Das Herz des Dämonenfürsten von Tamanna (Normale Version) ================================================================================ Kapitel 3: Das einsame Herz --------------------------- Mit leuchtenden Augen sah die Prinzessin aus dem Fenster der Kutsche. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie das weite blaue Meer. Wahrlich ein herrlicher Anblick. So wundervoll blau und die Sonne ließ die Oberfläche glitzern. „Wunderschön…“, flüsterte sie andächtig. „Allerdings. Ich werde es nie leid, mir das anzusehen“, murmelte der Dämonenfürst, der ihr gegenübersaß. Überrascht sah die Prinzessin zu ihm herüber. Seine Stimme klang so sanft und sein Blick war völlig verträumt. Welch eine ungewohnt gefühlvolle Seite an diesem Mann. Die Prinzessin lächelte. Jeden Tag eine neue Überraschung. Der Fürst fasste die Fröhlichkeit der jungen Frau eher missbilligend auf. „Was grinst du denn so? Pass bloß auf, dass deine gute Laune nicht flöten geht, wenn wir auf dem Basar sind.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass es einen Basar für Magiezutaten gibt“, zeigte sich die Prinzessin immer noch erstaunt. „Das liegt daran, dass ihr Menschen auf ihm nichts zu suchen habt. Außer als Handelsware. Menschen sind in diesem Teil der Welt eine Seltenheit. Bei der erstbesten Gelegenheit werden sie versuchen, die mitzunehmen, um dich für viel Geld zu verkaufen. Du solltest daher immer in meiner Nähe bleiben und keinesfalls allein herumstromern, verstanden?“ Die Prinzessin nickte. „Wird der Magier auch dort sein?“ „Warum fragst du? Hast du dich in ihn verguckt?“, fragte der Fürst höhnisch grinsend. Erbost blies die Prinzessin die Backen auf. „Was redet Ihr denn da?! Natürlich nicht!“ „Solltest du auch nicht.“ „Ihr meint, weil er mich auch verkaufen würde?“ Jetzt war der Fürst doch überrascht. „Oh? Fängt unsere leichtgläubige Hoheit etwa an, den Leuten zu misstrauen?“ Geschockt schlug die junge Frau eine Hand vor den Mund. „Stimmt! Das darf ich nicht!“ „Doch. Man muss den Leuten misstrauen“, widersprach der Fürst ernst. Auf den fragenden Blick seines Gegenübers hin fuhr er fort. „Viele verstehen das falsch. Misstrauen ist im Grunde nichts anderes als ein Akt, jemanden kennen zu lernen. Vertrauen ist zweifelsohne eine edle Geisteshaltung, aber viele reden von Vertrauen und meinen damit Handlungen, die in Wahrheit nichts anderes sind als der Verzicht, andere richtig kennen zu lernen. Das ist aber kein Vertrauen, sondern Gleichgültigkeit. Und den meisten Menschen ist gar nicht bewusst, dass Gleichgültigkeit eine viel verwerflichere Haltung ist als Misstrauen. Ich habe in meinem Leben schon so manch üble Menschen getroffen. Aber die allerübelsten waren die, die andere Menschen betrogen haben in der Überzeugung, sie täten etwas Gutes. Solche Menschen haben keinerlei Bewusstsein dafür, dass sie andere betrügen und zwar weil sie sich davor drücken sich vorzustellen, wie sehr andere ihretwegen leiden. Das ist die vollkommene Ignoranz. Die ultimative Gleichgültigkeit. Misstrauen ist nichts Böses. Wirklich böse ist anderen Menschen gegenüber gleichgültig zu werden.“ Betroffen sank die Prinzessin ihren Blick. Die Worte des Fürsten trafen sie schwer, denn sie beschrieben sie selbst, wie sie bisher war. Sie hatte immer in der festen Überzeugung gelebt, anderen zu vertrauen sei gut und ihnen zu misstrauen wäre böse. Doch wie viele Menschen, die sie für ihre Freunde oder Verbündete hielt, hatte sie deswegen nie richtig kennen gelernt? Ihre Dienerin zum Beispiel… Oberflächlich betrachtet hatte es zwar so gewirkt, als wären sie sehr miteinander vertraut, wenn sie sich unterhalten haben. Doch vielleicht hatte sie sich, ohne es zu merken, immer davor gedrückt, bis ins Innerste ihres Herzens vorzudringen. Und deshalb hatte sie auch nie bemerkt, welche Seelenqualen dieses junge Mädchen litt. „Ich…“, begann sie zögerlich, doch der Fürst unterbrach sie. „Misstraue den Leuten!“, forderte er eindringlich. „Hinterfrage sie, nimm dir Zeit sie besser kennen zu lernen und wirf einen langen, ruhigen Blick in ihr Herz. Denn eines darfst du nie vergessen: die wirklich schlimmen Dinge geben die Menschen niemals mit Worten preis!“   Die Kutsche hielt schließlich vor dem Magiebasar. Der Fürst wollte sich nach neuen magischen Utensilien umsehen und befahl der Prinzessin, immer bei ihm zu bleiben. Dicht hinter dem Mann herlaufend, sah sich die Prinzessin fasziniert auf dem Platz um. Auf den ersten Blick wirkte es, wie ein ganz gewöhnlicher Basar. Was ihn so besonders machte, waren nicht nur die spezielle Auslegware, sondern auch die Besucher. Feen, Elfen, Zwerge, Frösche in Kindergröße, Schweine in Kleidung und mit langen Bärten, und allerhand andere seltsame Gestalten. Die einzigen menschenähnlichen Besucher waren Magier und Hexen. Die Prinzessin war weit und breit der einzige gewöhnliche Mensch – und wurde deswegen auch von allen anderen angestarrt, wie ein Fremdkörper. Ängstlich griff die junge Frau nach dem Ärmel des Fürsten. „Vielleicht war das doch keine so gute Idee…“ „Glaubst du? Keine Angst. Bleib einfach immer schön bei mir, dann passiert dir nichts. Ich bin hier äußerst bekannt und gefürchtet. Solange ich da bin, wird es keiner wagen, Hand an dich zu legen.“ Die anderen Besucher ignorierend, steuerte der Dunkelhaarige einen Stand an. Eine auffallend hübsche Elfe begrüßte ihn mit einem Lächeln. „Na, mein Hübscher? Es ist lange her, dass du hier aufgetaucht bist.“ Dann fiel ihr Blick auf die Prinzessin hinter ihm und sie rümpfte beleidigt die Nase. „Und wer ist das? Etwa deine neue Freundin?“ „Ach was, ignorier sie einfach. Das ist bloß meine Dienstmagd“, wimmelte der Fürst ab, dann schenkte er der Elfe sein charmantestes Lächeln. „Oder glaubst du etwa, ich würde mir die Gelegenheit entgehen lassen, unsere heiße Nacht vom letzten Mal zu wiederholen?“ Die Elfe lachte anzüglich. „Oh ja~ Das war schon was. Ich konnte erst zwei Tage später das Bett verlassen, weil ich dann erst die Fesseln aufbekommen hab. Hast du eigentlich etwas von den anderen zwei Mädels gehört?“ „Nein… Aber das macht ja nichts. Hier lassen sich doch bestimmt zwei Ladys auftreiben, die Lust auf ein bisschen Spaß haben.“ Der Fürst zwinkerte vielsagend. Die Elfe beugte sich so zu ihm vor, dass er einen sehr guten Ausblick auf ihren Ausschnitt hatte. „Ich könnte gleich mal Pause machen.“ Die Prinzessin lauschte dieser Unterhaltung mit wachsendem Abscheu. Was war dieser Fürst doch für ein widerlicher Aufreißer. Und ausgerechnet er nannte den Magier einen schlechten Umgang für Frauen. Angewidert wandte sich die Prinzessin von den beiden ab und sah sich auf dem Basar um. Dabei fiel ihr auf, dass eine kleine Froschgestalt sie anstarrte. Als ihre Blicke sich trafen, erschrak die Gestalt und lief davon. Dabei ließ es ein kleines Täschchen fallen. Sofort eilte die Prinzessin zur Tasche und hob sie auf. „Warte, du hast etwas verloren!“ rief sie ihm nach, doch der Frosch war zu weit entfernt. Unschlüssig, was sie jetzt tun sollte, sah sie sich nach dem Fürsten um, doch der war immer noch im Gespräch mit der Elfe. Schließlich beschloss die junge Frau, dem Frosch nachzulaufen. Es würde schon nichts passieren. Der Frosch sah nicht böse aus und die anderen Besucher achteten nicht auf sie. Es dauerte gewiss nicht lange. Schnell folgte die Prinzessin dem Frosch hinter die Stände. Etwas abseits vom Basar holte sie das seltsame Geschöpf ein. Freundlich hielt sie ihm die Tasche entgegen. „Hier, das hast du verloren.“ Der Frosch nahm die Tasche entgegen. „Vielen Dank. Das ging ja leichter, als ich dachte.“ Die junge Frau legte fragend den Kopf schief. „Hm? Was meinst du?“ „Mein Captain hat mich damit beauftragt, dich wegzulocken, damit sie dich gefangen nehmen kann. Ich hab allerdings mit etwas mehr Schwierigkeiten gerechnet. War wohl ein Irrtum.“ Erschrocken trat die Prinzessin einige Schritte zurück, sah sich aber bereits von einer ganzen Horde Piraten umzingelt. In ihrer Mitte stand ein kleines Mädchen in roten Gewändern und einem großen roten Piratenhut auf ihrem Blondschopf. „Ergib dich, du menschliche Sklavin des Dämonenfürsten!“, posaunte sie im theatralischen Tonfall und grinste triumphierend. „Ähm… du bist der Captain?“, fragte die Prinzessin ungläubig. „Du bist doch ein kleines Mädchen!“ „Pass auf, was du sagst!“, fauchte der Frosch. „Unser Captain mag noch jung sein, aber sie ist jetzt schon auf den Meeren gefürchtet!“ „Sie ist dennoch zu jung, um Menschen zu fangen und zu verkaufen.“ „Ich habe nicht vor, dich zu verkaufen“, korrigierte die kleine Piratin. „Ich habe vor, dich als Druckmittel zu verwenden. Der Dämonenfürst besitzt einen besonderen Zauberstab, dem ihm einst eine Fee geschenkt hatte. Den will ich haben! Leider ist es mir nicht möglich, in sein Schloss einzudringen, daher sehe ich mich gezwungen, auf das gute, altbewerte Mittel der Erpressung zurückgreifen. Dein Leben im Austausch für den Zauberstab.“ „Wie kommst du darauf, dass er sich auf solch einen Handel einlässt?“ „Weil du ihm zweifellos wichtig bist. Der Dämonenfürst hasst Menschen – und dennoch bist du schon seit einiger Zeit in seiner Gesellschaft. Er nimmt dich sogar auf diesen Basar mit.“ Die Prinzessin erwiderte nichts. Ihr war mittlerweile selbst klar, dass sie für den Fürsten kein Mensch wie jeder andere war. Aber ob er wirklich einen wertvollen Gegenstand für sie eintauschen würde? „Frosch, überbringe dem Fürst die Nachricht. Und ihr Leichtmatrosen geleitet unsere Lady in ihre Suite. Wir wollen doch, dass sie es bequem hat, solange sie unser Gast ist.“ Widerstandslos ließ sich die Prinzessin auf das Schiff bringen. Sie war sich sicher, dass der Fürst niemals auf diesen Handel eingehen würde.   Derweil hatte der Fürst das Verschwinden der Prinzessin inzwischen bemerkt und suchte den Basar nach ihr ab. Mit jeder Minute, in der seine Suche erfolglos blieb, wuchs seine schlechte Laune. Wenn er diese dumme Gans in die Finger kriegen würde, würde sie es bitter bereuen, dass sie nicht auf ihn gehört hatte. Vielleicht sollte er sie einfach ihrem Schicksal überlassen? Plötzlich stolperte eine kleine grünliche Gestalt vor seine Füße. Der Fürst hob fragend eine Augenbraue. „Was sollst du denn darstellen?“ Frosch begann stark zu schwitzen. Dieser Mann jagte ihm eine gewaltige Angst ein. Was er wohl mit ihm machen würde, wenn er ihm die Nachricht seines Captains überbrachte? Plötzlich fühlte er sich gar nicht mehr so mutig. Ungeduldig wartete der Fürst auf eine Antwort des kleinen grünen Wesens. Als die nicht kam, rollte er genervt mit den Augen und schickte sich an, zu gehen. „W-Warte!“, stammelte Frosch, dann nahm er all seinen Mut zusammen, rief laut: „Wenn du die Menschenfrau zurückhaben willst, komm zum Hafen, wo das Schiff der kleinen Piratin an Land liegt, und bring den Zauberstab der weißen Fee mit!“ und rannte dann so schnell weg, wie seine kurzen Beinchen es ihm erlaubten. Der erste Gedanke des Fürsten war der, diesen kleinen Gnom in seine Einzelteile zu zerlegen. Doch dann entschied er, dass er die Mühe nicht wert war. Er seufzte schwer. Jetzt hatte er den Salat! Als ob er der dummen Gans nicht eingetrichtert hätte, sie solle sich nicht von ihm entfernen! Nun war ihr Schicksal besiegelt. Er kannte die kleine Piratin zwar nur flüchtig, aber er schätzte sie nicht als sonderlich gefährlich ein. Der Gans dürfte also keinerlei Gefahr drohen. Niemals würde er sich erpressen lassen und Etwas so Wertvolles wie den Zauberstab der weißen Fee für einen Menschen eintauschen. Was kümmerte ihn denn schon das Schicksal dieser naiven, vertrauensseligen Göre? Der Dämonenfürst wollte sich schon zu seiner Kutsche zurückbegeben, hielt nach ein paar Schritte jedoch inne. Ihm fiel der Anblick der Prinzessin ein, als er ihr zum ersten Mal begegnet war. Wie sie ihm alles über ihre Vergangenheit erzählt hatte. Wie er sie blutend im Wald fand. Wie sie gestrahlt hatte, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben das weite, blaue Meer sah. Wütend biss sich der Fürst auf die Unterlippe, bis sie zu bluten anfing. Dann drehte er sich um und rannte zum Hafen. Dafür würden sie büßen!   Das Schiff der kleinen Piratin war leicht zu finden. Es war das größte und pompöseste Schiff, das im Hafen angelegt hatte. Nun, wenn er erst mit ihr fertig war, würde es nur noch ein Haufen Treibholz sein. Als er sich dem Schiff näherte, wurde er sofort von den Wachen bemerkt. „Hast du den Stab mitgebracht?“, bellte eine der Wachen. Der Fürst würdigte ihm keines Blickes. Langsam stieg er die Rampe zum Schiff hoch. „Hey! Keinen Schritt weiter! Zeig uns erst den Zauberstab!“, schrie eine andere Wache und drohte ihm mit dem Krummsäbel. Zu seinem Pech war der Fürst nicht sonderlich empfänglich für ein solch respektloses Verhalten. Mit seiner linken Dämonenhand erzeugte er einen blauen Blitz und schleuderte ihn auf die Wachen. Eine gewaltige Explosion schleuderte den Großteil der Piraten von Bord ins Wasser. Ungerührt von den vielen Verletzten setzte der Fürst seinen Weg unter Deck fort. Seine Fähigkeit, die Aura eines Menschen wahrnehmen zu können, half ihm wie damals im Wald dabei, die Prinzessin aufzuspüren. Die junge Frau saß angekettet an der Wand der Captainskajüte. Den Fürsten zu sehen, versetzte sie sichtlich in Erstaunen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass er tatsächlich kommen würde, um sie zu retten. Sofort eilte die kleine Piratin zu der Prinzessin und hielt ihr ihren Krummsäbel unter das Kinn. „Keinen Schritt weiter! Wenn du auch nur einen Muskel bewegst, bring ich sie um!“ Ihre Stimme klang ruhig und gefasst, doch die Prinzessin konnte sehen, wie ihre Hand zitterte. Entweder war sie wirklich überzeugt gewesen, dass der Fürst auf ihren Handel eingehen würde oder sie war es nicht gewöhnt, das Leben anderer zu bedrohen. Wie auch immer, die Situation drohte zu eskalieren. Mit ausdruckslosem Gesicht starrte der Fürst auf die kleine Piratin, dann erzeugte er mit der linken Hand einen Energieball. „Das wage ich zu bezweifeln“, sagte er leise im bedrohlichen Tonfall. „Ich werde dir sagen, was wir jetzt tun. Du lässt das Mädchen laufen und dafür verschone ich dein kümmerliches Leben. Ich gebe dir nur diese eine Chance. Sei ein braves Kind oder ich schicke dich mitsamt deiner Crew und deinem Schiff zu den Thunfischen auf den Meeresgrund.“ Plötzlich riss jemand die Tür auf und ein älterer Mann stürmte in den Raum. Er warf sich schützend vor die kleine Piratin auf den Boden. „Ich flehe Euch an, bitte tut das nicht! Sie hat es nicht böse gemeint! Sie ist ein gutes Kind!“ „Vater, was machst du hier?! Du sollst doch nicht aufstehen!“, schrie die kleine Piratin den Mann an. Der Fürst wurde hellhörig. „Das ist dein Vater?“ Mit seinen dunklen Augen betrachtete er den Mann etwas genauer. „Er ist schwer krank“, stellte er dann fest. Etwas überrascht nickte die kleine Piratin. „Mein Vater liegt im Sterben. Ich habe viele Hafen angesteuert auf der Suche nach einem Heilmittel, doch meine Suche blieb erfolglos. Irgendwann hörte ich von dem Stab der weißen Fee und das er die Macht besäße, jeden Wunsch zu erfüllen, den man an ihn richtet. Gerüchte besagten, dass der Dämonenfürst ihn hätte.“ „Hab ich“, antwortete der Fürst kurz angebunden. „Dann wolltest du den Stab also nur bekommen, um deinen Vater zu retten? Und hast mich dafür sogar entführt?“ Die Prinzessin hatte plötzlich großes Mitleid mit der kleinen Piratin. Sie wandte sich an den Fürsten und wollte ihn darum bitten, ihr den Stab wenigstens zu leihen – doch zu ihrer großen Überraschung ließ dieser den Energieball wieder verschwinden und zauberte stattdessen einen dünnen, hellleuchtenden Stab hervor. Diesen warf er der kleinen Piratin zu, die ihn verdutzt auffing. „Geh sorgsam mit ihm um“, sagte der Fürst. „Seine Magie ist begrenzt. Er kann nur noch zwei Wünsche erfüllen.“ Die kleine Piratin überlegte kurz, dann löste sie die Ketten der Prinzessin und verbeugte sich vor dem Fürsten. „Vielen Dank! Eines Tages werde ich das wiedergutmachen!“, rief sie unter Tränen. Der Fürst zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und verließ dann den Raum. Die Prinzessin verabschiedete sich noch von der kleinen Piratin und ihrem Vater und folgte ihm dann schnellen Schrittes.   Die Beiden schwiegen sich an, während sie das Schiff verließen und über den Basar zur Kutsche zurückkehrten. Auch während der Fahrt schwiegen sie sich weiter an. Im Schloss angekommen wagte die Prinzessin es endlich, das Wort zu ergreifen. „Es war sehr nobel von Euch, dem Mädchen Euren wertvollen Stab zu überlassen.“ Der Fürst schwieg jedoch und würdigte sie keines Blickes. Die Prinzessin ließ das Gefühl nicht los, dass er verärgert war. „Es tut mir sehr leid, dass ich auf Eure Warnung nicht gehört habe“, entschuldigte sie sich kleinlaut. Ihr Gegenüber schwieg weiterhin eisern. Die junge Frau ließ sich jedoch nicht beirren und startete einen erneuten Gesprächsversuch: „Habt Ihr alles bekommen, was Ihr gesucht habt?“ Als sie auch darauf keine Antwort bekam, verließ sie endgültig der Mut. „Bitte verzeiht. Ich gehe zurück in mein… Zimmer.“ „Diesen Stab hat mir die weiße Fee vor langer Zeit geschenkt“, begann der Fürst plötzlich zu erzählen. „Sie war eine Vertraute meiner Mutter, die beiden kannten sich wohl schon seit Kindertagen. Meine Mutter war übrigens ein Mensch, gütig und vertrauensselig. Das wurde ihr eines Tages zum Verhängnis. Sie wurde von Leuten getötet, denen sie bedingungslos vertraut hatte – für so etwas Wertloses wie Geld. Nach ihrem Tod war ich ganz allein. Mein Vater war schon vor langer Zeit gestorben. Er kämpfte damals als Soldat im Ogerkrieg. Weil mein Vater für dieses Reich gekämpft hatte, wurde meine Mutter trotz unserer ärmlichen Verhältnisse neben ihm auf dem Soldatenfriedhof begraben. Das wäre eine Ehre für sie und mich, hat man mir gesagt. So ein Unsinn! … Nach dem Begräbnis erschien die weiße Fee, schenkte mir den Stab und bot mir an, dass ich mit ihr kommen und bei ihr leben könne. Ich lehnte ab. Mein einziger Wunsch war es, so stark zu sein, dass ich niemals so ein jämmerliches Ende finden würde. Also nutzte ich die Macht des Stabes und verwandelte mich in einen Dämon.“ „Dann… ward Ihr einst ein Mann. Ein ganz normaler Mann“, stellte die Prinzessin fest. Der Fürst nickte. „Ja, aber jetzt bin ich nur noch das Monster, das du vor dir siehst.“ Die Prinzessin trat vor den Fürsten und lächelte sanft. „Das ist nicht wahr. Ihr seid kein Monster! Ihr möchtet nur gern, dass das jeder glaubt. Heute habt Ihr bewiesen, dass Ihr nicht so grausam seid, wie man es sich erzählt. Das gefällt mir!“ Ohne zu zögern, schlang die Prinzessin ihre Arme um den Fürsten. Der ließ die unverhoffte Berührung verdutzt über sich ergehen. Nach einer Weile löste sie sich wieder von ihm und fragte freundlich: „Soll ich Euch noch etwas zu essen kochen?“ Jetzt musste der Fürst schmunzeln. Zugegeben, mittlerweile hatte die Prinzessin einiges an Übung, was das Kochen betraf und sie stellte sich gar nicht mal so dumm dabei an. „Ich will dir erst noch etwas zeigen“, sagte er. Er führte die Prinzessin in ein Turmzimmer. Begeistert stellte die junge Frau fest, dass es die Bibliothek des Schlosses war. Dort befanden sich mehr Bücher, als sie in ihrem Leben je lesen könnte. „Freu dich nicht zu früh“, ermahnte der Fürst sie. „Das hier ist nur ein weiterer Raum, den du zu putzen hast. Aber es steht dir frei, in diesen Büchern zu lesen. Ich lese sowieso nie, ich sammle sie nur. Hier sind seltene Bücher, die es nur einmal auf der Welt gibt.“ Wieder wollte die Prinzessin ihn umarmen, doch dieses Mal wehrte der Fürst sie ab. „Jetzt geh in die Küche und koch mein Abendessen!“, befahl er gewohnt barsch. Die Prinzessin wusste jedoch, dass er längst nicht so böse war, wie er wirkte. Sie nickte eifrig und machte sich sogleich ans Werk.   In den folgenden Tagen verlief das Zusammenleben der beiden äußerst harmonisch. Es schien sogar eine gewisse Anziehung zwischen ihnen zu bestehen. Doch was würde geschehen, wenn die Prinzessin die Möglichkeit hätte, in ihr altes Leben zurückkehren zu können? Oder ein völlig neues Leben in Freiheit zu führen? Würde sie die Chance nutzen und ihn verlassen? Diese Fragen quälten ihn von Tag zu Tag mehr. Es gab nur eine Möglichkeit, eine Antwort zu bekommen. Die Prinzessin räumte nach dem gemeinsamen Mittagsmahl das Geschirr vom Tisch, während der Fürst sie dabei beobachtete. Nachdem sie alles in die Küche gebracht hatte, winkte er sie zu sich heran. „Ich habe einen Auftrag für dich. Einer der Ausgänge des verwunschenen Waldes führt zu einem entlegenen kleinen Dorf. Ich will, dass du dort hingehst und mir die Dinge auf dieser Liste besorgst.“ Verwirrt nahm die Prinzessin die Liste entgegen. „Ihr lasst mich alleine rausgehen? Das verstehe ich nicht. Glaubt Ihr wirklich, dass ich wiederkomme?“ Der Fürst lächelte. „Nein. Ich rechne damit, dich nie wiederzusehen.“   Wenig später ging die Prinzessin mit einem Korb voller Waren durch den verzauberten Wald. Dank des magischen Armreifs, den der Fürst ihr gegeben hatte, war es ein leichtes, durch das Labyrinth des Waldes zu gelangen und das Dorf zu finden. Es war ein hübscher kleiner Ort, an dem man glücklich leben könnte. An dem sie glücklich leben könnte. Nachdenklich trat die Prinzessin den Rückweg zum Schloss an. Ihre Schritte waren sehr langsam, da sie nicht wusste, wohin ihre Füße sie tragen sollten. Plötzlich vernahm sie das Getrappel von Pferdehufen hinter sich. Überrascht, dass jemand den Wald passierte, drehte sie sich um und sah tatsächlich eine Kutsche auf sich zusteuern. Rasch trat sie beiseite, damit die Kutsche sie passieren konnte. Die Kutsche hielt jedoch neben ihr und eine hübsche Frau in einem schwarzen Mantel öffnete die Tür. „Hat meine Kutsche deinen Mantel beschmutzt?“, fragte sie freundlich lächelnd. Die Prinzessin schüttelte den Kopf. „Nein, mir ist nichts geschehen. Bitte entschuldigt mich, ich muss weiter.“ Sie wusste nicht genau, warum, aber die Anwesenheit dieser Frau beunruhigte sie. Sie verspürte den Wunsch, sie schnell hinter sich zu lassen. Die Frau stieg jedoch aus der Kutsche aus. „Ich bin es leid, zu fahren. Ich gehe ein Stück mit dir.“ Widerwillig lief die Prinzessin gemeinsam mit der Frau weiter. Die Frau musterte ihre Begleiterin ein wenig. „Du hast nicht viel bei dir. Bist du auf der Flucht vor jemandem?“, spekulierte sie. „Vielleicht vor deinem Arbeitgeber? Oder deinem Liebhaber?“ Eingehend studierte sie die Augen der Prinzessin und verstand. „Ah! Deinem Arbeitgeber UND Liebhaber.“ „Ich weiß nicht genau, was ich für ihn empfinde“, erwiderte die Prinzessin zögerlich. „Oder was er für mich empfindet. Aber das spielt auch keinerlei Rolle. Wir werden nie glücklich zusammenleben können. Eine böse Macht hat von ihm Besitz ergriffen.“ „Du meinst so etwas wie ein Fluch? Jeden Fluch kann man brechen. Mit einem Kuss wahrer Liebe kannst du ihn erlösen. Oh, aber versteh mich nicht falsch. Ich würde dir nie raten, einen Mann zu küssen, der dich nicht liebt. Ein Mann, der dich liebt, würde dich nicht einsperren. Er würde dir die Freiheit schenken, selbst zu entscheiden, wohin du gehen willst.“ Die Prinzessin stoppte. „Er… er schenkte mir aber die Freiheit, selbst zu entscheiden!“, ereiferte sie sich. „Und er wird wirklich wieder ein normaler Mann, wenn ich ihn küsse?“ Die Frau lächelte freundlich. „Aber gewiss doch.“ Die Prinzessin bedankte sich, verabschiedete sich von der Frau und eilte zurück zum Schloss. Der Dämonenfürst erwartete ihre Rückkehr bereits sehnsüchtig. Als er sie vom Turmfenster aus das Tor passieren sah, lächelte er erleichtert und rannte schnell hinunter in sein Arbeitszimmer. Dort setzte er sich in seinen Sessel und versuchte, teilnahmslos zu wirken. Die Prinzessin gesellte sich kurz darauf zu ihm und stellte den Korb neben ihn auf den Tisch. Der Fürst tat so, als würde er sie erst jetzt bemerken. „Du bist zurück. Sehr schön.“ „Gebt es ruhig zu. Ihr freut Euch, mich zu sehen“, schmunzelte die Prinzessin. „Ich bin nicht unerfreut. Aber beantworte mir eine Frage. Warum bist du zurückgekommen?“ Die Prinzessin setzte sich vorsichtig auf die Armlehne des Sessels. „Erst wollte ich eigentlich nicht. Das Dorf war ein wirklich schöner Ort und ich habe mit dem Gedanken gespielt, dort zu leben. Andererseits… wollte ich nicht weg von Euch.“ Die Beiden sahen sich lange in die Augen, dann nahm die Prinzessin all ihren Mut zusammen und beugte sich vor, um den Fürsten zu küssen. Der wich jedoch verlegen zurück. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, flüsterte er. Rasch nahm die Prinzessin sein Gesicht in die Hände. „Doch! Bitte, lass es mich versuchen! Der Kuss wird dich von deiner Dämonengestalt befreien!“ „Was?“ Der Fürst sprang auf und schuf Abstand zu ihr. „Wer hat dir das gesagt?!“ Irritiert, warum ihm das wichtig war, antwortete die Prinzessin zögerlich: „Ich weiß nicht. Eine Frau, die aus einer Kutsche stieg. Ich kenne sie nicht.“ „Ach wirklich nicht?“, erwiderte der Fürst zornig. „Lüg mich nicht an! Ich habe dich durchschaut! Du und deine Freundin, die Hexe, wollt mich reinlegen und mir meine Macht stehlen! Sie glaubt doch nicht wirklich, dass sie mich so besiegen kann?! Da irrt sie aber gewaltig! Ich lasse mich nicht überlisten!“ „Ich verstehe nicht, was du meinst“, wimmerte die Prinzessin. „Ich wollte dich doch nur von deiner Bürde erlösen, damit wir zusammen sein können! Warum glaubst du mir nicht?!“ „Weil niemand mich lieben kann!!“ Wütend packte der Fürst die Prinzessin am Arm und schleifte sie zum Schlosstor, warf sie hinaus. „Verschwinde! Ich will dich hier nie wieder sehen! Dein Plan wird nicht funktionieren!“ „Du bist ein Feigling!“, schrie die Prinzessin enttäuscht. „Du hättest glücklich werden können! Wenn du nur glauben würdest, dass dich wirklich jemand lieben kann!“ „Ich bin kein Feigling. Die Sache ist viel einfacher. Meine Macht ist mir wichtiger, als du.“ „Nein. Das ist eben nicht so“, widersprach die Prinzessin, dann verhärtete sich ihr Blick. „Du hast dich entschieden, jetzt wirst du damit leben müssen. Alles, was dir jetzt noch bleibt, ist ein gebrochenes Herz. Ich hoffe, du bist glücklich damit.“ Mit Tränen in den Augen lief die Prinzessin davon. Der Fürst würdigte sie keines Blickes mehr. Stolz erhobenen Hauptes kehrte er zurück in sein Schloss.   Es vergingen einige Tage, in denen der Fürst nichts von der Prinzessin mehr hörte. Seine Gedanken wanderten allerdings immer wieder zu der jungen Frau. Wie es ihr ging. Wo sie hingegangen war. Ob sie dort ihr Glück gefunden hatte. Manchmal hoffte er sogar, dass sie wieder zurückkäme. Dass die Tür aufging und sie einfach hereinspazierte. Etwas Ähnliches geschah auch, jedoch war es nicht die Prinzessin, die den Fürsten besuchte. Ausgerechnet die Hexe stolzierte in sein Schloss. „Du bist hier nicht willkommen, verschwinde!“, grüßte der Fürst sie kühl. „Warum so unfreundlich? Ich wollte mit dir nur über die Prinzessin reden.“ „Ihr kennt euch also.“ „Wir haben einmal geplaudert. Sie wusste allerdings nicht, wer ich bin. Ein süßes Ding. Wirklich tragisch, was ihr zugestoßen ist.“ Der Fürst wurde hellhörig. „Was meinst du?“ „Nachdem du sie rausgeworfen hast, kehrte sie in ihre Heimat zurück. Sie wurde allerdings nicht mit offenen Armen aufgenommen. Wegen der Verbindung mit dir, wollte sie kein Mann mehr heiraten. Ihr Vater war um ihr Seelenheil besorgt. Er war so grausam zu ihr. Er sperrte sie im Turm ein, wo sie gefoltert wurde. Irgendwann ertrug sie diese Behandlung nicht mehr und stürzte sich aus dem Fenster. Sie ist tot.“ Der Fürst erstarrte. Langsam sank er zu Boden, sein Blick war ganz glasig. Die Hexe kniete sich zu ihm hinunter. „Es ist vorbei. Es gibt nichts mehr für dich, wofür es sich zu leben lohnt. Du hast den Menschen, der dich geliebt hat, in den Tod geschickt. Das schmerzt, nicht wahr? Ich kann dich davon befreien. Du musst es nur sagen.“ „Mach doch, was du willst“, flüsterte der Fürst resigniert. Was auch immer die Hexe ihm antun wollte, er würde sich nicht wehren. Die Hexe lächelte verschlagen und rammte ihre Hand in seine Brust. Dann zog sie sein Herz hervor. Triumphierend hielt sie das glühende, pochende rote Herz hoch. Keuchend betrachtete der Fürst sein Herz in den Händen seiner Feindin. Jetzt war er ihr Sklave. Aber das spielte keine Rolle mehr für ihn. Widerstandslos folgte er der Hexe zu ihrem Schloss in den Moorsümpfen. Dort sperrte die Hexe ihn in ein Verlies. Dort sollte er bleiben, bis sie ihn brauchte. Anschließend begab sie sich in das Turmverlies, um nach ihrem anderen „Gast“ zu sehen. Vorsichtig klappte sie die Sichtluke zur Seite und betrachtete die Prinzessin, wie sie niedergeschlagen auf der Pritsche saß.   ~ to be continued ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)