Kaze no Uta von Lady_Ocean (Das Lied des Windes) ================================================================================ Verwechselt ----------- *Hikari-chan setzt sich vor ihren Rechner (obwohl sie eigentlich lernen sollte) und begrüßt die Leser* So. Das zweite Kapitel ist also fertig! Extra für dich, Aya-san *knuddldrück*! Ich freue mich, dass meine Langeweileausgeburten zumindest dir gefallen haben. Und ich hoffe, der erste Eindruck wird jetzt nicht wieder versaut... Noch was zum ersten Kapitel: Da ist deshalb kein Kommi von mir, weil ich super unkreativ bin und außerdem stinkendfaul. Ich werde da also auch keinen einfügen. Und die Schule macht mir im Moment auch echt zu schaffen. Als ich das erste Kapitel hochgeladen hab, war das erste schon fertig. Ich musste eigentlich nur noch mal nach der Rechtschreibung sehen (OK... das hat jemand anders für mich gemacht, sodass ich es bloß noch korrigieren musste). Jetzt hab ich aber genug gefaselt *sieht schon den letzten Leser einschlafen*. Viel Spaß beim Lesen! (*noch mal Aya-san knuddl*) ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Kapitel 1: Verwechselt Eigentlich müsste er sauer sein. Sehr sauer sogar. Und trotzdem konnte er seine Ankunft kaum erwarten. Zehn Jahre hatte er darauf gewartet. Zehn nicht enden wollende, furchtbar anstrengende Jahre. Ein leises Lächeln huschte über Akis Lippen, doch gleich darauf wurde sein Blick wieder ernst. ,Ich muss mich ein bisschen zusammenreißen. Sie soll zumindest im ersten Moment das Gefühl haben, dass ich sauer bin.' Er hatte sich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt. Verträumt schaute er aus dem Fenster und beobachtete die feinen Wolken, die über dem Türkis des Meeres vorüberhasteten. Obwohl er bereits kurz nach Mitternacht aufgestanden war und nun schon über neunzehn Stunden in diesem Flugzeug saß, war er kein bisschen müde. Immerhin hatte er zehn Jahre auf diesen Tag gewartet... ganze zehn Jahre. Ohne es wirklich zu merken, griff er nach dem silbernen, mit Diamanten verzierten Anhänger an der Kette, die er seit zehn Jahren stets um seinen Hals trug. ,Was sie wohl sagen wird, wenn wir uns wieder sehen...? Hoffentlich mag sie mich noch. Ich will die letzten zehn Jahre meines Lebens nicht um sonst gelebt haben.' Es machte ihm Sorgen, dass sie die ganze Zeit über nie geschrieben hatte und es schmerzte ihn, wenn er daran dachte, dass sie ihn vielleicht vergessen hatte. Deshalb hatte er diesen Gedanken die ganze Zeit über verdrängt. Und außerdem... hätte sie ihm niemals ihre wertvolle Kette geschenkt, wenn er ihr egal gewesen wäre. Ja... das war die Hoffnung, an der er immer festgehalten hatte. Und nun würde er bald erfahren, was seine Jugendliebe all die Jahre gemacht hatte, dass sie nicht einmal Zeit gefunden hatte, um ihm zu schreiben. Die ersten Seevögel flogen bereits an den Fenstern des Flugzeuges vorbei. Bis zur Küste konnte es also nicht mehr weit sein. Da es gerade Sonntag war, konnte er erstmal in ein Hotel gehen und sich ein bisschen in Osaka umsehen und seine baldige Uni suchen. Die schriftliche Prüfung hatte per Post stattgefunden. Alle Bewerber hatten eine Kopie ihres Abschlusszeugnisses an die Universität schicken müssen und dann einen Brief mit Fragebögen, den sie innerhalb einer bestimmten Zeit ausgefüllt zurückschicken mussten, bekommen. Von den 500 ersten Einsendern wurden wiederum die 200 besten ausgewählt, die zur praktischen Prüfung an die Budo-Uni eingeladen wurden... und diese Prüfung fand kommenden Montag statt. Ein Lehrer der Universität nahm diese Prüfung ab. Wer dieser war, hing davon ab, welche Kampfsportart man beherrschte. Man musste den Lehrer nicht besiegen, hieß es in dem letzten Brief, den Aki erhalten hatte, aber sich eine bestimmte Zeit gegen ihn behaupten können. ,Dann gehe ich auch an diese Uni... Yuki wird Augen machen, wenn sie mich wieder sieht!' Nach einem fast fünfstündigen Flug kam Aki endlich auf dem Flughafen von Osaka an. Nachdem er sein Gepäck vom Fließband genommen hatte, machte er sich auf den Weg in die Innenstadt. Da er weder ein Auto hatte noch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wollte, machte er sich, sein Gepäck über der Schulter, auf die Suche nach einem Hotel. Der Fußmarsch störte ihn nicht weiter, immerhin hatte ihn sein Sensei, ein Japanischer Kampfmeister, die letzten zehn Jahre genug strapaziert. Die Anfangszeit hatte er sogar richtige Angst vor ihm und seinen fiesen Trainingsmethoden gehabt, doch irgendwann hatte er sich daran gewöhnt. Und wenn er so daran zurückdachte... wie er immer für seinen Sensei innerhalb einer halben Stunde ins Nachbardorf hatte laufen und für ihn einkaufen müssen, obwohl es in seinem Dorf ebenfalls eine Kaufhalle gab... und immer, wenn er es nicht geschafft hatte, durfte er noch eine Siedlung weiter rennen und einen Kasten Wasser holen.... Ja, Hikawa-Sensei hatte höchst ungewöhnliche Trainingsmethoden, doch sie zeigten bessere Wirkung als manch herkömmliche Trainingsart. Während er durch die Stadt schlenderte, holte er sich an einem kleinen Imbissstand etwas Nigiri, denn seit er von zu Hause aufgebrochen war, hatte er nichts Richtiges gegessen. Das Instant-Zeug im Flugzeug hätte man kaum als ,Essen' bezeichnen können und da er früh nie Hunger hatte, hatte er nur eine Schale Cornflakes gegessen, bevor er losgegangen war. Nachdem Aki fast zwei Stunden herumgelaufen und trotzdem kein einigermaßen preiswertes Hotel gefunden hatte, probierte er es näher am Stadtrand. Hier sah es schon wesentlich besser aus. Die Gegend, in der das ausgewählte Hotel stand, war zwar nicht die schönste, aber es war ja nur für einen Tag. Außerdem war das Zimmer billig. Aki warf sein Gepäck auf das Bett und machte sich auf die Suche nach der Uni. Laut Stadtplan musste sie irgendwo in der Nähe sein. Es dauerte auch nicht lange, bis er sie gefunden hatte. Die Universität bestand aus mehreren Gebäuden, die alle recht nah beieinander lagen und zum Teil durch Korridore in verschiedenen Etagen miteinander verbunden waren. Ein Stück hinter dem Hauptteil lag noch ein weiteres großes, flaches Gebäude, an das sich ein riesiger Sportplatz anschloss. Bis zum Abend sah sich Aki noch in der Umgebung um, unter anderem beim Studentenwohnheim. Es war nicht sehr weit von der Universität entfernt, man konnte in wenigen Minuten dorthin laufen. Als er so vor dem Haus stand, fragte er sich, ob Yuki wohl auch in einer der Wohnungen hier wohnte und schaute auf den Klingelschildern nach ihrem Namen. Er war etwas enttäuscht, als er ihren Namen nirgends finden konnte, doch wahrscheinlich hätte er eh nicht bei ihr geklingelt. Er wollte sie morgen auf der Uni überraschen. So ging Aki mit gemischten Gefühlen zurück zu seinem Hotel. ,Was soll ich überhaupt zu ihr sagen, wenn ich sie morgen wieder sehe? Was, wenn sie bereits einen Freund hat? Sie hat mir zwar bei unserem letzten Treffen zum Abschied ihre Kette geschenkt, aber das liegt nun schon zehn Jahre zurück. Da wäre es nur verständlich, wenn sie sich neu verliebt hat.... Außerdem bin ich ein Jahr jünger als sie.' Die Gedanken, die er so lange versucht hatte zu unterdrücken, drangen nun doch alle in sein Bewusstsein vor. Er hatte Angst vor ihnen.... Er hatte Angst vor dem morgigen Tag. Aber wenn er seine Freundin nicht wieder sah, würde er niemals Gewissheit haben, wie seine Chancen jetzt standen. Selbst wenn sie ihn nicht mehr liebte, diese Gewissheit war immer noch besser als die ganze Grübelei. Besonders jetzt, wo er wieder in Japan war, spürte er den Druck, den seine Sorgen auf ihn ausübten. Nun... morgen würde er ja erfahren, was Yuki von ihm hielt und warum sie sich nie gemeldet hatte. Langsam spürte Aki die Anstrengungen der Reise in seinen Gliedern. Er hatte nicht nur kaum geschlafen, er war auch seit gut 20 Stunden auf den Beinen. Daher war er heilfroh, dass es gerade Abendessen gab, als er in sein Hotel zurückkam. Er nahm sich einen Teller Chop Suey und genoss sein Abendbrot, bevor er in sein Zimmer zurückging und sich in sein Bett fallen ließ. Es war nicht sehr komfortabel, die Bettwäsche bestand aus schlichter, weißer Baumwolle und dem Holzrahmen nach zu urteilen, schien es hier Mode zu sein, seinen Namen und einen Gruß dort einzugravieren. Zum Schlafen reichte es jedoch alle Mal. Um acht war die Prüfung. Damit er keinen schlechten Eindruck hinterließ, wollte er bereits etwas eher an der Uni sein und stand daher schon halb sieben auf. Aki hatte also genug Zeit, um sich fertig zu machen, gemütlich zu essen und dann mit seinem Shinai [Bambusschwert für Kendo] zur Budo-Uni zu gehen. Es war erst kurz nach halb acht, als er ankam, aber er war wohl nicht der Einzige, der einen guten ersten Eindruck machen wollte. Die anderen Uni-Anwärter - alle Japaner - musterten den Jungen mit den grünen Augen und den braunen Haaren misstrauisch. Die Mädchen von der nahe gelegenen Mädchenschule hingegen schien er zu gefallen. Anscheinend hatten sie gerade Pause, denn sie beobachteten ihn aus einiger Entfernung und versuchten, einen seiner Blicke zu ergattern. Auch das schienen die anderen Jungen in seiner Nähe bemerkt zu haben; und es gefiel ihnen ganz und gar nicht. Bis dahin standen kaum Leute auf dem Gelände der Uni, doch nun ertönte das Klingelzeichen und die Studenten strömten aus den Gebäuden. Zu Akis Überraschung waren es nur Jungs, die er sehen konnte. Es mussten bereits über 500 Studenten über den Hof gelaufen sein, doch nicht ein einziges Mädchen war unter ihnen. ,Ist das etwa eine reine Jungen-Uni...? Das kann nicht sein! Yuki wollte doch hier studieren. Wusste sie das etwa nicht? Oder ist sie am Ende...' Nein! An sowas wollte er gar nicht erst denken und verwarf den Gedanken so schnell, wie er ihm gekommen war. ,Bestimmt hat sie sich damals geirrt. Aber wie soll ich sie dann wieder finden?' Aki hatte alle Mühe, einen aufkommenden Seufzer zu unterdrücken. Er war froh, als endlich ein Lehrer kam und sie zum Sportplatz, dem Austragungsort der Prüfung, brachte. Einige Studenten - oder besser gesagt ziemlich viele - hatten sich dort versammelt und warteten gespannt auf die kommenden Kämpfe. Zuerst wurde eine Gruppe von Jungen aufgerufen, die einen Wettkampf im Judo austrugen. Die acht besten hatten gewonnen. Genau so ging es weiter mit Ju-Jutsu, Karate, Aikido, Sumoringen, Fechten und schließlich auch Kendo. Dies war die erste Möglichkeit für Aki, sich mit anderen Kendo-Schülern seines Alters zu messen. Akis Sensei hatte - warum, dass wurde ihm bis heute verschwiegen - ihn niemals gegen andere Leute kämpfen lassen. Daher war er ganz schön aufgeregt, als sein erster Kampf bevorstand. Allerdings stellte Aki bald fest, dass er um einiges besser war als sein Gegner. Auch die nächsten Kämpfe gewann er, ohne sein gesamtes Können einsetzen zu müssen. Gegen den Lehrer hatte er nicht mehr so leichtes Spiel, doch es dauerte nicht lange, bis dieser den Kampf abbrach und Aki somit bestanden hatte. Insgesamt wurden 51 neue Studenten an die Uni aufgenommen. Den Rest des Tages hatte Aki Zeit, sich die Universität anzusehen. Am Dienstag würde für ihn bereits das erste Semester beginnen. Den Sportplatz kannte Aki ja nun schon, also nahm er sich Zeit, die Gebäude von innen zu besichtigen. Als er so durch die Gänge ging, kam ihm die Uni noch größer und verwirrender vor als von außen. Die Mensa hatte er bereits gefunden; irgendwann zu Beginn seines Rundganges, doch nun konnte er sich nicht mehr daran erinnern, in welchem Teil des Kellergeschosses sie lag. Auch wo der Weg lag, den er gekommen war, hatte er vergessen. Und überhaupt hatte er keine Ahnung, wo er sich gerade befand. Es war zum Heulen! Letztendlich kam er an eine offene Tür, die Einblick in einen kleinen Aufenthaltsraum gewährte. Von der Tür aus konnte Aki nur leere Stühle sehen und schloss daraus, dass gerade niemand da war, was ihm sehr zusagte. Er wollte nicht, dass irgendwer mitbekam, dass er sich in der Universität verlaufen hatte. So etwas Peinliches noch bevor er überhaupt angefangen hatte zu studieren - nein, das wollte er sich ersparen. Als er allerdings den Raum betrat, stellte er fest, dass sich doch jemand dort befand. Leise ging er in eine entfernte Ecke, um sich dort auszuruhen, doch auf halbem Wege sprach ihn der Student an. "Das ist der Pausenraum für die Clubleiter. Hier hast du nichts verloren. Bist wohl einer der Neuen, was?" "Tut mir Leid.... Ich geh gleich wieder." Er war schon fast an der Tür, da schaute der andere Student doch auf und klappte sein Buch, in dem er gerade noch gelesen hatte, zu. Seine Augen weiteten sich ungläubig beim Anblick des gerade gehenden jungen Mannes. Mit einem leisen knarren erhob er sich von seinem Stuhl und starrte den Halbjapaner weiter ungläubig an. Erst, als dieser die Tür erreicht hatte, fand der Student seine Stimme wieder. "Aki...?" Eigentlich hatte er ihn laut ansprechen wollen, doch es war eher ein gehauchtes Flüstern aus seinem Mund gekommen. Der Angesprochene bemerkte es trotzdem und drehte sich verwundert um. Bis jetzt hatte er von dem anderen Studenten kaum Notiz genommen, doch nun, als er ihm direkt ins Gesicht sah, durchfuhr ihn ein leichter Schauer gemischt mit einem seltsamen Gefühl, dass er nicht zu deuten vermochte. Vor ihm stand ein junger Mann mit langen Haaren, die wie schwarze Seide als geflochtener Zopf über seine Schulter fielen. Sein Gesicht hatte feine, weiche Züge, was ihm einen sehr erotischen, sogar leicht weiblichen Touch verlieh. Er starrte ihn noch immer aus ungläubig geweiteten Augen an; wunderschönen grauen Augen, wie er sie erst einmal im Leben gesehen hatte. Das war vor zehn Jahren, als er das letzte Mal in Japan gewesen war.... Wie von selbst löste sich sein Blick von den Augen des Anderen und wanderten herab zu dessen linker, dann rechter Hand. Und da war er tatsächlich... der silberne Ring, den er einst seiner Liebe aus dem Land der aufgehenden Sonne geschenkt hatte. Eigentlich hätte er gar nicht nach dem Ring sehen brauchen, schon vom ersten Moment an, als sein Blick den des Anderen begegnet war, hatte er gewusst, wem er gegenüber stand. Aki war wie paralysiert. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Alles war plötzlich durcheinander. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er seine Stimme wieder fand und endlich einen Ton herausbrachte. "...Yuki...?" Nun zeichnete sich ein Lächeln auf den Lippen des Anderen ab. "Es ist lange her, was? Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dass du doch kommst." Noch immer hatte Aki alle Mühe, seine Gedanken einigermaßen beisammen zu halten. Er war hier hergekommen... auf diese Uni, fernab von zu Hause, gegangen, um seine erste und einzige Liebe wieder zu sehen, und nun stand er vor ihr... und musste feststellen, dass er sich all die Jahre nur eingebildet hatte, verliebt zu sein. Oder nein, er hatte sich eingebildet, dass seine große Liebe ein Mädchen war.... Ohne darüber nachzudenken, was sein Mund tat, antwortete er auf Yukis Bemerkung. "Ich hatte es dir doch versprochen, dass wir zusammen studieren würden." ,Was mache ich überhaupt!? Das klingt ja wie ein Liebesgeständnis! Was ist los mit dir, Aki? Yuki ist ein Kerl, verdammt! Reiß dich zusammen, sonst hält er dich am Ende noch für einen Homo!' "Ich kann es immer noch nicht glauben... du bist wirklich hier. Wann bist du angekommen?" Das war einfach zu fiel für den Halbjapaner. Er spürte, wie ihm die Situation immer weiter entglitt. Ein unangenehmes Stechen breitete sich in seinem Kopf aus. "G...gestern." Die Freude verschwand aus Yukis Gesicht und er schaute Aki besorgt an, während er zu ihm hinüber lief. "Was hast du? Ist dir nicht gut?" Nun schien sich aus dem Gewirr von Akis Gefühlen langsam etwas Eindeutigeres herauszubilden: Das schmerzliche Gefühl eines großen Verlusts. "Geht schon." Eigentlich wollte er Yuki beruhigen, doch er konnte die Worte nur flüsternd herauspressen, was sie nicht sehr überzeugend wirken ließ. "Du siehst geschockt aus. Was ist los?" Doch Aki brauchte ihm gar nicht zu antworten; selbst wenn er es gewollt hätte. Es schien, als hatte Yuki bereits die Antwort gewusst, als er seine Frage kaum zu Ende gesprochen hatte. "Du... hast mich für ein Mädchen gehalten, stimmt's?" Er wollte es eigentlich nicht so direkt aussprechen, doch nachdem ihm nach zehn endlos erscheinenden Sekunden immer noch nichts Sanfteres eingefallen war, riskierte er eine so direkte Frage einfach. Aki war das überaus peinlich, sodass er nicht verhindern konnte, dass ihm die Röte ins Gesicht stieg. Yuki kicherte leise. Als Aki ihn so betrachtete, dachte er unbewusst, dass Yuki dabei noch genauso aussah wie früher. Genau so niedlich.... Jetzt hatte er schon wieder solche Gedanken! Wieso konnte er sich nicht einfach damit abfinden, dass Yuki ein Mann war? Wieso tat dieser Gedanke nur so weh...? "Mach dir nichts draus. Du bist nicht der Erste, der mich für ein Mädchen gehalten hat. Die meisten Menschen, die mich nicht kannten, dachten ich sei eins." "Warum hast du mich dann nicht aufgeklärt?" "Dachte, du wusstest es", sagte er mit einem Schulterzucken. Plötzlich näherte sich seine Hand ganz langsam Akis Körper. Als dieser das bemerkte, bekam er einen leichten Schrecken, den er allerdings mit Mühe verbergen konnte. Er beobachtete, wie sich die Hand des Japaners langsam seiner Brust näherte und hielt dabei vor Anspannung unmerklich den Atem an. Aki war irritiert; er wollte nicht glauben, was Yuki gerade im Begriff war zu tun... bis dieser den Drachenanhänger ergriff und ihn sich ansah. "Hast du ihn die ganze Zeit getragen?" Er musterte das Schmuckstück verwundert. Es kam Aki vor, als wäre gerade ein tonnenschweres Gewicht von seinen Schultern gefallen. Jetzt kam er sich richtig lächerlich vor, als er sich durch den Kopf gehen ließ, was er gerade noch von Yuki gedacht hatte. Die Röte, die gerade erst zu verschwinden begonnen hatte, schoss nun schlagartig in seinen Kopf zurück. "Ja." Nun nahm Aki Yukis rechte Hand und sah sich sein Abschiedsgeschenk an. "Und du?" Ein Grinsen machte sich auf dem Gesicht seines Gegenübers breit. "Natürlich! Der Ring ist immerhin ein Geschenk meines besten Freundes." Aki sah ihn ungläubig an. ,Sein bester Freund?' "Aber wir haben uns doch erst vier Wochen gekannt." "Ja, aber in diesen vier Wochen habe ich mit dir mehr unternommen als mit meinem gesamten Freundeskreis in einem Jahr." Nach einer kleinen Pause sprach er weiter. "Ich stamme von einer sehr angesehenen Samurai-Familie ab. Die meisten Menschen, denen ich bis jetzt begegnet bin, sahen in mir nur meine ruhmreichen Vorfahren, nicht ,Yuki Kohaku'. Du warst der erste, der mich richtig als eigenen Menschen gesehen hatte. Ich hatte immer viele Freunde, das will ich nicht bestreiten, aber sie bewunderten mich mehr, als dass sie mich mochten. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert." "So ein Blödsinn! Für mich bist du Yuki und niemand anders! Mich interessieren deine Ahnen nicht, die habe ich nie kennen gelernt. Als ob die Herkunft einen Menschen ausmacht!" Aki wusste selbst nicht, warum er deshalb so bestürzt war; auf jeden Fall gefiel ihm diese Einstellung ganz und gar nicht. Niemals wirkliche Freunde zu haben... das kann er sich gar nicht vorstellen. "Das mag ich so an dir. Du beurteilst die Leute nach ihrem Charakter. Das ist mir schon vor zehn Jahren aufgefallen. In deiner Gegenwart konnte ich stets so sein, wie ich wirklich war. Wenn ich mich woanders so verhalten hätte, hätte ich mir wieder Bemerkungen wie ,Sei vernünftig! Du stammst von großartigen Samurai ab, also bring ihnen keine Schande' oder so anhören dürfen. Ich kann dir sagen... das hat so genervt! Besonders die Lobe von meinem Großvater: ,In dir fließt wahrhaftig das Blut deiner Vorfahren, bla bla', habe ich gehasst." "Das kann ich mir vorstellen. Zu mir sagte man auch dauernd: ,Sei doch einmal so lieb, fleißig oder sonst was wie deine Schwester!' Ich hab es auch total gehasst, dass man mich dauernd mit ihr verglichen hat." Das seltsame Gefühl, welches Aki bis vor ein paar Minuten noch hatte, war Gott sei dank verschwunden. Endlich konnte er wieder klar denken und wusste, wie die Dinge standen. ,Es war wohl nur die allgemeine Verwirrung, die Yuki in mir ausgelöst hatte, als ich so plötzlich erfahren habe, dass er ein Mann ist. Ich traure nicht dem ,Mädchen' Yuki nach, nein, ich habe viel mehr einen guten Freund wieder gefunden.' Diese Gedanken beruhigten Aki ungemein. Endlich war wieder alles in Ordnung. Er freute sich bereits auf die gemeinsame Studienzeit mit seinem Freund. Zwischen ihnen hatte sich nichts verändert. Sie verstanden sich nach wie vor sehr gut. "Wo wohnst du eigentlich?" "Im Moment noch in einem Hotel ganz in der Nähe, aber ich wollte so schnell es geht ins Studentenwohnheim umziehen. Ist billiger." "Wenn du willst, kannst du zu mir ziehen. Ich hab zwar keine große Wohnung, bin dort allerdings alleine. Ist stinklangweilig. Wenn du also Lust hast, ich würde mich freuen. Dann kommt da mal etwas Leben rein." Als der Halbjapaner das hörte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. In einer Wohnung zusammen mit seinem besten Freund.... Die Studienzeit versprach lustig zu werden. "Das wäre toll! Dann können wir nachholen, was wir in den letzten zehn Jahren verpasst haben." Nachdem er das ausgesprochen hatte, verdüsterte sich Akis Gesicht. "Was ist denn?" "Warum hast du dich eigentlich nie gemeldet?" "Es tut mir Leid. Ich wollte dir schreiben, aber meine Eltern haben es nicht erlaubt. Ich habe es auch heimlich versucht, aber sie haben mich erwischt und mir deine Adresse und den Brief, an dem ich grad gesessen hatte, weggenommen. Ich weiß nicht, warum, aber sie wollten unter allen Umständen verhindern, dass ich mit dir in Kontakt bleibe. Hast du mir eigentlich geschrieben?" "Na klar!" Aki war etwas irritiert von dem, was Yuki ihm gerade gesagt hatte. "Das dachte ich mir.... Ich habe nie einen deiner Briefe zu Gesicht bekommen. Ich vermute, meine Eltern haben sie verschwinden lassen, damit ich sie nicht bekam. Außerdem sind wir wenige Wochen nach deiner Abreise nach Tokio, in die Nähe meines Großvaters, gezogen. Ich versteh nicht, was meine Eltern gegen dich hatten. Sie sind zwar streng, aber in meinen Freundeskreis haben sie sich sonst nie eingemischt." Er schüttelte deprimiert den Kopf. Aki schwieg; er wusste, dass er den Grund für das Verhalten von Yukis Eltern wohl nie erfahren würde und außerdem wollte er seinen Freund nicht weiter damit belästigen. Man sah ihm an, dass er Schuldgefühle hatte, obwohl er nichts dafür konnte. Um die bedrückende Spannung zu lösen, schnitt Aki ein anderes Thema an. "Kennst du jemanden, der noch einen Job zu vergeben hat? Ich brauche Geld, deshalb sollte ich mir so schnell wie möglich Arbeit suchen." "Ja, ich glaube, da kann ich dir helfen. Ich kenne einen Konditor, der noch eine Aushilfskraft braucht. Er beschwert sich zumindest dauernd, dass er alles allein machen muss und manchmal gar nicht weiß, wie er alles schaffen soll. Vielleicht hast du Glück und er stellt dich ein." "Ja, das wäre prima! Wo ist dieser Konditor?" "Es ist ein kleiner Laden drüben im Shoppingcenter. Also nicht sehr weit von hier entfernt. Er meint, der Umsatz ist gut, weil dort so viele Leute vorbei kommen, aber allein schafft er es kaum. Wenn du zu ihm gehst, bestell ihm am Besten schöne Grüße von mir. Dann wird er schon wissen." "Danke. Ich schau gleich mal vorbei. Wann hast du Schluss?" "Um vier. heute hab ich meinen langen Tag." "Gut, dann hol ich dich um vier ab." "Hast du so viel Zeit?" "Ja, heute schon. Ich will mich noch ein bisschen umsehen. Mein Studium fängt ja morgen erst an." Damit verabschiedeten sich die Beiden und Aki verließ den Raum. Als er wieder auf dem Gang stand, fiel ihm ein, dass sich ja verlaufen hatte und nur zufällig bei Yuki gelandet war.... Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und irgendwie einen Weg nach draußen zu finden. Schließlich gelang es ihm doch, dem Gebäude zu entkommen, woraufhin sich Aki sofort auf den Weg zum Shoppingcenter machte. Die Konditorei war größer, als Aki sie sich vorgestellt hatte: Allein hinter der Theke war eine menge Platz und eine Tür führte in einen weiteren Raum, wo anscheinend gebacken wurde, denn einen Ofen und Backzutaten konnte der Halbjapaner nirgends entdecken. Wie Yuki bereits gesagt hatte: der Konditor war sehr im Stress und wusste gar nicht so recht, was er zuerst machen sollte: Nach dem frischen Kuchen im Ofen sehen oder die Leute bedienen? So kam es, das er dauernd hin und her rannte; von einer Ecke in die nächste und hin und wieder hinüber in den anderen Raum, aus dem er jedes Mal mit einem Blech warmer, duftender Kuchen oder Plätzchen herauskam. Aki stellte sich geduldig am Ende der langen Schlange an und wartete, bis er an der Reihe war. Wie bereits die Leute vor ihm begrüßte der Konditor auch Aki mit einem freundlichen "Hallo! Was würden sie gern haben?" Dabei lächelte es so, als ob er den ersten Tag in diesem Laden arbeitete und sich über die zahlreiche Kundschaft gar nicht genug freuen konnte. "Guten Tag! Mein Name ist Willis Aki und ich wollte fragen, ob sie vielleicht eine helfende Hand gebrauchen könnten. Außerdem soll ich ihnen einen schönen Gruß von Yuki Kohaku ausrichten." Aki hatte inzwischen mitbekommen, dass ,Yuki' sein Nachname war... Der beschäftigte Mann Mitte 30 sah ihn einen Moment lang fragend an. Dann fiel sein Blick auf die Schlange hinter ihm und er nickte leicht. "Haben Sie schon mal etwas Ähnliches gemacht?" "Ja, ich habe über ein Jahr in einem kleinen Imbiss gearbeitet." "Na gut. Kommen Sie erstmal rein. Mal sehen, wie Sie sich anstellen. Vielleicht überleg ich es mir." Dabei machte er eine Kopfbewegung zu seiner Rechten und kramte gleichzeitig ein Schlüsselbund aus seiner Tasche. Als er Aki hereinließ, sagte er noch leise zu ihm: "Sie sind also ein Freund von Haku.... Dann werden Sie wohl in Ordnung sein. Kümmern Sie sich bitte kurz um die Kundschaft, damit ich nach den Kuchen sehen kann." Gesagt, getan. Der Konditor verschwand wieder hinter der anderen Tür, während Aki hinüber zur Theke ging und die Kunden genau so freundlich begrüßte wie der Konditor. Er hatte, während er in der Schlange gestanden hatte, genau beobachtet, was getan werden musste, wo welches Gebäck stand und wie man es verpacken musste. Zwei Stück Kuchen zu verkaufen würde er ja wohl schaffen, solange er allein war. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass er einen Nebenjob im Gastronomiebereich angenommen hatte. Es dauerte auch nicht lange, bis Mizuta-san mit einem Blech warmer duftender Kuchenstücke in den Händen wieder nach vorn kam und Aki einen Großteil seiner Arbeit wieder abnahm, ihm Anweisungen und Ratschläge gab und sie sich schließlich langsam aufeinander abstimmten. Der Halbjapaner packte, nachdem er die Namen all der Gebäcke soweit zugeordnet hatte, die bestellten Waren ein und überreichte sie den Kunden. Wenn Servietten, Tüten oder anderes zur Neige ging, sorgte er auch dafür, dass gleich wieder Nachschub vorhanden war. Der Chef des Ladens übernahm die Bezahlung und das Backen, half aber auch, wann immer es die Zeit zuließ, bei Akis Aufgaben mit. Wie bereits vor der Uni bekam er auch hier freundliche Blicke von den Frauen (besonders den jüngeren) und es kam ihm so vor, als kämen einige von ihnen nach einer Weile wieder, manchmal in Begleitung einer Freundin. Der Konditor, er stellte sich zwischendurch als Mizuta-san vor, kam gelegentlich herüber und brachte neue Ware. Er schien zufrieden mit Akis Arbeit zu sein; jedenfalls beschwerte er sich nicht. Aki hatte ihn bei Gelegenheit auch gebeten, ihn zu duzen. Dieses "Sie" klang in seinen Ohren einfach grausam. Als es auf halb vier zuging, wurde der junge Halbjapaner langsam unruhig. Er hatte Yuki versprochen, ihn abzuholen, wenn dieser Schluss hatte, doch so wie es aussah, kam er vor Ladenschluss nicht mehr hier weg. Die Arbeit machte ihm Spaß und selbst wenn sie ihn nicht reich werden ließ, würde er sie gern behalten. Mizuta-san schien sich jedoch gut mit Menschen auszukennen, er hatte den besorgten Ausdruck auf Akis Gesicht bemerkt und fragte ihn, was los sei. Obwohl der junge Mann ihm mehrmals bestätigte, dass alles in Ordnung sei, ließ dieser nicht locker, bis Aki letztendlich erzählte, was er Yuki versprochen hatte. "Na dann beeil dich! Du hast es ihm versprochen, also musst du es auch halten. Wenn ihr wollt, könnt ihr gemeinsam wiederkommen." Aki war etwas überrascht, dass der Konditor so freundlich war, bedankte sich aber höflich und machte sich auf den Weg. Er hatte noch 25 Minuten, was bedeutete, dass er sich nun ziemlich beeilen musste, wenn er Yuki nicht warten lassen wollte. Er kam gerade rechtzeitig an der Uni an. Yuki verließ das Gebäude in dem Moment, als Aki es erreichte. "Hi! Hast du mit dem Konditor gesprochen?" "Ja. Er ist echt nett. Hat mich gleich helfen lassen, als ich ihn fragte. Ich gehe auch gleich wieder hin. Da ist echt viel los. Mizuta-san hat auch gefragt, ob du mitkommen möchtest." "Warum nicht? Ich war schon lange nicht mehr bei ihm." So gingen sie gemeinsam zurück zur Konditorei. Mizuta-san war sehr erfreut, als er Aki und Yuki erblickte. Er begrüßte beide freundlich, Aki machte sich sofort wieder an die Arbeit. Yuki blieb vor der Theke stehen und unterhielt sich bei Gelegenheit mit Akis Chef. Es stellte sich heraus, dass er früher auch hier gearbeitet hatte und hin und wieder noch vorbeikam, um sich mit ihm zu unterhalten und zu helfen. Kurz nach halb sieben war Ladenschluss und sie brachten zu dritt das Geschäft in Ordnung. Irgendwann sprach Mizuta-san Aki auf die Arbeit in der Konditorei an. "Wenn du möchtest, kannst du mir eine Weile zur Hand gehen. Du wärst mir eine große Hilfe." "Ja, das wäre schön. Es macht mir richtigen Spaß hier." Aki wurde mit einem leichten Lächeln belohnt. "Dann schlage ich vor, wir einigen uns nachher auf deine Arbeitszeiten und dein Gehalt." Da Aki seinen Studienplan bereits im Kopf hatte, konnte er seine Arbeitszeiten genau darauf abstimmen. Er würde Montag bis Freitag direkt nach dem Studium herkommen und bis halb sieben arbeiten. Auch die Bezahlung war recht gut für die ,einfache' Arbeit eines Konditors, wobei er ja nur die Aushilfskraft war. "Du bist sehr beliebt bei den jungen Damen", bemerkte Mizuta-san kurz bevor Aki und Yuki wieder gehen wollten. "So?" Er hatte das natürlich längst mitbekommen, wollte aber nicht so besserwisserisch wirken. "Als du nicht da warst, haben einige Frauen nach dir gefragt. Ich glaube, in den nächsten Tagen werden wir noch viel mehr zu tun haben." Niemand bemerkte es, doch als Yuki diese Worte hörte, verzog er kaum merklich das Gesicht. Aki schien die Nachricht seines Chefs ziemlich lustig zu finden. Yuki klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und erinnerte ihn daran, dass sie noch etwas zu erledigen hatten. Daraufhin verabschiedeten sich die beiden von Mizuta-san und gingen zu Akis Hotel, um seine Sachen zu holen und in Yukis Wohnung zu bringen. Danach liefen sie hinüber zur Verwaltung und ließen Aki als Mitbewohner des Japaners registrieren. Was für ein Tag! Und Aki hatte gedacht, der Sonntag wäre stressig gewesen! Während der Halbjapaner seine Sachen in der Wohnung seines Freundes verstaute, machte dieser ihnen ein warmes Abendessen. Danach begann die große Debatte darüber, wer im Bett und wer auf der Couch schlafen sollte. Yuki bestand darauf, dass sein Freund das Bett bekam, Aki blieb jedoch beharrlich dabei, dass der Japaner dort schlief. Er nutzte seine Gastfreundschaft schon genug aus und wollte nicht, dass Yuki auch noch seinen Schlafplatz an ihn abtrat. Am Ende der Diskussion siegte Akis Starrsinn und der Japaner gab mit einem resignierten Kopfschütteln auf. Als sie gegen Mitternacht schlafen gingen, durchlebte Aki den ganzen Tag noch einmal. Es war schon ein komisches Gefühl, wenn man 10 Jahre von seiner großen Liebe träumte und stattdessen seinen besten Freund fand. Aki spürte nach wie vor ein leichtes Verlustgefühl in sich, doch es wurde von der Freude, seinen besten Freund gefunden zu haben, überlagert. ,Bin mal gespannt, was noch so alles kommt....' Hosted by Animexx e.V. 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