Grönemeyer. Der Weg.
 

Die Falle schnappt zu.

Geräuschvoll schlug Dean die Tür des Kühlschranks zu, bevor er sein Bier öffnete. „Und Sam, was hast du gefunden?“ Er wandte sich zu seinem Bruder um, der am Küchentisch vor seinem Laptop saß.

Zögernd sah Sam zu ihm auf. „Nichts. Absolut gar nichts.“

Verwirrt starrte er ihn an. „Wie, nichts?“

„Na ja… Keine merkwürdigen Vorkommnisse, die man nicht erklären kann. Hier und da ein Mord oder Selbstmord… Zwei Angriffe von Wildschweinen am Stadtrand. Ich meine, es ist nichts Auffälliges in der letzten Woche passiert.“

Dean setzte sich ihm gegenüber und schüttelte den Kopf. „Das gibt’s doch nicht. Wir halten jetzt seit sieben Tagen die Augen offen, aber es gibt keinen Job für uns. Es ist ja nicht so, als hätten wir die Dämonen weggesperrt. Und dass die Engel uns mal zur Abwechslung helfen und der Welt die Dämonen vom Hals halten, das halte ich für äußerst unwahrscheinlich.“ Für einen Moment presste er die Lippen aufeinander. „Ich wünschte, mir würde so ein dreckiger Engel über den Weg laufen, den ich abstechen kann.“

„Dean“, seufzte Sam und sah ihm in die Augen. „Das bringt doch nichts.“

„Oh doch, das weißt du. Rafaels Anhänger gehören endgültig aus dem Weg geräumt. Wenn Cas doch wieder kommt…“ Er hielt inne und senkte den Blick, starrte die Bierflasche in seiner Hand an. „Ach, vergiss es.“ Er konnte es nicht aussprechen: dass Castiel ja eh nicht zurückkommen würde.

Sam sah ihn nur traurig an, dann klappte er seinen Laptop zu. „Wir sollten uns bei Garth melden. Vielleicht hat er einen Job für uns.“

Dean hatte nicht wirklich Lust darauf, den verrückten Jäger zu fragen, aber es wäre besser, als hier zu versauern und nichts zu tun. „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Er erhob sich, nachdem er sein Bier geleert hatte. „Ich werd mich hinlegen.“
 

Nach wie vor befanden sie sich in Rufus Hütte, auch wenn das Gebäude fast auseinander fiel. Lange würden sie hier nicht mehr bleiben können. Jedoch hatten sie leider kein anderes Zuhause.

Aus dem Wohnzimmer schnappte er sich eine Flasche Whiskey, dann betrat er sein Schlafzimmer und schloss die Tür. Nachdenklich setzte er sich auf das alte Bett. Es war dringend nötig, dass er sich in Arbeit stürzte, sonst würde er bald verrückt werden. Er vermisste Castiel. Auch bei Bobby war es damals unerträglich gewesen, aber immerhin hatten Sam und er genug um die Ohren gehabt, um sich von ihrer Trauer ablenken zu können.

Mit einem leisen Seufzen auf den Lippen öffnete er die Whiskeyflasche und nahm direkt daraus einen großen Schluck, der ihn langsam wärmte. Ohne den Alkohol fiel es ihm schwer, einzuschlafen.
 

Spät in der Nacht quälte ihn ein Albtraum. Lilith und Ruby hatten Sam und ihn in ihrer Gewalt. Es gab kein Entkommen. Niemanden, der ihnen half. Zwar war Dean bewusst, dass er träumte, aber das machte nichts besser. Er wollte nur noch aufwachen. Nicht mehr diese schrecklichen Gesichter sehen, den Schmerz und die Angst ertragen. Er war sich sicher, erst im Traum durch die Hand Liliths oder Rubys sterben zu müssen, bevor er aufwachen durfte. Tatsächlich näherte sich ihm Ruby mit ihrem ekelhaft überheblichen Lächeln. „Wenn du denkst, du hättest mich getötet, dann irrst du dich. Ich werde immer wieder kommen. Ganz im Gegensatz zu deinem Lieblingsengel. Der wird nie wieder kommen.“

Dean erstarrte. Sein Unterbewusstsein wollte ihn wirklich quälen, was?

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, erklang plötzlich eine vertraute Stimme und Ruby wurde von ihm weg gerissen.

„Cas?!“
 

Dean schreckte auf. Hastig blickte er sich in seinem Zimmer um, das vom Mondlicht erhellt wurde. Kein Engel. Kein Castiel. Dabei hätte Dean schwören können, den Engel gespürt zu haben. Ganz in seiner Nähe.

Langsam atmete er aus. Wurde er verrückt? Oder ging es jetzt wieder so wie nach dem Fegefeuer los? „Man…“ Fluchend stand er vom Bett auf. Er brauchte dringend einen Job.
 

„Dean, glaubst du nicht, dass das verschwendete Zeit ist?“

Er warf Sam einen genervten Blick zu. „Jetzt sind wir schon auf dem Weg. Ist ein bisschen spät, um umzukehren, oder?“ Er konzentrierte sich wieder auf die Straße und befeuchtete seine Lippen. „Es könnte wirklich was sein, Sam. Die Vampire und Geister werden ja nicht plötzlich verschwunden sein. Vielleicht…gehen sie vorsichtiger vor. Oder die wenigsten haben noch Lust, Ärger zu machen. Was weiß ich.“ Er zuckte mit den Schultern.

Sam brummte und sah wieder in die Akte, die sie für den möglichen Fall angelegt hatten. Zugegeben, es war ungewöhnlich, dass in einer Kleinstadt an zwei Tagen zwei Menschen das Herz heraus gerissen wurde – aber was sollte das gewesen sein? Wieder ein verrückter Maya-Zauber? Gemein war den Toten, dass sie im gleichen Mietshaus gelebt hatten. Mehr würden sie vor Ort herausfinden.
 

„Sag mal…“, sprach Sam ihn wenig später erneut an. „Was machen wir jetzt eigentlich? Ich meine, abgesehen von unseren kleinen Jäger-Aufträgen?“

„Ich weiß nicht, wie es mit dir aussieht, aber ich hab ein verdammt großes Hühnchen mit den Engeln zu rupfen“, murrte er Dean und warf ihm einen kritischen Blick zu, der besagte „Was sonst?!“

„Ja…“ Sam fuhr sich durchs Haar. „Meinst du, sie rennen hier noch rum? Schließlich haben sie Cas erledigt. Für sie gibt es eigentlich keinen Grund mehr, hier Unruhe zu stiften. Vielleicht haben sie sich wieder verzogen und alles ist, wie es vorher war… Ich meine, bevor das mit der Apokalypse angefangen hat.“

Dean zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich trau den Mistkerlen nicht. Es wäre zu schön, wenn sie einfach wieder dahin zurück gegangen sind, wo sie hergekommen sind.“ Er zögerte. „Ich will mich rächen, Sam. Ich will die Engel, die Cas das angetan haben, töten. Aber das wird nicht leicht. Vielleicht finde ich sie nie… Versuchen muss ich es allerdings.“

Sam nickte. „Ich bin dabei. Wenn uns einer über den Weg läuft, dann…beseitigen wir ihn. Die Frage ist nur…willst du sie suchen? Oder warten?“

Dean warf ihm einen kurzen Blick zu. „Wir können sie nicht finden, oder? Wir haben keinen Engel an unserer Seite, der helfen kann, geschweige denn will.“ Er sah wieder auf die Straße. „Ich bin mir sicher, dass wir im Laufe der Zeit noch den ein oder anderen Engel zu Gesicht bekommen. Und gnade ihm Gott, wenn er was mit Rafael zu tun hatte.“ Seine Finger verkrallten sich regelrecht im Lenkrad. Immer wenn er diesen Namen aussprach, wurde ihm kotzübel. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sich das alles mit diesem Engel erledigt hatte. Aber es gab Brüder und Schwestern, die das Geschehene nach wie vor nicht witzig fanden. Ganz und gar nicht. „Ich frage mich, was die Engel machen, die Rafaels Anhänger waren. Ob sie jetzt jemand Anderem folgen…“, murmelte Dean mehr zu sich selbst, als zu Sam. Sein Bruder sah ihn eh nur ratlos an. Es gab nach wie vor einige unbeantwortete Fragen. Nur ohne Castiel wurde es beinahe unmöglich, sie schnell zu beantworten. Falls sie es überhaupt schaffen würden.
 

In Ovando, Montana, angekommen, checkten sie als erstes in einem kleinen Motel am Rande der Kleinstadt ein. „Man, das ist die kleinste Stadt, in der wir je waren, oder?“, meinte Sam, während er sich auf das Bett setzte.

„Tja, wer oder was auch immer hier mordet – er ist ganz schön dumm. Hier spricht sich alles schnell herum“, erwiderte Dean, der am kleinen Tisch Platz genommen hatte und Pommes aß.

Sam klappte seinen Laptop auf und schwieg für ein paar Minuten, dann runzelte er die Stirn. „Hör dir das an: Es gibt einen dritten Toten. Heute tot aufgefunden, rate mal wo.“ Dean blickte seinen Bruder nur fragend an. „Im selben Mietshaus wie die beiden anderen Opfer.“

„Ha…“ Dean lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. „Ihm fehlt auch das Herz?“

„Ja.“

„Also… Was soll das? Das ist so auffällig, dass…“

„Es zum Himmel stinkt?“, beendete Sam seinen Satz, woraufhin Dean eine Schulter hob.

„Es ist schon merkwürdig. Wenn das dieser Maya-Scheiß wäre, dann würden doch nicht gleich drei Personen innerhalb von kurzer Zeit die Herzen entrissen.“

„Genau.“ Sam verschränkte die Arme. „Sie opfern jährlich nur zwei Menschenherzen. Es passt also nicht. Was läuft da? Was ist es dann?“

„Puh… Das finden wir schon noch raus“, erwiderte Dean eher unbekümmert. Auf jeden Fall waren es schon mal keine Engel. Schade eigentlich.

„Ich wüsste nur gern, worauf ich mich einstellen muss. Wie ich mich vorbereiten kann“, murmelte Sam und klappte den Laptop zu. Es war Zeit, schlafen zu gehen.
 

Auch wenn sein Bruder im Bett neben ihm lag, griff Dean zum letzten Schluck billigen Fusels, den er noch hatte. Sonst würde er auch heute keinen Schlaf finden, anstehende Arbeit hin oder her. Rasch spülte er das brennende Zeug die Kehle runter, dann legte auch er sich schlafen. Es dauerte, bis ihn die Müdigkeit übermannte, und dann hatte der Schlaf wieder nichts als Alpträume übrig.

Wieder irgendwelche Sackgesichter aus der Hölle, die sie bekämpft hatten. Manche hatten sie tatsächlich getötet, andere liefen noch frei herum. Diesmal handelte es sich um Alastair, der Sam und ihn gefangen hielt. Und wieder würde der Traum erst enden, wenn Dean starb. So war es schon seit vielen Nächten. Langsam wurde er es leid, aber er konnte schlecht etwas dagegen unternehmen.

„Wie wäre es, Dean? Erst schlitze ich deinen kleinen, hübschen Bruder auf, und dann zieh ich dir die Haut vom Leib. Stückchen für Stückchen. Ich denke, das klingt fair“, raunte Alastair, nahm das Messer von seiner Kehle, welches ihn spielerisch gestreift hatte.

„Lass deine Finger von ihm!“, begehrte Dean auf, aber im nächsten Moment war es schon geschehen – der Dämon hatte Sam ohne weiteres die Klinge in die Brust gestoßen, drehte das Messer dann genüsslich im Fleisch. Sein Bruder schrie auf, verstummte dann erschreckend schnell.

Dean konnte den Blick von Sams reglosem Körper nicht abwenden, während Alastair langsam wieder zu ihm kam. „Und jetzt bist du dran. Aber da lasse ich mir mehr Zeit“, versprach der Dämon und kam ihm erneut mit dem scharfen Messer entgegen, wollte sich an ihm zu schaffen machen. „Wie lange habe ich darauf gewartet, dich endlich in deine Einzelteile zu zerlegen…“

„Und ich erst.“ Plötzlich wurde der Dämon beiseite geschleudert, weswegen Dean die Augen aufriss. Und er starrte direkt in Castiels Gesicht.

„Cas!?“
 

„Man, was war denn mit dir los?“ Sam gähnte, während sie sich dem Polizei Departement der Stadt näherten.

„Hast du noch nie einen Alptraum gehabt?“, erwiderte Dean gereizt und blickte seinen Bruder böse an.

„Doch, aber ich bin deswegen noch nicht schreiend mitten in der Nacht aufgewacht. Und…“ Sam zögerte für einen Moment, sah ihn dann mitfühlend an. „Dann auch noch mit Cas‘ Namen auf den Lippen.“

„Oh, komm schon.“ Dean verdrehte die Augen. „Du hast dich verhört, okay? Also, Dr. Freud, können wir uns jetzt auf den Fall konzentrieren?“

Sam seufzte nur. Bestimmt ahnte er, dass etwas im Busch war, aber fragte nicht weiter nach. Es brachte in der Regel nichts, auf Dean einzudringen.
 

Im Polizei Departement herrschte geschäftiges Treiben. Den Chief erreichten sie gerade noch so. „Tut mir leid, meine Herren. Wir werden uns auf dem Weg unterhalten müssen. Es gibt eine vierte Leiche“, informierte dieser sie, nachdem sie angekommen waren.

Überrascht folgten sie dem älteren Mann hinaus. „Wo wurde die Leiche denn gefunden?“

Der Chief sah sie ernst an. „Wieder in diesem Mietshaus. Das Herz bei lebendigem Leib herausgerissen.“
 

Es war früher Abend, als die Winchesters zum Motel zurückkehrten. Dean lockerte seine Krawatte. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Es sieht fast so aus, als wolle da jemand ganz dringend Aufmerksamkeit. Welches Wesen legt es so sehr darauf an?“

Stirnrunzelnd öffnete Sam die Tür. „Merkwürdig ist auch, dass die Herzen einfach immer in der Nähe des jeweiligen Opfers gefunden wurden. Worauf hat es das Ding also eigentlich abgesehen? Kein Körperteil und keine Innerei war angeknabbert, es wurde kein Blut ausgesaugt. Nichts geklaut und die Bewohner hatten keine offensichtlichen Feinde. Ich versteh das nicht.“

„Ich auch nicht, Sammy…“ Genervt zog Dean sich um und schlüpfte in seine legere Kleidung. „Ich hol uns noch was zu essen, okay? Brauchst du was bestimmtes?“

Sam zuckte mit den Schultern. „Wie immer.“

Dean nickte und verließ das Motel. Irgendwas sehr Merkwürdiges ging hier vor sich. Er kramte nach seinem Autoschlüssel und blieb vor dem Impala stehen. Gerade wollte er den Wagen aufschließen, als die Falle zuschnappte.
 

***

to be continued.

Leuchten

Dean hatte gar keine Zeit, nach einer Waffe zu greifen. Unvermittelt legte sich eine Hand auf seine Schulter und im nächsten Moment flog er durch die Luft. Erst das kleine Häuschen für die Parkgebühren stoppte den unwillkürlichen Stunt. Ihm wurde die Luft aus den Lungen gepresst, bevor er zu Boden fiel. Gerade wollte er nach seiner Engelsklinge greifen – ohne die ging er schon lange nicht mehr aus dem Haus – aber sein Gegenüber war schneller. Eine Geste und das Messer rutschte unter eines der parkenden Autos.
 

Dean blickte auf. Nicht zu fassen. Ein Engel. Der akkurate, marineblaue Anzug sagte alles. „Hallo, Winchester. Wir haben dich gesucht“, sprach der Kurzhaarige ihn an. Er sah überhaupt nicht amüsiert aus.

Ächzend stand Dean auf. „Was verschafft mir die Ehre?“, erkundigte er sich, während er überlegte, wie er an die Engelsklinge kommen sollte. Ohne sie würde er diesen dreckigen Engel nicht aus dem Weg räumen können.

Der Unbekannte lächelte ihn hochmütig an. „Castiel.“ Bei der Erwähnung dieses Namens horchte Dean auf. Was sollte das denn bedeuten? „Sozusagen“, fuhr der Engel fort und machte eine vage Geste, lächelte dabei süffisant.

„Wie-…?“, setzte Dean zur nächsten Frage an, doch der Engel hob die Hand und plötzlich konnte er nicht mehr weitersprechen. Verwirrt verstummte er also notgedrungen, griff sich instinktiv an die Kehle, aber natürlich brachte es nichts.

„Ah ah ah. Sendepause. Ihr Winchesters redet immer so viel.“ Der Engel verdrehte die Augen, dann wurden sie schmal. „Ihr und Castiel, ihr wart Verbündete. Und wir werden jeden kläglichen Rest dieser Anhängerschaft auch noch auslöschen. Schließlich soll sich dieses Unglück nicht wiederholen.“

Deans Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. Dieser elende Mistkerl! Wie gern hätte er ihm jetzt ein paar schöne Schnitzereien mit seiner Engelsklinge verpasst, aber das Ding lag weit weg unter einem SUV. Da er nicht reden konnte, um den Engel abzulenken, blieb ihm nur eines, auch wenn es dumm und von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
 

Entgegen des gesunden Menschenverstandes setzte Dean sich in Bewegung, rannte so schnell es ging in Richtung des SUV, aber lange bevor er ihn erreichen konnte, wurde er unvermittelt durch die Luft gewirbelt. Er knallte gegen einen Kleinwagen zwei Reihen weiter. Gequält stöhnte er auf, schmeckte Blut im Mund. So ein verdammter Mist! Wo war Sam? Hörte dieser den Lärm nicht? Oder…steckte er selbst in Schwierigkeiten?

Langsam kam der Engel auf ihn zu, blickte höhnisch auf ihn hinab. „Lass das sein.“ Wieder eine Geste und Dean wurde von einer unsichtbaren Kraft fest auf den Boden gedrückt. „Normalerweise würde ich es begrüßen, dass du dich wehrst. Das macht einfach mehr Spaß. Und viel zu gern würde ich dich langsam mit meinen eigenen Händen erwürgen und dabei zusehen, wie du blau anläufst und erstickst.“ Der Mann hob einen Fuß und presste ihn schmerzhaft gegen Deans Kehle. „Aber an dir mache ich mir nicht die Finger schmutzig. Genug Engel hatten mit euch Probleme.“

Dean gab nur ein röchelndes Geräusch von sich und versuchte, die Hände zu heben, um diesen grässlichen Fuß auf seiner Kehle loszuwerden, aber noch immer hielt ihn die Engelskraft gefangen. Wie sollte er aus dieser Nummer herauskommen? Sprechen konnte er ebenfalls nicht mehr. Ein splitterndes Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Das kam vom Motel! Bestimmt ein anderer Engel, der mit Sam kämpfte.

Langsam drehte der Unbekannte über ihm den Kopf in Richtung der Zimmer, dann grinste er leicht. „Endlich haben wir euch.“ Er blickte wieder zu Dean und hob die Hand, woraufhin sich alles in seinem Inneren zu verknoten schien. Ihm wurde siedend heiß und er musste würgen. „Castiel zu unterstützen war so töricht. Mit seinen Taten kam er nicht so einfach davon, und ihr werdet es auch nicht.“ Dean presste nur die Lippen fest aufeinander. Was der Engel über Castiel dachte, wollte er gar nicht wissen. Die Engel waren für ihn alle nur Abschaum – bis auf Castiel. „Ich frage mich wirklich, was in diesem gefallenen Engel vorging. Er kann doch nicht wirklich geglaubt haben, dass er so einfach den Himmel unterwerfen kann? Dass Menschen ihm helfen können?“ Der Engel schnaubte. „Castiel ist wohl schon immer aus der Reihe getanzt, seit er geschaffen wurde. Aber seit er euch begegnet war, ging es für ihn und den Himmel, den er angeblich retten wollte, nur noch bergab. Die Welt…der Himmel…Wir sind alle besser ohne ihn dran.“ Der Engel beugte sich etwas zu ihm hinab, der Schuh drückte immer härter gegen Deans Kehle, weswegen er nur noch röchelnd einatmen konnte. Er erstickte hier langsam. Am Rande seines Blickfelds begannen bereits schwarze Punkte umher zu tanzen. „Weißt du was? Der Tag, an dem Castiel das einzig Richtige tat und sich endlich umbrachte, das ist mittlerweile ein Feiertag im Himmel“, zischte der Engel, während Dean ihn finster anstarrte. Seine Blicke waren das einzige, was dem Engel noch mitteilen konnte, wie er von dessen Meinung dachte. „Und der Tod der Winchesters, euer Tod, wird ebenfalls ein großer Tag zum Feiern werden. Ich werde ein Held sein.“

Dean knurrte nur, während er langsam das Leben aus seinem Körper weichen spürte. Verdammt, Sammy… Hatte sein Bruder ebenfalls so ein Pech? Sollte es das hier wirklich schon gewesen sein? Und dann auch noch besiegt von einem miesen Engel?! Wie so viele seiner Kollegen gab auch dieser hier nur Bullshit von sich. Keiner wusste, was wirklich passiert war – keiner wollte es wissen. Castiel hatte Unruhe gestiftet, ja, aber er hatte immer versucht, das Richtige zu tun. Er hatte die Engel befreien wollen. Leider hatten viele das gar nicht gewollt. Aber das war eine andere Geschichte und die konnte er mit diesem gefiederten Arschloch nicht diskutieren. Der glaubte eh nur das, was ihn am besten in den Kram passte.

Langsam fielen Dean die Augen zu. Er hatte einfach keinen Sauerstoff mehr. „Ich hoffe für dich, dass du über Durchhaltevermögen verfügst. Denn du wirst nicht im Himmel landen, das verspreche ich dir“, murrte der Engel, starrte mit kalten Augen auf ihn herab. Zu gern hätte Dean ihm die Meinung gegeigt, aber mehr als einige unverständliche Laute kamen ihm nicht mehr über die Lippen.

Nun hob der Kerl interessiert tuend die Augenbrauen. „Irgendwelche letzten Worte?“

Dean spürte, wie sich der Druck um seinen Hals etwas lockerte. Zornig starrte er hoch in die kalten Augen seines Gegenübers, holte röchelnd Luft. „Selbst, wenn ich in der Hölle lande, werde ich dich und deine verrückten Kumpels finden. Ich werde euch jede Feder einzeln ausreißen, ich werde jeden töten, der Cas in den Tod getrieben hat“, fauchte er, woraufhin ein amüsiertes Funkeln in die Augen des Engels trat.

„Aber natürlich. Ich fürchte mich jetzt schon.“ Und schon presste sein Gegenüber ihm mit aller Macht den Schuh gegen die Kehle, sodass es Dean direkt jegliche Luftzufuhr abschnürte.

„Ugh!“ Er konnte nichts tun, sich weder bewegen noch atmen, gar nichts. Gerade, als ihm erneut die Augen zufallen wollten, hörte er am Rande seiner Wahrnehmung ein vertrautes Geräusch: Flügelschlagen.

Im nächsten Moment begann der Engel über ihm zu leuchten, zu schreien. Weißes Licht strahlte Dean entgegen, ließ ihn die Augen zukneifen. Er spürte, wie die unsichtbare Kraft des Engels sofort nachließ, weswegen er sich den Arm vor das Gesicht hielt, um sich vor der Helligkeit zu schützen. Als er die Augen wieder öffnete, lag der Engel reglos auf dem Boden. Verwirrt sah er auf, sah jedoch nichts und niemanden. Lediglich ein weiteres Flügelschlagen hatte er wahrgenommen. Es konnte sich nur um einen weiteren Engel handeln. Ein Engel, der ihnen half? Das hielt Dean für so ziemlich unmöglich.

Ein Scheppern lenkte ihn ab. „Sam!“ Ächzend rappelte er sich auf und lief zu ihrem gemeinsamen Motelzimmer, dass er nur wenige Minuten zuvor verlassen hatte.
 

„Sam?!“ Ohne Waffe war er hinein gestürmt, hatte gar nicht daran gedacht, da seine Sorge um den Anderen zu groß war. Was er dann sah, ließ ihn an sich selbst zweifeln.

Sein Bruder kniete blutend am Boden, vor ihm stand ein leuchtender, ein sterbender Engel – und daneben stand Castiel, den Arm erhoben, die blauen Augen funkelten unnatürlich. Der Anblick lähmte Dean. Castiel war tot, mausetot. Die Hülle lag unter der Erde. Einen Engel konnte man nicht so einfach wieder zurückholen.

Auch Sam schien es ähnlich zu gehen. Sie beide starrten Castiel schweigend an, auch nachdem der fremde Engel, den er getötet hatte, leblos zur Seite gesackt war.

„C-Cas…?“, raunte Dean schließlich ungläubig, woraufhin dieser ihm langsam den Kopf zuwandte. Seine blauen Augen hörten auf, in diesem überspitzten Blau zu leuchten. Die Hände des Engels zitterten.

„Dean…“, setzte Castiel an, wollte auf ihn zugehen, doch dann begann er zu taumeln und brach auf dem Boden zusammen.

„Cas?!“ Verständnislos kniete er sich zu seinem Engel auf den Boden, warf Sam einen kurzen Blick zu. „Alles klar mit dir?“

Sein Bruder strich sich etwas Blut vom Mundwinkel und nickte. „Ja, schätze schon.“ Sam runzelte die Stirn und kniete sich ebenfalls zu Castiel. „Ist das…ist das wirklich Cas?“

Dean blickte den Körper verwirrt an. Er wusste es nicht. Unmöglich war in ihrer Welt natürlich nichts, aber Engel wurden nicht einfach zurückgeholt. Castiel war bisher die einzige Ausnahme gewesen – und es war jedes Mal fast sofort geschehen. Doch dieses Mal war er eine Weile tot gewesen. Und gerade weil Castiel bereits zwei Mal zurückgeholt worden war, schmälerte das doch die Chance, oder? Wie hoch war sie, dass Gott ein drittes Mal Lust hatte, ihn wiederauferstehen zu lassen? Oder war es diesmal jemand oder etwas anderes gewesen? Was war passiert?

„Cas?“ Er klopfte ihm gegen die Wange, rüttelte ihn an den Schultern. Er wagte es nicht zu glauben.

Der Engel stöhnte leise und öffnete wieder die Augen.

„Cas, bist du das wirklich?“, wollte Dean wissen, woraufhin sich ein Mundwinkel des Engels sachte hob, die Augen glitzerten, die Brauen zogen sich leicht zusammen. Beinahe wirkte er ebenso verunsichert wie Dean.

„Ich denke schon…“

Die Farm.


 

.oOo.
 

Fassungslos, und zu seinem eigenen Bedauern auch misstrauisch, starrte er auf den Engel hinab, den er tot geglaubt hatte. Sie hatten sich Castiel gegriffen und waren zum Impala gegangen, denn sie konnten nicht länger hier bleiben. Vielleicht würden noch mehr Engel kommen.

Castiel saß seitlich auf der Rückbank des Impalas, die Tür offen, Füße auf der Erde. Er hatte die Hände in den Schoß gelegt und starrte gedankenverloren vor sich hin, während Sam und Dean vor ihm standen und ihn eine Weile schweigend musterten.

Nach einigen Augenblicken räusperte sich Dean. „Was meintest du, Cass?“, erkundigte er sich. „Du denkst, du bist…du?“ Die Antwort des Engels hatte ihn verwirrt.

Castiel sah langsam zu ihm auf, Unsicherheit ließ seinen Blick flackern. „Es ist schwer zu erklären“, begann der Schwarzhaarige. „Ich… Ich bin immer noch Castiel, es ist nur… Etwas hat sich verändert.“ Er hob die Hände etwas an und betrachtete sie konzentriert. „Ich fühle mich anders. Stärker. Ich habe neue Kräfte, und an die habe ich mich offensichtlich noch nicht gewöhnt.“

Sam runzelte die Stirn. „Du meinst deinen Zusammenbruch?“

Castiel nickte. „Ja, das war nicht normal. Allerdings konnte ich bisher auch nie Engel töten, ohne sie anzufassen oder eine Engelsklinge zu benutzen.“

Prüfend blickte Dean den Älteren an. „Also wie jetzt? Bist du mit einem Upgrade auferstanden?“

Castiels Augenbrauen zogen sich zusammen, während er zu Dean hochsah. „Es sieht so aus. Ich weiß nicht einmal, was passiert ist.“ Abwesend befeuchtete der Engel die spröden Lippen. „Wir sollten jetzt erst einmal von hier verschwinden.“ Kurz schloss er die Augen, neigte den Kopf. „Ich glaube, es werden andere hierher kommen. Es wird auffallen, wenn Adrael und Rael sich nicht melden“, fügte er hinzu und blickte zu den Brüdern auf. „Ich bleibe bei euch.“

Dean wechselte einen kurzen Blick mit Sam, dann nickte er. „Na schön, lasst uns verschwinden.“ Castiel nickte und drehte sich, hob die Füße in den Wagen, bevor er die Autotür zuzog.
 

Deans Gedanken überschlugen sich. Er wusste gar nicht, worüber er zuerst nachdenken sollte. Das vertraute Grollen des Impalas vermochte es diesmal nicht, ihn zu beruhigen. Natürlich war er glücklich, Castiel zurückzuhaben – vermutlich war er das. Irgendwie fühlte er nichts in diesem Moment. Plötzlich war sein Freund, sein Bruder, wieder da. Aber wie? Dieser wusste es nicht einmal selbst. Nun waren auch noch Engel hinter ihnen her. Und irgendwas war mit Castiel passiert. Neue Kräfte? Wer hatte sie ihm verliehen?

„Und wohin jetzt?“, murmelte Dean schließlich an Sam gewandt, nachdem sie die Kleinstadt verlassen hatten. „Und was ist mit unserem Fall? Sollten wir nicht einem anderen Jäger Bescheid geben?“

Sam zögerte für einen Moment. „Ich denke nicht, dass es je einen Fall gab, Dean. Nicht im herkömmlichen Sinne.“

Verständnislos runzelte Dean die Stirn. „Wie bitte? Wie meinst du das?“

„Ich glaube, dass die Engel uns hergelockt haben. Diese Toten…die Herzen…alles wirkte präpariert, oder nicht? Jemand wollte Aufmerksamkeit – unsere.“

„Hmmm…“ Dean war davon nicht überzeugt, denn direkte Beweise für Sams Theorie hatten sie keine.

„Es war eine Falle“, meldete sich Castiel zu Wort, weswegen er einen Blick in den Rückspiegel warf. „Sie konnten euch nicht finden, wegen des Engelschutzes. Also haben sie sich finden lassen. Übernatürliches weckt ja euer Interesse.“

„Warum bist du dir da so sicher?“

„Und warum“, hakte Sam ein, „konntest du uns dann eigentlich finden?“

Ohne eine Miene zu verziehen erwiderte Castiel ihre jeweiligen Blicke. „Ich sagte doch, ich habe neue Kräfte.“

Deans Augen weiteten sich. „Also kannst du jetzt alles und jeden aufspüren? Egal wie geschützt man ist?“

Castiel zuckte nur mit den Schultern und begann, aus dem Fenster zu starren. Dean tauschte einen ratlosen Blick mit Sam aus. Vorerst würde es nichts bringen, weiter auf den Engel zu dringen. Das musste warten.

„Also? Rufus Hütte?“, fragte Dean seinen Bruder, welcher die Augenbrauen hob.

„Das ist ein ganz schönes Stück. Und…“ Er neigte den Kopf leicht in Castiels Richtung. Ihr Safe House befand sich zu weit weg. Sie mussten sich ausruhen und mit dem Engel reden und das konnte nicht so lange warten. Sam warf einen kurzen Blick auf sein Handy. „In ein paar Meilen sollte es eine verlassene Farm geben. Da können wir für einen Moment Unterschlupf finden.“

Dean nickte „Schön. Fahren wir dahin.“

„Es sind noch zehn Meilen. Rechte Straßenseite, ein Feldweg führt in den Wald und zur Farm“, meldete sich Castiel leise von der Rückbank.

„Dann bist du jetzt wohl Google Maps?“, hakte Dean nach, aber der Engel starrte schon wieder gedankenverloren aus dem Fenster und erwiderte nichts. Dean wurde das dumme Gefühl nicht los, dass sich Castiel nicht nur auf seine neuen Kräfte bezogen verändert hatte. Er war wieder so in sich gekehrt wie früher. Das war so lange her… Vielleicht hatte er etwas gesehen, etwas erlebt, das an ihm nagte?

Oder war er von etwas besessen? So absurd war der Gedanke nicht, denn der Engel hatte schon mal neben sich gestanden, als er unzählbar viele Seelen mitsamt Leviathanen in sich aufgenommen hatte. Früher oder später würde Dean mit ihm reden müssen, da kam er nicht drumrum. Auch wenn ihm solche Gespräche nicht lagen. Er mochte es nicht, in den Gefühlswelten anderer herumzuwühlen, und genauso hielt er es mit seiner eigenen: Davon hatte man sich fernzuhalten.
 

Wenig später hielt der Impala vor einem heruntergekommenen, schmutzig-weißen Farmhaus. Die Farbe der Dachschindeln war verblasst, der Rasen wucherte. Eine rot gestrichene Scheune befand sich direkt neben dem Haus, die Türen standen sperrangelweit offen. Hatte die jemand aufgebrochen?

Stirnrunzelnd schlug Dean die Fahrertür des Wagens zu, dann wandte er sich Sam und Castiel zu, die bereits auf das Farmhaus zugingen. Es war dunkel hier. Einzig der Vollmond erleuchtete die Farm.

Schnell und geschickt knackte Sam das Schloss der Haustür, welche sodann mit einem hörbaren Knarren aufschwang. Vorsichtig, mit gezogenen Waffen, betraten die Brüder den Flur. „Ihr könnt euch entspannen, hier ist niemand“, sagte Castiel schließlich, bevor er ihnen in das Haus folgte.

Dean warf ihm einen kurzen Blick zu, eine Augenbraue leicht erhoben, woraufhin der Engel die Stirn runzelte, leicht den Kopf neigte. Eine einfache Geste, die Dean für einen Moment von innen wärmte. „Ich irre mich nicht.“

„Schon klar…“, erwiderte Dean, während er seine Pistole wegsteckte.
 

Es war stickig und warm im Haus, die Luft abgestanden. Hier hatte seit Monaten niemand mehr gelüftet. Castiel setzte sich an den Küchentisch und schwieg, während Sam eine alte Camping-Laterne auf die Tischplatte stellte und einschaltete. Kaltes Licht erhellte den staubigen Raum.

„Man, was stinkt denn hier so…?“, murmelte Dean angewidert und sah sich um. Auf der Küchenzeile stand ein Teller mit irgendetwas Undefinierbarem. Er verzog das Gesicht, als er es näher inspizierte. Gut und gerne hätte das mal Kirschkuchen sein können. Mit viel Fantasie. Dean hielt ein Würgen zurück, und dann lenkte ihn auch schon Sam ab.

Sein Bruder hatte Castiel gegenüber Platz genommen. „Also, was ist passiert? Wer hat dich hierher zurückgebracht?“

Der Engel legte die Hände in den Schoß und hob die Schultern. „Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, es war Gott. Wieder einmal.“

„Was geschah, nachdem du…“, setzte Dean, nicht fähig, den Satz zu beenden, aber Castiel verstand.

„Ich starb. Dann wachte ich auf und kam zu euch.“

Dean starrte den Engel lange an, dann senkte er den Kopf. „Huh…“

„Mehr weiß ich nicht“, fügte Castiel hinzu, während er den Tisch anstarrte.

Sam seufzte und lehnte sich zurück. „Ich frage mich, was das Ziel dieser Engel ist.“

Dean blickte zu ihm, nachdem er sich gegen die Anrichte gelehnt hatte. „Einer sagte mir, er wolle die Anhänger Rafaels auslöschen. Nur zur Sicherheit.“

Nachdenklich starrte Sam ins Leere. „Das hat aber lange gedauert. Ich meine, wie lange ist es her, seitdem Rafael ein Thema war? Drei Jahre?“

Der Engel seufzte. „Nun ja, es gab da ja noch andere Probleme, wie ihr euch sicher erinnert. Die Apokalypse, Leviathane…“ Er neigte den Kopf. „Prioritäten, Sam.“

Dieser gab nur einen zustimmenden Laut von sich und stellte Castiel die nächste Frage. „Also, du hast dich… Du bist gestorben, es vergehen viele Wochen und dann…? Lebst du wieder, stehst auf irgendeiner Straße und dann? Hast uns mit deinen neuen Fähigkeiten geortet und kamst gerade rechtzeitig, um uns zu helfen?“

Castiels Augen wurden schmaler, es dauerte einen Moment zu lange, bevor er antwortete. „Ja. So in etwa ist es gewesen.“

Sam nickte lediglich, während Dean den Engel stumm musterte. Da war ein ungutes Gefühl in seiner Brust.

„Okay, also wir wissen, dass das heute ein Falle war. Aber wie wollen die Engel uns jetzt finden?“, warf Dean in den Raum.

Castiel hob den Kopf und sah ihn ausdruckslos an. „Sie werden irgendeinen Dämonen oder Jäger fragen. Foltern, befragen und dann wahrscheinlich töten. Irgendjemand bekommt immer etwas mit.“

Dean und Sam seufzten gleichzeitig, doch sie widersprachen dem Gedanken nicht. Die Engel wussten sich zu helfen. „Gute, alte Recherche“, murmelte Dean kopfschüttelnd, bevor er sich von der Anrichte abstieß und in Richtung Tür ging. Der stechende Gestank des verfaulten Kuchens verschwand langsam. „Gib uns zwei Stunden Schlaf, Cass. Dann können wir weiter. Bleibst du hier?“

Der Engel starrte ihm eine Weile direkt in die Augen und Dean wusste, dass Castiel ahnte, dass sie ein Problem hatten. Aber keiner von ihnen sprach es an. „Natürlich. Ich warte hier einfach.“

Dean nickte und wandte sich um, während Sam sich erhob.
 

Sie suchten das Wohnzimmer auf, wo Regale, Schränke, Tische, Sessel und eine Couch standen. Verstaubt und alt, aber besser als nichts. Sam legte sich auf die Couch, die Jacke als Kissen zusammengerollt unter seinem Kopf, während Dean es sich mehr oder weniger auf einem der dunklen Sessel bequem machte. Seine blaue Jacke breitete er über seinem Brustkorb aus.

„Dean“, hörte er seinen Bruder leise in den Raum wispern. „Ist alles in Ordnung?“

Er ließ einen Moment verstreichen, dann nickte er vage. „Ja, Sam. Mir geht’s gut.“ Er entschied sich, nicht über die Zweifel zu sprechen, die an ihm nagten. Bedenken. Zuerst hatte er gedacht, er würde es sich einbilden, doch Castiels Reaktion wenige Minuten zuvor bestätigte ihn darin, dass etwas nicht stimmte.
 

Der Engel log.
 

Dean wusste nicht, in welchem Punkt er log, oder vielleicht hielt er auch nur bestimmte Teile der Wahrheit zurück. So oder so machte Castiel keinen reinen Tisch. Vertraute er ihnen nicht mehr?
 

Als Dean Castiel im Motelzimmer gesehen hatte, hatte er seinen Augen nicht trauen wollen. Mittlerweile glaubte er durchaus daran, dass es sich hier um seinen Freund Cass handelte, und dennoch hatte er ihn nicht in eine Umarmung ziehen können. Dass hatte er doch fast immer gemacht, wenn dem Engel etwas zugestoßen war. Aber jetzt war es anders gewesen.
 

Vielleicht war es das Gefühl, dass Castiel etwas verheimlichte. Oder es waren diese ominösen neuen Kräfte, von denen der Engel gesprochen hatte.

Die Frage war, hatte Castiel sein Misstrauen wirklich verdient?

Und wie sollten sie mit all den Engeln umgehen, die ihnen jetzt auf den Fersen waren?
 

Dean hatte auf das alles keine Antwort. Er würde einfach irgendwie damit umgehen. Alles würde sich letztlich klären.

Doch in dieser Nacht gab ihm dieser Gedanke keine Ruhe. Da saß ein verändert wirkender Engel in der Küche und auch wenn er sich sonst hatte entspannen können, wenn er Castiel in der Nähe gewusst hatte, so war es jetzt nicht möglich.

Dean hielt die Augen fest geschlossen, wollte den Schlaf so herbei zwingen. Das letzte, was er wollte, war Castiel so weit zu misstrauen, dass er nicht mal mehr schlafen konnte seinetwegen, weil er befürchtete, dieser würde ihn im Schlaf mit einem Messer abstechen.

Nach einiger Zeit fiel Dean in einen unruhigen Halbschlaf, während Sam bereits leise vor sich hin schnarchte.

Die Ankunft der Engel.

Ein leises, entferntes Rauschen ließ Dean zu sich kommen.

Federn? Flügel?

Mit einem leichten Stirnrunzeln öffnete Dean die Augen. Sam schlief noch immer auf der Couch schräg neben ihm.
 

Ächzend richtete Dean sich auf. Sein Rücken und sein Nacken schmerzten von der unbequemen Position, in der er geschlafen hatte. Mit einem leisen Stöhnen auf den Lippen stand er auf und streckte sich, dann wandte er sich um und sah in Richtung Küche. Castiel saß nach wie vor auf dem Stuhl, beinahe so, wie er ihn in der Nacht zurück gelassen hatte. Irritiert runzelte Dean die Stirn.
 

Erste Sonnenstrahlen erhellten die Räume des Hauses.
 

Der Engel hob den Blick und sah ihm in die Augen. „Dean, wir sollten weiter. Sie kommen.“
 

Dean hob beschwichtigend die Hände und betrat die Küche. „Moment mal. Sollen wir jetzt auf ewig davon rennen? Wir müssen sie aus dem Weg räumen, damit wir unsere Ruhe haben.“
 

Castiel war definitiv unzufrieden mit der Antwort, angesichts seiner schmaler werdenden Augen. Der Blick des Engels intensivierte sich. „Dean“, wiederholte er beinahe belehrend. „Wir können nicht hier bleiben. Wir können nicht im entferntesten erahnen, wie viele es sind. Wir können jetzt keinen Kampf riskieren.“
 

Dean seufzte. „Das können wir nie, und dennoch passiert es. Bis jetzt haben wir die Engel immer überlebt.“ Sein Blick wanderte flüchtig über Castiels Körper, als er sich der Falschheit seiner Worte bewusst wurde. „Meistens zumindest…“
 

Castiel sah ihn an, als hätte Dean ihn beleidigt. Seine Augen wurden dunkel, seine Lippen schmal vor Missbilligung. „Meistens“, wiederholte der Engel mit einem Nicken, während er aufstand. „Was mich betrifft, so möchte ich nicht erneut sterben. Und das gleiche wünsche ich mir auch für Sam und dich. Wir sollten gehen.“
 

Nun war es Dean, der leicht die Stirn runzelte. Castiel beharrte so sehr auf die Flucht – das war untypisch. „Cass…“, setzte er mit argwöhnischem Ton an, doch dann spürte er etwas, was ihn den Satz abbrechen ließ. Die Luft vibrierte, flimmerte.
 

Die Engel kamen.
 

Dean riss die Augen auf, während er sich zum Wohnzimmer umdrehte, in dem Sam noch auf der Couch lag. „SAM!“, war alles an Warnung, was er geben konnte, dann brach der erste Engel durch die Haustür.
 

Nur aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Castiel verschwunden war. Ob er draußen gegen die anderen Engel kämpfte?
 

Durch die Haustür jedenfalls, die soeben aufgestoßen worden war, drängte sich ein Engel nach dem Anderen. Langsam kamen sie auf Dean zu, während er nach der Engelsklinge griff, die er sich vor längerer Zeit angewöhnt hatte, an die Hüfte zu schnallen. Er bewegte sich niemals ohne sie – einzig für eine Dusche nahm er sie ab. Einst hatte sie Castiel gehört. Sie war eines der wenigen Dinge, die von seinem Freund geblieben waren, nach dessen Tod. Zuerst hatte Dean alles, was dem Engel gehört hatte, oder was ihn sonst an ihn erinnert hatte, wegschmeißen wollen. Etwas später hätte er beinahe alles in eine Vitrine eingeschlossen, wie um es zu beschützen und Castiel somit zu ehren. Aber schließlich, viele Tage später, war Dean zu dem Entschluss gekommen, dass er dem Engel am besten gedachte, wenn er die Engelsklinge weiter nutzte. Auf diese Weise vermittelte es Dean das Gefühl, den Engel immer noch an seiner Seite zu haben. Dass er mit ihm kämpfte, ihn beschützte. Es hatte Dean Trost gespendet.
 


 

Der erste Engel, ein bulliger Typ, dessen Muskeln beinahe seinen Anzug sprengte, erreichte Dean und riss ihn mit einem schmerzhaften Faustschlag ins Gesicht aus seinen Gedanken. Der Schmerz holte ihn auf der Stelle ins Hier und Jetzt zurück. Instinktiv riss er die Hand mit der Klinge in die Höhe und stach zu – schon durchflutete kaltes, weißes Licht den Flur.
 

Zwei Engel drängten durch die Haustür und ins Wohnzimmer, wo Dean gerade noch Sams dunkelbraunen Haarschopf ausmachen konnte, bevor er selbst erneut angegriffen wurde. Wo war Cass?! Etwas himmlische Hilfe direkt im Haus wäre schön.
 

Dean biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf den weiblichen Engel vor sich. Sie war klein und wendig und er hatte Mühe, von ihr nicht abgestochen zu werden. Am Rande hörte er Sam ächzen und stöhnen, es krachte und knackte. „Dean!“, hört er seinen Bruder schließlich rufen, weswegen den Blick für eine Sekunde von dem Engel vor sich löste, um zu sehen, was los war. Eine Sekunde zu viel. Im nächsten Moment wurde Dean gegen die Wand geschleudert, die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Ihm wurde schwarz vor Augen und erst, als er hart auf dem Boden aufkam, kam er langsam wieder zu sich. Blut lief ihm aus der Nase, sein Hinterkopf schmerzte ordentlich. Ächzend starrte er zu der Frau hinauf, die mittlerweile über ihm stand und ihn mit engelstypischer Abschätzigkeit betrachtete. Mit einem Grunzen kickte er ihren Fuß beiseite, brachte sie zum Stolpern, und im nächsten Moment stach er ihr Cass‘ Engelsklinge in den Unterleib. Er presste die Augen zusammen, um die Helligkeit des Lichts abzumildern, das aus ihrem sterbenden Körper strahlte.
 

„Dean!“ Erneut drang Sams verzweifelte, leicht verzerrte Stimme zu ihm. Rasch zog er die scharfe Klinge aus dem toten Körper vor sich, schob den Engel beiseite, bevor er aufstand.
 

„Sam?!“ Leicht schwankend durchquerte er den Flur. Ihm war schwindelig. Aus dem Augenwinkel sah er zwei weitere Engel auf die Haustür zulaufen. Mist.
 

Kein Castiel zu sehen.
 

Eilig bewegte er sich auf das Wohnzimmer zu, in welchem Sam von einem Engel im Schwitzkasten gehalten wurde. Noch bemerkte der Engel ihn nicht, stand mit dem Rücken zu Dean, weswegen er zielsicher auf diesen zustrebte, die Klinge erhoben. Sam hingegen bemerkte ihn, arbeitete ihm zu und schaffte es, sich etwas vom Engel zu lösen und ihn in Deans Richtung zu schubsen.
 

Mit einer geübten Handbewegung versenkte Dean die Engelsklinge im Körper von Sams Gegner. Er hob den Blick und sah noch, wie die Augen seines Bruders groß wurden, während dieser an ihm vorbei starrte. Hinter ihm.
 

Sofort drehte Dean sich um. Die zwei Engel, die ihm eben noch vor dem Haus aufgefallen waren, näherten sich ihnen mit langsamen, bedachten Schritten.
 

„Wo ist Cass?“, zischte Sam und stellte sich dichter neben Dean.
 

Er verzog das Gesicht und wollte antworten, doch einer der Engel lächelte arrogant. „Ohne euren süßen, kleinen Engel bekommt ihr wohl nichts hin, hm?“
 

Die Frau neben ihm runzelte die Stirn. „Habt ihr das Memo nicht erhalten? Oder trauert ihr so sehr, dass ihr nicht mehr klar denken könnt? Castiel ist tot.“
 

Für einen Moment wurde Dean eiskalt. Er konnte schwören, dass sein Gesicht jegliche Farbe verlor. Cass war tot? Für einen langen Moment war er verwirrt, verunsichert. Aber dann dämmerte es ihm. Diese Engel hier wussten es nicht. Sie wussten nicht, dass Castiel zurück war.
 

Sie lächelten mitleidig wirkend und hoben ihre Klingen – eine in jeder Hand. Mit einem flüchtigen Blick stellte Dean fest, dass Sam keine einzige Waffe in der Hand hatte. Es lag wohl an Dean selbst, sich mit den beiden gefiederten Biestern anzulegen. Und wo zum Teufel war Cass? Hatte er sich aus dem Staub gemacht?
 

Diesen Gedanken konnte Dean zwar nicht verhindern, aber er verdrängte ihn schnell wieder. Einer der Engel, die Frau, machte zwei Schritte auf ihn zu, sie kreuzten die Klingen und bevor er über den nächsten Schritt nachdenken konnte, schob sie ihn mit ungeheurer Macht zurück, tiefer in den Raum, vorbei an Sam, bis er gegen eine Wand prallte. Sein Bruder blieb praktisch schutzlos zurück – und der andere Engel nutzte die Gelegenheit sofort. Doch schon nach dessen zweiten Schritt bewegte sich die Luft. Schwingen raschelten bedeutungsschwanger, und schon leuchteten die Körper ihrer zwei Gegner gleißend auf. Reflexartig kniff Dean die Augen zusammen, während er sich mühselig aufrappelte. Er hörte, wie ihre Gegner aufschreien, dann wurde es still.
 


 

Langsam öffnete Dean die Augen wieder. Seine Ahnung bestätigte sich: Castiel stand zwischen den nun leblosen, am Boden liegenden Engeln. Fassungslos starrte Dean ihn an. Zu viele Emotionen strömten auf einmal auf ihn ein. Ein paar Mal atmete er tief durch, sammelte sich. „Cass“, stieß er verärgert hervor. „Wo zum Teufel bist du gewesen?“
 

Abwesend wischte Dean sich über die Lippen, bemerkte Blut auf den Fingern. Castiel starrte ihn für einen langen Moment an, runzelte leicht die Stirn. „Gern geschehen, Dean.“
 

Nun war es an Dean, die Augenbrauen zusammenzuziehen. Dass sein Engel frech wurde, sarkastische Erwiderungen gab, das war lange her. „Cass“, wiederholte er mit leichter Drohung in der Stimme. „Wieso bist du abgehauen? Und leugne nicht, dass du dich hier eben aus dem Staub gemacht hast, sobald du die Engel gespürt hast. Ich schwöre dir…“
 

„Was?“, fiel Castiel ihm mit schroffer Stimme ins Wort und kam etwas dichter. Sam, der nach wie vor neben Dean stand, spannte sich an. „Willst du mir eine Engelsklinge ins Fleisch bohren und mich wieder begraben?“ Castiels rechtes Auge zuckte, dann blinzelte er und senkte den Blick. Ein tiefes Seufzen entrang sich seiner Kehle. „Es tut mir leid, ich… Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist“, sagte er leise und sah zu den toten Engeln, die verstreut um sie herum lagen.
 

Dean schluckte und versuchte, sich zu entspannen. Mittlerweile war er sich sicher, dass irgendwas nicht stimmte. Entweder fehlte ein Teil von Castiel, so ähnlich wie es bei Sam ohne dessen Seele gewesen war, oder der Engel log – irgendwas war jedenfalls nicht wie früher. „Sag mir die Wahrheit, Cass“, forderte er, während er einen Schritt auf ihn zuging und kurz davor war, in seinen persönlichen Freiraum einzudringen.
 


 

Als der Engel den Blick hob und ihn ansah, stand ihm das schlechte Gewissen direkt ins Gesicht geschrieben. „Dean…“, begann der Engel zögerlich, bevor sein Blick kurz zu Sam wanderte. „Es ist…“ Er unterbrach sich und strich sich abwesend über die glänzende Stirn. Erst jetzt fiel Dean bei dieser Gelegenheit auf, dass Castiel schwitzte und seine Hände leicht zitterten.
 

„Cass, geht’s dir gut?“, wollte er daher wissen, ließ sich vom eigentlichen Thema ablenken.
 

Ein erneutes Seufzen entwand sich aus der Kehle des Engels. „Es sind meine neuen Kräfte, denke ich…“
 

Verständnislos runzelte Dean die Stirn. „Sie scheinen dich eher zu schwächen, als zu stärken“, murmelte er, woraufhin Castiel leicht den Kopf schüttelte.
 

„Nein, das ist es nicht. Sie machen mich stark, aber mir scheint, als wäre meine Hülle das Problem“, murmelte er, während er konzentriert auf seine Hände starrte, als würden sie das Geheimnis hüten.
 


 

„Na schön“, meldete sich Sam zu Wort und sah sich flüchtig um. „Können wir das vielleicht woanders besprechen?“ Er blickte zu Castiel. „Werden noch mehr kommen?“
 

Der Engel legte den Kopf schief und ließ sich Zeit mit einer Antwort. „Es ist gut möglich. Wir sollten in Bewegung bleiben.“
 

Dean seufzte nur lautlos, bevor er losging. Von Wegrennen hielt er nicht viel, aber Sam und er hatten fürs Erste genug eingesteckt.
 

Im Gänsemarsch trotteten sie hinaus zum Impala. Der Himmel war grau, wolkenverhangen. Es roch leicht nach Regen. Schweigend warf Dean sein Zeug auf den Rücksitz, dann wandte er sich zu Castiel um, bevor dieser einsteigen konnte. „Was war da los, Cass? Antworte mir endlich. Worüber hast du gelogen?“ Er hatte die Schnauze voll. Castiel hatte sie schon einmal eiskalt angelogen. Nach wie vor konnte er diesen Schlag ins Gesicht fühlen, den er bei dem Gedanken an die damalige Situation fühlte. Castiel würde ihm so etwas nicht noch mal antun, oder?
 

Der Engel starrte ihn lange an. Es war keiner dieser Momente, wo sie bedeutungsvolle Blicke anstatt richtige Worte austauschten. Nein, hier überdachte Castiel lediglich seine Antwort. Er überlegte sich genau, was er sagen würde.
 

„Dean“, begann er schließlich in einem Tonfall, der bereits um Vergebung bat. Oh Gott, was hatte sein dummer Engel nun getan? „Ich bin länger zurück, als ich zugegeben habe.“ Castiel sah beiseite, während Dean und Sam die Stirn runzelten. „Als ich mich entschieden hatte, den Krieg selbst zu beenden, durch meinen Tod…“, setzte er an, unterbrach sich dann jedoch kurz. „Es ist vielleicht nur ein Tag vergangen, nach all dem, und ich war wieder zurück.“
 

Dean sog harsch die Luft ein. Castiel redete hier von Monaten. Er hatte ihn monatelang umsonst vermisst? Entgeistert öffnete er den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Er konnte Castiel nur anstarren, denn er kam einfach nicht umhin, sich wie in einem verdammten Deja-vu gefangen zu fühlen. Schon wieder, schon wieder, hatte der Engel etwas hinter seinem Rücken getan. Hatte Dinge, seine Existenz, verschwiegen. Vor ihm. Sie waren Freunde, Brüder.
 

Was zur Hölle konnte denn nun so wichtig sein, dass Castiel ihn derartig hatte schmoren lassen? Er hatte um getrauert, wieder einmal. Wahrscheinlich wusste der Engel nicht, was das eigentlich bedeutete, wie es sich anfühlte, denn ansonsten hätte er ihm das nicht angetan.
 

Auf die Erklärung für sein Verhalten war Dean äußerst gespannt.



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