Silbermond von Fiamma ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1   Wie konnte es nur so weit kommen? Warum hatte er das nicht kommen sehen? Tief holte er Luft und atmete schwer aus. Doch wem machte er hier etwas vor. Er wusste ja genau, warum er es nicht bemerkt hatte. Er hatte sie vernachlässigt. Er war einfach viel zu beschäftigt mit seinem Studium gewesen. Dabei wollte er doch nur alles dafür tun, damit die beiden eine gesicherte Zukunft haben würden. Doch das Wichtigste hatte er dabei aus den Augen verloren. Immer wieder hatte er sie vertröstet. Dabei hatte er sich geschworen, sie niemals mehr alleine zu lassen. Nun war er zwar körperlich bei ihr und dennoch hatte er es geschafft sie alleine zu lassen. Müde klappte er das kleine rote Buch zu und legte es vor sich auf den Sofatisch. Nachdenklich sah er auf den kleinen Häschen Aufkleber und fuhr mit seinem Finger herüber. Eigentlich gehörte es sich nicht darin zu lesen, doch unter diesen Umständen hatte er keine andere Wahl. Seit vier Wochen war sie nun schon verschwunden und bisher gab es keinen Anhaltspunkt, wo sie steckte. Egal, wie oft sie auch die gesamte Stadt nach ihr absuchten. Es gab einfach keine Spur von ihr. Michiru und Haruka weiteten die Suche nun sogar schon in ganz Japan aus. Aber war sie überhaupt noch in Japan? Schmerzlich zog sich sein Herz zusammen, als er daran dachte, wie sie ihn angesehen hatte, bevor sie davon gelaufen war. Diese Enttäuschung in ihren Augen. Er hatte sie ihrer Meinung nach hintergangen, aber er wollte doch nur das Beste für sie. Vorsichtig griff er wieder nach dem kleinen Büchlein und drehte es in seinen Händen hin und her. Es war das Einzige, was ihm von ihr geblieben war. Kurz schüttelte er seinen Kopf, als er daran dachte, wie er es bekommen hatte. Nie wäre er auf die Idee gekommen darin zu lesen, doch ihre Mutter bestand darauf. Sie hoffte, dass es dort drinnen vielleicht einen Anhaltspunkt gäbe, wo sie hin verschwunden wäre. Sie hatte es ihm einfach heimlich in die Hände gedrückt, als er ein weiteres Mal bei den Tsukinos vor der Haustür stand, um nachzuschauen, ob Usagi vielleicht zurückgekehrt wäre. Ihre Mutter machte sich große Sorgen um sie, was kein Wunder war. Ihre Tochter war verschwunden und niemand wusste wohin. Sie selber wollte jedoch nicht darin lesen. „Das gehöre sich nicht für eine Mutter“, hatte sie gesagt. So, wie sie ihn aber dabei angesehen hatte, ahnte sie mit Sicherheit, dass ihre Tochter ein Geheimnis hatte, welches über normale Alltagsprobleme hinausging und sie wohl lieber nicht davon wissen sollte. Seufzend blätterte er nun wieder in ihrem Tagebuch. Es schmerzte ihn, lesen zu müssen, welch Kummer sie die letzten Monate in sich trug. Warum hatte sie nie mit ihm über ihre Albträume gesprochen? Nach außen wirkte sie stets fröhlich, doch wie es schien, war es in Wirklichkeit ganz anders. Warum hatte er das nicht bemerkt? Warum hatte er nicht bemerkt, dass der Kampf gegen Galaxia nicht spurlos an ihr vorbei ging? Er war wirklich ein Idiot. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Hätte er ihr einfach besser zu gehört, sich Zeit für sie genommen. Dann hätte er vielleicht gemerkt, wie sie tief in ihrem Herzen wirklich fühlte. Das etwas anders seit dem letzten Kampf war. In der Hoffnung wenigstens irgendetwas, auch wenn es noch so ein kleiner Hinweis wäre, der ihren Aufenthalt verriet, finden zu können, blätterte er auf die Seite, auf der er zuletzt gelesen hatte. Angespannt las er weiter die Zeilen.   … Schon wieder. Schon wieder dieser Albtraum. Wann hört das endlich auf? Jede Nacht dieser Traum. Warum muss ich jede Nacht auf ein Neues dabei zu sehen, wie meine Freunde sterben müssen? Nun sind schon ein paar Monate vergangen und doch lässt es mich immer noch nicht los. Müsste ich jetzt nicht freudig in die Welt hinaus spazieren und mein Leben genießen? Die Welt ist gerettet, meine Freunde leben und auch Mamo-chan ist wieder bei mir. Ich müsste der glücklichste Mensch auf Erden sein. Aber, warum verspüre ich dann so eine Leere tief in mir? Warum kann ich diesmal nicht einfach weiter leben, wie bisher auch immer? Bei den anderen Kämpfen konnte ich es doch auch. Immerhin geht es meinen Freunden gut. Sie leben ihr Leben und sind glücklich. Das ist gut. Ich freue mich für sie. Aber können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ja, ich werde irgendwann Königin sein. Aber diese Vorbereitungen. Sie übertreiben es einfach. Vorbereitungen, Vorbereitungen. Ich kann das nicht mehr hören. Ich möchte doch eigentlich einfach nur alles vergessen. Den Kampf, meine Zukunft, meine Bestimmung. Aber sie sollen ja stolz auf mich sein können. Ich will sie nicht enttäuschen. Also muss ich da wohl durch und werde für sie die perfekte Königin. Niemand wird je erfahren, wie ich mich wirklich fühle. Sie sollen sich keine Sorgen machen müssen. Wir alle haben schon so viel durchmachen müssen. Andererseits, wie soll ich mal Königin werden, wenn ich doch so schwach bin? Beinahe wäre gegen Galaxia alles verloren gewesen. Ich bin doch viel zu schwach um eine Königin zu sein. Ich bin schwach und zerbrechlich. Ich kann das nicht mehr. Ich kann das alles einfach nicht mehr …     Schwer atmete Mamoru ein und ließ sich nach hinten gegen die Sofalehne fallen. Was für ein Trottel war er, dass er nicht bemerkte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er hätte es doch besser wissen müssen. Aber er war ja viel zu beschäftigt. Er hatte nur noch sein Studium im Kopf. Eilig blätterte er zum nächsten Eintrag. Er musste einfach irgendwas finden. Er musste es einfach schaffen sie zurückzubringen und alles wieder gut machen. Wenn es dafür hoffentlich noch nicht zu spät war. Seufzend rieb er sich mit zwei Fingern über seine Stirn und nahm danach einen Schluck von seinem Kaffee, nur um ihn gleich wieder prustend in seine Tasse zurückzuspucken. Sein Kaffee war mittlerweile eiskalt geworden. Angewidert stellte er die Tasse zurück auf den Tisch und fuhr erschrocken hoch, als die Türklingel schellte. Schnell sah Mamoru auf seine Uhr und sprang dann plötzlich hektisch auf. Fluchend rannte er zur Haustür und drückte auf den Summer. Er hatte total die Zeit vergessen. Und nun stand Shouta schon vor Tür. Eilig lief er in sein Arbeitszimmer, legte das Tagebuch auf seinen Schreibtischstuhl und durchforstete den Papierstapel auf seinem Tisch. Irgendwo hier musste die blöde Mappe doch sein. Seit Usagi verschwunden war, hatte er hier nichts mehr getan. Wahllos warf er seine Unterlagen einfach auf den Schreibtisch, was ihm nun zum Verhängnis wurde. Gerade, als er die blaue Mappe entdeckte, klopfte es auch schon an seiner Haustür. Schnell schnappte er sich den kleinen Ordner und lief damit zur Haustür. Schwungvoll öffnete Mamoru die Tür und hielt auch schon die Mappe in die Höhe. „Hey Mamoru.“ „Hallo Shouta. Hier“, drückte er seinem Kommilitonen die Mappe in die Hand, „Bring sie mir einfach in die Uni mit.“ Dankend steckte Shouta sie in seine Tasche und wunderte sich abermals über Mamoru. Seit ein paar Wochen hatte er sich verändert. Er war zerstreut und unkonzentriert. So kannte man ihn gar nicht. Mamoru war stets einer der Besten und bestens vorbereitet. Doch seit Kurzem wirkte er so geistesabwesend. So als wäre er mit seinen Gedanken ganz wo anders. Ja, er kam sogar des Öfteren zu spät zur Vorlesung. Total untypisch für ihn. Irgendwas musste passiert sein, dass ihn so aus der Bahn warf. Sollte er ihn vielleicht mal fragen, ob alles in Ordnung war? Sie waren zwar nur Kommilitonen, aber er mochte ihn. Verwundert, warum Shouta einfach nur da stand und ihn anstarrte, hob Mamoru fragend seine Augenbraue in die Höhe. „Ist noch was?“ Ertappt räusperte sich Shouta und kratze sich verlegen an seinem Kopf. „Es geht mich zwar nichts an, aber … ähm … Ist bei dir alles Okay?“ Schnell winkte Mamoru ab und schüttelte seinen Kopf. Ja, es ging ihn wirklich nichts an. Und selbst wenn er es ihm erzählen würde, würde er es doch nicht verstehen. Er würde ihn vermutlich noch für verrückt halten. Er konnte ihm ja schlecht erzählen, dass er der Erdenprinz sei, dass seine Verlobte, die Mondprinzessin, mit der er in der Zukunft über die Erde herrschen würde, der Druck offenbar zu viel wurde, ein Trauma vom letzten Kampf zurückbehielt, ein seltsames Geschenk erhielt und niemand wusste, was es damit auf sich hatte und zu allem Übel auch noch verschwunden war. Allein, wenn er daran dachte, wurde ihm ganz schwindelig dabei. Wie sollte also ein normal Sterblicher das verstehen. „Äh Mamoru?“, wedelte Shouta vor ihm herum und holte ihn damit aus seiner Gedankenwelt zurück. „Alles in Ordnung. Wir sehen uns dann in der Uni“, schloss Mamoru schnell die Tür, bevor Shouta nachher noch irgendwelche Fragen stellen konnte. Kurz lugte er noch mal durch den Türspion und sah, wie sein Kommilitone in Richtung Aufzug verschwand. Den war er zum Glück los. Erleichtert ging Mamoru zurück in sein Arbeitszimmer und tippte sich nachdenklich gegen sein Kinn. Er sollte mal bei Rei anrufen. Vielleicht hatten die anderen schon irgendwas über diese seltsame Kette herausgefunden.     „Verstehe. Wir müssen dringend herausfinden, was es mit dieser seltsamen Kette auf sich hat“, murmelte Mamoru mehr zu sich selber, als dass er es ins Telefon sprach. „Ami und Makoto versuchen auch schon diesen ominösen Typ, von dem sie diese Kette bekommen hat, ausfindig zu machen. Mach dir keine Sorgen, wir werden Usagi schon finden.“ „Sie ist seit vier Wochen verschwunden Rei. Langsam glaube ich …“ „Hör auf. Sag so etwas nicht. Sie wird zu uns zurückkommen!“, wurde Rei nun etwas lauter am anderen Ende der Leitung. „„So, wie sie sich gefühlt hat. Wir waren alle so ... ", schluckte Mamoru schwer. Es machte ihm immer mehr zu schaffen, aus ihrem Tagebuch zu erfahren, wie sie sich die letzten Wochen fühlte, und machte sich selber die größten Vorwürfe, es nicht gemerkt zu haben. „Alles in Ordnung?“, wurde Rei nun hellhörig bei seinen Worten. „Wusstest … wusstet ihr eigentlich, wie sie sich seit dem Kampf gegen Galaxia fühlt?“ „Wie meinst du das? Ihr ging es doch gut?“, war Rei nun sichtlich verwundert. „Ach schon gut … Rei sei mir nicht böse, aber ich muss nun auflegen. Ich muss noch etwas erledigen.“ „Okay. Wir treffen uns übrigens morgen alle im Tempel. Falls du auch dabei sein möchtest …Ich melde mich sonst sofort, wenn es Neuigkeiten gibt“, verabschiedete sich Rei und legte auf. Mamoru drückte auf das rote Hörersymbol auf seinem Telefon und stellte es nachdenklich zurück in die Ladestation. Die anderen hatten es wohl genau so wenig, wie er bemerkt. Waren sie alle so blind, oder konnte Usagi so gut schauspielern? Kurz fasste sich Mamoru an seine Brust und schwankte etwas zur Seite, sodass er sich schnell an dem kleinen Flur Schränkchen festhalten musste. Schon wieder dieses Schwindelgefühl. Schon seit einigen Tagen hatte er immer wieder diese kleinen Anfälle und fühlte sich matt. Allem Anschein nach hatte er sich zu allem Übel auch noch eine Erkältung zugezogen. Er sollte am Besten versuchen ein wenig zu schlafen. Davon bekam er eindeutig zu wenig in letzter Zeit. Langsam schlurfte er durch den Flur in sein Arbeitszimmer, schnappte sich das Tagebuch und ging danach ins Schlafzimmer. Schnell zog er seine Hose aus und schwang sich in sein Bett. Eilig wickelte er sich in seine Bettdecke, da ihm auf einmal eiskalt wurde und er am ganzen Körper zitterte. „Toll muss ich jetzt krank werden?“, stöhnte er und griff nach dem Tagebuch. Er musste dennoch weiter kommen und durfte keine Zeit verlieren. Bevor er sich ein kleines Nickerchen gönnen konnte, musste er noch etwas weiter lesen. Geschwind war die entsprechende Seite aufgeblättert und Mamoru begann wieder zu lesen.     … Rei war wieder so gemein. Aber von ihr bin ich ja nichts anderes gewöhnt. Doch auch die anderen lassen mich nicht in Ruhe. Sie wollen die perfekte Frau, nein die perfekte Königin aus mir machen. Sie meinen es ja nur gut, aber ich will das alles nicht mehr. Ich will keine Vorbereitungen mehr, keine Vorträge mehr. Ich möchte doch einfach nur meine Ruhe. Und zu allem Übel gibt Mamo-chan ihnen auch noch recht. Naja gut er meinte, es könnte ja nicht schaden, aber dennoch. Kann er nicht auf meiner Seite sein? Nach dem schlimmen Streit, den wir deshalb hatten, spreche ich ihn aber lieber nicht wieder darauf an. Die wenige Zeit, die wir haben, sollten wir nicht streiten. Ich bin nun mal nicht die hellste Kerze auf der Torte. Aber das wissen doch alle. Und dennoch bin ich ja irgendwann Königin geworden. Musste mein Zukunfts-Ich vielleicht auch dadurch? Morgen schleppen sie mich sogar in ein Museum. Warum habe ich mich da nur zu überreden lassen. Aber Ami meint, eine zukünftige Königin sollte auch über die Vergangenheit bescheid wissen. Und natürlich geben sie ihr alle recht. Wie soll ich bloß den Tag überstehen. Ich habe einfach keinen Kopf für so etwas. Ich will doch einfach nur wieder normal leben. Bei alltäglichen Dingen, die mir früher Freude gebracht haben, wieder Spaß dran haben. Nichts macht mir mehr Spaß. Mein einziger Lichtblick für Morgen, mich danach mit Mamo-chan zu treffen. Ob er morgen Zeit für mich hat? Die letzte Zeit bekommt er ja nicht mal mit, wenn ich ohne etwas zu sagen gehe, nachdem ich den ganzen Tag wartend auf seinem Sofa gesessen habe. Ich weiß ja, dass er viel lernen muss und ich verstehe das ja auch. Aber manchmal wünsche ich mir einfach, dass er mehr Zeit für mich hat. Wir waren doch so lange voneinander getrennt …   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)