Cathy - quit livin' on dreams von Dollface-Quinn ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Es war schon spät, als die kleine Fahrgesellschaft in der Baker Street 221b ankam. Watson trug die Transportboxen mit den beiden Katzen. Andrew hatte sich darum gerissen Cathys Koffer tragen zu dürfen. Erst war Watson deswegen irritiert, aber als er die Blicke bemerkte mit denen der junge Mann die Tiere beäugte kam ihm ein ärztlicher Verdacht. „Entschuldige, aber kann es sein, dass du an einer Katzenhaarallergie leidest?“, fragte er. Andrew zögerte nur einen Moment, bevor er die Frage mit einem knappen Nicken beantwortete und damit log. Es war keine Allergie, sondern eine Phobie, deren Ursprung in seiner Kindheit lag. Andrew hatte Angst vor Katzen, aber er konnte es inzwischen einigermaßen gut verbergen. Als sie an der Fairytale High angekommen waren, fehlte Cathys Gepäck auf dem Rasen, wo sie es stehen gelassen hatten. Das war auch gut so, denn es hatte inzwischen heftig zu schneien begonnen und die Tiere hätten leicht erfrieren können. Nach einigem Herumfragen hatten sie es schließlich beim Hausmeister der Schule gefunden. In dem dunklen, vollgestellten Hausmeisterzimmer unter der Aula, in dem die beiden Katzen frei herum streunten, waren sie mit Nahrung, Wasser und Katzenklo bis zu ihrer Abholung gut versorgt gewesen. Der etwas unheimliche Hausmeister hatte kaum ein Wort gesagt und sich in den Schatten herum gedrückt, aber als die Katzen sich an Watsons Beinen rieben und schnurrten, hatte er sie und Cathys Sachen herausgegeben. In 221b waren sie kaum durch die Tür, als eine schlanke, ältere Dame mit rötlich gefärbter Dauerwelle hektisch tippelnd auf sie zugelaufen kam. Sie hatte eine hohe piepsende Stimme, wie ein Spatz, aber es war kein unangenehmer Ton. „Wo waren Sie denn? Ich habe doch mit dem Essen auf Sie gewartet. Und wo ist unsere Kleine? Sie werden sie doch nicht draußen gelassen haben?“, begann sie und spähte an den Männern vorbei zur Tür. Dann erst sah sie Andrew. „Und Sie haben noch jemanden mitgebracht? Dann hätten Sie anrufen sollen! Ich hoffe, das Essen reicht für alle. Aber aufwärmen muss ich es jetzt sowieso. Also wirklich.“ Sie sah in Watsons betretenes Gesicht. Andrew stand unbeteiligt daneben und sah Sherlock nach, der einfach an der guten Frau vorbei gelaufen war und sich bereits in einem Raum im ersten Stock befand. „Mrs. Hudson.“, fing Watson an und stellte die Transportkörbe ab. „Ich muss Ihnen etwas erzählen und es wäre vielleicht besser, wenn Sie sich setzen.“ Aber Mrs. Hudson rührte sich nicht vom Fleck, sondern griff stattdessen nach Watsons Arm. „Wo ist Cathy?“, fragte sie mit bösen Ahnungen in der Stimme. Daraufhin legte der gute Doktor seine Hand auf die der alten Lady und ging mit ihr in die Küche, um ihr zu erzählen was passiert war. Andrew konnte nicht umhin diese Mrs. Hudson auf Anhieb sympathisch zu finden, wollte aber nicht hier unten sein, wenn jemand auf die Idee kam die Katzen frei zu lassen, also stieg er die Treppe hinauf, um Sherlock zu suchen. Als er das Ende der Treppe erreicht hatte, trat er zunächst durch die ihm gegenüber liegende Tür. Der Raum war wie das Heim eines Junggesellen eingerichtet, aber dafür andererseits viel zu sauber. Daraus schloss Andrew, dass Mrs. Hundson in Sherlocks Abwesenheit hier geputzt haben musste. An einer Wand befand sich eine schwarzweiße Tapete mit Lilienmuster und darauf prangten mit gelber Farbe aufgemalte Ringe sowie ein paar Einschusslöcher. Die restlichen Wände waren grün angestrichen. Das Sofa wirkte, als würde es regelmäßig zum Schlafen gebraucht. Desweiteren gab es noch zwei nicht zueinander passende, aber bequeme Sessel. Ein niedriger Tisch mit einem aufgebauten Schachspiel stand vor dem Sofa, ein weiterer mit dem Spiel 'Dr. Bibber' befand sich zwischen den Sesseln und ein blanker Esstisch prangte mitten im Raum. Andrew vermutete, dass letzterer nur deswegen leer war, weil Mrs. Hudson darauf das Abendessen servieren wollte. Um den Tisch herum standen drei breite Holzstühle. Der Boden wurde größtenteils von einem rot-grünen Teppich bedeckt und dort wo er nicht lag, stapelten sich übereinander getürmte Bücher an den Wänden. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen verhangen, sodass nur wenig Licht in das Zimmer drang. Aus diesem Grund fanden sich viele kleinere Tisch- und Stehlampen überall im Raum auf Tischen, Kommoden, auf dem Boden und sogar im Regal. Die hintere Wand lag fast ganz im Dunkeln und es war größtenteils Andrews durch die Droge verstärktem Sehvermögen geschuldet, dass er hier überhaupt etwas erkannte. Vor der rot-goldenen Tapete stand ein schmales Bücherregal, in dem alle Bücher zur Seite umgefallen waren und daher schräg übereinander lagen. Eine Schreibtischlampe stand darin und hätte, würde sie brennen, ein paar Bilder von unterschiedlicher Größe beleuchtet. Neben dem Regal stellte eine niedrige Kommode einige Schaukästen aus. In einem dieser Glaskästen hing ein Flughund mit ausgespannten Flügeln und direkt dahinter waren verschiedene Käfer aufgespießt. Inzwischen stand Andrew mitten im Raum und hatte sich einmal um sich selbst gedreht. Sein Blick fiel nun durch einen großen Durchgang in der Wand auf eine Art Labor. Die Dunstabzugshaube, die Mikrowelle und der Kühlschrank machten allerdings deutlich, dass es sich bei dem teilweise gefliesten Raum ursprünglich um eine Küche gehandelt hatte. Dort entdeckte er Sherlock. Der stand bereits am Mikroskop und stellte allerhand Versuche mit der Visitenkarte an. An einer Ecke war sie bereits angekokelt und es roch etwas verbrannt im Zimmer. „Haben Sie schon etwas entdeckt?“, fragte der junge Mann mit den moosgrünen Augen beiläufig, während er sich in dem Zimmer umsah. Sherlock blickte nur unwillig von seiner Arbeit auf. „Was machst du so ungefragt hier?“, herrschte er ihn an. Andrew vollführte eine unbestimmte Geste mit der Hand und antwortete dann ironisch fragend: „Helfen?“ „Ach ja.“, entgegnete Sherlock, als sei ihm eben erst wieder eingefallen, weshalb er den Jungen mitgenommen hatte. Eine kurze Stille entstand. Bevor es sich dieses zerstreute Genie vor dem Mikroskop doch wieder anders überlegte, brachte sich Andrew selbst in die Ermittlungen ein. „Ich möchte Cathys Zimmer untersuchen. Als Außenstehender finde ich vielleicht etwas Hilfreiches.“, meldete er an. Derweil war der Detektiv bereits wieder in seine eigenen Untersuchungen vertieft und zeigte nur über die Schulter hinweg gestikulierend vage in die Richtung, in der Cathys Zimmer lag. Daraufhin machte der Adoptivsohn van Hellsings auf dem Absatz kehrt und trat durch das erste Zimmer wieder ins Treppenhaus. Von unten hörte er Mrs. Hudsons aufgelöste Stimme. Sie schien Cathy sehr gern zu haben. Er spielte kurz mit dem Gedanken zu ihr und Watson in die Küche zu gehen, um sie wegen der Entführten zu befragen, aber da hörte er ein forderndes „Miau“ und verwarf die Idee augenblicklich wieder. Stattdessen wandte er sich in die andere Richtung und stieg die Treppe hinauf in die zweite Etage. Sherlock hatte mit der Hand erst über seinen Kopf nach oben gedeutet, dann nach links gezeigt und dann zwei Finger gehoben. Andrew interpretierte das als „Die Treppe hoch in den Raum, der über diesem hier liegt und dann noch zwei Räume weiter.“ und er hatte sich nicht getäuscht. Die Wohnung im 2. Stock hatte denselben Grundriss wie die darunter. Der Unterschied war nur, dass im zweiten Stock die Tür zum ersten Zimmer nicht auf ging und Andrew, als er die Tür zu seiner Linken probierte, gleich in der Küche stand. Dort sah er auch warum sich die erste Tür nicht öffnen ließ. Das erste Zimmer, das unten ein Wohnzimmer gewesen war, war hier ein Schlafzimmer. Aber Sherlock hatte nach links gezeigt, also war dieses Schlafzimmer nicht Cathys! Er wandte sich also nach links, durchquerte die Küche und einen kleinen Flur mit einem Fenster von dem ein Badezimmer abging und stand schließlich vor einer Tür an der mit weißer Kreide ein okkultes Zeichen angebracht war. Durch seine Studien wusste Andrew, dass es eine sogenannte Teufelsfalle war. Auf dem Boden angebracht ließ eine solche Falle eine bestimmte Art von Dämonen zwar ein, aber nicht mehr raus. Sie saßen dann machtlos in dem Zeichen fest. Auf einer Tür sollte sie Dämonen davon abhalten diese Tür zu durchschreiten, oder sie im Türrahmen gefangen halten. Diese Fallen funktionierten allerdings nur so lange das Zeichen den Proportionen des Dämons entsprach und kein Detail verändert oder entfernt wurde. Ein diabolisches Grinsen breitete sich auf Andrews Gesicht aus. Mit funkelnden Augen, als würde er gerade jemandem einen guten Witz erzählen, befeuchtete er seinen Daumen mit der Zunge und wischte einen winzigen Strich in der Zeichnung aus. Cathys Zimmer befand sich in demselben Zustand, in dem sich wohl auch Sherlocks Zimmer normalerweise befand, wenn Mrs. Hudson nicht aufräumte. Überall lagen Wäschestücke, Papier, Stifte und technische Geräte herum. Bücher stapelten sich auf dem Boden. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass die meisten davon dem Genre Fantasy zuzuordnen waren. Andrew rümpfte die Nase. Romantisierter Abklatsch von etwas, das in Wirklichkeit brandgefährlich war und vernichtet werden musste! Er fand das geschmacklos. Aber man konnte kleinen Mädchen wohl keinen Vorwurf machen, wenn sie es nicht besser wussten, dachte er sich. Die Wände waren mit Postern von Comic-Helden und anderen fiktiven Charakteren zugeklebt. Auf dem Schreibtisch vor dem Computer lag ein besonders seltsamer Apparat, mit dem Andrew überhaupt nichts anfangen konnte. Ratlos drehte er das Ding aus Metall und Kunststoff in den Händen und stellte es schließlich senkrecht in den kleinen dazugehörigen Ständer. Es konnte ein besonders dicker Kugelschreiber sein. Auf einem Regal fand er schließlich die Verpackung des seltsamen Teils und auf ihr stand „BBC DOCTOR WHO TENTH DOCTOR'S SONIC SCREWDRIVER“. Andrew verlor sofort jegliches Interesse. Doctor Who war eine Fernsehserie in Cathys Welt und das seltsam aussehende Gerät war nichts weiter als ein Spielzeug oder Sammlerstück. Hatte dieses Mädchen denn nichts Reales in ihrem Leben? Er dachte das sehr streng, aber nur, weil er es insgeheim niedlich fand wie sich Cathy hier ihre eigene kleine Welt erschaffen hatte, während er selbst immerzu versuchte ein Problem nach dem anderen in der Welt zu lösen. In einer Ecke neben der Tür lag ein kleiner robuster Beutel, der, als Andrew ihn öffnete, Salz enthielt. Was sollte denn der Schwachsinn? Aß Cathy hier? Dann hatte sie aber einen ungesunden Geschmack bei so viel Salz. Er legte den Beutel zurück und suchte weiter. Das Zimmer wirkte bei all der Unordnung und der Anhäufung kindischer Fan-Artikel doch verlassen. Schließlich gab es nur noch zwei Orte an denen er suchen konnte: Unter dem Bett und auf dem Rechner. Während der PC hochfuhr legte sich Andrew also flach auf den Boden, um einen Blick unter das Bett zu werfen und fand dort tatsächlich hinter einem Haufen einzelner Socken einen Ordner, der bereits aus allen Nähten zu platzen drohte. Der junge Monsterjäger hatte schon die ganze Zeit nach einem Tagebuch oder ähnlichem Ausschau gehalten. Natürlich nicht um es zu lesen! Was interessierten ihn die pubertären Gedanken dieses Rotschopfs? Aber er wusste es würde sie auf die Palme bringen, wenn sie auf der nächsten leeren Seite eine Notiz von ihm finden würde. Vorausgesetzt sie würde je wieder heil nach Hause kommen. Er verdrängte der Gedanken sofort wieder und ersetzte ihn durch Folgenden: Vor allem, da ihre gemeinsame Schulzeit bald zu Ende war. Er schlug den Ordner auf und hätte nicht überraschter sein können, als ihm von jeder Seite das Gesicht seines ehemaligen Lehrmeisters entgegenblickte. Mit leicht geöffneten, ausgetrockneten Lippen blätterte er den ganzen Ordner bis zum Ende durch, aber er enthielt nichts als unzählige Abbilder Moriartys. Andrew ließ den Ordner zu Boden fallen und stürzte an den Computer, wo er relativ schnell die Passwort-Barriere überwand und dann wie im Fieber zu suchen begann. Nun suchte er ihr digitales Tagebuch aus einem ganz anderen Grund. Schließlich fand er einen Chatverlauf indem Cathy mit einer gewissen Natasha Nächte lang über Moriarty gesprochen hatte. Die Gespräche wurden von Seite zu Seite immer aufgeregter. Natasha war es schließlich, die vorschlug nach Bildern von Moriatry zu suchen und Cathy legte sich daraufhin den Ordner an. Sie erzählte ihrer Chat-Freundin, dass sie nun jeden Abend die Bilder durchging und wie besessen nach Neuen jagte. Natasha beneidete sie darum und stachelte sie immer mehr in ihrer Begeisterung an. Schließlich stritten sie sich scherzhaft, wem Moriarty nun 'gehören' würde und Cathy gewann. Andrew rang mit angespanntem Kiefer um Fassung, während er den Chatverlauf Seite für Seite ausdruckte. Auf dem Schreibtisch fand er einen Hefter, mit dem er den Stapel zusammenheften konnte. Dann klaubte er den Ordner vom Boden und trug beides aus der Wohnung und die Treppe runter bis in Sherlocks Labor. Dort hatte sich inzwischen auch Watson eingefunden, der immer noch die aufgeregte Mrs. Hudson beruhigte. „Aber wir müssen doch die Polizei anrufen! Ich will mir gar nicht ausmalen, was unsere Cathy gerade für Ängste durchlebt.“, zeterte sie. Ihr Gesicht war rot angelaufen und die Augen quollen wässrig aus ihren Höhlen, während die dünne Frau mit den Händen immer wieder erst in ihre Haare fuhr, sie dann an ihre Wangen legte, den Mund bedeckte, sich ans Herz griff und die Arme schließlich in Höhe der Ellbogen um ihren Körper schlang, während sie mit schief gelegtem Kopf weiter auf Sherlock einredete, wie auf einen kranken Hund. „Sie mögen brillant sein, Mr. Holmes, aber ein wenig Hilfe von den Behörden hat noch nie geschadet. Sie müssen nicht jeden Fall ganz alleine lösen! Vor allem wenn es um unsere Cathy geht.“ Der Detektiv bewahrte tapfer die Fassung und starrte unverwandt auf die nun schon recht mitgenommene Visitenkarte des bösen Professors. „Die Behörden wären in unserem Fall Inspektor Lastrate und seine Bande von Pavianen. Sie geben wohl kaum eine hilfreiche Unterstützung ab. Unser Gegner ist außerdem viel zu gerissen, als dass er der Polizei eine Spur übrig ließe.“, murmelte er. Mrs. Hudson vollführte mit beiden Händen eine wegwerfende Geste, in der ihre Verzweiflung zum Ausdruck kam. Als sie sprach klang ihre Stimme schrill, durch den Versuch die Tränen zu unterdrücken. „Ach Sie und ihre schlechte Meinung über unsere Polizei! Je mehr Augen nach Cathy suchen, umso besser! Mr. Watson. Helfen Sie mir gegen diesen alten Sturkopf.“, wandte sie sich hilfesuchend an den Doktor. Dieser überlegte und wog offenbar das Für und Wider ab. „Der Entführer hat keine Drohung ausgesprochen falls wir die Polizei hinzuziehen. Und breit gefächerte Suchaktionen wären...“ Sherlock fiel ihm unwirsch ins Wort. „Ach, Watson! Glauben sie wirklich ein genialer Geist wie Moriarty würde sich von ein paar Affen in Uniform aufspüren lassen?“ Andrew sah die Anzeichen dafür, dass sich ab hier die Diskussionen nur noch im Kreis drehen würden. Der Zeitpunkt war gekommen, um seine Funde zu präsentieren. „Ich habe gravierende Hinweise gefunden.“, kündigte er großspurig an. Rücksichtslos räumte er Sherlocks Laborutensilien beiseite, um den Ordner und die Ausdrucke auf den Tisch legen zu können. Dann schlug er beides auf. „Moriarty war längst in ihrem Leben, bevor sie entführt wurde. Es ist ein weit größeres Spiel als wir dachten.“, fasste er seine Erkenntnisse zusammen. Mrs. Hudson fuhr auf, wie ein erschreckter Kakadu. „Wie können Sie bei einer Entführung nur von einem Spiel reden?“, begann sie zu schimpfen, bevor Sherlock sie rüde abwürgte. „Für Moriarty ist es ein Spiel, Mrs. Hudson. Das ist ein Fakt.“, stellte er klar und grinste dabei über das ganze Gesicht. Alle starrten ihn fassungslos an. „Das ist wirklich hervorragend eingefädelt.“, lachte der Detektiv und bedeckte für einen Moment mit der Hand seine Augen. „Er hat ganz öffentlich und direkt vor unserer Nase operiert. Wir hatten Monate lang Zeit es zu bemerken. Damit schiebt er uns die Schuld für Cathys Entführung in die Schuhe. Ha!“ Watson blätterte fassungslos den Ordner durch. „Wie konnte uns das entgehen? Mir hätte doch etwas auffallen müssen!“, stammelte er. Sherlock hatte sich wieder beruhigt, auch wenn ihm die Jagdlust aus den Augen blitzte. „Ihm geht es um mehr, als nur darum mich zu ärgern. Er hat etwas Großes vor. Ich muss mich vorbereiten.“, erklärte er, indem er Watsons sentimentales Gemurmel völlig überging. „Am Besten finden wir Cathy, bevor er sein Werk an ihr vollendet!“, warf Andrew mit fester Stimme dazwischen. Seine Kiefermuskeln traten deutlich hervor und er bewahrte nur mühsam die Ruhe. Die Sache griff ihn mehr an, als er sich eingestand. Er sah zu Sherlock auf. „Es sollte mich wohl nicht überraschen, dass Sie über Cathys Lage so wenig betroffen sind.“, stellte er sachlich fest, doch sein Gesichtsausdruck wollte nicht recht zu seinem Tonfall passen. Watson war anzumerken, dass er dieses Thema mit Holmes schon mehrfach durch hatte und hörte kaum hin als der Detektiv kühl erwiderte: „Inwiefern würden ihr meine Tränen denn helfen, Mr. van Hellsing?“ Andrew starrte ihm einen Moment in die Augen, dann nickte er. Sherlock näherte sich dem Ausdruck auf dem Tisch und warf von oben herab einen Blick darauf. „Wer ist Natasha?“, fragte er wenig angetan. Daraufhin strafte Watson ihn mit einem sengenden Blick. „Natasha ist eine langjährige Freundin von Cathy, Holmes! Sie war sogar schon ein paar Mal hier! Wie können Sie das nicht mehr wissen?!“, rügte er seinen alten Freund. Holmes starrte unbeeindruckt zurück, auch wenn es für einen Moment den Anschein hatte, als wolle er sich mit irgendeiner Ausrede für sein Desinteresse an den Freunden seiner Tochter entschuldigen. Als aber nicht weiter kam, schüttelte Watson aufgebracht den Kopf. „Ich rufe Mary an und sage ihr, dass ich hier bleibe, bis wir Cathy gefunden haben. Sie wird das verstehen. Ich hoffe nur, dass sie nicht mitsuchen will. Sie muss schließlich unser Baby versorgen.“ Damit verließ er das Labor und ging hinunter, um ungestört zu telefonieren. Mrs. Hudson faltete ihre immer noch rege wandernden Hände vor der Brust und meinte schließlich: „Ich koche uns Tee und bereite das Essen vor. Eine kleine Stärkung wird uns allen gut tun. Bleiben Sie auch hier, junger Mann?“ Letzteres fragte sie, indem sie sich zu Andrew vorbeugte, um ihm ins Gesicht zu sehen. Dessen Blick blieb starr auf die Unterlagen geheftet, aber er antwortete der alten Dame mit freundlichem Ton. „Vielen Dank Mrs. Hudson. Ich bleibe ebenfalls, bis die Sache geklärt ist.“ Sherlock schielte ihn abschätzend von der Seite an. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm, dass Andrew sich einfach bei ihm einquartierte. Aber der junge van Hellsing war fest entschlossen. Mrs. Hudson nickte und murmelte zerstreut: „Gut. Gut. Gut. Und wie darf ich Sie anreden?“ Nun sah der junge Schwarzhaarige doch auf und schenkte der guten Frau ein kleines Lächeln. „Ich heiße Andrew.“ Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Die Haushälterin nickte betroffen, dann folgte sie Watson ins Erdgeschoss. Andrew trat um den Tisch uns besah sich die ramponierte Visitenkarte. „Ich nehme an, dass die Karte nichts ergeben hat?“, wandte er sich an Sherlock, aber der hatte im Moment ganz andere Prioritäten. Herausfordernd musterte er den jungen Mann. „Und wo denkst du, dass du schlafen wirst? Wenn ich fragen darf?“, wollte er mit erhobenen Augenbrauen wissen. Andrew begegnete seinem Blick furchtlos und entschied sich im Bruchteil einer Sekunde. „In Cathys Zimmer.“ Während Mrs. Hudson den Tisch im Wohnzimmer deckte und das Essen hoch brachte, brüteten Sherlock und Andrew weiter über dem Ordner. Dabei schien Andrew nur auszusprechen, was sich Sherlock längst zusammengereimt hatte. „Cathy wusste genau wie Moriarty aussah. Er muss also jemanden bezahlt haben, um sie zu entführen. Sie wäre doch nicht freiwillig zu ihm ins Auto gestiegen, oder?“ „Wohl kaum. Auch wenn sie eine amouröse Beziehung zu seinem Bild hat ist sie nicht so dumm sich von einem gefährlichen Psychopathen mitnehmen zu lassen.“ Sie schwiegen eine Weile. „Meinen Sie, Moriarty hat selbst die ganzen Fotos von sich ins Netz gestellt?“, fragte Andrew. „Natürlich.“, kam die Antwort sofort. „Es war alles von langer Hand geplant. Aber wieso hat diese Natasha sie derart auf ihn fixiert. Hat er sie auf Cathy angesetzt? Ihre langjährige Freundin?“, fragte Andrew weiter und kam sich langsam dumm vor. Normalerweise war es mehr sein Ding Schlussfolgerungen zu ziehen und nicht wie ein Schulkind jeden gefundenen Lösungsweg verifizieren zu lassen. „Wenn sie es denn ist. Sicher hat er ihren Account gehackt und sich für sie ausgegeben.“, kombinierte Holmes. Andrew dachte darüber nach. Irgendetwas schien ihm daran nicht zusammenzupassen. Dann hatte er es plötzlich. „Nein. Das kann nicht sein, das wäre rausgekommen! Natasha geht mit Cathy in die Schule.“ In diesem Moment wurde sie zum Essen gerufen. John Watson war inzwischen auch wieder da. Während er und Andrew kaum etwas herunter bekamen, aß Sherlock mit einem Heißhunger, der absolut untypisch für ihn war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)