go to hell von Futuhiro (karashima / heaven&hell crossover) ================================================================================ Kapitel 7: Kerkerloch --------------------- „Katori!“, jauchzte Ruri erfreut, als er die Stimme natürlich sofort erkannte. Er ging vor dem auf dem blanken Boden sitzenden Sänger auf die Knie, schloss ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich. Erleichtert, ihn wiederzuhaben. „Gott, bin ich froh, dich zu sehen. Bist du okay? Entschuldige bitte, Katori. Echt, es tut mir so leid.“ „Was denn?“, wollte der verwirrt wissen und erwiderte die Umarmung, die er sich von keinem anderen sonst hätte gefallen lassen. „Na, das alles hier. Das du hier gelandet bist.“ „Da kannst du doch nichts dafür, daß dieser Taiken mich verschleppt hat. Ich hätte ja auch mal selber ein bisschen Acht geben können. Suspekt war der Kerl uns ja von Anfang an, das hätte mich eigentlich hellhörig machen müssen. Sonst lasse ich mich doch auch nicht so leicht umgarnen.“ „Trotzdem. Ich hätte dich mit ihm nicht alleine lassen dürfen.“ „Unsinn!“, entschied Katori vehement und löste sich wieder aus Ruris festem, leicht verzweifelten Klammergriff. „Das ist nicht deine Schuld.“ Der Gitarrist musterte ihn nochmal seufzend von oben bis unten, soweit das bei den Lichtverhältnissen hier möglich war. „Bist du auch wirklich in Ordnung?“ „Ja. Ein bisschen genervt, aber sonst ...“ Katori hustete. Zu der immer lästiger werdenden Übelkeit hatten sich inzwischen auch Kopfschmerzen gesellt. „Diese Schwefel-Luft hier bringt mich noch um.“ „Ja. Ich schätze, die ist auch nicht ganz ungiftig. Wir sollten zusehen, daß wir hier schnell wieder weg kommen.“ Synchron schauten sie zur Tür ihres Verließes, auch wenn sie beide sicherlich komplett gegenteilige Gedankengänge dazu hatten. Während Ruri abschätzte, wie man die am besten aufkriegen könnte, lag Katoris Gutachten ungefähr bei 'niemals'. „Wäre doch gelacht“, entschied Ruri, stand wieder auf und ging hinüber. Er nahm kurz Maß. Immerhin war das nicht die erste Tür, die er eintrat. Er hatte da schon ein bisschen Berufserfahrung. Er zog das Bein an und sprang mit aller Wucht gegen das Schloss. Und prallte davon zurück wie ein Springball. Das eiserne Schloss hielt. Fluchend versuchte Ruri es noch ein zweites und drittes Mal, dann mit einer anderen Technik, dann an einer anderen Stelle der Tür. Erfolglos. „Komm schon, Ruri, lass es. Du wirst dich noch verletzen“, meinte Katori aus dem Hintergrund. „Oder noch schlimmer, du machst mit deinem Lärm jemanden auf uns aufmerksam. Glaubst du, hier gibt es keine Kerkermeister?“ „Ich hab keinen gesehen“, diskutierte Ruri und warf sich als nächstes mit der Schulter gegen die Tür. Auch das brachte nichts. „So ein Shit. Hast du dein Handy noch?“ „Ja, wieso?“ „Gib mal her. Ich brauch Licht. Entweder eine Taschenlampen-App oder zur Not halt die Bildschirmbeleuchtung.“ Einverstanden quälte sich Katori ebenfalls vom Boden hoch und kam herüber. Er hustete wieder, zunehmend bronchial. „Du klingst aber gar nicht gesund, Junge“, warf Ruri besorgt ein. Der Sänger beleuchtete nur kommentarlos das Schloss für ihn. Er schaute sich die Misere eine Weile an. „Hm. Das ist noch ein total mittelalterlicher Mechanismus. Wäre gar keine große Sache, wenn wir das richtige Werkzeug hätten. Da ist nur so ein kleiner Kipphahn drin, den man erwischen muss. Du hast nicht zufällig eine Haarnadel einstecken, oder?“ „Nein.“ „Und irgendeine andere Nadel? Sicherheitsnadel, Button, irgendwas?“ Katori schüttelte den Kopf. Ruri sah wieder nachdenklich auf das Schloss. „Ich hab ein Feuerzeug. Meinst du, ich kann die Tür einfach abfackeln? Hier ist doch sonst nichts aus Holz, was brennen könnte. Alles nur Stein. Sollte eigentlich ungefährlich sein, wenn wir Abstand halten.“ „Würde ich lieber lassen. Wer weiß, was in dieser ekelhaften Luft außer Schwefel noch alles drin ist“, gab Katori zu bedenken. Kurz Ruhe. „Aber ich hätte eine Kugelschreiber-Miene. Ginge die auch?“ „Oh ja, super! Gib her!“, stimmte Ruri erfreut zu. Katori angelte seinen Stift aus der Innentasche der Jacke. „Wann hast du gelernt, Schlösser zu knacken?“, wollte er beim Aufschrauben wissen. „Du kennst mich doch. Ich habe viele Talente.“ Der Gitarrist nahm die Metallmiene, die er hingehalten bekam, und fing an, damit derb im Schloss herum zu stochern. Offenbar brauchte man für diese Aktion ein bisschen Kraft, solche antiken Eisenriegel waren keine Feinmechanik. Es gab einige knackende und klickende Geräusche, die Katori mehr als einmal Hoffnung machten. Aber es rührte sich trotz Ruris konzentrierter Bemühungen nichts. „Viele Talente, ja-ja“, lästerte er kichernd, um seinen Kumpel aufzuziehen. „Willst du´s selber machen!?“, nörgelte der biestig zurück. Katori lachte leise. „Scheiß-Teil“, grummelte Ruri, langsam etwas ungeduldig. Wieso war dieses verdammte Schloss so störrisch? „Hast du manchmal noch einen zweiten Kugelschreiber einstecken?“ „Warum? Hast du die Miene abgebrochen?“ „Nein. Aber mit zweien ginge es besser. Dann könnte ich mit einer den Hebel da ... Oh! Hat sich erledigt!“, bemerkte Ruri erfreut und schob die Tür einen Spalt weit auf. Er hatte sie wirklich auf bekommen! „Respekt. Gut gemacht.“ Katori griff nach der Kugelschreiber-Miene, die Ruri ihm wieder hinhielt, und bastelte mit ein paar schnellen, sicheren Handgriffen seinen Stift wieder zusammen. „Jetzt müssen wir nur noch ungesehen hier wegkommen, ohne Taiken nochmal vor die Nase zu laufen. ... Steck das Handy weg! Das darf keiner sehen.“ „Wieso?“ „Weil die dich sonst als Mensch erkennen. Und dann bist du tot.“ „Die haben mich für einen Engel gehalten, das ultimative Feindbild der Dämonen. Noch schlimmer kann es kaum noch werden“, glaubte der Sänger. „Lebende Engel werden hier wohl geduldet, zumindest wenn sie Gefangene sind. Lebende Menschen nicht. Die haben in der Unterwelt nichts verloren.“ „Und Engel und Dämonen, die in der Menschenwelt leben, können keine Handys haben?“ „Daaaaaas~ ... ist ne gute Frage“, gestand Ruri irritiert. Einen Moment herrschte Schweigen, als sie sich gegenseitig anschauten, jeder auf einen Lösungsvorschlag vom anderen wartend. „Wie du meinst.“ Katori schaltete sein Handy wieder aus und steckte es ein. „Wo ist eigentlich dein Handy hin? Akku alle?“ „Nein, das hab ich bei Kao gelassen. Wenn wir ihn wirklich nochmal wiedersehen sollten, können wir ihn ja fragen, warum Engel und Dämonen angeblich keine Handys haben sollen.“ „Wer ist Kao?“ „Der Fährmann, der uns allesamt über den Fluss geschippert hat. Du sollst ihm angeblich auch schon begegnet sein. Los jetzt, weg hier.“ „Keine Einwände“, meinte Katorihito. Ruri schaute kurz durch die Sichtluke in der Tür, die aber leider keinen sehr großen Winkel einsehen ließ, schob die Tür auf und prallte entsetzt zurück. Draußen im Gang lehnte Taiken an der gegenüberliegenden Wand, die Arme bequem vor der Brust verschränkt, die Füße überkreuzt, und lächelte gehässig in sich hinein. Er machte den Eindruck, als hätte er schon sehr lange da draußen gelehnt und sich das Spektakel von der anderen Seite der Tür aus angesehen. „Ruri, Ruri ...“, meinte er tadelnd. „Hast du denn gar kein schlechtes Gewissen?“ „Mir fiele da schon was ein. Was genau hast du im Sinn?“, konterte der Gitarrist. „Du hast mich angelogen. Du bist ja doch kein Dämon, wie ich euren Gesprächen entnehmen durfte.“ „Kann ich was dafür, wenn du als angeblicher Herr der Unterwelt drauf reinfällst?“ „Übertreib´s nicht, Freundchen!“, meinte Taiken humorlos. Dann schien er sichtlich hin und her zu überlegen, was er jetzt machen sollte. Er war durchaus ein bisschen beeindruckt von Ruri. Die Schlösser des Kerkers zu knacken, das hatte bisher noch keiner fertig gebracht. Oder als lebender Mensch einfach mal rotzdreist und unbemerkt in den Palast rein zu spazieren und dabei nicht aufzufallen. Das musste man schon anerkennen, gestand Taiken sich ein. „Katori ist wirklich kein Engel, was?“ „Nein, ist er nicht.“ „Nun, dann hat wenigstens er nicht gelogen. ... Ihr seid also beide Lebende.“ Taiken haderte weiter mit sich. Was tun? Was tun!? Irgendwann seufzte er. „Sehr bedauerlich. Dabei können wir es leider nicht belassen. Lebend habt ihr in der Unterwelt nichts zu suchen. Das Gesetz ist da recht eindeutig.“ „Dann wirst du uns also umbringen?“, übersetzte Katori mit unwohlem Gefühl. Taiken lächelte versöhnlich. „Nein, LEIDER nicht. Das steht mir nicht an. Eure Zeit ist noch nicht abgelaufen. Ihr müsst zurück in die irdische Welt. Aber vielleicht sehen wir uns ja wieder, wenn es soweit ist.“ Er löste sich von seiner Wand und winkte den beiden, ihm zu folgen. „Kommt, ich bring euch zurück ins Diesseits.“ Katori fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Alter Schwede. Wenn das hier wirklich vorbei war ... Das glaubte ihm kein Mensch! „Oh, Katori!?“, meinte Taiken in sich erinnerndem Tonfall. „Du bist ein goldiges Kerlchen. Du gehst wirklich astrein als Engel durch, ich mag dich. Nimm es mir nicht übel, daß ich dich mit einem verwechselt habe.“ Er hielt dem Sänger den noblen Premium-mp3-player mit dem aktuellsten Schnickschnack und dem neuesten Stand der Technik hin, den er beim Weihnachts-Gewinnspiel der Drogerie als Hauptpreis gezogen hatte. „Hier, nimm das als Andenken an mich. Oder meinetwegen als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die ich dir gemacht habe.“ Am nächsten Tag kamen Haruko und Satsu gemeinsam in den Probenraum. Wie immer, wenn Haruko mit von der Partie war, waren sie zu spät. Daran änderte sich auch nichts, wenn der Drummer ihn im Auto mitbrachte, damit er nicht die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen musste. Haruko war einfach immer zu spät. Satsu hatte fast 20 Minuten auf ihn warten müssen, und als sie dann endlich losgefahren waren, hatten sie nochmal umdrehen müssen, weil Haruko etwas vergessen hatte. „Wieso kannst du auch nie pünktlich sein? Ruri wird uns umbringen!“, jammerte Satsu, als sie sich der Tür zum Probenraum näherten. Er war auf das Schlimmste gefasst. „Dann haben wir´s wenigstens gleich weg“, erwiderte Haruko gelassen. „Wenn wir rechtzeitig gekommen wären, würde er irgendwas anderes finden, wofür er uns rund-erneuern kann.“ „Vielleicht haben wir ja unverschämtes Glück und Ruri ist noch gar nicht da. Ich hab die Ninja nicht auf dem Parkplatz gesehen.“ „Quark. Er wird einfach bei Katori mitgefahren sein. Katoris Flitzer stand unten.“ Sie blieben verwundert in der Tür stehen, als sie sahen, was im Probenraum gerade los war. Oder vielmehr, daß hier gar nichts los war. Ruri lag lang auf dem Sofa der Sitzecke, Katori hing windschief im Sessel, und beide schliefen tief und fest. Ihre Kaffeetassen auf dem niedrigen Couch-Tisch waren noch randvoll. Ruri hatte es nichtmal geschafft, wenigstens seine Jacke auszuziehen. „Meine Fresse. Sieht aus, als hätten die ne lange Nacht gehabt“, kommentierte der Schlagzeuger dieses Bild verwundert. Er hatte sofort und intuitiv Flüsterlautstärke angenommen. „Können die nicht zu Hause pennen?“, raunte Haruko. „Das werden doch heute keine gescheiten Bandproben, so fertig, wie die zwei offensichtlich sind. ... Wollen wir sie wecken?“ „Bist du irre?“, meinte Haruko leise. „Drachen weckt man nicht! Sei froh, daß Ruri schläft und stör ihn nicht dabei! Vor allem können wir dann behaupten, wir wären pünktlich gewesen und hätten sie nur schlafen lassen. Komm, wir verziehen uns in die Teeküche und holen uns auch einen Kaffee.“ Katori, von dem Getuschel unterschwellig geweckt, drehte sich zur Seite und zog die Beine an, um sich auf dem gemütlichen Sessel zu einem Ball zusammen zu rollen, dann schlummerte er in Ruhe weiter. Von Ruri auf dem Sofa kam keine Regung. Der schlief wie ein Stein. Diese durchgemachte Nacht in der Unterwelt hatte ihm echt den Rest gegeben. Er wurde langsam zu alt für solchen Scheiß. Satsu schaute die beiden noch einen Moment an. Schließlich schnappte er mit einem angetanen Lächeln zwei der Filzdecken, mit denen sie sonst ihre Verstärker verpackten. Eine davon zog er der Länge nach über Ruri, um ihn zuzudecken, die andere wickelte er um den eingerollten Sänger. „Ja, lass uns Kaffee holen“, stimmte er dann schmunzelnd zu und winkte Haruko, mitzukommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)