Knicks vs. Celtics von Vampyrsoul (Boston Boys 2) ================================================================================ Epilog: Buzzer Beater --------------------- Der Fernseher flimmerte vor sich hin, war die einzige Lichtquelle in dem kleinen Wohnzimmer. Keine Ahnung, was da überhaupt lief, der Film interessierte mich nicht. Doch Roger starrte die ganze Zeit konzentriert darauf. Ich sah kurz zu ihm hinüber, wie er auf der Couch saß, so nah und doch außerhalb meiner Reichweite. Hatten wir zuerst noch alles getan, um einander zu sehen, und fast jeden Tag miteinander telefoniert, hatte sich das nach einem Jahr schon geändert, nach zwei waren die Besuche deutlich seltener geworden. Anfänglich hatte das an Rogers Abschlussprüfungen und Berufseinstieg gelegen, dann war es zur Routine geworden, dass wir uns nur alle paar Monate sahen. Dass die Treffen durch die neue Wohnung viel einfacher waren, hatte nichts daran geändert. Anfänglich war es mir gar nicht so aufgefallen, da ich selbst genug zu tun gehabt hatte. Bei Lena hatte die Pubertät voll zugeschlagen, sodass es zu Hause noch viel mehr Stress gab. Doch Ausziehen war für mich nach wie vor keine Option gewesen, immerhin musste ich so viel Geld wie möglich sparen. Zu dem Ärger zu Hause hatte sich außerdem Stress in der Clique gesellt. Mittlerweile gab es sie nicht mehr. Greg und Darius hatten sich wegen einer Frau zerstritten und Anthony hatte sich aufgrund des anstrengenden Jurastudiums immer weiter zurückgezogen, während sein Bruder gemeinsam mit Belinda ins Silicon Valley gezogen war. Lediglich mit Terrence hatte ich noch halbwegs regelmäßig Kontakt, doch da er im letzten Jahr endlich mit dem College begonnen hatte, hatte er nicht mehr viel Zeit. Ich gönnte es ihm, er hatte lange darauf hingearbeitet, es sich leisten zu können, aber es war schade, ihn nicht mehr so häufig zu sehen, denn auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, war er mein engster und längster Freund. Und gerade in letzter Zeit hätte ich ihn gut gebrauchen können. Ich seufzte leise. „Magst du noch ein Bier?“ „Ja, gern“, antwortete Roger ohne seinen Blick auch nur in meine Richtung zu wenden. Ich stand auf, ohne etwas zu erwidern, und ging in die Küche. Wenn wir uns dann doch mal sahen, dann waren wir trotzdem fast wie Fremde. Nicht einmal mehr wie früher, als wir noch Freunde waren, denn damals hatten wir wenigstens das Interesse aneinander ausdrücken können. Nun saßen wir häufig nebeneinander und wussten nicht, was wir miteinander reden sollten, was den anderen bewegte, in ihm vorging. Wir hatten uns auseinandergelebt, führten zwei völlig unabhängige Leben. Seit über einem Jahr ging das schon so. Zumindest hatte ich es da das erste Mal bemerkt. Ich wusste, dass ich nicht unschuldig war, ich hätte ebenfalls öfter anrufen, mir mehr Zeit für ihn nehmen, meine Prioritäten anders setzen können. Aber ich konnte es nicht mehr ändern. Ich brauchte jetzt ein paar aufmunternde Worte, jemanden, der mir zeigte, dass das, was ich vorhatte, das Richtige war. Denn so konnte es nicht weitergehen, einer von uns musste etwas an der Situation ändern. Ich zückte mein Handy, als ich in der Küche ankam, und drückte die Kurzwahltaste. In dem Versuch, wieder mehr miteinander zu reden, hatten Roger und ich uns jeweils eines besorgt, doch es führte lediglich dazu, dass wir noch weniger telefonierten und uns mit einer morgendlichen und abendlichen SMS zufriedengaben. Nach ein paar Mal klingeln wurde abgenommen. „Hi, Toby.“ „Hallo, mein Hübscher.“ Schon seine Stimme brachte mich zum Lächeln, tat mir gut. Etwas entspannter lehnte ich mich an die Küchenzeile. „Ich hoffe, ich stör nicht?“ „Nein, du doch nicht. Ich dachte, du bist schon in Boston?“, fragte er verwundert nach. „Bin ich auch. Ich wollte nur mal deine Stimme hören“, flötete ich ins Telefon. Ein wenig zwanglos flirten würde mir jetzt sicher guttun. „Und dein Freund wird nicht eifersüchtig, wenn du einfach zwischendurch deinen Lover anrufst?“, fragte er in neckischem Ton. „Warum? Ich darf tun, was ich will“, gab ich genauso zurück. Hauptsächlich, um ihm nicht recht zu geben. Dennoch hatte ich es gebraucht, seine Stimme zu hören, die es so mit Leichtigkeit schaffte, mich zu erden. „Solltest du nicht trotzdem eher mit ihm im Bett liegen und andere Dinge tun, als mich anzurufen?“ Ein leichtes Augenzwinkern war deutlich in seiner Stimme zu hören. Ich lachte auf. „Er ist nicht du.“ Auch mein Gesprächspartner lachte, verstand, was ich meinte. „Na dann freu ich mich ja schon auf unser nächstes Treffen. Dann kannst du dich wieder richtig austoben.“ „Ich freu mich auch schon“, raunte ich ins Telefon. Der Gedanke gefiel mir und gleichzeitig machte mich seine Aussage glücklich, zeigte, dass er hinter meiner Entscheidung stand, auch wenn sie zu seinem Nachteil war. „Ich hoffe, es ist nicht zu lange hin. Aber ich muss jetzt Schluss machen. Einen schönen Abend noch. Ich hab dich lieb.“ Leicht lachte er, bevor er sanft erwiderte: „Das hängt ganz von dir ab. Ich hoffe es läuft, wie du es dir erhoffst. Ich drück dir die Daumen.“ Lächelnd schaltete ich das Telefon aus. Ja, das war es, was ich gebraucht hatte. Das war es, was mir den Mut geben würde, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und etwas an dieser Situation zu verändern. Ein Geräusch ließ mich aufblicken. Im Türrahmen stand Roger, starrte mir mit wütender und gleichzeitig fassungsloser Miene entgegen. Als er bemerkte, dass ich aufsah, wandte er sich schnaubend um. Seit wann hatte er schon dort gestanden? Und warum war er mir gefolgt? Ich sah, dass Roger ins Schlafzimmer ging und einen Moment später mit meiner Reisetasche daraus zurückkam. Sobald er wieder in der Küche war, drückte er sie mir wortlos in die Hand. „Was wird das?“, fragte ich völlig perplex. „Wonach sieht es denn aus?“ Ich stellte die Tasche vor mir ab. „Und wo soll ich deiner Meinung nach hin?“ „Du kannst ja zu deinem Hübschen“, spuckte er mir förmlich entgegen. Er schien also schon eine ganze Weile in der Tür gestanden zu haben. „Was ist nun, schaffst du es selbst, die Tasche zu tragen, oder muss ich sie dir vor die Tür bringen?“ „Willst du dir nicht wenigstens anhören, was ich zu sagen habe?“ Ich dachte gar nicht daran, jetzt zu gehen. „Bist du in ihn verliebt?“, fragte Roger gerade heraus. „Ja“, gab ich unumwunden zu. Ehrlichkeit, das war der Grundstein unserer Beziehung. Wir hatten uns geschworen, uns nie anzulügen. Und damit würde ich jetzt auch nicht anfangen. Doch bevor ich weitersprechen, mich erklären konnte, schnappte Roger sich meine Tasche und verließ die Küche in Richtung Wohnungstür. Dort blieb er stehen. „Dann wünsch ich dir mit ihm alles Gute. Wirklich. Tut mir leid, dass es nicht geklappt hat. Ich ruf dich an, wenn ich bereit bin, wieder mit dir befreundet zu sein. Im Moment brauch ich etwas Zeit für mich.“ Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. Nicht einmal wenn er mit mir Schluss machte, konnte er mich anschreien. Das entlockte mir ein leichtes Lächeln. Da im Moment offensichtlich nicht mit ihm zu reden war, würde ich mich vorerst fügen. Aber nur vorerst! Ich ging zu ihm, schlüpfte in meine Schuhe und nahm ihm an der mittlerweile offenen Tür die Tasche ab. „Ist gut. Denk einfach noch mal darüber nach. Du hast meine Nummer.“ „Schick mir einfach die Hotelrechnung.“ Auch wenn er versuchte, emotionslos zu klingen, zeigten seine Augen deutlich Wut und Enttäuschung. Ich streckte die Hand nach ihm aus und strich ihm sanft über die Wange. Auch wenn er es vermutlich nicht einmal merkte, streckte er sich ihr leicht entgegen. Gut, das hatte ich gebraucht. Dieses Zeichen, damit ich guten Gewissens gehen konnte. „Wir sehen uns, Nummer Eins.“ Verwirrung mischte sich in seinen Blick, während er die Tür langsam hinter mir schloss. Als ich sie leise klacken hörte, atmete ich tief durch, versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Wir hatten uns schon oft gestritten, häufig, wenn einer von uns sich nicht an die Regeln gehalten und das gebeichtet hatte, aber noch nie hatte er mich rausgeschmissen oder versucht mit mir Schluss zu machen. Zuerst zündete ich mir eine Zigarette an, dann zückte ich erneut mein Handy. Ich brauchte zuerst einen Schlafplatz für die Nacht. Schnell suchte ich die Nummer heraus. Es war nicht schwer, auszumachen, wen ich jetzt anrufen musste. Immerhin gab es nur noch eine Person hier in Boston, die mir helfen würde. Hoffentlich war er noch wach und konnte gerade rangehen. Es dauerte, bis abgenommen wurde. „Toby? Was gibt’s denn?“ „Hi Mat. Ich brauch heute Nacht dringend einen Schlafplatz. Vielleicht auch ein paar Tage länger“, erklärte ich ihm kurz, während ich das Haus verließ. Verdammt, ich hatte meine Jacke vergessen und jetzt im Herbst war es schon recht kühl ohne. Hoffentlich ließ sich Roger nicht zu lange Zeit, bis er wieder mit mir sprach. „Oh, was ist passiert?“ Leichte Besorgnis war aus Mats Stimme herauszuhören. „Kann ich dir das später erklären? Gerade ist mir etwas kalt.“ „Pussy“, höhnte er. „Wo bist du denn?“ „North End.“ Da mir klar war, was die nächste Frage sein würde, beantwortete ich sie gleich mit. „Die nächste Station ist Haymarket. Ja, ich find selbst hin.“ „Gut. Fahr mit der Orange nach Süden und steig Downtown aus. Warte einfach dort am Bahnsteig, dann fahren wir zusammen weiter. Bin nur grad noch unterwegs, kann einen Moment dauern“, wies er mich an. „Danke. Bis gleich.“ Ich machte mich auf den Weg. Zum Glück kannte ich mich hier mittlerweile ein wenig aus und war es ja auch aus Manhattan gewöhnt, dass es in der U-Bahn immer etwas hektisch zuging. Daher kam ich recht stressfrei an. Es dauerte gar nicht so lange wie befürchtet, bis Mat zu mir stieß. Kurz umarmte er mich, dann beäugte er mich misstrauisch. „Hi, Großer. Was machst du hier?“ „Erklär ich dir später. Kann ich ein paar Nächte bei dir pennen?“ Ich wusste, dass er nicht begeistert sein würde, aber andererseits war er ein guter Mensch. Auch wenn er grundsätzlich versuchte, es zu verstecken. „Kannst du nicht woanders hin?“, fragte er schlecht gelaunt, während wir in die Bahn einstiegen. Im Grunde hatte er damit schon zugestimmt. „Nein. Mein Freund hat mich gerade rausgeschmissen.“ „Hui, na auf die Story bin ich ja mal gespannt. Na gut, du kannst auf der Couch pennen. Aber wehe, du gehst in mein Schlafzimmer!“, warnte er mich. „Keine Sorge, da will ich gar nicht hin.“ Seine Sorge, jemand könnte ihm zu nahe kommen, war schon manchmal süß. „Ich werd dir hoffentlich auch nicht lange auf die Nerven gehen.“ „Das hoff ich doch. Vertrag dich mal ganz schnell wieder mit deinem Schätzchen.“ Ich nickte leicht, sagte aber nichts darauf. Immerhin lag es im Moment nicht an mir. Es dauerte nicht lange, da waren wir bei der Endstation angekommen. Wir stiegen aus und gingen gemeinsam zu Mats Wohnung. Ich war noch nie dort gewesen und gespannt, wie sie aussah. Doch es war ernüchternd. Eine typische Junggesellenwohnung mit einem Wohnzimmer, in dem nur eine Couch, Fernseher und Couchtisch standen, und einem Schlafzimmer, dessen Tür geschlossen war. Ich hoffte, nicht zu lange bleiben zu müssen, die Couch würde schon wegen meiner Größe sehr unbequem werden. Der leichte Geruch nach kaltem Rauch sagte mir, dass Mat hier rauchte. Gut, ich musste mich dringend beruhigen. „Hast du was zum Rauchen für mich?“ „Was? Erst hier schlafen wollen, dann auch noch Zigaretten schnorren?“, fragte er gespielt unfreundlich, zwinkerte mir aber zu. „Nee, Zigaretten hab ich selbst.“ Ich zog die Schachtel aus meiner Tasche. „Ich dachte da eher an was anderes.“ „Ich hab nichts, sorry.“ Verwundert sah ich ihn an. Mat hatte kein Gras da? Das war ja was ganz neues. „Hab aufgehört mit dem Mist. Tut mir einfach nicht gut.“ „Oh. Klingt gut. Und Peter?“ „Was soll mit ihm sein?“ „Hat er auch wieder aufgehört? Ich meine, hattest du nicht gesagt, er hat wieder richtig angefangen, nachdem ...“ „Du meinst das H? Ja. Es hat etwas gedauert, bis er wieder runter war, aber er ist es los. Vorerst.“ Aufmunternd lächelte Mat mich an. Dennoch änderte es nichts daran, dass ich mich dafür verantwortlich fühlte. „Tut mir leid.“ „Es war seine Entscheidung wieder anzufangen.“ Mat zuckte einfach nur mit den Schultern. „Ja, aber ich hätte ihm eher etwas sagen müssen, dann wäre das nicht passiert.“ Frustriert seufzte ich. Eigentlich hatte ich genau das verhindern wollen und es deshalb immer weiter hinausgezögert, ihm von Roger zu erzählen. Bis Peter eines Tages plötzlich vor meiner Tür gestanden hatte, ganz spontan, ohne sich anzumelden, während ich auf Arbeit gewesen war. Blöderweise war Roger zu Besuch und zu diesem Zeitpunkt der einzige im Haus gewesen. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Peter hing sehr an dir. Vielleicht hätte er auch wieder angefangen, wenn du es ihm gesagt hättest.“ Mat drückte mir kurz aufmunternd die Schulter. „Aber es ist müßig, darüber zu diskutieren, was wäre wenn.“ „Ja, aber es war scheiße von mir.“ Ich hätte ihm sagen müssen, dass ich einen Freund hatte und nicht der völlig ahnungslose Roger, der davon ausgegangen war, dass Peter von ihm wusste. Mittlerweile wusste ich, dass ich ziemlich Mist gebaut hatte. „Das will ich gar nicht bestreiten. Also wenn du Pott willst, kann ich dir auch eben welches besorgen“, bot er an. „Nein, lass mal. Ich glaub, du hast schon recht, dass das keine gute Idee ist. Ich sollte wohl auch lieber schlafen gehen, ich hab morgen früh einen wichtigen Termin.“ Ich hatte zwar schon ein paar Mal mit ihm und seinem Bruder gekifft, aber allein hatte ich da auch keine Lust drauf. Dafür gab es mir nicht genug. „Hey, du schuldest mir noch ’ne Story“, beschwerte er sich, während ich schon begann, mich auszuziehen. „Morgen, okay?“, vertröstete ich ihn erneut. Ich wollte den Teufel nicht an die Wand malen, wenn ich noch gar nicht mit Roger geredet hatte. Ich wollte erst mal bis morgen abwarten, ob er sich nicht von selbst wieder beruhigte. „Ich muss um fünf raus.“ „Na gut, aber dann lass ich dich nicht einfach ziehen“, drohte er nicht ganz ernst. Er wusste, dass er mich nicht zwingen konnte, es ihm zu erzählen. Wir wünschen uns eine gute Nacht, dann verschwand Mat erst ins Bad und dann ins Schlafzimmer. Doch Roger meldete sich nicht am nächsten Tag. Und auch die Tage darauf hörte ich nichts von ihm. Ich ließ mich davon dennoch nicht entmutigen. Für mich war die Beziehung noch nicht beendet. Ich blieb während der gesamten Zeit bei Mat, der froh war, dass ich eigentlich den ganzen Tag unterwegs war. Da er den Rest der Woche Nachtschicht hatte, sahen wir uns auch nicht wirklich. Nach vier Tagen hielt ich die Funkstille nicht mehr aus und schrieb Roger eine Nachricht, dass ich meine Jacke und noch ein paar Sachen bei ihm vergessen hatte. Es dauerte lange, doch dann kam die Nachricht, dass er sie mir zuschicken würde. Danach bat ich ihn noch einmal explizit, ob wir uns nicht treffen könnten. Wenigstens, damit ich mir die Sachen holen konnte. Doch er gab keine Antwort mehr. Nachdem ich bereits seit einer Woche bei Mat war, fragte er mich, während wir auf der Couch saßen: „Wie lange bleibst du noch?“ „Keine Ahnung. Bis sich das mit Roger geklärt hat?“, antwortete ich vorsichtig. Ich konnte verstehen, dass Mat die Wohnung endlich wieder für sich allein wollte. Doch solange ich nicht meine Sachen von Roger hatte, konnte ich nirgendwo anders hin. Denn in meiner Jacke befanden sich ein paar Dinge, die ich dringend brauchte. „Und wann ist das? Sorry, ich will dich nicht rauswerfen, aber so langsam brauch ich meine Ruhe.“ Entschuldigend sah er mich an. „Schon gut.“ Ich wusste ja, dass Mat andere Menschen nur eine gewisse Zeit in seiner Nähe aushielt. Eigentlich war es sogar erstaunlich, dass er mich so lange ertrug. „Ich geh morgen einfach mal zu ihm. Dann muss er mit mir reden.“ „Ich komm mit“, bestimmte er direkt. „Ich hab morgen frei.“ Ich lachte. „Und was willst du da?“ „Ich bin einfach neugierig, wie er so ist. Ich hab ihn ja auch noch nicht kennengelernt. Und ansonsten als moralischer Beistand. Wenn er dich direkt wieder rauswerfen will, dann kann ich ihn davon abhalten.“ Mat zwinkerte mir zu. „Na gut, aber halt dich etwas im Hintergrund. Ich will das mit ihm allein klären.“ „Keine Sorge, ich warte nur, bis er mit dir redet. Aber ich kann mir nicht mehr ansehen, wie du hier sitzt wie ein Häufchen Elend.“ „Danke, du bist so gütig. Gib doch zu, du willst mich nur schnellstmöglich wieder loswerden!“ „Das auch.“ Wir lachten beide und widmeten uns dann dem Film, sowie den Chips und der Eiscreme, mit denen wir es uns gemütlich gemacht hatten. Am nächsten Abend standen wir gemeinsam vor Rogers Tür. Ich hatte mehrmals geklingelt, doch er schien nicht zu Hause zu sein. Daher warteten wir, bis er wiederkam. Nun war ich wirklich froh, dass Mat dabei war, so musste ich mir nicht alleine die Beine in den Bauch stehen. „Ach, verdammt“, fluchte er plötzlich. „Was denn los?“ Ich wandte mich zu ihm, der gerade in eine leere Schachtel Zigaretten starrte. Wortlos hielt er sie in meine Richtung. Da ich wusste, wie ungemütlich er ohne seine Ersatzdrogen werden konnte, zückte ich schnell meine eigene Packung. „Hier, die werd ich heute nicht mehr brauchen.“ „Danke.“ Er nahm die Schachtel entgegen und zündete sich eine an. „Sicher, dass du den Rest des Tages ohne auskommst?“ „Klar, ich hab die letzten Tage eh viel zu viel geraucht. Außerdem küsst mich Roger nicht mehr, wenn ich geraucht hab.“ „Na deinen Optimismus möchte ich mal haben.“ Mat klopfte mir kräftig auf die Schulter, während er grinste. Ich seufzte schwer. „Ich würde es eher hoffnungslose Romantik nennen.“ „Ach komm, nach allem, was du erzählt hast, ist er der ideale Mann für dich.“ „Warum hat er mich dann vor einer Woche aus seiner Wohnung geworfen? Und redet immer noch nicht mit mir?“, fragte ich schon deutlich pessimistischer. „Keine Ahnung, du hast es mir ja immer noch nicht erzählt.“ Als er sah, dass ich die Augen verdrehte, lachte er. Doch es erstarb sofort wieder. „Oh, Fuck!“ Hätte ich Mat nicht bereits seit etlichen Jahren gekannt, hätte ich vermutet, dass er versuchte, sich hinter mir zu verstecken. Doch das war eigentlich völlig absurd. Verwundert sah ich in die Richtung, in die er geblickt hatte. Doch dann zog eine Gestalt meinen Blick auf sich, die auf das Haus zu kam. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, lächelte ihn sanft an. „Hi Roger.“ „Was willst du hier?“, wurde ich unfreundlich, aber nicht aggressiv begrüßt. Er hatte einige Einkaufstüten in der Hand. „Ich hab doch gesagt, ich meld mich.“ „Ich wollte dich sehen. Und meine Sachen abholen.“ Ich machte noch ein paar Schritte auf ihn zu und wollte ihn sanft über die Wange streicheln. Doch sein Blick fiel an mir vorbei direkt auf Mat, der bis auf ein paar Schritte an uns herangekommen war. „Na so arg kannst du mich ja nicht vermisst haben“, stellte er eisig fest und schritt an mir vorbei zur Tür, um sie aufzuschließen. Dafür nahm ich ihm eine der Tüten ab. Es war eher ein Reflex als geplant. „Kommt mit, deine Sachen sind oben.“ Mat und ich folgten Roger die Stufen hinauf bis in seine Wohnung. Er ging erst in die Küche, um den Einkauf loszuwerden, dann direkt ins Schlafzimmer und kam einen Moment später mit einer großen Kiste zurück. Mat und ich warteten im Flur auf ihn. „Hier, das sollte alles sein. Du hättest dafür wirklich nicht extra nochmal nach Boston kommen müssen. Ich hätte es dir auch geschickt.“ „Ich war die ganze Zeit in Boston. Ich hab gehofft, dass du dich noch mal meldest.“ Ich nahm ihm die Kiste ab, stellte sie aber auf den Boden. Ein klares Zeichen, dass ich jetzt noch nicht gehen würde. Roger sah erneut an mir vorbei zu Mat und schnaubte dann verächtlich. „War ja klar.“ „Ich meine das ernst. Roger, ich möchte mit dir reden. Was ist los mit dir?“ Ich streckte meine Hand nach ihm aus, doch er wich ihr aus. Wütend funkelte er mich an. „Ich lass mich nicht gerne anlügen.“ Traurig sah ich ihn an. „Ich hab dich nie angelogen.“ „Ach nein?“ Nun klang Roger deutlich verletzt. „Wie sehr kannst du mich denn vermisst haben, wenn du die letzte Woche bei deinem Hübschen verbracht hast?“ „Was?“, fragten Mat und ich gleichzeitig im selben ungläubigen Tonfall. „Ich war die ganze Woche bei Mat“, erklärte ich. „Dachte ich mir schon.“ Leise seufzte Roger. „Aber ich versteh schon, warum du dich in ihn verliebt hast. Er kann dir immerhin alles geben, was ich dir nicht geben kann.“ Als ich verstand, was Roger dachte, musste ich unweigerlich loslachen. Der Gedanke war einfach so unglaublich absurd! Bevor ich mich wieder unter Kontrolle hatte, ergriff Mat das Wort: „Ohja, er hat jedes Mal, wenn wir gefickt haben, nur von dir erzählt. Das hat mich gleich noch viel mehr angemacht.“ Oh Gott, hoffentlich erkannte Roger den triefenden Sarkasmus in Mats Stimme, sonst würde es schwierig werden. „Mat ist Peters Bruder. Wir sind nur Freunde, da läuft überhaupt nichts.“ „Und das soll ich dir glauben? Nachdem du nach ’ner Woche einfach mit ihm vor meiner Tür stehst und dem Telefonat in der Küche?“ Roger wirkte gerade völlig erschöpft, als würde ihm das alles unglaublich zusetzen. „Keine Sorge, ich würde das Muskelpaket nicht mal mit ’ner Kneifzange anfassen“, versicherte Mat auf seine ganz eigene Art. Doch Roger schien nicht überzeugt. Vorsichtig griff ich nach seiner Hand. Sanft hielt ich sie in meiner, strich mit dem Daumen darüber. Schon dass er es zuließ, beruhigte mich. Ich sah ihm tief in die Augen, sprach so ruhig wie möglich. „Ich weiß nicht, was du glaubst, was passiert ist, aber ich hab dir etwas versprochen – und du mir auch. Also bitte, lass uns reden.“ „Ist gut“, antwortete er, nachdem er geschluckt hatte, gab sich geschlagen. Er umfasste meine Hand und zog mich Richtung Wohnzimmer. „Ruf mich an, wenn du deine Sachen holen kommst, Casanova. Oder wenn du nochmal Hilfe brauchst. Wir sehen uns“, verabschiedete sich Mat von uns und verließ zügig die Wohnung. Im Wohnzimmer setzten Roger und ich uns auf die Couch. Ungläubig sah er mich an. „Und das ist wirklich Peters Bruder? Ich hab ihn mir völlig anders vorgestellt. Immer, wenn du von ihm erzählt hast, wirkte er so herzlich und fürsorglich. Ich hätte nie mit dem da gerechnet. Er ist immer so unglaublich aggressiv.“ „Du kennst ihn?“, stellte ich überrascht fest. Anderseits machte so sowohl Rogers, als auch Mats Reaktion deutlich mehr Sinn. „Nur vom Cruisen. Und ich hätte nie gedacht, dass er das sein könnte. Er gibt sich immer so unnahbar.“ Na gut, wenn Roger Mat vom Cruising kannte, dann war es nicht verwunderlich, wenn er falsche Schlüsse zog. Immerhin hatten wir einen recht ähnlichen Männergeschmack. „Er mag nur einfach niemanden zu nah an sich heranlassen.“ „Und da läuft wirklich nichts?“, fragte Roger unsicher. Ich schüttelte mit einem leichten Lächeln den Kopf. Noch immer fand ich den Gedanken einfach nur absurd. „Ich meine, das würde einfach gut passen.“ „Nein, wirklich nicht. Er ist einfach nur ein sehr guter Freund von mir. Das würde auch gar nicht funktionieren, dafür kennen wir uns viel zu gut.“ „Und das Telefonat?“ Unsicher sah Roger mich an. Offenbar machte ihm der Gedanke, ich könnte jemand anderen haben, wirklich Angst. Ich seufzte leise. „Ich hab mit jemandem aus New York telefoniert. Ich hab mich einfach nach ein paar freundlichen Worten gesehnt.“ „Du hast dich in ihn verliebt? Seit wann? Und warum hast du nichts gesagt?“ „Schon eine Weile. Ich wusste nicht wie. Keine Ahnung, ich hatte Angst, dass du mir nicht glaubst, dass ich dich trotzdem noch liebe.“ Ich drückte Rogers Hand ein wenig fester. „Tust du?“, fragte er leise. Ich zog ihn vorsichtig in meine Arme. „Ja. Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht versprechen kann, dass ich mich nicht in jemand anderen verliebe. Aber trotzdem kommst du für mich immer an erster Stelle. Ich hör doch deswegen noch lange nicht auf, dich zu lieben.“ Leise murmelte Roger etwas gegen meine Schulter. Ich strich ihm durch das Haar und bat ihn, es nochmal zu wiederholen. „Du hast noch nie gesagt, dass du mich liebst.“ „Was? Tut mir leid ... Ich ... Das war keine Absicht. Ich dachte nur ... Ich hab das gar nicht bemerkt. Tut mir leid. Ich dachte wohl einfach, du weißt das auch so.“ Zärtlich küsste ich ihn auf die Schläfe. „Aber ihm hast du es so einfach gesagt. Das hat mich wütend gemacht. Und traurig“, gab er leise zu. Ich drückte ihn noch fester an mich. „Tut mir leid. Für mich ist ‚ich hab dich lieb‘ keine Liebeserklärung. Das sag ich zu vielen Leuten, die ich gern hab.“ „Und du hast ihn ‚deinen Hübschen‘ genannt. Mich hast du noch nie so genannt.“ „Du mich doch auch nicht. Ich würde dich auch nie so nennen, dafür ist es viel zu abgenutzt. Ich wüsste auch keinen Kosenamen für dich, der nicht albern klingt. Wobei, ich könnte dich Schnuckelchen nennen“, scherzte ich. Ich konnte nicht anders. Diese Stimmung würde mich sonst fertig machen, wenn ich sie nicht wenigstens etwas auflockerte. Schockiert riss sich Roger von mir los und starrte mich mit großen Augen an. Unweigerlich musste ich lachen. „So haben Kil und ich dich genannt, bevor er wusste, wie du heißt. Aber ich dachte mir schon, dass du den nicht magst. Du bist eben was besonderes, weil du keinen blöden Spitznamen hast und trotzdem weißt, dass ich dich gern hab. Du bist einfach nur mein Roger.“ Er senkte etwas den Blick. „Jetzt bin ich wohl nicht mehr dein Roger.“ „Doch bist du!“ Ich zog ihn wieder in meine Arme. „Wir haben uns versprochen, uns nicht wegen anderer zu trennen, ohne vorher darüber zu reden. Hast du das etwa vergessen?“ Leicht nickte er und ließ sich gegen mich fallen. „Ja ... Tut mir leid.“ „Schon gut. Jetzt reden wir ja darüber.“ Ich kraulte ihm den Kopf. „Also, willst du noch immer mein Roger sein?“ „Ja!. Wenn du denn noch willst.“ „Natürlich will ich. Aber bist du denn noch glücklich?“, fragte ich vorsichtig. Wenn wir schon so vertraut miteinander redeten, dann auch richtig. „Ja, ich denke schon. Warum?“ Er richtete sich auf und setzte sich mir gegenüber. „Weil wir kaum noch miteinander reden. Also nicht mehr so wie früher. Nur noch praktische Sachen, wann kommst du, wer macht den Abwasch, was schauen wir im Fernsehen. Und wir kuscheln kaum noch.“ Roger seufzte. „Ich hab in den letzten Jahren viel zu wenig Zeit für dich gehabt, oder? Ich freu mich wirklich, wenn wir uns sehen. Aber es ist auch jedes Mal, als hättest du dich verändert, als würdest du immer mehr zu jemand anderem werden.“ Ich nickte, ich verstand nur zu gut. „Ich weiß, was du meinst. Tut mir leid, ich hatte auch zu wenig Zeit für dich. Aber ich ... nein, anders ... wann bist du morgen zu Hause?“ Verwirrt über den Themenwechsel blinzelte er. „Äh, ab drei. Warum?“ „Dann hol ich dich morgen gegen sechs hier ab. Ich will dir etwas zeigen.“ Ich hoffte, dass ich damit keinen Fehler machte. Nachdem, was in der letzten Woche passiert war, war ich unsicher, ob mein Plan eine gute Idee war, aber dafür war ich mittlerweile umso entschlossener. Wenn es nicht funktionierte, dann würde es mir auch nicht schaden. Hoffte ich. Es war, egal wie, eine gute Idee. „Denk so lange darüber nach, ob du noch immer mit mir zusammen sein willst.“ „Na gut ...“, murmelte er gedehnt. Offensichtlich traute er der Sache nicht. Hätte ich bei dem Grinsen in meinem Gesicht aber auch nicht. Verkneifen konnte ich es mir dennoch nicht. Ich war mir auf wundersame Weise sicher, dass ihm meine Überraschung gefallen würde. Aber vielleicht musste ich das bei dem Wahnsinn, den ich bereits seit längerer Zeit plante, auch. „Dafür muss ich aber morgen um fünf raus“, eröffnete ich. „Ehm. Kann ich hier schlafen? Ich geb mich auch mit der Couch zufrieden. Die ist zumindest größer als Mats.“ Zuerst sah Roger mich überlegend an, dann bildete sich immer mehr ein Lächeln auf seinen Lippen. Langsam beugte er sich zu mir herüber. Als er nur noch ein kleines Stück von mir entfernt war, raunte er: „Was bekomm ich dafür?“ Lachend drückte ich meine Lippen auf seine. Augenblicklich erwiderte er den trägen Kuss. Es tat so unglaublich gut, ihm so nah zu sein. Es war so vertraut und zärtlich. Das konnte ich mit keinem anderen. Bereitwillig ließ ich mich von ihm in die Polster drücken. Nervös lief ich auf und ab. Verdammt, hoffentlich hatte Roger meine Nachricht bekommen. Vielleicht war es doch eine schlechte Idee gewesen, ihn herzubestellen. Ich hätte ihn abholen sollen. Andererseits hätte ich das nicht rechtzeitig geschafft. Wenn er also meine Nachricht mit der Adresse nicht bekommen hatte, dann hätte er sicher auch nicht die bekommen, dass ich später dran war. Aber vermutlich machte ich mich eh nur selbst verrückt. Es war noch nicht einmal sieben, er würde sicher gleich auftauchen. Etwa fünf Minuten später bog er am Ende der Straße um die Ecke. Er schien mich sofort in den Blick zu nehmen. Nach einem kurzen verwirrten Stocken brach er in lautes Gelächter aus, dass ich bis zu mir hörte. Und ich konnte nicht einmal beleidigt sein. Ich fand ja selbst, dass ich im Anzug bescheuert aussah. Roger kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. „Entschuldigen Sie, ich suche einen Mann. Etwa so groß wie Sie, dieselbe Haarfarbe, Statur, aber mit normalen Klamotten. Haben sie den zufällig gesehen?“ „Idiot“, lachend schlug ich ihm gegen die Schulter. Er beruhigte sich wieder, bevor er vorwurfsvoll meinte: „Du hättest mir schon sagen müssen, dass ich ’n Anzug brauche.“ „Keine Sorge, du brauchst keinen.“ Ich strich ihm über den Arm und lächelte. „Und warum trägst du dann einen?“ „Hat mit der Überraschung zu tun. Wirst du gleich sehen. Darf ich dir die Augen verbinden?“, fragte ich vorsichtig. „Wie soll ich denn dann was sehen?“, übermütig streckte er mir die Zunge heraus, dann nickte er. „Ja, darfst du.“ Das Vertrauen gefiel mir. Zärtlich lächelte ich, als ich das Stück Stoff aus meiner Tasche holte und vor seine Augen legte. Ich band es hinter seinem Kopf zusammen, dann schob ich ihn an den Schultern vorsichtig vor mir her. „Ein Stück gerade aus ... Gut, bleib hier kurz stehen.“ Ich ließ ihn mit einer Hand los, kramte nach dem Schlüssel und schloss auf, dann führte ich ihn weiter. „Vorsicht, Stufen. Noch zwei Stück. So und jetzt noch mal. Nicht stolpern. Noch mal kurz stehen bleiben.“ Oh Gott, meine Beine zitterten. Ich war wohl noch nie so nervös gewesen. Der Schlüssel fiel mir aus der Hand, jedoch konnte ich ihn auffangen, bevor er scheppernd zu Boden fiel. Nachdem ich auch die zweite Tür geöffnet hatte, schob ich Roger hindurch und schloss sie leise hinter uns. Ich atmete tief durch und löste dann den Knoten. Langsam nahm ich ihm das Tuch ab und begann sofort, es in den Händen zu wringen. Roger öffnete langsam die Augen und sah sich verwirrt im Flur um. Dann fiel sein Blick in die Küche, die von der untergehenden Sonne in ein rotes Licht getaucht wurde. Er drehte sich langsam zu mir herum und in seinem Blick stand Unverständnis. Mit belegter Stimme fragte ich: „Gefällt’s dir?“ Sein Blick suchte verzweifelt meinen. In seinem Kopf arbeitete es, doch noch schien er sich nicht sicher zu sein, ob er glauben sollte, was er dachte. „Was tun wir hier? Und was ist das für eine Wohnung?“ „Meine. Und vielleicht irgendwann unsere. Wenn du willst. Groß genug ist sie. Ich hoffe, sie gefällt dir. Sonst suchen wir uns eine andere“, haspelte ich schnell herunter. „Was?“ Roger schlug die Hand vor den Mund und sah mich an, als sei ich völlig wahnsinnig geworden. War ich auch. Nach ihm. Auch nach vier Jahren noch. Langsam stiegen Tränen in seine Augen und er warf sich mir in die Arme. „Du bist verrückt! Seit wann? Wann hast du ...?“ Ich schlang meine Arme um ihn, drückte ihn fest an mich. „Vor nicht ganz ’ner Stunde. Ich hatte meine ID-Card noch in der Jacke, sonst hätte ich das schon vor ein paar Tagen gemacht. Zum Glück hat der Vermieter die Wohnung so lange für mich zurückgehalten.“ „Warum? Ich meine, das ist doch verrückt! Du kannst doch nicht einfach ... Was ist mit deinem Job? Und deinen Eltern?“ Roger löste sich von mir, schien noch immer nicht glauben zu können, dass ich es ernst meinte. „Meine Eltern sind froh, mich endlich los zu sein.“ Ich lachte ihn offen an. Verdammt, er freute sich! Auch wenn er noch etwas überrumpelt war, er freute sich! Langsam fiel die Nervosität von mir ab. „Und das mit dem Job ist schon länger geklärt.“ Seine Augen wurden größer. „Wie lange hast du das denn schon geplant?“ „Seit etwas über einem Jahr“, gab ich gelassen zu. Ich hoffte, Roger würden nicht gleich die Augen ausfallen. „Aber ... Warum hast du nie was gesagt? Ich hätte dir doch helfen können!“, meinte er vorwurfsvoll. „Es sollte eine Überraschung sein. Außerdem hattest du schon so viel zu tun, da wollte ich dich damit nicht auch noch belasten.“ Ich zog Roger zurück in meine Arme, dorthin, wo er hingehörte. Er lehnte seinen Kopf gegen meine Schulter und ließ sich ins Wohnzimmer führen. Ich hatte die Möbel günstig vom Vormieter übernommen, da ich es mir nicht auch noch hatte leisten können, diese komplett neu zu kaufen. Nur das Bett würde ich schnellstmöglich ersetzen, den Rest nach und nach. Wie ich hoffte gemeinsam mit Roger, da ich mir wirklich wünschte, dass er irgendwann zu mir zog und dann sollte ihm auch die Einrichtung gefallen. Ich wollte ihn irgendwann wieder jede Nacht bei mir haben. Aber erst mal war dieselbe Stadt schon ein Schritt in die richtige Richtung. Wir kuschelten uns aneinander auf die Couch und seufzten beide wohlig. Roger streichelte über meinen Oberschenkel. „Warum das alles?“ „Ich wollte wieder bei dir sein. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns immer weiter voneinander entfernen. Ich will nicht irgendwann einem völlig Fremden gegenüberstehen, wenn ich herkomme. Darum will ich wieder in deiner Nähe sein. Wenn du mich lässt.“ „Nur zu gern.“ Roger küsste mich sanft. Dann nuschelte er: „Woher nimmst du nur den Mut? Ich hab auch schon darüber nachgedacht, wieder nach New York zu kommen, aber ich hatte einfach zu viel Angst. Was, wenn sich dort so viel verändert hätte, dass es mir nicht mehr gefällt? Oder du mich nicht hättest dort haben wollen? Was hättest du getan, wenn ich gesagt hätte, ich will dich nicht mehr?“ Ich strich ihm durch die Haare. „Dann wäre ich trotzdem hiergeblieben. Wenn ich nicht ein wirklich gutes Jobangebot bekommen hätte, hätte ich mich das wohl auch nicht getraut.“ „Wo arbeitest du jetzt eigentlich?“, fragte Roger neugierig. Genau dafür liebte ich ihn: Er war nicht böse, dass er nicht der Hauptgrund für diese Entscheidung war. Solange keiner log, waren wir glücklich miteinander, auch wenn es hieß, dass wir uns manchmal stritten. „In einem Studio drei Straßen weiter. Es ist ein ganz kleines, der Besitzer ist schon älter und ein guter Bekannter von meinem alten Boss. Der hat mir den Job auch vermittelt. Es ist wirklich toll dort.“ „Du warst schon da?“, fragte Roger überrascht. „Ja, ich war im März schon für ’ne Woche Probearbeiten und seit zwei Wochen arbeite ich regulär dort“, berichtete ich ihm strahlend. Der Job war wirklich super. Und Roger kannte noch nicht einmal das Beste daran. „Wie? Ich meine, warum hab ich davon nichts mitbekommen? Du warst doch vorletzte Woche bei mir?“ Roger schlug die Hand vor seinen Mund und begann zu zittern. Schnell drückte ich ihn tröstend an mich. „Ich bin so ein schlechter Freund. Ich habe nicht einmal mitbekommen, dass du arbeiten warst.“ „Bist du nicht.“ Sanft küsste ich ihn auf den Kopf. „Du warst einfach nur zu beschäftigt. Genau wie ich. Ich hab doch auch nicht mitbekommen, dass du gekündigt wurdest und ’n neuen Job hast. Lass uns das vergessen und von vorne anfangen. Und ich muss definitiv nicht zurück.“ „Das will ich doch wohl hoffen!“ Stürmisch küsste er mich. „Ich würde dich auch gar nicht gehen lassen. Ich will nie mehr von dir getrennt sein.“ „Gut, du hast nämlich keine andere Wahl mehr. Es gibt da nämlich noch eine Sache.“ Von seinen Küssen angestachelt, schob ich meine Finger unter sein Shirt. „Oh mein Gott, du bist schwanger! Wer ist der Vater?“ „Quatschkopf!“ Ich schubste ihn um, krabbelte über ihn, biss ihm leicht in die Nase und legte mich dann auf seinen Bauch. „Wenn alles gut läuft, kann ich das Studio in spätestens zwei Jahren übernehmen.“ „Das ist ... Wow ... Das ist klasse!“, rief er aus und zog mich zu einem Kuss an sich. Er strahlte, als hätte man ihm ein solches Angebot gemacht. Dann wurde sein Gesicht ernster. „Kannst du dir das denn leisten? Ich meine, du hast ja nie so mega viel verdient und unsere Beziehung war für uns beide bisher nicht günstig. Jetzt wirst du wohl nicht viel mehr verdienen und die Wohnung ... Wie willst du das bezahlen?“ „Meine Eltern haben einiges zurückgelegt fürs College. Ich hab das Geld ja nie gebraucht. Und die Abendschule hat kein Vermögen gekostet.“ Sofort unterbrach Roger mich. „Abendschule?“ „Ich hab im letzten Jahr einen BWL-Kurs gemacht. Rob, der jetzige Besitzer, hat darauf bestanden, wenn ich das Studio übernehmen will.“ Roger und ich hatten in den letzten Jahren eindeutig zu wenig voneinander mitbekommen. Mich wurmte es noch immer, dass ich erst erfahren hatte, dass er in der alten Praxis gekündigt worden war, als ich ihn spontan abholen wollte und man mir dort sagte, dass er seit einem halben Jahr woanders arbeitete. „Jedenfalls hab ich dadurch noch ein paar Rücklagen. Sie sind nicht groß, aber ich hab auch so viele Extraschichten wie möglich gemacht und mach sie auch jetzt noch. Ich hab letzte Woche immer Doppelschichten geschoben. Daher wird es schon gehen, wenn ich das beibehalte. Zumindest vorerst. Ich hoffe, du bist mir nicht böse? Weil ich trotzdem nicht viel Zeit für dich habe?“ Roger lächelte mich an und schüttelte den Kopf. Dann wurde das Lächeln plötzlich noch breiter. Er strich über meine Wange. „Ich weiß, wie du noch etwas mehr sparen kannst und trotzdem mehr Zeit für mich hast.“ Verwundert sah ich ihn an. Was plante er denn jetzt schon wieder Verrücktes? Nein, nicht wirklich! Lachend schlang ich meine Arme um seinen Hals und küsste ihn drängend. „Das ist nicht dein Ernst!“ „Doch.“ Roger küsste mich ebenfalls. „Die Wohnung ist groß genug und du hast gesagt, du möchtest, dass ich irgendwann einziehe. Warum also nicht gleich? Ich fand die Zeit mit dir in deinem Zimmer wunderschön. Jeden Morgen mit dir aufzuwachen, hat jeden einzelnen Tag viel schöner gemacht. Und hier haben wir auch mehr Platz.“ „Du bist verrückt!“ Ich lachte und ließ dann meine Lippen fordernd über seine wandern. „Nein, wir sind verrückt. Deswegen passt es auch so gut. Zeigst du mir den Rest unserer Wohnung?“ Rogers Finger wanderten am Kragen unter mein Jackett und streiften es langsam über meine Schultern. „Ich würde dir ja zuerst das Bett zeigen, aber das ist noch von den Vormietern. Ich wollte morgen gleich ein Neues holen. Soll ich dir stattdessen die Dusche zeigen? Die ist groß genug für zwei“, schnurrte ich ihm ins Ohr und küsste es. „Wenn du das Bett eh loswerden willst, dann ist es ja nicht schlimm, wenn wir es kaputt machen und einsauen, oder?“, gurrte er und zog mir die Jacke aus. „Und danach schau ich mir gern die Dusche mit dir an.“ „Klingt gut.“ Ich stand auf, schmiss das Kleidungsstück über die Lehne. Dann beugte ich mich über Roger, schob ihm die Arme unter Knie und Rücken und hob ihn hoch. „Festhalten.“ „Oh ja, mein großer, starker Mann. Bring mich in unsere Höhle.“ Lachend schlang er die Arme um meinen Hals. Nachdem er mich kurz geküsst hatte, hauchte er in mein Ohr: „Und dann tu mit mir das, was nur du darfst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)