Die Druckwelle von Pfeffersosse (Frühlingswichteln 2017 - irish_shamrock) ================================================================================ Kapitel 1: Der Vorfall ---------------------- Mehrere Jahre strichen ins Land, seit die Erde nicht mehr sie selbst war. Die Menschheit war vom Aussterben bedroht, denn eine außerplanetare Lebensform hatte sich in ihren Reihen eingenistet. Dem Menschen so gleich und doch so fremd … Die Wesen ohne wirkliche Namen, weil diese in Vergessenheit geraten sind, hatten viele Haushalte infiltriert. Sie gaben sich als liebende Ehemänner oder liebende Ehefrauen aus und erschufen somit Mischwesen. Die Veränderungen der Genetik der Kinder fiel den liebenden Menschen nie auf, bis es fast schon zu spät war. Nun, Jahre nach der damaligen Besetzung, gab es nur noch wenige reinblütige Menschen. Sie versteckten sich oder versuchten in der veränderten Zivilisation ein normales Leben zu führen. Aus ihren dunklen Verstecken heraus versuchten sie das Überleben der letzten wahren Menschen zu sichern. Denn ihr Lebenswille war unerschütterlich und hat sich über Generationen hinweg in den Köpfen und den Genen festgesetzt. Schon lange gab es keine Länder mehr, Sektoren wurden erschaffen. Nahrungsquellen mussten eingeteilt werden, weil die Landwirtschaft durch die außerplanetare Lebensform gelitten hatte. Gab man sich einem der ihren oder der Mischwesen hin, so konnte man alles besitzen, was man wollte. Viele fielen auf diese Angebote herein und verkauften so ihre Menschlichkeit an Händler, die sich oftmals selbst an den Leibern labten. Denn aus manchen Kindern der beiden Rassen wurde etwas Neues, etwas Unbändiges. Kannibalisch geworden, der Realität so fern. Ihre Gier war unauslöschlich und ihre Veränderung ansteckend. Sollte jemand damit in Berührung kommen, so musste schnell gehandelt werden. Dennoch gab es viele, die sich dagegen sträubten. Dessen Körper keine Veränderungen durchmachen, als sie gebissen wurden oder in Kontakt mit einer Körperflüssigkeit kamen. Diese Menschen waren selten, aber sehr gefragt. Denn unter den Kannibalen gab es einige, die nur auf das Blut im Körper der Menschen aus waren. Diese Immunen konnten somit als eine lebendige Trinkbar genutzt werden, ohne angesteckt zu werden. Sollte dennoch die Gefahr bestehen, dass ein solcher Immuner erkrankte, wurde er einfach ausgetauscht und Jagd nach einem neuen Opf- Fluchend wirfst du den Stift auf deinen Schreibtisch und seufzt. Schon wieder ist einer dieser ‚ich halte ewig und werde nie austrocknen‘-Stifte – tada! – ausgetrocknet. Jegliches Kritzeln auf einem separaten Blatt oder Reiben an Schuhsohlenreiben hat nicht geholfen. Kein Fitzelchen Farbe kommt heraus. Dabei bist du dir sicher, dass dieser Abschnitt sehr interessant hätte werden können. Doch nun musst du dich erst einmal wieder auf die Suche nach einem neuen Stift machen. Leider führt deine Suche zu nichts. Du hast zwar einige Dinge, die schon ein paar Tage oder sogar Wochen verschollen waren, wiedergefunden, aber keinen neuen Stift. Nun, so ganz stimmt das nun auch nicht. Du hast zwar einige Stifte gefunden, aber nicht in der passenden Farbe. Deshalb hast du es dann schlussendlich doch aufgegeben und belässt es bei dem. Du nickst zufrieden und streckst dich dann. Diese Geschichte hatte schon länger in deinem Kopf herumgespukt und du wolltest sie unbedingt auf einem Blatt festhalten. Dir ist bewusst, dass sie sich nicht von selbst schreibt, doch im Moment müssen andere Erledigungen zuerst getätigt werden. Weshalb du die Blätter, zwei waren es bis jetzt, zusammenlegst und in deine Tasche steckst, mit der du nachher in die Stadt gehen musst. Manchmal tut es nämlich auch gut außerhalb der gewohnten Umgebung an etwas zu schreiben. Dieses Verlangen kommt zwar nicht sehr oft vor, aber du gehst ihm dennoch nach. Da du aber eh Besorgungen machen musst, geht das gleichzeitig. Wieso also nicht das Nützliche mit dem Praktischen verbinden? Summend stehst du dann vor deinem Schrank und findest schnell das Passende. Das Wetter ist angenehm, weshalb du lockere Kleidung anziehst. Dein Einkaufszettel ist auch fix gefunden und die Tasche hängt schneller um deine Schulter, als man gucken kann.   Der Weg in die Stadt war dann doch länger, als du es in Erinnerung hattest, weil das Wetter plötzlich sehr schwül wurde. Die Fahrt in der Bahn war fast unerträglich geworden, weil noch viele andere das Gleiche vorhatten wie du. Du hast dich einen Moment wie in einer Konservendose gefühlt. Deshalb atmest du erleichtert aus, als du deine Haltestelle erreicht hast. „Hm …“, du kramst kurz nach deinem Handy und siehst, dass du noch genug Zeit hast. „Na dann los!“ Dein erstes Ziel ist nicht weit von der Haltestelle entfernt, weshalb du dich sofort auf den Weg dahin machst. Denn du hast noch einige Geschäfte vor dir, auch wenn dich das wenig stört. Immerhin hast du nachher noch eine Verabredung mit einem Freund, auf die du dich schon lange freust. Denn ihr wohnt nicht mehr in der gleichen Stadt und seht euch deshalb nur ein- oder zweimal im Monat. „Hallo!“ Mit einem Klingeln unterlegt begrüßt du die Kassiererin im Bücherladen und gehst schnurstracks auf die Regale zu, die deine Leidenschaft beinhalten. Bücher, wohin das Auge reicht. Du kaufst nie exzessiv ein, doch manchmal landen doch noch ein oder zwei neue Schmöker in deiner Sammlung. Fasziniert bist du generell von vielem, doch manchmal ändert sich deine Leidenschaft und du lenkst in eine neue Richtung. Über den Regalen kannst du ‚Fantasy & Co.‘ lesen und du weißt, dass unter den hundert Titeln der eine oder andere Glücksgriff zu finden ist. Denn, auch wenn ein Buch mal nicht sonderlich gut anfängt oder zur Mitte hin langweilig wird, gelesen hast du sie alle. Vor dich hin summend suchst du die Reihen ab und wirst schnell fündig. Die Zusammenfassung hat es dir angetan und du weißt jetzt schon, dass du dich darüber erfreuen wirst. Plötzlich hörst du ein elektrisches Knistern in der Luft, das dich kurz umschauen lässt. Verwirrt guckst du zur Beleuchtung, die wild flackert. Heute Morgen ist dir so etwas auch schon im Bad aufgefallen, doch du hast nichts darauf gegeben, weil solche Stromschwankungen immer mal kommen und gehen. Schulterzuckend machst du dich zum nächsten Regal, das leider nicht so erfolgreich befüllt ist, wie das vorherige. Immerhin ein neues Buch für deine Sammlung hast du gefunden. Mit ihm bewaffnet, gehst du zur Kasse hin und hörst wieder dieses seltsame Knistern. Die anderen Kunden scheinen es auch bemerkt zu haben, denn sie schauen sich verwirrt um. Mit einem lauten Knall gehen plötzlich in zwei Leuchten die Glühbirnen kaputt, danach ist wieder Ruhe. Einige Leute hatten sich erschrocken und über einen Lautsprecher hörst du eine Durchsage: „Wir bitten vielmals um Entschuldigung, scheinbar liegt ein Problem beim Ele…ik…“ Mit einem lauten Rauschen verabschiedet sich die Stimme des Filialleiters und du gehst nun doch ein wenig schneller zur Kasse. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen, weshalb du nicht länger hierbleiben willst. Die Verkäuferin lächelt dich entschuldigend an und nimmt deinen Einkauf entgegen: „Wir bitten vielmals um Entschuldigung, hoffentlich haben Sie sich nicht allzu sehr erschreckt. Seit heute Morgen gibt es immer wieder diese Zwischenfälle … Uns gehen so langsam die Glühbirnen aus.“ Seufzend fragt sie nach dem geschuldeten Preis und du gibst ihn ihr. „Sicherlich ist es nur ein Problem vom Stromanbieter, bei uns zu Hause haben die Lichter heut Morgen auch geflackert. Das geht sicherlich wieder vorbei“, sagst du lächelnd und verabschiedest dich dann von ihr. Leicht beunruhigt, weil scheinbar die ganze Stadt davon betroffen ist, legst du deinen gekauften Schmöker in deine Tasche und blickst dich in der Einkaufsstraße um. Hie und da entdeckst du flackernde Lichter und auch welche, die ausgefallen sind. Du gehst dennoch die Straße entlang, um in das nächste Geschäft zu gehen und suchst die Regale ab. Erst kürzlich hast du nämlich gehört, dass eine deiner Lieblingsbands eine neue CD herausgebracht hat. Auch wenn heutzutage das Zeitalter des Digitalen herrscht, so magst du es doch auch die Hülle in der Hand zu halten. So oder so wird das Geld der jeweiligen Band zugeschrieben. Wieso also nicht die eigene Sammlung erweitern und somit länger etwas davon haben? Mit strahlenden Augen wirst du auch fündig, weil du dich lange auf dieses Album gefreut hast und siehst dich noch ein wenig um. Da du noch ein wenig Geld übrig hast, stöberst du noch ein wenig durch die CDs, um vielleicht auf eine neue Band aufmerksam zu werden. Du willst gerade nach einer CD greifen, als ein weiteres elektrisches Knistern ertönt. Diesmal lauter und mit einem tiefen, summenden Grollen untermalt. Prüfend blickst du umher, weil du durch dieses Grollen das Gefühl hast, beobachtet zu werden. Entdecken kannst du schlussendlich nichts und du greifst einfach nur schnell nach einer CD und gehst zur Kasse. Dir wird leicht schwindelig, weil das Grollen in deinen Ohren schmerzt, doch du kämpfst tapfer dagegen an. Wie vorhin im Buchladen gehen einige Glühlampen kaputt, doch dieses Mal platzen sie förmlich. Das Glas fällt klirrend zu Boden und mit einem saugenden Geräusch hören das Knistern und Grollen mit einem Male auf. Erleichtert atmest du die Luft, die du scheinbar angehalten hattest, wieder aus und legst die CDs schnell auf den Tresen. „Heilige Scheiße, was war das denn gerade?“, flucht ein Junge neben dir und hält seine Spielkonsole fest an sich gedrückt. Seine Begleitung schnippt ihm gegen das Ohr und sagt ihm, dass er nicht fluchen solle. Du lächelst ihn an und zuckst dann mit den Schultern: „Eine gute Frage, ich habe mich aber auch grad sehr erschrocken. Aber Fluchen soll man wirklich nicht unbedingt machen. Hör auf deine Begleitung.“ Du schmunzelst kurz und wendest dich dem Verkäufer zu. Dieser lächelt dich etwas unsicher an und nickt dann zu den kaputten Lampen hin und schüttelt den Kopf: „Das wird ja immer schlimmer … Hoffentlich passiert nicht noch was Krasseres. Aber nun gut, das Leben geht weiter. Ich hätte dann gerne …“ Weiter kommt er nicht, da das tiefe Grollen ein weiteres Mal auftaucht und klirrend einige Fenster zu Bruch gehen. Panik macht sich schnell breit und die Leute lassen ihre Sachen liegen. Die Verkäufer hatten sich bereits hinter ihren Tresen versteckt und schreien sich nun an. Du stehst wie angewurzelt da und weißt einen Moment nicht, was du tun sollst. Dann legst du das Geld einfach hin und läufst mit deiner gekauften Ware aus dem Geschäft. Auf der Straße liegen einige Glassplitter und die Leute laufen panisch herum. Wie eine Welle steuert ein weiteres Grollen auf dich zu. Du hast gerade noch Zeit dich an einer Laterne festzuhalten, um vom Schwung nicht mitgerissen zu werden. Einige Leute fliegen förmlich durch die Luft, als sie von der Welle ergriffen werden. Immer heftiger und häufiger ist das Grollen zu hören. Der Druck in deinem Kopf wird plötzlich unerträglich, ehe alles schwarz wird.   - - - - - - [ O ] - - - - - -   Schreie wecken dich. Du windest dich stöhnend und würdest am liebsten weiter in der Schwärze liegen bleiben. Doch etwas will, dass du unbedingt deine Augen wieder öffnest. Deine Ohren klingeln und du hast das Gefühl, als würde dein Kopf platzen. Doch du willst deine Lider nicht öffnen. Zu sehr brummt dein Schädel und du greifst nach ihm. Das Klebrige an deinen Fingern lässt auf nichts Gutes schließen. Keuchend öffnest du dann doch deine Lider und siehst dich um, so gut es geht. Du nimmst nur noch verschwommen wahr, was vor dir liegt. Deine Augen gewöhnen sich erst nach und nach an die Helligkeit. Oder eher was von der Helligkeit übriggeblieben ist. Die Schreie werden immer lauter und du setzt dich langsam auf. Das Bild vor dir wabert gefährlich, doch du versuchst wach zu bleiben. In der Luft hängt ein undefinierbarer Geruch. Du musst husten, weil der Rauch deinen Hals reizt. Deine Augen tränen und du spürst, dass sich der Rauch förmlich in jede Faser deines Körpers einnistet. Du rappelst dich keuchend hoch und torkelst, weil dir schwindelig ist. Um dich herum siehst du verletzte Leute, die weinen oder vor Schmerz aufschreien. Wie gelähmt bleibst du einige Momente auf der Stelle stehen und spürst, wie langsam wieder Leben in deinen Körper dringt. Etwas weiter entfernt siehst du Flammen, die den Rauch verursachen. Alles schreit nach Gefahr und dein Fluchtinstinkt wird immer stärker. Ohne wirklich auf deinen Weg zu achten, humpelst du von den Flammen weg und bringst dich in Sicherheit. Du weißt, dass du Menschen hättest helfen können, doch dein Kopf ist zu sehr mit dir selbst beschäftigt. Nachdem die Schreie abgeebbt sind, erlaubst du dir das erste Mal einen Blick auf deine Umgebung. Trümmer liegen überall und der Boden ist übersät mit Scherben. Die Sonne ist hinter dichten Wolken verschwunden und dir fehlt jegliches Zeitgefühl. Auch sonst findest du keinen wirklichen Hinweis zu der momentanen Uhrzeit. Viel zu viel Rauch steigt in den Himmel hinauf und deine Orientierung lässt damit etwas zu wünschen übrig. Du spürst, wie sich deine Kehle zuschnürt und deine Beine unter dir nachgeben. Langsam fällst du auf deine Knie und versuchst deine Schnappatmung wieder unter Kontrolle zu kriegen. Du willst nicht hyperventilieren, doch du hast das Gefühl kurz davor zu sein. Alles kommt dir grad so unwirklich vor, als wäre es ein Traum. Gleichzeitig weißt du aber auch, dass dies die Wirklichkeit ist, dafür musst du dich nicht zwicken. Du schließt deine Augen für einen kurzen Moment, um dich so wieder zu beruhigen und legst die Arme um dich. Es ist ruhig geworden um dich herum. Deine Ohren klingeln nicht mehr und das einzige Geräusch ist das Rauschen deines Blutes, das du vernehmen kannst. Es kommt dir etwas zu ruhig vor, doch du schiebst dies auf den möglichen Schock, der in dir herrscht.   Nach einigen Minuten, die sich wie eine kleine Ewigkeit anfühlen, setzt du dich auf den Boden, weil dein Bein höllisch zu schmerzen anfängt. Du ziehst die Luft scharf ein, als du die Schnittwunde siehst, die zumindest nicht mehr blutet, aber dein Schienbein ziert. Du tastest nach deiner Tasche und stellst erleichtert fest, dass du sie noch immer um deinen Körper trägst. Nach einigem Suchen findest du deine Taschentücher und fummelst ein wenig am Päckchen herum, um eines herauszuziehen. Nach einiger Überwindung drückst du es gegen die Wunde und zuckst zusammen. Du hast nicht mit dieser Art Schmerz gerechnet, du weißt nur, dass die Wunde eigentlich desinfiziert werden muss. „Ich würde das an Ihrer Stelle nicht machen“, hörst du eine tiefe, männliche Stimme und schreckst auf. Jemand steht im Schatten eines Baumes und lehnt sich dagegen. „Was? Wer sagt das?“, fragst du alarmiert nach und starrst in die Richtung, aus der du die Stimme vermutest. „Entschuldige, ich wollte Sie nicht erschrecken, aber ich würde dies nicht auf eine frische Wunde legen, da das Abnehmen viel zu sehr schmerzen würde“, sagt die Stimme weiter und kommt langsam aus dem Schatten heraus. Angespannt verfolgst du jede Bewegung und siehst, wie ein junger Mann mit zerrissener Kleidung aus dem Schatten tritt. Er kommt langsam auf dich zu, behält aber einen gebührenden Abstand. Dann deutet er auf deinen Kopf und sagt freundlich: „Wie ich dies einschätzen kann, ist diese Wunde nicht allzu tief. Wenn Sie sie mit Wasser oder Alkohol ausgespült haben, wird eine leichte Bandage genügen.“ Du schiebst deine Augenbrauen zusammen und schaust den Mann skeptisch an. Du führst deine Finger langsam zu deiner Wunde, doch er schüttelt nur den Kopf und streckt eine Hand nach dir aus: „Das würde ich nicht machen, nachher entzündet sie sich doch noch.“ „Wieso sagen Sie mir dies alles? Ich habe nach keiner fremden Meinung gefragt“, sagst du mit fester Stimme und versuchst wieder aufzustehen. „Und wieso soll ich einem Fremden überhaupt Glauben schenken? Kann es Ihnen nicht eigentlich egal sein, was aus mir wird?“ Du blickst ihn etwas wütend an und merkst, wie er einen Schritt von dir weggeht. Einen Moment lang sieht es für dich aus, als hätte sich im Aussehen des Mannes etwas geändert. „Ihre Wunde ist wieder aufgebrochen. Ich würde sie an Ihrer Stelle lieber so schnell wie möglich versorgen“, erklärt er leicht gehetzt und blickt sich schnell umher. „Kümmern Sie sich um Ihre Wunde.“ Mit diesen Worten dreht er um und verschmilzt wie durch Zauberhand mit dem Schatten. Du willst ihm noch etwas nachrufen, doch du kannst ihn nirgends ausmachen. Etwas unsicher blickst du umher und hast das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Du schüttelst es ab und humpelst deinen Weg weiter, immer darauf bedacht, dass deine Wunde nicht allzu sehr schmerzt.   Du lehnst dich keuchend an einen Mast und rinnst nach Atem. Der Weg, den du eingeschlagen hast, endete plötzlich an einem steilen Kiesweg. Der Abstieg war beschwerlich, doch du hast ihn nach einigen Minuten bezwungen. Allmählich kommt das Gefühl in dir hoch, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, weil diese Umgebung dir überhaupt nicht bekannt vorkam. Dein Handy, welches zwar noch funktioniert, aber keinen Empfang mehr hat – wie hätte es anders sein sollen? – kann dir deshalb auch keine Auskunft geben, wo du dich gerade befindest. Der einzige Anhaltspunkt ist ein kleines Haus in der Ferne, aus dessen Schornstein Rauch aufsteigt. Du hoffst inständig, dass dies ein gutes Zeichen ist und nicht von einem Feuer herrührt. Deine Schritte tragen dich langsam aber sicher auf diesen Fixpunkt hin. Das Gefühl des Verfolgtwerdens wächst mit jedem Schritt und hie und da knackt ein Ast. Du tust dies mit der einfachen Erklärung ab, dass die Tiere im naheliegenden Wald diese Geräusche machen. Dennoch bleibst du alarmiert und achtest immer mehr auf das Knacken und Rascheln im Gebüsch. Es ist dunkel, doch das Haus ist in greifbarer Nähe. Die Tür öffnet sich, ehe du das Grundstück erreichen kannst. Eine ältere Dame kommt auf dich zugelaufen und wirkt besorgt: „Kindchen, wie siehst du denn aus? Was ist denn mit dir passiert?“ Der Schrecken ist in ihrem Gesicht gut zu erkennen und du kannst dir nur vage vorstellen, wie du gerade auf andere wirkst. „Ich weiß es selbst nicht genau“, sagst du kurz und knapp. „Es ist etwas mit der Stadt passiert.“ „Mit der Stadt? Spätzchen, bist du etwa die zwanzig Kilometer von der Stadt bis hierhin zu Fuß gelaufen?“, fragt sie erstaunt, nimmt dich dann beim Arm und führt dich zu ihr nach Hause. „Komm erst einmal rein, dann erklärst du mir alles in aller Ruhe.“ „Aber …“, wehrst du dich gegen die plötzliche Handgreiflichkeit der Dame, wirst aber von ihr mit einem strengen Blick bestraft, der keine Widerworte gutheißt.   Nach einigen Momenten findest du dich auf einem alten Holzhocker sitzend vor. In deiner Hand steigt der warme Dunst einer Tasse Tee auf und du hörst, wie die Dame nach den medizinischen Utensilien sucht: „Du musst wissen, mein Mann – Gott hab ihn selig – hat sich immer wieder verletzt, wenn er mit der Sichel das Gras gemäht hat, deshalb habe ich Desinfektionsmittel gehortet, damit wir nicht jedes Mal ins Krankenhaus fahren müssen. Das müsste doch hier irgendwo sein.“ Sie murmelt die letzten Worte mehr zu sich selbst, ehe sie dann triumphierend zu dir zurückkommt und alles auf dem Tisch verteilt. „Ich habe sicherlich schon Schlimmeres gesehen, aber du kannst mir ja in der Zeit erzählen, was geschehen ist. Ich habe nämlich nicht wirklich etwas mitbekommen, nur, dass hinter dem Hügel etwas passiert sein muss. Aber geschieht nicht immer so viel in der Zivilisation?“, sagt sie lachend und bereitet alles zur Desinfizierung vor. Du bist selbst unsicher, was genau passiert ist, doch du schilderst ihr in kurzen Worten, was du erlebt hast. Den mysteriösen Mann lässt du dabei aus. Denn du bist dir nicht sicher, ob du ihn dir vielleicht nur eingebildet hast. Während deiner Erzählung nickt dir die Dame nur zu und behandelt wortlos deine Verletzung. Sie tätschelt dir dann die Hand, als sie fertig ist und schaut dich mitfühlend an: „Das hört sich auf jeden Fall nicht sehr gut an, aber ich bin überzeugt davon, dass nichts allzu Schlimmes passiert ist. Weißt du, ich habe schon länger keinen Fernsehanschluss mehr und mein Radio ist auch schon länger kaputt. Deshalb kann ich dir nicht sagen, ob das, was du erlebt hast, wirklich passiert ist oder nicht.“ Sie schaut dich etwas unsicher an und seufzt dann. „Sie glauben mir nicht“, ist deine Schlussfolgerung und du stehst vorsichtig auf. „Ich danke Ihnen vielmals für die Hilfe, aber ich denke es wäre wirklich besser, wenn ich nun gehen würde. Immerhin muss ich schauen, ob ich nicht doch auf den Kopf gefallen bin oder nicht.“ Deine Antwort ist vielleicht etwas schnippischer als du wolltest, aber dir war es nun egal. Die Dame blickt dich einen Moment lang an: „Dankt man so jemandem, der einem geholfen hat? Undankbares Stadtpack! Raus hier. Geh schon, verschwinde, Lügenbold!“ Sie schreit dich an und wirft mit den gebrauchten Kompressen nach dir. „Tut mir leid, wenn ich Ihre Gefühle verletzt haben soll, aber ich weiß, was ich gesehen hab! Wenn Sie mir nicht glauben wollen und es auch ihnen passiert, dann habe ich Sie gewarnt. Ich weiß nicht was grad passiert ist, ich weiß nur, dass es passiert ist“, sagst du und versuchst sehr ruhig zu bleiben. „Vielen Dank und auf Nimmerwiedersehen.“ Du greifst nach deiner Tasche und humpelst zur Tür, die nicht verschlossen ist. Du hattest einen Moment Angst gehabt, dass sie dich schlussendlich doch nicht gehen lassen würde. Die Dame hinter dir schnaubt und scheucht dich förmlich nach draußen: „Jaja, ich bin jetzt gewarnt und nun raus mit dir. Draußen findest du frisches Wasser zum Mitnehmen.“ Die letzten Worte schienen nicht nur so daher gesagt.   Als du die Tür hinter dir geschlossen hast und vor dem Trinkbrunnen stehst, fällt dir leider erst zu spät auf, dass du keinen Behälter zum Befüllen dabeihast. Deshalb entscheidest du dich dazu, so viel zu trinken, wie es nur geht, bevor du deinen Weg fortsetzen würdest. „Wieso haben Sie keine Feldflasche dabei?“, fragt dich eine männliche Stimme, die recht amüsiert klingt. Erschrocken atmest du auf und verschluckst dich dabei fürchterlich. Nach Luft ringend versuchst du den Mann böse anzublitzen, ehe du wieder zu Atem kommst: „Ist das ein Hobby von Ihnen, Leute einfach zu erschrecken?“ Du reibst dir mit der Hand über den feuchten Mund und schüttelst dann den Kopf. „Nun, ich wollte nur meine Feststellung offenbaren, es tut mir leid, wenn ich damit allzu abrupt kam, doch Sie haben meine Rufe nicht gehört, werte Madame“, entschuldigt er sich und verbeugt sich leicht vor dir. Verächtlich schnaubst du und schüttelst den Kopf: „Zuerst anschleichen, nur Fragen stellen und dann auch noch werte Madame. Ich komm‘ mir grad wie in einem billigen Streifen vor. In welchem Jahr sind Sie denn stecken geblieben?!“ Du stellst dich gerade hin und verschränkst die Arme vor deiner Brust und ziehst eine Augenbraue hoch. „Nun, welches Jahr ist es denn für Sie? Vielleicht gehen Sie ja richtig mit der Annahme“, erklärt er etwas amüsierter und wartet auf eine Antwort. „Sollten mich meine Gehirnzellen wirklich nicht im Stich lassen, sind wir Anfang Juli im Jahr 2017.“ Du bist zwar etwas skeptisch, ob diese Frage ernst gemeint ist, doch du beantwortest sie lieber wahrheitsgemäß. Vielleicht war der arme Tölpel ja auch auf den Kopf gefallen und hatte sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Er wirkt ein wenig erstaunt, doch er fasst sich schnell wieder. Er senkt seinen Kopf und verneigt sich dann vor dir: „Danke für diese Auskunft. Mein Name ist Jean-Baptiste de la Croix.“ Du schaust ihn einen Moment lang an und schweigst. Obwohl du jetzt seinen Namen weißt, bist du nicht wirklich sicher, was diese Information dir bringen soll: „Aha, ‚Jean-Baptiste de la Croix‘, ich müsste dann die Stadt suchen. Wenn Sie mich entschuldigen würden …“ Du gehst die Straße entlang und willst am Haus vorbeigehen, ehe du seine Schritte vernimmst und eine kühle Hand auf deiner Schulter spürst. „Wieso möchten Sie denn jetzt unbedingt in diese Stadt zurückgehen? Wartet dort jemand auf Sie?“, fragt er dich und sieht dir tief in die Augen. Du schüttelst die Hand ab und bringst Abstand zwischen euch beide: „Wieso ich unbedingt dorthin zurückwill? Vielleicht, weil dort irgendetwas passiert ist und ich wissen will was? Oder vielleicht, weil ich mich mit einem Freund dort treffen wollte, den ich monatelang nicht gesehen habe und mich darauf gefreut habe? Oder vielleicht, weil ich einfach wissen will, wieso ich kilometerweit von genau dieser Stadt aufgewacht bin? Ich versteh selbst nicht, was passiert ist, ich weiß es nur.“ Du atmest schwer, weil du dich in Rage gesprochen hast und blickst den Mann streng an. Er bleibt ruhig, doch du merkst, dass es ihm schwerfällt: „Trotz dieser Begründungen sicherlich kein Grund, um so mit mir zu sprechen, werte Madame. Ich würde Ihnen gerne vorschlagen, sich dieses Vorhaben wirklich gut zu überlegen. Was, wenn das, was Sie dort vorfinden, nicht mehr das ist, was Sie denken zu glauben?“ Du blickst ihn einige Momente schweigend an und schüttelst dann den Kopf: „Das hört sich ja fast so an, als würden Sie etwas über diese seltsamen Geschehnisse wissen.“ Skeptisch beäugst du ihn von Kopf bis Fuß. Du bist dir nicht sicher, ob er einfach nur blufft oder dich von etwas wirklich Schlimmen abhalten will. Du willst nur so schnell wie möglich wieder zurück. Den Weg zurückzufinden dürfte kein Problem sein, unter der Voraussetzung, dass die Handynetzwerke in ein paar Metern wieder funktionieren würden. Doch momentan bleibt dir diese Option vorenthalten und du blickst auf den Mann. „Auch wenn ich etwas wissen würde, so könnte ich es Ihnen sicherlich nicht sagen. Denn das, was dort passiert ist, könnte komplizierter sein, als Sie glauben“, erklärt er und wirkt mit einem Mal müde und abgeschlagen. Du weißt nicht genau weshalb, aber gerade dieses Aussehen hat dich wohl dazu veranlagt, die nächsten Worte zu sagen: „Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, können Sie mir dann wenigstens den Weg in die Stadt zeigen? Oder ist dies nun eine unhöfliche Anforderung ‚Jean-Baptiste de la Croix‘?“ Dieser Name musste einfach falsch sein, da er aus einem fernen Jahrhundert zu sein schien. „Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich Ihre Eskorte sein soll, mir soll es Recht sein. Denn eine werte Madame zu so später Stunde alleine auf den Straßen erscheint mir doch etwas gefährlich“, lächelt er dich freundlich an und verneigt sich vor dir. Du schaust ihn kurz skeptisch an, fühlst dich dennoch etwas geschmeichelt, weil du es nicht Eskorte genannt hättest. Du seufzt deswegen und winkst ab: „Na gut, wenn Sie es so nennen wollen. Ich bin vorhin über diesen Weg gekommen, ich würde also sagen, dass er uns auf direktem Weg zur Stadt führt, oder?“ Er schüttelt den Kopf und deutet etwas abseits dieses Weges: „Ich würde vorschlagen, dass wir diesen Weg nehmen, die Wälder können zu dieser Uhrzeit sehr gefährlich werden. Ich will nicht riskieren, dass Ihnen etwas zustößt, auch wenn ich bei Ihnen bin.“ Er geht vor, ohne auf dich zu warten. Er sieht nicht einmal zurück und scheint darauf zu setzen, dass du ihm so oder so folgen wirst. Was du dann auch tust. Du sagst nichts mehr und versuchst in der Dunkelheit etwas auszumachen. Leider ohne großen Erfolg, deine Augen sind nicht dafür gemacht in der Nacht zu sehen. Hinzu kommt noch, dass du dich fühlst, als seist du schon einen ganzen Tag auf den Beinen. Du humpelst dem Mann hinterher und versuchst ihn nicht aus den Augen zu verlieren, weil er ein wenig mit dem Schatten verschmilzt. Du hast keine logische Erklärung, weshalb dies der Fall sein sollte, doch du nimmst diese Tatsache einfach hin. Viel zu sehr wirst du vom Schmerz in deinem Bein abgelenkt. Bei fast jeder Unebenheit im Boden verlässt ein leises Stöhnen deine Lippen, weil du dich zu sehr auf seinen Rücken konzentrierst und nicht mehr richtig auf den Weg achtest. Plötzlich bleibt er stehen und dreht sich zu dir um. Sein Blick ist alarmiert und du runzelst die Stirn, weil du nichts Außergewöhnliches vernommen hast. Es könnte natürlich auch sein, dass du etwas vernommen hast, es dir aber durch den Schmerz nicht im Gedächtnis geblieben ist. Du bleibst deshalb auch stehen und willst ihn etwas fragen, doch er legt dir die Hand auf den Mund und schüttelt den Kopf. Dann legt er sich den Zeigefinger auf die Lippen und zeigt dir an, dass du ruhig sein sollst. In deinem Kopf rattern einige Gedanken wild durcheinander. Einer abstruser als der andere, doch alle laufen auf das gleiche Ziel hinaus: Es würde etwas passieren. Warst du doch zu naiv und bist ihm in die Falle gegangen? Hat er dich irgendwie manipuliert, dass du ihm doch folgen wirst ohne Wenn und Aber? Oder wird man deine Leiche erst Wochen später wiederfinden, weil sie fern der Zivilisation verschwunden ist? Er beugt sich zu dir und flüstert in dein Ohr: „Versuchen Sie so flach wie möglich zu atmen und nicht in Panik zu verfallen. Ich will Ihnen nichts anhaben, aber die würden alles tun. Es ist keine Zeit für Erklärungen, nachher …“ Irgendetwas an seiner Stimme veranlasst dich dazu ruhiger zu werden. Du spürst, wie dein Herzschlag langsamer wird und sich deine Atmung normalisiert. Die Hand auf deinem Mund ist kühl, fast schon kalt, doch es beruhigt dich seltsamerweise. Da er sie noch nicht weggenommen hat, nickst du ganz leicht mit dem Kopf, um ihm zu zeigen, dass du verstanden hast und wartest. Ein leichter Windhauch kommt auf und trägt Laute in deine Richtung. Die naheliegenden Büsche rascheln und knacken viel zu laut, als dass es nur vom Wind kommen könnte. Ein Knurren ist zu vernehmen und zwei Wölfe erscheinen wie aus dem Nichts. Es jagt dir eisige Schauer über den Rücken und dein Herz will wieder anfangen unregelmäßig zu schlagen. Doch Jean-Baptiste beugt sich zu dir und haucht dir sanft gegen die Haut und in dein Ohr: „Shh, keine Angst, ich bin bei Ihnen. Sie werden Ihnen nichts anhaben.“ Er nimmt seine Hand langsam weg und streicht sanft über deine Wange. Wie in Trance stehst du da und wartest darauf, dass etwas passiert, oder doch nicht passiert? Dein Kopf ist nicht ganz klar, doch du fühlst dich wahnsinnig geborgen und hast momentan keine Angst mehr. Die schleichenden Schritte nähern sich und nur gedämpft vernimmst du das immer lauter werdende Knurren, das von den beiden Wölfen ausgeht. Einer der beiden bleckt die Zähne und umkreist euch zwei gierig. Seine Lefzen sind hochgezogen und du siehst, wie der Speichel auf den Boden tropft. Der Mond erhellt wie von Geisterhand die Szene und du erkennst weitere Merkmale, unwichtig für den Moment. Der Kleinere pirscht in entgegengesetzter Richtung um euch beide herum und hat nur seine Zähne gebleckt und wirkt sehr alarmiert auf dich. Du stehst wie angewurzelt in der gleichen Position und wartest darauf, dass irgendetwas passiert. Und es geschah etwas Seltsames. In deinem Augenwinkel nimmst du wahr, dass auch Jean-Baptiste seine Zähne bleckt und die Wölfe anknurrt. Seine Zähne wirken sogar bedrohlich auf dich, obwohl du dich immer noch geborgen fühlst. Sein Mund kommt immer näher und du spürst das Knurren nun an deiner Kehle. Angst macht sich in dir breit und du hast das Gefühl, dass diese Situation nicht so abläuft, wie sie eigentlich ablaufen soll. Unfähig die Furcht herunterzuschlucken, verharrst du weiterhin in der ungemütlichen Position und wartest darauf, dass entweder die Wölfe von euch ablassen oder der Mann an deiner Kehle keine Dummheit macht. Deine Lippen formen seinen Namen, doch kein Laut verlässt diese. Winseln lässt dich dann aufhorchen und du siehst, wie die Wölfe ihre Ohren plötzlich anlegen und ihre Schwänze einziehen. Sie beobachten einige Momente alles aufmerksam, ehe sie in Windeseile wieder mit der Dunkelheit verschmelzen und du alleine mit dem Mann zurückbleibst. Du spürst seine Lippen immer noch an deiner Kehle und erschauderst, weil sie kühl sind und wie leblos darauf liegen. Unsicher versuchst du dich zu bewegen und spürst plötzlich etwas Feuchtes an deiner Kehle. Erschrocken löst du dich aus deiner Starre und schubst den Mann angeekelt von dir: „Was zum Teufel soll das?!“ Du siehst zu, wie er schwer atmend nach hinten torkelt und dich erschrocken anblickt. Seine Augen sind starr geöffnet und er nimmt seine Hand vor seinen Mund, ehe er den Kopf schüttelt und irgendetwas in einer Fremdsprache vor sich hinmurmelt. Du kannst nichts verstehen und reibst dir wütend über deine Kehle. „Ich bin so durstig …“, haucht er und nimmt seine Hand langsam weg und starrt dich an. Seine Ausstrahlung verändert sich und er wirkt sehr bedrohlich auf dich. Langsamen Schrittes kommt er auf dich zu und starrt dir tief in die Augen. Was auch immer ihn gerade antreibt, es wird langsam aber sicher gefährlich für dich. Auch wenn du nicht wirklich weißt, weshalb es dies wurde. Dir wird nur langsam klar, dass nicht mehr der gleiche Mann vor dir steht. Du bewegst deine Hand langsam zu deiner Tasche und lässt sie durch den Schlitz gleiten: „Ich weiß ja nicht, ob Ihr Kurzzeitgedächtnis flöten gegangen ist, oder was ihr Problem ist, aber wenn Sie ein paar Meter nach hinten gehen, finden Sie einen Trinkbrunnen mit frischem Wasser.“ Deine Stimme zittert leicht, doch du versuchst ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Deine Finger tasten nach irgendetwas, das du benutzen kannst, um dich zu verteidigen, doch wirklich fündig wirst du nicht. Vor wenigen Wochen noch wolltest du dir eine Pfefferspraydose zulegen, doch du hast nirgends eine legal finden können. Seine Worte reißen dich dann aber kurz aus deiner Konzentration: „Kein Wasser hilft über diesen Durst hinweg.“ Seine Stimme ist plötzlich rau und seine Augen blitzen gefährlich im Mondlicht. Du spürst, wie die Farbe aus deinem Gesicht verschwindet und versuchst von ihm wegzukommen. Vorsichtig, um dein Bein nicht allzu sehr zu strapazieren, gehst du einen Schritt nach hinten und greifst dir das Erstbeste, das deine Tasche dir hergibt. Das Szenario kommt dir seltsam vertraut vor, weil du dir so etwas Ähnliches für deine Geschichte ausgedacht hast. Doch dies war die Realität und keine Fiktion, wieso sollte er also nach etwas anderem trachten als nach Wasser? Du runzelst deine Stirn etwas und schluckst den Kloß, der sich in deinem Hals festgesetzt hat, herunter: „Ich denke kaum, dass ich da helfen kann.“ Eine Stimme in deinem Kopf sagt dir kontinuierlich, dass du ihm sicherlich helfen kannst. Dass das, was in dir fließt, seinen Durst löschen könnte. Doch, wenn dies stimmen sollte, dann würde das bedeuten, dass du mit einem Vampir den Weg in die Stadt antreten wolltest. Seine Lippen verziehen sich zu einem verzerrten Lächeln und das leise Knurren von vorhin ist wieder zu vernehmen. Er kommt noch weiter auf dich zu und blickt dich gierig an: „Und ob Du das kannst. Ich habe es gerochen.“ Er leckt sich kurz über die Lippen und steht plötzlich direkt vor dir. Ein leiser Aufschrei lässt dich panisch nach hinten stolpern und mit einem Ächzen fällst du auf deinen Hintern. Du versuchst schnell genug zu reagieren und reißt deine Hand nach oben und gibst ihm eine feste Ohrfeige. Ob dies die richtige Entscheidung war oder nicht, war dir egal, Hauptsache du hast ihn einen Moment aufhalten können. Denn er starrt dich nur an und verharrt in seiner halbhockenden Position. Danach geht alles sehr schnell und du bist dir selbst nicht mehr ganz sicher, wie es dazu kam. Ein stechender Schmerz hat sich an deinem Hals breitgemacht. Das saugende Geräusch so nahe an deinem Ohr lässt dir Ekelschauer über den Rücken laufen und dein Strampeln führt zu keinem Ergebnis. Deine Schreie werden durch seine Hand gedämpft und deine Abwehr wird immer schwächer. Du weißt nicht, wann du das Bewusstsein verloren hast, aber die Schwärze umgibt dich wie ein schwerer, schmerzhafter Mantel. [LEFT] [/LEFT] - - - - - - [ O ] - - - - - - [LEFT] [/LEFT] Geräusche wecken dich. Du weißt nicht genau, was du gerade hörst, aber du weißt, dass du lebst. Der Schmerz in deinem Körper ist groß, doch du nimmst ihn nicht gänzlich wahr. Der Schleier der Bewusstlosigkeit liegt noch immer bleiern auf dir. Deine Glieder wollen dir nicht gehorchen und du weißt nicht, was du tun sollst. Hilflos liegst du in diesem Zustand oder schwebst du gerade? Ein kontinuierliches sanftes Wippen lässt deinen Körper unkontrollierbar werden. Ein Stöhnen verlässt deine Lippen und die fremde Bewegung deines Körpers lässt plötzlich nach. Dennoch schwebst du weiterhin in der Luft. Deine Lider fühlen sich nicht mehr so schwer an und du öffnest vorsichtig deine Augen. Du erkennst nicht viel, aber der Geruch kommt dir bekannt vor. Es war der gleiche wie vorhin, als er dich – Mit einem Male bist du wach und bewegst dich unkontrolliert. Du willst schreien, aber deine Kehle ist so trocken, dass nur ein abgehacktes Gurgeln herauskommt. Plötzlich schwebst du nicht mehr und du spürst den harten Untergrund unter deinem Körper. Du blinzelst, um eine klarere Sicht zu bekommen und blickst auf den Mann, der dein Blut getrunken hat. Sein Oberteil ist benetzt damit und auch dein Oberteil fühlt sich klebrig an und riecht nach Eisen. Du deutest mit dem Finger auf ihn und bist unfähig irgendetwas zu sagen oder zu tun. Dein Körper zittert und du willst einfach nur fliehen. Gleichzeitig willst du eine Erklärung von ihm erhalten, was passiert ist. Er sieht dich kurz an und blickt dann zur Seite. Er wirkt enttäuscht und reumütig. Er öffnet seine Lippen und schüttelt den Kopf: „Das hätte nicht passieren dürfen. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Es tut mir schrecklich leid …“ Du blickst auf ihn und erkennst ihn nicht, weil plötzlich so viel Rauch in der Umgebung ist. Du bewegst deinen Kopf zu den Rauchschwaden und den Leuten, die den Schutt aufräumen und erkennst die Stelle wieder, die du vorhin fluchtartig verlassen hast. Dann siehst du ihn wütend an und hustest ein paar Mal, bevor deine Stimme zulässt, dass ein Ton herauskommt: „Ich weiß nicht was Sie sind, aber Sie haben mir etwas geraubt! Und das tun Sie jetzt mit einem einfachen ‚ich hatte mich nicht unter Kontrolle‘ ab?“ „Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass meine Entschuldigung sehr einstudiert für Sie klingt. Dennoch müssen Sie mir auch die Chance geben mich zu erklären. Aber zuerst einmal will ich Sie etwas fragen: Wenn Sie sich hier umsehen, was sehen Sie dann?“ Er schaut dich eindringlich an und wartet auf deine Antwort. Du schüttelst den Kopf und reibst dir über die Arme, weil du dich komisch fühlst. Seine Erklärung gerade war sehr vage, doch du antwortest ihm dennoch: „Ich sehe Schutt und Asche und Leute, die dies zusammenkehren und -räumen, um alles wieder ansehnlich zu machen. Was soll diese Frage überhaupt? Man sieht doch sofort, dass hier etwas geschehen ist!“ Eine Zornesfalte hat sich auf deiner Stirn gebildet und du blickst ihn nun eindringlich an. Er scheint einen Moment nach einer Antwort zu suchen, die er dir dann auch gibt: „Natürlich ist es dies, doch gleichzeitig ist es dies auch nicht. Es ist kompliziert, aber ich versuche es Ihnen einfach zu erklären. Das, was vorhin passiert ist, ist geschehen. Doch keiner hier, außer Ihnen wird wissen, was genau geschehen ist. Erklären kann ich es mir auch nicht wirklich, nur, dass die Energie, die freigesetzt wurde, Leute wie mich wieder auferweckt hat.“ Er schweigt einen Moment, ehe er weiterredet: „Ich bin ein Vampir, das haben Sie leibhaftig spüren können. Ich habe hundert Jahre geschlafen und bin durch diesen massiven Energieanstieg wiedererweckt worden. Was passiert ist, konnten wir uns unserer Zeit nie erklären. Diese Wellen, stark genug um Glas zu Bruch zu bringen und komplette Städte auszuradieren. Mit der Folge, dass man sie vergisst.“ Der letzte Satz bringt dich dazu ein wenig skeptisch zu werden. „Was meinen Sie mit vergessen, nehmen wir nun einfach mal an, dass ich Ihnen alles glaube, was Sie mir versuchen zu erklären“, sagst du schnell und verschränkst deine Arme vor der Brust. „Irgendjemand oder Irgendetwas wollte, dass diese Stadt von den Landkarten verschwindet. Irgendetwas muss hier gewesen sein, das Die dazu gebracht hat, zu diesen drastischen Maßnahmen zu greifen. Damals haben wir versucht herauszufinden, wie sie es vollbringen können, doch leider, auch wenn dies hart für Sie klingen mag, kam ein Weltkrieg dazwischen. Dann haben sich die Vampire zur Ruhe gelegt, um zu einem späteren Zeitpunkt diesem Phänomen auf den Grund zu gehen.“ Seine Erklärungen waren abstrus, so unwirklich, doch du bist dir dennoch sicher, dass alles wahr ist. Nur, dass es gerade viele Informationen auf einmal waren. Er steht auf und geht auf dich zu: „Und nun ist die Zeit gekommen nach dem Grund zu suchen. Denn wieder ist eine Stadt ausgelöscht worden. Doch dieses Mal haben wir einen Vorteil. Denn die ganzen Erinnerungen von Ihnen können uns helfen eine Antwort zu finden. Was auch immer in diesen verborgen liegt, wird uns sicherlich helfen diese Wesen ausfindig zu machen und ihnen das Handwerk zu legen!“ Er wirkt enthusiastisch, spricht schnell und mit Inbrunst. Plötzlich steht er vor dir, beugt sich zu dir herunter und schaut dir fest in die Augen: „Wollen Sie, nein! Willst du mir helfen die Fragen zu beantworten?“ Seine Stimme ist fest und er streckt die Hand nach dir aus. Du siehst sie an und … Hosted by Animexx e.V. 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