Die Liebe der Kirschblüte von Deloran ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Dieser Teil sollte eigentlich das Ende sein... Eigentlich. Doch da ich für die sogenannte Einführung allein schon ungefähr 5 Seiten brauchte, habe ich es wieder nicht richtig weiter gebracht. Aber keine Angst, lange müsst ihr diesen Schwachsinn nicht mehr ertragen... Gibt wahrscheinlich nur noch einen Teil. Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt es bald geschafft... Noch was: Teil 7 ist noch bescheuerter als die ganzen Vorteile. Ich nehme es also niemandem übel, wenn er schon nach einem Viertel abklickt. |Bist du bereit... Wozu? ...bereit, zu Leben? Ich weiß es nicht... Ich habe Angst... Wovor fürchtest du dich? Vor... dir... und vor mir selbst...| Die Liebe der Kirschblüte 7 Mit einem leisen Quietschen öffnete Ranma die großen Holzflügel des Eingangstores. Höflicherweise blieb er stehen und ließ mir den Vortritt, was ich jedoch nicht mitbekam. Ich war zu sehr in Gedanken versunken... In Gedanken versunken... so häufig an einem Tag. Ein Tag... der mir wie eine Ewigkeit vorkam. Ich wusste nur nicht, ob es mir missfallen sollte. Eine Ewigkeit... ja, wirklich. So vieles war an diesem einen Tag geschehen. Vieles, was ich mir nicht erklären konnte. Und vieles, was mich überraschte, verwirrte und meine Gefühls- und Gedankenwelt vollkommen aus dem Gleichgewicht warf. Nur musste ich mir nur noch eine letzte Frage beantworten: War das schlimm? Hatte es sich... unangenehm angefühlt? Hatte es mir Schmerzen bereitet? Hatte es mich... verletzt? Ich war mir nicht sicher. Eines stand aber auf jeden Fall fest: An diesem Tag, diesem einen Tag hatte ich mehr erlebt, als in den vorigen Wochen, Monaten... ja, sogar Jahren. Ein Tag... bewusst gelebt. Mit jeder Faser meines Körpers... ja, und meines Herzens. Emotionen... überwältigend und plötzlich bei Anbruch dieses Tages wie eine Woge über mich hereinbrechend. Situationen... fremd, und doch irgendwie vertraut. Mit einem Lachen besiegelt, mit dem Wind so süß und doch so schnell verflüchtigt. Und doch... solche flüchtigen Erinnerungen, mit einem Kirschblütenkuss unvergesslich in Seelen eingebrannt... auf das man sie nie vergisst. Nie... nie. Nie wieder solche Unsicherheit in des Regens Angesicht... Nie wieder schneidend kalter Wind ungeschützt die Klippen brandend... Nie wieder... Wellenstürme an rauem Fels brechend. Nie wieder. Doch... nur eines tun. Und das mit vollen Zügen und einer bestimmten Art des Bewusstseins, die mich umgibt, umschmiegt und festhält. Nicht in die Abgründe sehen. Nicht die Dunkelheit sehen. Nie wieder. Nur eines tun... ... immer und immer wieder... ...Leben. Bis meine Sonne untergeht und ich die Sterne sehen kann. Doch wo meine Zeit... meine verbliebene Zeit verbringen? Wo? Zu diesem Zeitpunkt... am Sonnenaufgang MEINES Tages... wurde es mir allmählich klar. Den einzigen Tag... am Meer verbringen. Den glitzernden Schimmer auf den Wellenkämmen genießen dürfen... Die Gezeiten kommen und gehen sehen zu dürfen... Tobende Stürme und seichte Brandungen mit jedem Wechsel spüren zu dürfen... Spüren, in lebhafter Erinnerung des einzigen Tages festhalten und bis zum Sternenhimmel nicht mehr loszulassen. Nie mehr. Doch bevor ich meinen Tag am Meer verbringen durfte... musste ich eines tun. Vertrauen. Dem Meer. Seiner Wärme... selbst wenn mich diese Wärme irgendwann einmal verschlingen sollte... selbst dies war mir recht. Solange ich meinen ersten und letzten Tag dort verbringen durfte... Auf einmal herrschte eine plötzliche Leere in mir. Ich wusste, was ich wollte. Ich wusste, wie ich mein Ziel erreichen konnte. Aber ich wusste nicht, wie ich den Mut dafür aufbringen sollte. Eben schien doch alles noch so einfach! Und nun... stand ich wieder vor meinem größten Feind. Meinem eigenen Stolz. "Akane?" Ich fuhr aus meinen Gedanken auf. Mittlerweile war die Sonne untergegangen, sodass nur die flackernden Straßenlaternen noch Licht spendeten. Wie lange standen wir schon so da? Warum standen wir noch hier? Und vor allem... warum standen wir zusammen noch hier? Ranma... warum war er nicht schon reingegangen, wenn er doch solchen Hunger hatte? "Ja?" "Lass uns reingehen, ja? So langsam wird es doch recht frisch hier draußen, findest du nicht?" "Ja..." "Dann komm." Und damit und einer einladenden Geste bedeutete er mir, vor zu gehen. Warum war er so freundlich? Warum... war heute alles so anders? Gemächlich gingen wir über den von meinem Vater immer ordentlich geharkten Kiesweg. Immer ordentlich... Nicht immer. Nicht immer war er ordentlich geharkt. Nicht immer hatte mein Vater diese ernüchternde Ordentlichkeit gezeigt. Nicht immer... nur seit einem Tag im Regen. Seit diesem Tag, der alles veränderte. Mein Vater hatte damals den Schmerz des Verlustes betäubt, indem er durch unser Haus ging und alle Unregelmäßigkeiten beseitigte. Unregelmäßigkeiten... Dinge, die nicht mehr in das Bild passten. Die Unregelmäßigkeiten, die damals vor diesem Tag im Regen unser ganzes Leben bedeuteten. Doch auf einmal schien es nicht mehr wichtig zu sein, zu leben. Mama... warum bist du damals gegangen? Warum hast du dein Versprechen gebrochen? Warum?! WARUM?! Warum hast du uns das angetan... Wie hatten dich doch lieb! Warum wolltest du, dass alles sich veränderte?! Warum wolltest du... ...dass Kasumi... sich in diesen verdammten Haushalt hineinsteigerte und zu früh... viel zu früh erwachsen wurde? Wolltest du das etwa? Wolltest du etwa, dass eine deiner Töchter... auf einmal nicht mehr spielen wollte?! ...dass Nabiki einfach nur dasaß und weinte? Wolltest du das etwa? Wolltest du etwa, dass eine deiner Töchter... auf einmal nicht mehr leben wollte?! ...dass Papa... sich vollkommen dem Schmerz hingab und mit leeren Augen versuchte, sich an irgendeine Ordnung zu klammern, jetzt, da in seinem Leben nichts mehr normal war? Wolltest du das etwa? Wolltest du etwa, dass der Mann, der dir sein Ja-Wort gab... auf einmal sein Leben vergaß? ... dass... sich alles veränderte? Doch warum... Warum kann ich dich dafür nicht hassen? Mittlerweile waren wir am Eingang angekommen. Von Innen konnte man die Wärme unserer Behausung schon spüren. Lebhaft konnte ich mir vorstellen, wie Kasumi bereits den Tisch deckte, wie Nabiki Rechnungen ihrer Kunden bearbeitete und auf den neusten Stand brachte, wie Happosai seine Unterwäsche bügelte, wie Paps und Herr Saotome Go spielten. Wie jeden Abend. In völliger Gleichheit. Kasumi würde wieder Dr.Tofu etwas zurechtmachen, nachdem sie das Essen auf den Tisch gestellt hätte. Nabiki würde wieder gnadenlos ihre Preise erhöhen. Happosai würde sich wieder für einen erneuten Raubzug bereit machen. Paps und Herr Saotome würden sich wieder gegenseitig betrügen. Mit den selben Tricks wie jeden Abend. Mit dem gleichen lächerlich wichtigtuerischen Gehabe. Mit dem selben Schema wie jeden Abend. Mit der gleichen Perfektion und Fehlerlosigkeit wie jeden Abend. Mit der selben und immer gleichbleibenden Routine. Jeden Abend. Erst jetzt viel mir das wirklich auf. Jetzt, wo wir die Tür öffneten und nacheinander eintraten. Etwas spät, nach so langer Zeit. Und was tat ich jeden Abend? Auf einmal wollte es mir nicht mehr einfallen. Wie aus meinem Gedächtnis gelöscht. Aber egal ob gelöscht oder einfach entfallen: Hier stimmte etwas nicht! Ranma schien das wohl nicht aufzufallen, denn er wollte schon zur Treppe gehen. Ich betone hier 'wollte', denn ich ließ ihn nicht gehen, sondern hielt ihn am Ärmel zurück. "Warte mal!" "Was denn?" "Merkst du nichts?" Nun schien auch endlich bei ihm der Groschen gefallen zu sein. Heute schien wirklich so einiges anders abzulaufen als sonst. Hier, im unteren Stockwerk brannte kaum Licht. Nur die relativ schwache Flurbeleuchtung ermöglichte die Sicht. Normalerweise hielten sich um diese Uhrzeit doch alle Personen unten auf... Waren sie vielleicht ausgegangen, ohne uns Bescheid zu geben? Dann musste doch in der Küche eine Notiz zu finden sein... Dieser Gedanke schien nun auch Ranma gekommen zu sein, denn zielstrebig betrat er eben genannten Raum und bewegte sich im Dunklen, ohne Licht anzuschalten, auf die Küchenanrichte zu. Ich blieb im Eingang zur Küche zurück und hörte mit halbem Ohr Ranmas Gefluche zu, als er keinen Zettel vorfand und -wohl aus lauter Frust- gegen irgendetwas, im Schatten verborgenes und daher undefinierbares gerannt war. Tja, hätte man das Licht angemacht, hätte man wohl zwar auch keinen Zettel gefunden, man wäre wohl auch genauso frustriert gewesen, aber man hätte vielleicht den Kühlschrank in der Mitte des Raumes stehen sehen. Und man hätte -vielleicht, ich wiederhole vielleicht- den Bratpfannenparcours vom einen Ende des Raumes zum anderen sehen können. Aber... es war ja dunkel. Jetzt könnte man sich natürlich fragen, warum das ganze Kücheninventar vom Salzstreuer bis zu den kleinen Ausstechförmchen in den weihnachtlich anmutenden Formen von Sternen, Tannenbäumchen und Herzen in allen Ecken des Raumes, den man allgemein als Küche definiert, verstreut lag. Oder, man könnte sich fragen, warum Ranma auf seinem Hinweg nicht schon in das ganze Zeug reingerasselt ist. Ich wiederhole: Man könnte. Als Ranma dann, mit einigen Mikrowellenbauteilen, Fleischmessern und Teeservicemilchkännchen festlich dekoriert, aus der Küche heraustorkelte, war seine Laune aus irgendeinem Grund auf den absoluten Nullpunkt (gleich -273°C) gesunken. Während ich nun damit beschäftigt war, Ranma aus den Fesseln des heimtückischen Mixerkabels zu befreien, legte er erst richtig los, seine Meinung über Küchengeräte und ihren eigentlichen Aufbewahrungsort zu äußern. Und über Ranmas Gezeter und meinen Versuchen, mit Hilfe einer -ebenfalls von Ranma angeschleppten- Grillzange den durchgeknallten Hummer -der sich seinen Spaß, seine Scheren in Ranmas Hemd zu schlagen, partout nicht nehmen lassen wollte- zu entfernen, vergaßen wir natürlich vollkommen die Umgebung. Nicht dass jetzt irgendetwas besonders spannendes passiert wäre, als Ranma sich endlich von den niederträchtigen Salatgürkchen entledigte und in seinem Vortrag bei den Normgrößen von Kaffeefiltertüten angelangt war. Nein... eher das Gegenteil war der Fall. Es rührte sich überhaupt nichts. Hätte da irgendwo eine Hose rumgehangen- ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie sofort mausetot gewesen wäre. "... und das war das letzte Mal, dass ich eine Geschirrspülmaschine auch nur angesehen habe! Und dann erst...-" "Ranma?" "-... diese- Was?" Yeah. Ich hatte seine Aufmerksamkeit. "Vielleicht... sind sie ja oben?" "Was??" Anscheinend hatte er alles, was sich nicht um die Kücheneinrichtungsmöglichkeiten von Ikea drehte, komplett vergessen. "Ich meinte ja nur... vielleicht sind die anderen alle schon schlafen gegangen?" "Meinst du nicht, dass das noch ein wenig früh wäre? Es ist grade mal schätzungsweise halb fünf." "Hmm... wir können ja trotzdem mal nachsehen... Zumindest mach ich das. Was du machst ist deine Sache." "Jaja, schon gut." Yes. Kontrolle ist das halbe Leben. Leise gingen wir die Treppenstufen hinauf. Man könnte es auch mit Schleichen vergleichen. Schon doof, wenn man in seinem eigenen Haus so was macht. Und Ranma und ich hätten wohl kaum eine schlagfertige Antwort auf die Frage hin geben können, was wir da eigentlich machten. Wahrscheinlich, weils so gut zum Ambiente passte. Totenstille und dann die knarzenden Treppenstufen... wäre da vielleicht irgendein lautes Lachen angebracht gewesen? Nö. Also. Oben angekommen... tat ich erst einmal das einzig richtige... nämlich das Licht einzuschalten. Vielleicht war hier wieder so ein Durcheinander? Nein, ich irrte mich. Hier... herrschte saubere Ordnung. So, als ob-... Eine Tür nach der anderen stießen wir auf, sogar das Bad öffneten wir. Natürlich mit vorigem Anklopfen, aber als sich nichts gerührt hatte, wurden wir mutiger. ... -seit dem Morgen niemand mehr hier oben gewesen wäre. Doch in einem der Zimmer fanden wir eine mehr oder minder frische Spur. In Kasumis Zimmer... herrschte das sogenannte 'totale Chaos', d.h. dass die Schubladen herausgerissen waren und der Inhalt der Schränke auf dem Boden verteilt war. Kurz: Es sah aus wie nach einem Taifun der heftigeren Art. Nur an Kasumis Schreibtisch hatte man sich offenbar nicht vergriffen. In all der Unordnung bildete diese Oase der aufgeräumten Friedlichkeit fast einen absurden Kontrast. Also konnte es kein Einbrecher gewesen sein, zumindest keiner, der noch alle Tassen im Schrank hatte. Dieser Gedanke brachte mich schon zu einer Vermutung, die schon leicht an einen Verdacht grenzte, doch Happy würde dann gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen, was er ja eigentlich nie tat. Vor Kasumi zeigte er meistens Respekt- meistens. Wenn er sich nicht zurückhalten konnte, hatte er entweder direkt eine Bratpfanne oder Bettys Ellenbogen im Gesicht. Wo Betty in solchen Momenten herkam, war immer noch unklar, aber man ernannte die WunderProduktions - all rights reserved - and Co.- all rights reserved - [, sponsored by God]zu den Verantwortlichen. Außerdem fanden wir in Nabikis und meinem Zimmer keine Spuren dieser Art der Verwüstung, was in diesem Zusammenhang ja sehr merkwürdig war. "Was sagst du dazu?" Ranmas Stimme... irgendwie hörte sie sich genauso an, wie ich mich fühlte... nämlich so, als ob man in den kurz vorher vergangenen Momenten viel zu viele Informationen und Eindrücke vermittelt bekam, und sich das Gehirn nun diesen einen Augenblick dazu ausgesucht hätte, diese ganzen Dinge zu verarbeiten. "Das wir etwas verpasst haben." Ja... und zu dieser Leere kam auch eine plötzliche Müdigkeit... "Gut... und was machen wir jetzt?" "Mmmh... weiß nicht. Wie wär's mit Mathe-Lernen?" "Ooooookay." ...und der müde Krieger ergab sich seinem unausweichlichen Schicksal. Oder so ähnlich. Aber ich hatte es mir wohl zu einfach vorgestellt. Ranma war wohl so naiv zu glauben, dass er an seinem Schicksal ein Mitbestimmungsrecht hatte, und versuchte es plötzlich, sich doch noch aus der Misere zu retten. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass Kami-sama und ich die einzigen waren, die im Moment was an seinem Schicksal zu reden hatten. Armer Junge. Tat mir wirklich Leid. Ganz ehrlich. "Ooooder, warum... machst du nicht schon einmal Mathe vor, und ich... ich geh schon mal trainieren... ja?? Dann ist ja gut, ich-" "Vergiss es. Du hast mich doch um meine Hilfe gebeten, oder? Und jetzt willst du sie nicht mehr? Das verletzt..." Schnell wandte ich mich ab, sodass er nicht in mein Gesicht sehen konnte. Meine Schultern hoben sich unkontrolliert, und aus meiner Kehle kamen Laute, die meine eigentliche Stimmung verrieten. Doch das wollte ich nicht vor ihm. "Akane...-" Seine Verunsicherung... und dieser- Versuch, mich zu trösten... War er vielleicht doch nicht so grob...? "-... bitte weine doch nicht... Komm, dreh dich zu mir um!" Nein! Ich wollte doch nicht, dass er mich so sah... Nicht so... nicht- Mit einem heftigen Ruck drehte er mich um... sodass er mein Gesicht sehen konnte. Und seine Verwunderung gab mir wirklich den Rest. Wie der glotze, brachte mich um den letzten Rest Fassung, den ich mir ja so mühsam aufrecht erhalten hatte und lachte schallend los. Warum reagieren Männer immer plötzlich so einfühlsam, wenn es um vermeintliche Tränen geht? Nicht, dass es nicht manchmal Vorteile brächte... Aber es verwundert einen um so mehr, wenn man an die Empfindsamkeit eines Sandsteinsockels gewöhnt ist. "Grrrrrrrrr.... A-ka-neeee...!!" Dummerweise konnte ich ihm in diesem Augenblick keine Antwort geben, da ich mich auf dem Boden rumwälzte und krampfhaft versuchte, noch einigermaßen Luft zu kriegen. "Na gut. Dann vergiss halt unseren Deal. Ist mir sowieso egal. Mach doch was du willst." Seit wann war er denn so... empfindlich? Für die Beantwortung dieser Frage nahm ich mir keine Zeit, da ich damit beschäftigt war, Ranma bäuchlings hinterher zu robben. Konnte der Idiot nicht langsamer machen? Es war ja nicht unbedingt einfach, jemandem hinterher zu kriechen, wenn man a) Keine Schlange oder sonst ein Angehöriger der sich durch Kriechbewegungen fortbewegenden Spezies war oder b)meine Alveolen keinen Gasaustausch mehr veranstalten konnten. Beides schien irgendwie zuzutreffen, denn bald hatte Ranma mich auf dem Weg zu seinem Zimmer abgehängt. Da half nur eins: Luft holen und sich praktischerweise so fortbewegen, wie es in der Gattung des homo sapiens normalerweise so üblich war: Aufrecht und wenn möglich mit höherer Geschwindigkeit. Schon hörte ich, wie Ranma seine Tür hinter sich zugeworfen hatte. Nun musste ich mich aber wirklich zusammenreißen! Während ich auf unserem Flur kurz verschnaufte, drängte sich mir wieder eine einzige, allzu genau bestimmte Frage in mein Bewusstsein. Warum tat ich das hier alles? Nur, um mit diesem Trottel Mathe zu büffeln? Konnte mir doch egal sein, wenn er später durchfiel. Oder war es das Training? Ja, bestimmt! Das musste es sein. Doch warum wollte ich unbedingt Ranma zusehen? Natürlich hatte das schon so seine Reize... natürlich rein der Technik willen. Er war ja wirklich gut... ... wie sein Aussehen und sein Körperbau auch... ja, aber... Hey!! I-ich musste ja endlich wieder trainieren. U-und Vater und Herr Saotome würde ich wahrscheinlich nicht dazu bewegen können, sich v-von ihrem Shogi-Brett auch nur einen Meter wegzubewegen. Falls sie denn irgendwann einmal wieder gedachten, sich in unserem gemütlichen Hause, dass freundlich jedem Penner- hier ein kurzer Verweis zu Ranma und seinem Vater- Obdach anbot, einzufinden. Es interessierte mich wirklich, was sie denn so lange trieben. Nabiki würde wohl erst später oder am nächsten Morgen eintreffen. Am Morgen beim Frühstückstisch hatte sie einige Bemerkungen wie 'Freundin, wird später' oder 'wahrscheinlich mit Übernachtung. Vielleicht bis morgen!' gemacht. Happo war mit Sicherheit wieder auf einem seiner Streifzüge, und Kasumi... Vielleicht war sie ja einkaufen gegangen? Oder hatte Doc Tofu wieder etwas zu Essen vorbeigebracht? Dann würde es bei ihr sicherlich auch länger dauern, da sie ja -hilfsbereit wie immer- dann nachher Tofus Wohnung aufräumen musste, wenn der eigentliche Besitzer in irgendwelchen zwielichten Gegenden mit seiner etwas dürren und magersüchtigen Betty Tango übte. Aber da war ja noch etwas seltsames an diesem Abend... Die Küche und Kasumis Zimmer. Normalerweise war sie so etwas wie die Miko der Küche. Sie pflegte und hegte die Küche wie einen heiligen Tempel und diente der Kunst der geschmacksnervlichen Verführung. Selbst wenn man die Küche aus der Betrachtung ausschloss, so gab einem das Zimmer meiner ältesten Schwester immer noch ein Rätsel auf. Kasumi sorgte akribisch für Ordnung im ganzen Haus, und in ihrem eigenen Zimmer konnte niemand ihrem Treiben und ihrem Drang nach Ordnung Einhalt gebieten. Und dort herrschte wahrliches Chaos. Dieser Tag war eindeutig nicht normal. So langsam fragte ich mich ernsthaft, ob ich nicht wieder irgendwelchen Schwachsinn träumte, den mir meine Phantasie vorgaukelte. Dann viel mir noch etwas ein, verdrängte die Gedanken an alles Absurde und Abnormale dieses Tages. Nämlich die Sache mit dem Mathe-Lernen. Vergessen, alle diese zweifelnden Gedanken, warum ich plötzlich so scharf auf geistiges und körperliches Training war. Während ich dort auf dem Fußboden die ganze Zeit philosophiert und nachgedacht hatte, bekam ich auch wieder gut Luft. Dann blieb also nur noch das Problem mit Ranma. ... HINTERHER! Aufspringen und den Flur bis hin zum Gästezimmer zu laufen war ja nicht schwer. Doch es kostete mich einige Entschlusskraft, die Tür zu öffnen. Ob er ... überhaupt noch Mathe lernen wollte? Vor meinem Lachkrampf sah es ja nicht allzu sehr danach aus. Warum hatte er mich dann überhaupt gefragt?! Wenn man wütend ist, gelingen einem Angelegenheiten wie die der Überwindung sehr leicht. Mutig wie ein Löwe riss ich die Tür auf und rauschte wie der Sturmwind persönlich in unser dauerbelegtes Gästezimmer, dessen Aufschnitt aus Genma und Ranma Saotome bestand. Nun, wütend kam ich herein, und hätte beinahe nicht mehr heraus gefunden. Der Anblick, der sich mir in diesem, plötzlich so klein wirkenden Zimmer, darbot, hätte die Herzen des offiziell-inoffiziellen Ranma-fanclubs höher schlagen lassen. Aber auch mein Puls schien sich beinahe nicht mehr im messbarem Bereich zu sein. Natürlich aus Panik. Aber warum eigentlich? Er war doch schließlich mein Verlobter! Aber wir kannten uns doch schließlich kaum... außerdem war die Verlobung ja auch nicht freiwillig gewesen! Und trotzdem... Ich war so sehr damit beschäftigt, mit mir selbst meine sogenannte "Beziehung" mit Ranma auszudiskutieren, dass mir eine Zeit lang nicht bewusst war, dass ich ihn die ganze Zeit anstarrte. Jetzt nicht so denken, wie sich das nun anhört! Um die Situation näher zu erklären: Ranma hatte ich gefunden. Doch was vielleicht zu erwähnen wäre, wäre die Tatsache, dass er sich gerade umzog. Wie oft hatte ich ihn schon aus meinem Zimmer bzw. dem Bad geschmissen, mit einem Hammer niedergeschlagen, weil er in ungünstigen Momenten den Raum betrat, in dem ich mich in solchen ungünstigen Momenten befand. Nun wusste ich, dass man so etwas meist unabsichtlich macht. Meine Aussicht belief sich momentan -Gott sei dank- nur auf seinen Oberkörper, und das glücklicherweise von hinten. Wenn ich mich... ganz langsam und leise aus dem Staub machen würde, würde er mich vielleicht gar nicht bemerken. Gut. Dann müsste ich es nur noch schaffen, auch meinen Körper zu überzeugen. Natürlich wollte er nicht. Er vertrat ganz andere Ansichten von wegen Verlobung ausnutzen und Mädchenherzen enttäuschen. Auch diese innere Stimme, die ganz eindeutig nicht meiner Leber sondern meinem Herzen gehörte, sprach einige klare Worte, auf die ich nun wirklich nicht hinhören wollte. Was zum Teufel war nur mit mir los?! Ein Komplott von mir gegen mich selbst. Da bekommt beispielsweise der Satz eine ganz neue Bedeutung. Na los!! Komm schon Akane! Geh endlich bevor er... Mein innerer Zwist schien wohl so eine Art Strahlung auszusenden, die Ranma meine Anwesenheit verriet. Suppa, un was nu?! Genau. Er tat exakt das, was ich hatte vermeiden wollen. Mit einem "Hm?" drehte er sich um. Neue Szenenbeschreibung: Ranma stand mir direkt gegenüber, natürlich, Oberkörper unbekleidet. Man musste ja schließlich die Muskeln erkennen. Toll. Verdammt ...!! Aber wenigstens erweckte er den Eindruck völliger Verblüffung, die ich später vielleicht hätte ausnutzen können. Vielleicht + hätte ist eine wirklich unglückliche Kombination. Aber rein der Formsache willen muss man hier zu Protokoll nehmen, dass er wirklich nicht schlecht aussah. Schwarze, chinesische Trainingshose... Ja, und noch einige andere Dinge, die sich hier vermuten lassen würden. Anscheinend wollte er ganz in schwarz trainieren, denn in seinen Händen hielt er ein ebenfalls schwarzes Hemd. Komisch... Schwarz war doch normalerweise nicht seine Farbe...? Zumindest hatte ich ihn noch nie darin gesehen. Zugegeben, es stand ihm ausgezeichnet... Womit ich mich wieder selbst verfluchte. Da stand ich nun. Vor meinem -unfreiwilligen! Auch das soll schließlich protokolliert werden!- Verlobten. Wahrscheinlich mit einer gesunden Gesichtsfarbe, rührte mich nicht vom Fleck und starrte ihn die ganze Zeit an. Mein -frecher, absolut idiotischer, egoistisch egozentrischer und A-B-S-O-L-U-T unfreiwilliger- Verlobter tat allerdings auch nichts dagegen. Ob es ihm Spaß machte, mich so zu sehen?! War es für ihn etwas eine Genugtuung?! Aber wie gesagt: Die Situation war einfach absurd, und ich machte mir wirklich als einziges um Ranmas Farbwahl Gedanken. Doch halt...! Da gab es ja noch so eine wirklich unsinnige Sache, über die ich zu diesem Zeitpunkt, in einer Zeitspanne von ca. 23,85 sec., nachdachte. Er hatte wirklich schöne Hände. Nunja, schön... ist so ein... irgendwie femininer Ausdruck. Aber ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken könnte. Ästhetisch? Merkwürdig. So schwierig kann es also sein, nach einem Adjektiv zu suchen. "Äääh, ich ..." Und so schwierig kann es sein, in einem so peinlichen Augenblick die richtigen Worte zu finden. "Akane, ist alles in Ordnung mit dir?" Wie der mich ansah... Moment! Den Ausdruck kannte ich! Er verhieß aufrichtige und ernsthafte Besorgnis. Aber Besorgnis? Passte das... hier irgendwie rein?...?...? "Was soll schon sein?!!" Tja, da sieht man es mal wieder. Um die eigene Unsicherheit zu vertuschen oder künstlerisch mit Ölfarbe Fresken drüber zu pinseln, wird man aggressiv. Meist, damit man den Gegner, manchmal auch sich selbst, auf Abstand halten kann. Denn Aggressivität verheißt Prügel, wenn man dem 'Schläger' zu nahe kommt. Und in solchen Momenten braucht man erst einmal Abstand, um einen halbwegs klaren Kopf behalten zu können. Welchen ich wirklich dringend brauchte. ... "Ich meinte ja nur... Du bist so blass..." Blass? Blass?! Jucheeeee!!!^-^! Das Leben kann so schön sein wenn das Gegenüber farbenblind ist! Ich war blass?! Her-vor-ragend! Erste Unsicherheit schon einmal aus dem Weg geräumt! Das ließ wieder Mut zu. "Machst du dir etwa Sorgen, Ranma?!" "Um ehrlich zu sein, ja." Seine Reaktion verblüffte mich ein wenig. Anscheinend war er nicht auf Streit aus. Meine Aufforderung dazu, bestehend aus feinem Spott, hatte er einfach hingenommen und abgetan. War ich wirklich so blass? Machte... Ranma sich wirklich Sorgen...? "Naja. Das kann dir ja egal sein." Das war es, was ich vorhin meinte. Wenn man unsicher ist, wünscht sich der Geist Abstand. Und in diesem Moment ist es egal, wie man ihn erreicht. Oder ob man jemanden... verletzt. Noch vor einigen Augenblicken reagierte ich aggressiv, nun schnippisch. Aber... wollte ich mich nicht ändern? Ein leises Seufzen antwortete mir. "Akane. Sei doch einfach mal ehrlich mit dir selbst." "Was?" "Ach schon gut. Vergiss es einfach, ok?" "Jaja, ok..." Herrjemine, war ich verwirrt. Leider bemerkte sogar ich das ziemlich deutlich an meinem Tonfall. Innerlich betete ich, dass Ranma noch weniger Feinsinn in solchen Angelegenheiten hatte als ich und es nicht bemerken würde, oder dass die Bodenbretter des Gästezimmers so morsch und von Holzwürmern durchfressen waren, dass sich ein gnädiges Loch dazu erbarmte, sich aufzutun und mich verschlingen würde. "Warum bist du eigentlich in meinem Zimmer?" Wie freundlich von ihm, dass er das Thema wechseln wollte. Doch wie unfreundlich von ihm, unsere Konversation in solche Bahnen auf dieses eine, spezielle Thema zu lenken. "Ich..." "Ja?" Glücklicherweise war dieses Zimmer ziemlich schwach beleuchtet. D.h. eigentlich, dass das Zimmer nur von einer Straßenlaterne erhellt wurde, deren Schein durch die dünnen Wände drang. Dadurch wurde das Zimmer in ein leicht bläuliches Licht gehüllt, und man konnte Farben nicht so gut erkennen. Sonst hätte Ranma garantiert bemerkt, dass meine 'Blässe' nur durch die fehlende Innenbeleuchtung zustande kam, und sich hinter meiner 'kränkelnden' Tönung in Wahrheit eine ganz andere Farbe verbarg. "Darum!!" Kommen wir noch einmal ganz kurz auf das Abwehrverhalten, ausgelöst durch psychische Enge und darauf folgende Platzangst, zurück. Dabei will man möglichst auf Abstand gehen, weswegen die Reaktionen leicht übertrieben wirken. Das war nun wieder so ein Fall. Ich schnappte mir Ranma am Arm und schleifte ihn, immer noch nicht fertig angezogen, auf den Flur hinaus knallte die Gästezimmertür hinter uns zu und brachte es irgendwie fertig, ihn in mein Zimmer zu bringen. Aber... was dann? Nun hatte ich ihn also, halb angezogen bis hierhin geschleift. So. Aus reiner Überreaktion. Und nun? Jetzt viel mir wirklich nichts mehr ein, womit ich das vor Ranma rechtfertigen konnte. Was er wohl jetzt von mir dachte...?! Mein Kopf fühlte sich irgendwie seltsam leer an, und mein Herz fühlte sich niederträchtig gut. Uaah, wie ich es doch in diesem Moment hasste. Müde ließ ich Ranma einfach auf den Boden plumpsen, setzte mich auf meinen drehbaren Schreibtischstuhl und scherte mich recht wenig darum, ob er sanft landete, oder 'ne klassische Bauchlandung machte. Merkwürdigerweise kamen jedoch weder Beschwerde- oder Klagelaute, noch irgendwelche Beleidigungen, die sich verdächtig nach "Machoweib" anhörten. Gar nichts dergleichen. Lebte er überhaupt noch? Ich dreht mich mitsamt meinem Stuhl um, machte diese Bewegung jedoch wieder sehr schnell /rückgängig/. Nun wusste ich, dass er noch lebte. "Was ist?" "Was soll sein?!" "Was ist los mit dir, du bist schon den ganzen Abend so komisch..." "Es ist nichts." "Jetzt sag schon." "Was soll bitte schön daran komisch sein?" "Woran? Hast du jetzt endlich eingesehen, dass du dich merkwürdig verhältst?" "Wie bitte? Aber auch egal. Daran, dass es komisch ist, wenn ich dir nicht unbedingt dabei zusehen möchte, wenn du dich umziehst!" Ja, das war es. Der Idiot hatte Nerven. Anstatt mich gleich mit nervigen Fragen zu löchern setzte er auf eine ordentliche Bekleidung. Sehr taktvoll.