More Than A Feeling von Zaje (28 Gefühle) ================================================================================ Kapitel 13: Mitleid ------------------- Der Himmel weinte. Zumindest kam es ihm so vor. Strömender Regen prasselte auf die Straßen und die vielen Menschen nieder. Alle waren in Eile um noch schnell die nächste U-Bahn oder ein Taxi zu erwischen. Keiner wollte bei diesem Wetter draußen sein. Er öffnete seinen Regenschirm und ging nach Hause. Er hatte es nicht weit, weshalb er nicht unnötiges Geld für ein Taxi ausgeben wollte - außerdem glichen seine Schuhe ohnehin schon einem U-Boot mit Leck, von daher war es egal. Auf dem Weg nach Hause, machte er noch einen kurzen Zwischenstopp in dem Supermarkt um die Ecke. Keine zehn Minuten später stand er auch schon vor dem hohen Gebäude mit den vielen Wohnungen und er hoffte, dass der Fahrstuhl heute ausnahmsweise funktionieren würde. Die Motivation war nicht gerade hoch, mit nassen Schuhen bis in den vorletzten Stock zu wandern. Gerade als er den Schlüssel aus seiner Manteltasche zog, hörte er ein leises Miauen. Er schrak kurz zusammen und sah sich um. Ein kleines Kätzchen saß auf der schmalen Mauer hinter den Mülltonnen. »Wer bist denn du?«, fragte er das kleine Ding, während er den passenden Schlüssel suchte. Vermutlich hatte sich seine Nachbarin, einen Stock unter ihm, schon wieder ein neues Vieh zugelegt. Es wunderte ihn nur, dass das Kätzchen bei strömendem Regen hier draußen war und nicht drinnen. Normalerweise achtete seine Nachbarin sehr sorgfältig darauf, dass den kleinen Biestern nichts ankam. »Na komm schon, dein Frauchen wartet bestimmt auf dich. Und ich will endlich aus den Schuhen raus«, fügte er murrend hinzu und warf der Katze einen auffordernden Blick zu. Die allerdings hatte aufgehört zu miauen und legte den Kopf etwas schief. »Wenn du nicht selbst gehen kannst, kann ich dir auch nicht helfen.« Er wartete noch einen kurzen Moment, doch die Katze rührte sich nicht vom Fleck. Er verdrehte die Augen - das Vieh war bestimmt eine Frau. Er schloss die Tür hinter sich und ging auf den Lift zu. Die Einkäufe wurden immer schwerer und er bekam beinahe einen ausgeprägten Wutanfall, als ihm das ›Defekt‹-Schild entgegen leuchtete. Er ließ ein wütendes Schnauben hören und machte sich dann mit schmatzenden Schritten auf den Weg in den siebten Stock. Wie er solche Tage liebte. Eine gefühlte Ewigkeit später kam er oben an und sein erster Weg führte ihn unter die Dusche. Endlich war er die durchnässten Schuhe los und den Regenschirm und den Regen und überhaupt alles, was draußen vor seiner Wohnungstür lauerte. Nach einer ausgiebigen Dusche, kümmerte er sich um seine Einkäufe und um seine Kaffeemaschine, die ihn bestimmt schon vermisst hatte. An solchen Tagen gab es nichts Besseres als eine heiße Tasse Kaffee. Er stellte sich ans Fenster und blickte hinaus auf die trüben, verregneten Straßen. Sein Blick fiel auf das kleine Kätzchen bei den Mülltonnen. Sie saß immer noch an der gleichen Stelle, hatte sich keinen Millimeter gerührt. Was war nur mit seiner Nachbarin los? Er beobachtete das Kätzchen eine Weile und langsam bestiegen ihn Zweifel. Vielleicht gehörte das arme Ding gar nicht seiner Nachbarin? Andererseits … was kümmerte ihn das? Er wandte sich ab und begann zu kochen. Der Tag war lang gewesen und er kam beinahe um vor Hunger. Die Katze hatte er inzwischen aus seinen Gedanken verdrängt. Erst als er nach dem Essen wieder am Fenster stand und hinaus blickte, fiel sie ihm wieder ein. Immer noch saß sie da und harrte aus. Er biss sich auf die Unterlippe. Es war inzwischen Abend geworden und doch ziemlich kalt. Das kleine Ding würde krank werden und ohne Hilfe vielleicht sogar sterben. Andererseits könnte sich die Katze genauso gut einen Unterschlupf suchen, zum Beispiel könnte sie es sich unter einer der Mülltonnen bequem machen. Dort regnete es wenigstens nicht. Einige Minuten starrte er auf das Kätzchen hinunter, bevor er die Augen verdrehte und genervt schnaubte. Er wandte sich ab, ging ins Badezimmer und griff nach einem Handtuch. Dann schlüpfte er in trockene Schuhe, schnappte sich seinen Schlüssel und trabte in Windeseile die sieben Stockwerke wieder hinunter. »Was mach ich hier eigentlich«, murmelte er zu sich selbst, als er die Eingangstür aufzog und nach draußen in den strömenden Regen trat. Binnen Sekunden war er bis auf die Haut durchnässt. Er ging hinüber zu den Mülltonnen und nahm erneut das piepsige Miauen war. Als würde sie um Hilfe rufen. Kurz ärgerte er sich, dass er gleich wieder zu Fuß und patschnass in den siebten Stock laufen konnte, doch dann fiel sein Blick auf das kleine Tier. Die Ohren waren viel zu groß für den Kopf und die Augen viel zu rund um nicht Mitleid mit dem Zwerg zu haben. Das weiße Fell war komplett durchnässt und verfilzt. »Du bist wirklich ein bisschen dämlich«, meinte er an das Kätzchen gewandt, als er sich an den Mülltonnen vorbei schob und es von der Mauer runter hob. Die Katze miaute noch einmal kurz, sah ihn mit großen Augen an und begann sofort zu schnurren, als er es in das inzwischen feuchte Handtuch wickelte. »Ist das deine Masche? Mitleid in den Menschen erregen nur um ein Dach über dem Kopf zu haben?« Er warf dem Kätzchen einen verärgerten Blick zu, konnte den treudoofen Augen aber nicht lange böse sein. Als Antwort kam nur ein Schnurren, das sich stark nach einem mittelgroßen Traktor anhöre. »Du machst mich fertig.« Auf dem Weg nach oben, rubbelte er das Kätzchen sanft trocken und als er den siebten Stock betrat, war es bereits eingeschlafen. »Das auch noch«, murmelte er und schüttelte den Kopf. Das Vieh raubte ihn den letzten Nerv. Als er die Wohnung betrat, ging er als erstes ins Bad, wo er das nasse Bündel erst mal ins Waschbecken legte, um sich von den nassen Klamotten zu trennen. Er schlüpfte in seinen Bademantel, griff dann nach einem trockenen Handtuch und wickelte das schlafende Kätzchen darin ein. Während er das Tier mit einem Arm festhielt, machte er mit dem anderen etwas Milch warm. Er besaß weder Katzenfutter noch sonst irgendeine Ahnung, was das Ding vielleicht gern fressen würde. Aber er hatte früher mit seiner Schwester öfter Disneys Aristocats geschaut und die hatten warme Milch geliebt. Also so viel Unterschied würde da schon nicht sein. Das Bündel in seinem Arm bewegte sich und begann zu miauen. »Na, du kleiner Scheißer? Auch schon wach?« Er warf dem Fellknäuel einen kurzen Blick zu und es hörte auf zu miauen, starrte ihn aber wieder mit diesen riesigen, runden Augen an. »Ich sag dir jetzt mal was. Du kannst hier bleiben. Eine Nacht, nicht länger. Und komm ja nicht auf die Idee hier irgendetwas voll zu pinkeln oder deine Krallen an meiner Couch zu schärfen.« Er holte einen kleinen Plastiklöffel aus der Schublade und begann dem Kätzchen die warme Milch einzuflößen. Nachdem er sie gefüttert hatte, stellte es sich als etwas kompliziert heraus, mit einer Hand ein provisorisches Katzenklo zu bauen. Er holte eine alte Schachtel, legte einen Stapel alter Zeitungen hinein und stellte seine Konstruktion in ein Eck. »Das ist deine Toilette, ob du willst oder nicht.« Er warf dem Zwerg einen mahnenden Blick zu. Immer noch starrte die Katze ihn mit kugelrunden Augen an und blinzelte kein einziges Mal. »Schau nicht so.« Ein Schnauben entwich ihm und er verdrehte die Augen. Bevor er sich auf die Couch fallen ließ, holte er - das Kätzchen immer noch am Arm - einen alten Kamm aus dem Badezimmer. Er schaltete den Fernseher ein, legte die Füße auf den Couchtisch und zappte kurz durch, bis er auf einen Film stieß, den er sehen wollte. Das Handtuchbündel legte er in seinen Schoß und öffnete es langsam. Das Kätzchen gab kein Beschwerde-Miau von sich als er begann die verfilzten Haare auszubürsten. Stattdessen begann es wieder zu schnurren. Ein seltsames Tier. »Bild dir ja nichts darauf ein. Ich hab’s dir schon gesagt. Eine Nacht. Nicht länger.« Ein Jahr später war Marie zu einer wunderschönen Katzendame herangewachsen und schaffte es immer noch ihr Herrchen mit diesen großen Glubschaugen um den Finger zu wickeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)