Camp Kawacatoose von Vampyrsoul (Boston Boys 1) ================================================================================ Kapitel 6: Der sich outet ------------------------- Alle starrten Peter mit großen Augen an, während Chris ihm gegen den Hinterkopf schlug. Es schien nicht doll, aber genug damit Peters Kopf kurz nach vorne ruckte. „Du sollst nicht so reden!“ „Sorry.“ Peter rieb sich den Hinterkopf, bevor er sich kleinlaut verbesserte: „Vermutlich lebt sie immer noch in Chicago. Wenn sie denn noch lebt und sich nicht totgesoffen hat.“   „Ehm, ja, mein Beileid“, wünschte meine Mutter in Chris’ Richtung. Sie schien ziemlich verunsichert, wie sie mit dem Wissen umgehen sollte. Doch Chris sah sie verwundert an. „Was? Warum? Das müssen Sie Mat wünschen, nicht mir.“ „Aber sie war doch ihre Frau?“ Nun schien meine Mutter endgültig verwirrt und ich auch.   Dass die beiden Brüder, ob der Verwirrung feixten, machte es nicht gerade besser. Nach einem Moment, in dem sie beide sich angegrinst hatten, klärte Mat die Situation auf: „Chris kennt unsere Eltern nicht. Er war nur so freundlich, sich zwei pubertierende Halbstarke ans Bein zu binden.“   „Dann sind sie also...?“ Meine Eltern schienen noch immer nicht ganz verstehen zu können, wie das möglich war. Für mich klärten sich damit aber zumindest einige Fragen. „Ich bin der Pflegevater der beiden. Sie können und wollen nicht in ein Heim, deswegen sind sie bei mir untergebracht. Aber manchmal frage ich mich, ob das wirklich eine gute Idee war. Es ist gar nicht so einfach, plötzlich auf zwei fast erwachsene Jungs aufzupassen, die es einem nicht immer leicht machen.“ Er grinste die beiden an und zwinkerte ihnen zu. Peter grinste zurück. „Du hast es dir doch ausgesucht! Jetzt leb damit.“   „Ich finde, sie machen das schon ziemlich gut. Ist sicher für sie alle drei nicht ganz einfach“, lobte mein Vater höflich. „Danke.“ Chris schien das Lob ehrlich anzunehmen. „Dennoch überlass ich das Rechtliche für die beiden Knallköppe doch lieber dem Jugendamt. Sie glauben gar nicht, auf was für blöde Ideen zwei Jungs in dem Alter kommen können.“   „Seien Sie sich da mal nicht so sicher“, feixte mein Vater. „Toby ist ja nun auch nicht umsonst hier.“ „Dabei scheint er doch ein feiner, junger Mann zu sein.“ Chris musterte mich kurz. „Ich bin mir sicher, sie würden ihn nicht mal für einen Tag gegen einen der beiden eintauschen wollen. Was hast du denn angestellt? Als du jemandem helfen wolltest, doch mal zu fest zugeschlagen?“   „Ich hab versucht Kondome zu klauen“, erzählte ich dem leeren Teller vor mir. Dabei warf ich meinem Vater aus den Augenwinkeln einen bösen Blick zu. Das musste ja nun wirklich nicht sein, dass ich das erzählen musste. Anderseits würde ich so vielleicht erfahren, was Mat und Peter getan hatten. Aber diese und ihr Vater lachten erst mal eine Runde. Zu recht, wie ich fand.   „Das ist süß. Irgendwie passt das zu dir. Vermutlich hat deine Freundin sich wegen ihrer strengen Eltern nicht getraut, welche zu kaufen, aber du wolltest auch kein Risiko eingehen und hast sie deswegen lieber geklaut, damit es keiner mitbekommt?“ Chris grinste mich an, während ich mit den Schultern zuckte. Ja, so in etwa kam das hin. Bis auf ein paar kleine Details.   „Wann fahren wir endlich in den Zoo?“, fragte Lena in die Gesprächspause hinein. „Du hast ja Recht, Schatz, wir sollten langsam los. Kommt ihr nun mit?“ Erneut bestätigten die Brüder, dass sie gerne mitwollten und so kam natürlich auch Chris mit.     Der Zoobesuch war lustig, vor allem für Lena. Sie hatte einen Narren an Mat und Peter gefressen und zog die beiden an der Hand von einem Gehege zum nächsten. Da die beiden wohl noch nicht häufig in einem Zoo gewesen waren, konnte sie ihnen alles erzählen, was sie über die Tiere wusste – und das war eine Menge – und sie sogen es begeistert auf. Da sich die drei Erwachsenen über allen möglichen Erziehungskram unterhielten, von dem ich gar nicht so wirklich alles wissen wollte, konnten Terrence und ich uns etwas hinter die anderen zurückfallen lassen und die Zeit nutzen, um uns allein zu unterhalten.   „Und wie läuft’s? Hast du es dir jetzt doch anders überlegt und willst nach Boston abhauen? Oder warum wolltest du unbedingt allein reden?“, fragte Terrence, sobald wir außer Hörweite waren. „Ach, erzähl keinen Blödsinn.“ Ich wusste jetzt gar nicht mehr, ob es überhaupt Sinn machte, ihm etwas zu erzählen. Immerhin hatte mir das Gespräch der Brüder mit ihrem Vater ja schon gesagt, dass Peter auf Mädchen stand.   „Was wolltest du mir denn sonst erzählen? Rück schon raus mit der Sprache. Wer weiß, wie lange wir überhaupt unter uns bleiben können.“ „Peter hat mich erwischt, als ich mir ein runtergeholt hab“, gab ich etwas verlegen zu. „Und? Ich hab dich doch auch schon erwischt. Hat ihm gefallen, was er gesehen hat?“ Ein leicht anzügliches Grinsen konnte sich der Gute doch nicht verkneifen.   Toll, wer sollte denn so viele Fragen auf einmal beantworten? Also eine nach der anderen. „Ja, aber ich hab dabei nicht an dich gedacht. Und da ist auch eher mein Problem: Nicht, was er gesehen hat – da gab es nämlich nichts zu sehen –, sondern was er vielleicht gehört hat.“ Ich senkte noch einmal die Stimme etwas weiter. „Vielleicht ist mir aus Versehen sein Name dabei rausgerutscht. Ich hab die Augen zu gehabt und als ich sie wieder aufgemacht hab, stand er vor mir.“   „Oh, das ist blöd. Du weißt also nicht, ob er was gehört hat?“ Ich nickte. „Wie hat er denn reagiert?“ „Ziemlich gelassen. Er hat mir nur gesagt, dass wir rein müssen, hat kurz gegrinst und ist dann gegangen.“ „Klingt nicht, als hätte er etwas gehört. Ist doch also halb so wild. Oder hättest du gern gehabt, dass er es gehört hat?“ Mein Freund grinste mich an.   „Ich weiß nicht. Dann wüsste ich vielleicht wenigstens, was er von mir hält. Aber dann wüsste er, dass ich schwul bin. Das wäre irgendwie... komisch...“ Ich fuhr mir durch die Haare, während mein Freund mich fragend ansah. Natürlich, damit er verstand, warum das komisch war, musste ich ihm alles erzählen. Immerhin hatte ich sonst ja auch kein Problem damit, wenn es jemand erfuhr. „Peter träumt häufig schlecht und hat mich ein paar Mal damit aufgeweckt. Er schläft an meinem Kopfende. Das erste Mal hab ich ihn aufgeweckt und ihm tat der Körperkontakt gut, deswegen hab ich dann die Nacht seine Hand gehalten. Irgendwie ist es zur Gewohnheit geworden. Nach der Sache in der Dusche war es so schlimm, dass ich bei ihm im Bett geschlafen habe. Nicht wie du denkst! Mit meiner eigenen Decke! Und wir waren auch schon häufiger zusammen duschen. Wenn er jetzt rausfindet, dass ich auf Jungs und auch noch auf ihn stehe, dann ist das irgendwie merkwürdig. Außerdem... er hat sich später in derselben Nacht auch einen runtergeholt. Ich bin wach geworden und dachte, er hätte wieder schlecht geschlafen. Ich wollte ihn beruhigen und hab ihm im Halbschlaf durch die Haare gestreichelt. Erst als er plötzlich ruhig war, ist mir aufgefallen, was los war.“   Ich sah Terrence an, dass er sich zusammenreißen musste, nicht loszulachen. Mir wäre es wohl ähnlich gegangen, wenn mir jemand das erzählt hätte. „Oh Mann, das klingt so verrückt. Und du weißt immer noch nicht, wie es um sie steht?“   „Mat steht wirklich auf Jungs. Aber Peter wohl nicht. Zumindest hat Mat zu Chris gesagt, dass er eben im Gegensatz zu Peter keine Erfahrung mit Mädchen hat und den Jungs daher nichts zu erzählen hat. Aber das hab ich erst vorhin erfahren. Daher hat sich das Ganze wohl eh erledigt.“ Ich konnte eine gewisse Traurigkeit nicht aus meiner Stimme heraushalten.   „Mat hat nur gesagt, dass Peter Erfahrung mit Mädchen hat?“ Ich nickte. „Das heißt doch nun wirklich nichts. Es probieren doch genug vorher auch mit Mädchen rum. Es kann sich ja nicht jeder, so wie du, direkt sicher sein.“   „Toll, dann bin ich so gar nicht weiter.“ Ich seufzte. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. „Was willst du denn? Du willst ihm doch sicher hier eh nicht näherkommen, oder? Also warum der Stress?“ Neugierig sah der Kleinere zu mir auf.   „Chris hat mich eingeladen, sie mal in Boston zu besuchen. An sich würde ich gern, ich mag die beiden. Und ich hab schon vorher darüber nachgedacht, ob ich Peter nicht mal zu mir einlade. Aber dann will ich, dass er Bescheid weiß. Nur ihm das im Nachhinein am Telefon sagen oder schreiben, finde ich feige. Aber ich weiß sonst nicht, wie ich es machen soll. Ich hab Angst, wie er reagiert. Was ist, wenn er ein großes Theater macht und alle von den Sachen vorher erfahren?“ Ich hatte noch immer wenig Lust, vor der ganzen Gruppe geoutet zu werden, aber das erschien mir mittlerweile einfach nicht mehr so wichtig. Nur musste nicht jeder erfahren, was zwischen uns vorgefallen war.   „Toby, du bist ’n Feigling. Warum sollte er das machen? Das schadet ihm doch auch. Und er kommt doch mit Mat super aus, warum sollte er dann bei dir ein Problem damit haben? Es gibt doch nicht viele Möglichkeiten, wie er darauf reagieren kann: Entweder er steht nicht auf Jungs und will dann trotzdem noch mit dir befreundet sein oder eben nicht, oder er steht auf Jungs und vielleicht zufällig auch noch auf dich, ansonsten eben nicht. So schwer ist das doch nicht.“   „Du hast gut reden. Wer liegt mir denn seit zwei Monaten mit Jayla Harper in den Ohren? Was ist denn daraus geworden?“ Warum ließ ich mir überhaupt von ihm Tipps geben? Er kam doch selbst nicht voran. „Das ist etwas ganz anderes“, behauptete er. „Sie ist DIE Frau für mich, dass muss gut vorbereitet sein. Bei dir geht es nur um einen Urlaubsflirt.“   „Und wer sagt, dass Peter nicht DER Mann für mich ist?“, fragte ich leicht gereizt. „Toby, ganz ehrlich: Ich glaube immer noch nicht, dass es DEN Mann für dich gibt. Du hast jetzt schon wie viele ausprobiert? Zwei? Drei? Und sie sind dir alle weggerannt, weil du immer der Mann sein wolltest. Und ich kann sie verstehen. Das hält doch kein Kerl auf ewig aus, wie eine Frau behandelt zu werden.“   Ich wusste bereits, dass Terrence nicht daran glaubte, dass ich mal wirklich einen Freund finden würde. Aber ich gab es dennoch nicht auf. Und ich hasste es, dass er mir einreden wollte, dass es nichts werden würde. Daher reagierte ich auch etwas giftig. „Ich behandel sie nicht wie eine Frau! Ich mag es einfach nur... naja, wenn ich eben bestimmen kann, was im Bett läuft.“   „Siehst du: Du behandelst sie wie Frauen“, beharrte mein Freund weiter. Da zeigte sich wieder, dass mein Freund nicht nur eine völlig falsche Vorstellung von mir hatte, sondern auch davon, wie man mit Frauen umging. Aber das war nicht meine Sache und ich hatte keine Lust mich mit ihm zu streiten. Daher sah ich mich nach einer Ablehnung um und fand sie in Lena. Schnell rannte ich zu ihr. „Lena, geh nicht so nah ran, die beißen!“     Am Abend hatte ich dann eine Entscheidung gefällt: Ich wollte Peter zumindest vorsichtig näherkommen. Wenn er dann Terror machte, konnte ich morgen mit meiner Familie heimfahren. Außerdem war am Abend Disko, da würde mir schon etwas einfallen, wie ich mich vorsichtig rantasten konnte.   Natürlich wurde bei so einem reinen Jungencamp der Besuchstag für die obligatorische Disko genutzt, denn so waren auch ein paar Mädchen anwesend. Die Musik war okay und ich hatte auch schon mit ein paar getanzt. Außerdem hatte meine Mutter auch wieder darauf bestanden, dass ich wenigstens einmal mit ihr tanzte. Ich tat es gern, denn im Gegensatz zu den Mädchen hier konnte sie es. Nachdem sie mit mir einen Walzer getanzt hatte, war Terrence an der Reihe, da sich das Lied gerade anbot. Er konnte nur Fox Trott und auch nur, weil ich es ihm mal bei einer ähnlichen Disko beigebracht hatte. Aber es reichte für solche Veranstaltungen.   „Toby, tanzt du mit mir?“ Lena grinste mich breit an. Unweigerlich grinste ich zurück. Da sie gerade erst das Tanzen lernte – unsere Eltern bestanden darauf, dass wir wenigstens einmal einen Tanzkurs gemacht hatten, soziale Kompetenzen und so – brannte sie darauf, jede Gelegenheit zu nutzen und zu zeigen, was sie schon konnte. „Klar.“   Ich hielt ihr meine Hand hin und ging mit ihr auf die Tanzfläche. Es war nicht ganz so einfach mit ihr zu tanzen, da sie mit ihren zehn Jahren noch recht aufgedreht war und außerdem nun mal deutlich kleiner. Aber solange es ihr Spaß machte, war es okay. Mitten während des Liedes kicherte sie plötzlich. Ich folgte ihrem Blick und sah Mat, der etwas tollpatschig mit meiner Mutter tanzte. Er hatte den Takt und die Schritte zwar raus, aber es sah schon sehr steif aus, was er da aufs Parkett legte.   „Als nächstes möchte ich mit Mat tanzen!“, verkündete Lena begeistert. Und natürlich erfüllte er ihr den Wunsch. Er konnte wirklich ziemlich gut mit ihr umgehen. Vielleicht sollte er etwas mit Kindern machen, wenn es mit dem EMT doch nicht klappte. Was ich natürlich nicht hoffte.   „Kannst du auch tanzen?“ Das nächste Opfer meiner Mutter war natürlich Peter. Er grinste, stand auf und hielt ihr formvollendet seine Hand hin. Begeistert ergriff sie sie und die beiden stürzten sich auf die Tanzfläche. Es sah wirklich gut aus, was er dort ablegte. Da konnte ich mir noch das ein oder andere abschauen. Meine Mutter schien das ähnlich zu sehen, denn sie nutzte die Gelegenheit, um gleich noch zwei weitere Tänze mit ihm zu wagen.   Dann brauchte sie eine Verschnaufpause, die meine Schwester nutzte, sich ein wenig von Peter zeigen zu lassen. Es sah süß aus, wie er mit meiner Schwester am Rand stand und ihr Schrittfolgen zeigte. Ab und zu wurden sie unterbrochen, da sich die Mädchen die Gelegenheit, mit einem gutaussehenden Tänzer zu tanzen, nicht entgehen lassen wollten. Zu ihnen schien das Gerücht um Peters Schwulsein noch nicht durchgedrungen zu sein oder sie wähnten sich dadurch in Sicherheit.   Irgendwann wurde Lena müde und kuschelte sich auf Mats Schoß. Auch wenn sie von Peter etwas lernen konnte, den größeren Narren hatte sie an seinem Bruder gefressen. Aber es schien beide nicht zu stören. Peter setzte sich an den Tisch und quatschte etwas mit Chris.   Als ein Klassiker von Elvis den Raum beschallte, standen meine Eltern auf und nutzten die Gelegenheit auch mal wilder zu tanzen und nicht Lena an der Backe zu haben, die mittlerweile bei Mat schlief. Als ich meinen Eltern nachsah, fiel mein Blick auf Peter, der den Blick auf die Tanzfläche gerichtet hatte und wippend der Musik lauschte. Es schien ihn kaum auf dem Stuhl zu halten. Plötzlich kam mir eine ziemlich blöde Idee und ich warf die Sache mit dem vorsichtig Näherkommen über den Haufen.   Ich stand auf, stellte mich neben ihn und räusperte mich kurz, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Als er zu mir aufsah, hielt ich ihm meine Hand hin. „Magst du tanzen?“ Einen ganz kleinen Moment sah er mich verwundert an, dann begann er zu strahlen und ergriff meine Hand.   Peter war ein verdammt guter Tänzer und beherrschte nicht nur in der Theorie die Frauenschritte. Ich hatte ihn ja bisher nur beobachten können, aber er passte sich direkt an meinen Schritt an und ließ sich super gut führen. Nach den ersten ein, zwei Missverständnissen hatte er sich an meine Art gewöhnt und es lief perfekt. Wenn Tanzen wirklich der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens war, dann mussten wir gut zusammenpassen. Vermutlich war das der beste Weg das auszudrücken, was ich wollte: Jemanden, der sich von mir führen ließ und darauf vertraute, dass ich wusste, wohin die Reise ging.   Fast ohne Übergang wechselten wir in den nächsten Tanz. Peter sah kurz zu mir auf und lächelte mich an, dann konzentrierte er sich wieder auf den Tanz. Ich vergaß einfach alle anderen im Raum und konzentrierte mich nur noch auf ihn und die Musik. Nur ganz am Rande achtete ich darauf, dass wir keine anderen Tänzer blockierten.   Nach einem weiteren Tanz wurde eine Schnulze bespielt. Peter löste sich aus meinem Griff und wollte zurück, aber ich hielt ihn leicht am Handgelenk fest. Ich lächelte ihn vorsichtig an. „Was ist, schon müde?“ Wieder war er kurz verwundert, bevor er sich fasste und zurück lächelte. „Nein, noch lange nicht.“   Er ließ sich von mir heranziehen, schlang seine Arme um mich und legte seinen Kopf an meine Schulter. Ich legte ihm eine Hand auf den Rücken, die andere an die Hüfte und begann mich mit ihm zur Musik zu bewegen. Mir war vollkommen bewusst, wie das wirken musste, aber es war mir gerade egal. Ich konnte ihm nahe sein und es gefiel mir. Im Gegensatz zu mir war er völlig entspannt. Mich machte es irgendwie nervös. Sicher spürte er, wie schnell mein Herz schlug.   Nach einer Weile hob er leicht den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Ich strich ihm mit dem Daumen der unteren Hand leicht über die Haut, da sein Shirt etwas nach oben gerutscht war, und lächelte ihn an. Den Gedanken, ihn einfach zu küssen, verdrängte ich ganz schnell wieder. Das Lächeln erwidernd lehnte er nach einem Moment den Kopf wieder an. Es schien also alles in Ordnung zu sein. Ob ihn das hier wohl genauso nervös machte wie mich?   Nach dem Lied ließ ich ihn los und bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, zu unserem Tisch zurückzugehen. Die Blicke aller anderen im Raum blendete ich weiterhin einfach aus. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Nur die Blicke an unserem Tisch konnte ich nicht ignorieren. Meinen Eltern, die sich gerade wieder auf den Weg zum Tanzen machten, stand die Bewunderung ins Gesicht geschrieben. Ob nun dafür, dass ich einfach mit einem Jungen getanzt hatte oder für Peters Tanzkünste, war ich mir nicht sicher. Terrence grinste mich breit an. Für ihn schien die Sache sicher zu sein. Mat und Chris dagegen schienen wenig begeistert. Sie sahen eher skeptisch und besorgt zu Peter, als ich ihn noch zu seinem Stuhl begleitete.   „Danke für den Tanz“, raunte ich ihm noch zu, als er sich setzte und strich ihm kurz über den Oberarm. Nach einem letzten Lächeln ging ich zu meinem Platz am anderen Ende des Tisches zwischen den nun leeren Plätzen meiner Eltern und Terrence.   Sobald ich saß, ging mein Blick wieder zu Peter, welcher jedoch in Richtung der Tanzfläche schaute. Seine Miene konnte ich daher nicht sehen. Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas zu, worauf er nickte und beide aufstanden. Verwirrt sah ich ihnen nach. Hatte ich etwas falsch gemacht?   Hilfesuchend sah ich zu Mat, der jedoch einfach nur mit neutralem Gesichtsausdruck den Kopf schüttelte. Was sollte mir das denn sagen? Es konnte heißen, dass er enttäuscht von mir war, dass ich mir keine Sorgen machen sollte oder auch dass er nicht wusste was los war. Na ganz Klasse.   Terrence schien genauso verwirrt. Er beugte sich zu mir und flüsterte: „Was ist denn los?“ Ich zuckte mit den Schultern und flüsterte zurück: „Keine Ahnung. Bis gerade dachte ich, dass alles gut ist.“   „Was sollte das werden?“, giftete mich Mat über den Tisch hinweg nun doch an. Gut, dass meine Eltern gerade nicht da waren, sie hätten ihm den Ton wohl nicht einfach durchgehen lassen. Verwundert über die Schärfe in seiner Stimme antwortete ich: „Ich hab einfach nur mit Peter getanzt.“   „Ich würde eher behaupten, du hast ihn für dein kleines Experiment missbraucht. Hör auf damit! Peter ist kein Versuchskaninchen, an dem du deine neu entdeckten Neigungen ausprobieren kannst!“ Mein Gesichtsausdruck wurde noch verwunderter und auch Terrence konnte man ansehen, dass Mat ihn verwirrte. „Welche neu entdeckten Neigungen?“   „Komm schon, jetzt fang nicht noch an es abzustreiten, dass du auf Peter stehst! Das sieht doch ’n Blinder mit ’nem Krückstock!“ Auf Mats Gesicht machte sich Ärger breit.   Ich stand auf, bedeutete Terrence mir zu folgen und setzte mich auf einen der Plätze neben Mat. Es war ja außer uns eh niemand mehr am Tisch, da mussten wir auch nicht brüllen und womöglich Lena wecken. Möglichst ruhig antwortete ich ihm: „Wo ist dein Problem? Es geht dich doch gar nichts an.“   „Natürlich geht es mich etwas an! Peter ist mein Bruder!“ Er setzte mir den Finger auf die Brust. „Und wenn du ihm weh tust, weil du meinst, du müsstest mal mit ihm ausprobieren, wie es so ist, schwul zu sein, und es dir dann doch zu viel werden, dann bekommst du es mit mir zu tun!“   Ich musste schmunzeln, während Terrence plötzlich in irres Lachen ausbrach. Verwirrt sah Mat ihn an. „Wie geil! Ich dachte immer als Schwuler muss man sich die Großer-Bruder-Nummer nicht antun!“   „Peter ist für mich kein Experiment. Ich weiß schon seit ein paar Jahren, dass ich auf Jungs stehe.“ Vorsichtig nahm ich die Hand von meiner Brust und lächelte Mat an, der nun mich irritiert ansah. „Ich hätte mich sicher nicht für ein kleines Experiment vor dieser Horde Jungs geoutet. Ich hab lange überlegt, ob es sich lohnt das Risiko einzugehen, nur um ihm zu zeigen, dass ich auf ihn stehe.“   Nun war es an Mat zu lachen. „Dann hättest du dir das Theater echt sparen können. Mich wundert ja wirklich, dass die anderen Idioten nichts davon bemerkt haben, aber das war schon sehr offensichtlich.“   „Peter wusste es schon?“ Mat nickte. „Seit wann?“ „Als du uns die Zigaretten angeboten hast, waren wir uns sicher.“ Mir klappte die Kinnlade herunter, doch Mat erklärte im ruhigen Ton weiter: „Niemand tut jemand anderem etwas Gutes, ohne dabei auf eine Art von Gegenleistung zu hoffen.“ „Aber wie? Ich meine, wie konntet ihr das da schon wissen?“ War das überhaupt möglich?   „Wir merken einfach recht schnell, wenn jemand uns sexuell anziehend findet.“ Er zuckte einfach nur mit den Schultern, als würde diese Antwort alles erklären. „Warum hat er dann nie was gesagt?“ Eigentlich war die Frage blöd. Denn es konnte nur eine Antwort darauf geben: Er war einfach nicht an mir interessiert.   „Weil ich es süß fand, dass du nicht gleich mit der Tür ins Haus gefallen bist, wie ich es sonst gewohnt bin.“ Peter hatte sich hinter meinem Rücken unserem Tisch genähert und setzte sich gerade neben seinen Bruder. Dieser murmelte etwas davon, dass er es albern fand. Chris setzte sich neben den Jüngeren. „Statt mich einfach nur als Objekt zu sehen, hast du dich vorsichtig an mich herangetastet. Ich wollte wissen, wie es ist, wenn es richtig läuft, also so wie es sein sollte. So mit sich kennenlernen und so. Außerdem hast du einfach nicht auf meine Annäherungsversuche reagiert. Da dachte ich, du bist dir noch nicht ganz sicher.“ „Welche Annäherungsversuche?“ Es hatte von seiner Seite aus welche gegeben?   „... bitten alle Campteilnehmer sich in spätestens fünfzehn Minuten in ihren Zimmern einzufinden. In einer halben Stunde beginnt die Nachtruhe“, erklang es aus den Lautsprechern. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Musik ausgegangen war, so sehr war ich in unser Gespräch vertieft gewesen. Schnell verabschiedeten wir uns von unseren Eltern und machten uns dann auf den Weg in unser Zimmer. Auf dem Weg fragte ich Peter noch, ob wir später noch reden könnten, was er bejahte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)