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And now we can't have it

von

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Prolog

Prolog
 

Verärgert sah sie ihn an. "Was soll das heißen, Izzy?", fragte Mimi wütend und hielt seinem Blick stand.

"Das soll heißen, dass du nur an dich denkst, Mimi. Das war vor 10 Jahren so und das wird sich auch nie ändern!“

Izzy steigerte sich immer weiter in seine Wut hinein. Eigentlich war es noch nicht ein mal Wut, die ihn antrieb, diese Worte auszusprechen. Es war Enttäuschung, Zurückweisung und irgendwo dazwischen sein verletzter Stolz. Sicher würde er es später bereuen, Mimi dies an den Kopf geworfen zu haben, aber das war ihm in dem Moment egal.

"Ist das dein Ernst?", fragte sie entsetzt und konnte nicht fassen, was er da eben gesagt hatte. Wieso machte Izzy ihr so eine Szene? Er verletzte sie damit sehr.

Ihr Gegenüber erwiderte nichts mehr auf die Frage und das war für Mimi Antwort genug. Sie schnappte sich ihre Jacke und ohne sich noch mal in der Runde umzusehen, ging sie zum Fahrstuhl und drückte gleich mehrmals auf den Knopf.

Ihre Freundin stand auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Hey Mimi, du musst jetzt nicht gehen.", sagte sie einfühlsam.

"Ist schon gut Sora. So wie es aussieht, bin ich hier nicht mehr erwünscht.", erwiderte diese nur stur und betrat den Fahrstuhl, als die Türen sich öffneten.

"Warte, ich komme mit." Sora holte schnell noch ihre Jacke und schlüpfte dann ebenfalls in den Fahrstuhl. Die Türen schlossen sich und Zurück blieben ein wütender Izzy und 6 sprachlose Digiritter.
 

Betretenes Schweigen machte sich breit. Meiko sah beschämt zu Boden. War das ihre Schuld gewesen? Hatte sie es mit Mimi so übertrieben? Und warum schrie Izzy sie nicht an?

Es war Matt der als erstes mit einem Räuspern die Stille durchbrach.

"Ähm, ich denke es ist besser, wenn wir auch gehen."

Die anderen Blicke hafteten auf Izzy, der immer noch wie angewurzelt dastand und die Fahrstuhltür anstarrte. Man hätte denken können, Mimi wäre immer noch präsent und gleich würde Izzy die Auseinandersetzung mit der Fahrstuhltür fortsetzen.

"Ja...ähm... Ja, also wir können auch morgen weiter machen Izzy.", sagte Joe, stand von Izzy's Schreibtisch auf und wirkte dabei peinlich berührt. Es war für alle eine unangenehme Situation und keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Mit so einem Ausbruch an angestauten Emotionen hatte wohl niemand gerechnet.

"Ja, wir machen uns auch auf den Weg. Izzy, du meldest dich, wenn du... Na ja, wenn du dich wieder beruhigt hast.", versuchte sich Takeru so nett wie möglich zu verabschieden und nahm Kari bei der Hand. Alle anderen erhoben sich ebenfalls und gingen zum Fahrstuhl.

"Okay!", brachte Izzy zähneknirschend hervor und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, nur um dort anstatt des Fahrstuhls seinen Computer Monitor mit seinen Blicken zu durchbohren.

"Kommst du Tai?", fragte Kari ihren älteren Bruder, der immer noch mitten im Raum stand und zu Izzy sah. Er machte keine Anstalten zu gehen. Ihn beschäftigte Izzy's Gefühlsausbruch. So kannte er ihn nicht und er wollte wissen, was seinen Freund dazu bewegt hatte.

"Ich komme gleich nach, geht schon mal vor.", sagte Tai an die Gruppe gewandt.

Und Kari verstand. Sie wusste, dass er seinen Posten als 'Anführer' nie wirklich aufgegeben hatte und auch wenn sie schon lang keine gefährlichen Abenteuer mehr erlebten, fühlte sich Tai weiterhin verantwortlich für die Truppe. Sie warf ihm noch einen ermutigenden Blick zu und als der Fahrstuhl endlich kam, verließen seine Freunde wortlos das Büro.

Harte Worte und ein Geständnis

"Mimi jetzt warte doch!", rief Sora ihrer besten Freundin hinterher und versuchte dabei mit ihr Schritt zu halten. Mimi war geradezu aus dem Gebäude gestürmt. Sie hatte nicht vor ihr Tempo zu verringern, aber Sora schaffte es schließlich doch noch sie einzuholen.

"Ich bin sicher, er hat es nicht so gemeint.", versuchte sie Mimi zu beschwichtigen.

"Ach nein? Wie hat er es denn dann gemeint? Ich denke nicht, dass es daran etwas falsch zu verstehen gibt." Sie war so wütend auf ihn! Sie kannten sich schon so lange und jetzt das? Mimi verstand die Welt nicht mehr. Sie fühlte sich äußerst gekränkt und missverstanden. Sicher war sie mit Izzy früher schon ein mal aneinandergeraten. Gerade dann, wenn er meinte etwas besser zu wissen oder er mit ihrer temperamentvollen Art nicht klar kam und damit, dass sie oft ohne zu überlegen handelte. Doch sie war nun mal so und Izzy wusste das. Sie kannten sich. So durchdacht wie alles war, was Izzy tat, so ließ sie sich eben zu oft von ihren Gefühlen leiten, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Und trotzdem waren sie Freunde und das schon seit Jahren!

Sie konnte nicht verstehen, was plötzlich in ihn gefahren war.

"Mimi, jetzt bleib doch mal stehen. Ich denke, wir sollten das jetzt nicht überbewerten. Vielleicht hatte er einfach nur einen schlechten Tag und hat es leider an dir ausgelassen."

Mimi blieb stehen und blickte Sora aufgewühlt an.

"Und wenn schon, Sora. So etwas sagt man nicht zu seinen Freunden!"

"Ich weiß...", sagte die Rothaarige geknickt und sah zu Boden.
 

Die Freunde hatten sich an diesem Abend verabredet, um gemeinsam in eine Karaoke Bar zu gehen. Treffpunkt war Izzy's Büro, welches er im Herzen eines Wolkenkratzers sein Eigen nennen durfte. Er war zwar noch Schüler, doch dank seiner bemerkenswerten Informatikkenntnisse wurde er schon jetzt von den verschiedensten Firmen unter Vertrag genommen. Sein größter Vertragspartner aus den USA sponserte ihm dieses Luxusbüro, damit Izzy nach der Schule seiner Arbeit ungestört nachkommen konnte.

Joe kam als erster im Büro seines Freundes an, da Izzy ihn noch in ein Programm einführen wollte, welches er speziell für Studenten entwickelt hatte, um sie bei der Prüfungsvorbereitung zu unterstützen.

Nach und nach stießen auch die Anderen hinzu. Nur noch Meiko und Mimi fehlten.

„Wo bleiben die beiden nur?“, fragte Matt in die Runde und sah ungeduldig auf seine Uhr.

„Du kennst doch Mimi. Ist ihr doch egal, wenn wir hier warten müssen.“, warf Izzy genervt ein.

„Halb so schlimm, dann beschäftige ich mich noch ein bisschen mit deinem neuen Programm.“, sagte Joe und schien ziemlich begeistert von Izzy's neuester Programmierung. Nach einer gefühlten Ewigkeit und mit einer Stunde Verspätung ertönte endlich das Signal des Fahrstuhls und zwei lachende Mädchen betraten das Büro. Im Schlepptau hatten sie ungefähr ein Duzend Einkaufstüten.

„Was denn? Wart ihr etwa shoppen?“, fragte Tai mit großen Augen, als er die vielen Tüten sah.

„Klar, was denkst du denn? Ist schließlich meine Lieblingsbeschäftigung!“, erwiderte Mimi und zwinkerte ihm zu. Tai grinste und schüttelte den Kopf.

„Super, dann können wir ja endlich gehen.“, meinte Takeru und griff nach seiner Jacke.

„Halt, halt, nicht so schnell! Vorher müssen wir uns noch stärken! Ich hab für uns alle Sushi mitgebracht.“, strahlte Mimi und packte eine Tüte mit Essen auf den Tisch.

„Aber wir wollten vor einer Stunde los, wir haben doch einen Tisch reserviert.“, sagte Kari, meinte es allerdings nicht vorwurfsvoll, sondern war eher positiv überrascht über das leckere Essen.

„Ist doch egal, dann sollen sie halt warten. Jetzt wird erst mal gegessen.“, grinste Mimi zufrieden und fing an, das Sushi zu verteilen.

„Ist schon klar, dass es dir egal ist. Was kümmert es dich, was wir wollen?“

Plötzlich richteten sich alle Augenpaare auf Izzy, der von seinem Schreibtisch aufgestanden war und Mimi wütend ansah.

„Izzy... Ähm... Hast du Hunger? Für dich hab ich auch Sushi mitgebracht.“, versuchte Mimi diesen Kommentar mit Nettigkeit wett zu machen.

„Nein, ich habe keinen Hunger!“, sagte Izzy mit Nachdruck.

Ok, sie hatte sich also nicht verhört. Izzy war tatsächlich sauer. Aber warum?

„Ach komm schon Izzy, fahr wieder runter und iss eine Kleinigkeit mit uns.“, forderte Mimi ihn noch ein mal so freundlich wie möglich auf.

„Mimi hat Recht. Außerdem müssen wir uns erst ein mal vom shoppen erholen, das kann nämlich anstrengender, als Leistungssport sein.“, kicherte Meiko und Mimi stimmte in ihr Lachen ein.

„Aber vielleicht geht es nicht immer nur darum, was du willst, Mimi.“, sagte Izzy mit erhobener Stimme und funkelte die Brünette wütend an.

Das Lachen der beiden Mädchen verstummte.

„Was ist eigentlich dein Problem?“, fragte Mimi nun mit fester Stimme und sah ihn streng an. So langsam reichte ihr Izzy's Getue.

„Was mein Problem ist? Wie wäre es mit dir? Du kommst einfach eine Stunde zu spät und lässt uns hier wie blöd warten. Ich finde das ziemlich respektlos deinen Freunden gegenüber.“

Verärgert sah sie ihn an. "Was soll das heißen, Izzy?", fragte Mimi wütend und hielt seinem Blick stand.

"Das soll heißen, dass du nur an dich denkst, Mimi. Das war vor 10 Jahren so und das wird sich auch nie ändern!“
 

Nach einer Weile des Schweigens fragte Mimi ihre Freundin kleinlaut: "Hat er Recht?".

"Was?" Sora blickte erstaunt auf und stellte fest, dass Mimi Tränen in den Augen hatte.

"Was...? Mimi... Nein!"

Mimi konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen, sonst hätte sie mit großer Wahrscheinlichkeit los geheult.

"Nimm es dir nicht so zu Herzen. Er beruhigt sich schon wieder.", ermutigte sie Sora und nahm dabei Mimis Hand.

Mimi entschloss sich in diesem Moment ihrer besten Freundin nichts von dem gestrigen Tag zu erzählen, wie sie gestern auf Izzy traf und wie es für kurze Zeit merkwürdig zwischen den beiden wurde. Hatte Izzy das etwa in den falschen Hals gekriegt? Sie hoffte nicht, denn sie fühlte sich auch so schon schlecht genug.
 


 

„Willst du nicht lieber auch gehen?“, fragte Izzy seinen Freund, starrte dabei jedoch weiterhin auf seinen Monitor.

„Nein, ich möchte wissen, was mit dir los ist.“, erwiderte Tai und wartete auf eine Reaktion von Izzy, der allerdings keine Anstalten machte zu antworten.

„Was war das eben Izzy?“, fragte Tai noch ein mal eindringlich nach.

Der rothaarige stöhnte auf und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

„Ich bin so ein Idiot!“, nuschelte er in seine Handflächen. Und schon war er da. Der Moment, in dem er es bereute.

„Wissen wir, ist aber noch keine plausible Erklärung dafür.“, witzelte Tai schwach und hoffte so etwas mehr aus ihm heraus kitzeln zu können.

„Tai ich,... Ich bin in Mimi verliebt.“

Tai traf der Schlag und wenn er nicht schon gestanden hätte, wäre er vom Stuhl gekippt.

Er fing kleinlaut an zu lachen, unsicher ob Izzy vielleicht Witze machte.

„Dann hast du aber eine ziemlich schräge Art das zu zeigen.“

Izzy funkelte seinen Freund an.

„Meinst du, ich scherze?“

Tai hielt sofort inne. „Nein, natürlich nicht! Also... Du... bist in Mimi verliebt?!“

„Klingt total absurd, so wie du es sagst.“

Izzy schien beleidigt.

„Tut mir Leid, aber nach der Nummer eben, wäre glaube keiner darauf gekommen, dass du in sie verliebt bist.“, verteidigte sich der Braunhaarige.

Izzy stand vom Schreibtisch auf und ging zum Fenster.

„Denkst du, ich weiß das nicht? Aber... Sie nimmt mich eben nie Ernst und das hat mich wütend gemacht.“

„Was meinst du damit? Ist etwas zwischen euch vorgefallen?“, fragte Tai an Izzy's Rücken gewandt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Mimi’s Shoppingausflug der alleinige Grund für das hier war. Da musste mehr passiert sein.

„Ist das denn jetzt noch von Bedeutung? Sie hasst mich sicher.“

Izzy schien wahnsinnig bedrückt über die Situation. Und Tai wollte ihm gerne helfen.

„Sie hasst dich nicht! Was ist denn passiert? Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, wie es für dich scheint.“, ermutigte er seinen Freund. Izzy seufzte und entschied sich schließlich dafür sich Tai anzuvertrauen.

„Weißt du... Ich hatte gestern vor, es ihr zu gestehen.“

Gekränkter Stolz

1 Tag vorher

 

Nervös stand Izzy vor dem Gebäude und wartete. Er wollte sie auf keinen Fall verpassen, also war er viel zu früh da. Er wusste, dass Mimi heute einen Vertiefungskurs in Chemie besuchte und er würde hier auf sie warten. Und dann würde er sie fragen, ob sie mit ihm ausgehen würde. Heute würde er ihr seine Gefühle gestehen. Und sie würde ihm eine verpassen und sagen „Izzy, wie kannst du nur? Wir sind doch Freunde!“. Oder sie wäre so peinlich berührt, dass sie gehen und nie wieder ein Wort mit ihm reden würde.

Er kam sich so albern vor! Stand da wie ein verknallter Teenie und malte sich die schlimmsten Szenarien aus. Was war so schwer daran, einfach mal cool zu bleiben und ihr das zu sagen, was er hätte schon längst sagen sollen? Es hatte tausend Gelegenheiten gegeben. Aber er wollte es richtig machen und er....

„Izzy? Was machst du denn hier?“, riss eine Stimme ihn aus seinen Gedanken.

Er hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war und schon stand sie vor ihm und sah ihn überrascht an.

Mehrere Mitschüler gingen an ihnen vorbei, einige davon verabschiedeten sich flüchtig von Mimi.

„Mimi... Hi.“, brachte Izzy lediglich hervor und blickte ziemlich nervös drein. Super... Und nun?

„Ja, hi.“, kicherte Mimi, anscheinend amüsiert über sein Verhalten.

„Bist du zufällig vorbei gekommen?“, fragte sie ihn.

„Ja! Also, nein. Ich wollte eigentlich...“, stammelte er rum. Das Computergenie machte gerade wirklich keine gute Figur.

„Izzy, was ist denn mit dir los? Du scheinst mir etwas verwirrt zu sein.“, fing Mimi erneut an zu kichern. Na klasse! Wenn er nicht gleich einen vernünftigen Ton rausbrachte, würde sie ihn noch für einen kompletten Vollidioten halten.

„Also, Mimi ich... Ich wollte dich abholen und dich fragen, ob du... Na ja ob du Lust hast mit mir ein Eis zu essen?“, fragte er schnell genug, bevor er den Mut verlor.

Ein Eis essen.

Ein Eis essen?

Etwas besseres fiel ihm nicht ein? Da hätte er sie genauso gut fragen können, ob sie Lust hatte mit ihm eine Sandburg zu bauen. Er hätte sie lieber ins Kino oder zu einem romantischen Dinner einladen sollen!

Doch die Brünette strahlte schon über beide Ohren.

„Oh Izzy, das ist eine sehr gute Idee! Die ganze Paukerei war so anstrengend, ich brauche unbedingt Zucker!“

Sie lächelte ihn an und hakte sich bei ihm ein.

Izzy grinste zufrieden. Das war zwar nicht ganz so gelaufen, wie er es sich ausgemalt hatte, aber was machte das schon? Hauptsache sie hatte ja gesagt. Endlich hatte er ein Date mit ihr...

 

Gemeinsam schlenderten sie durch den Park. Es war schon spät geworden und bald würde die Sonne untergehen. Izzy wollte das Treffen unbedingt noch etwas hinauszögern, damit sie ihn sich zusammen ansehen konnten. Es schien zumindest kein Problem zu werden, denn sie unterhielten sich angeregt über Mimi’s Chemiekurs, über Izzy’s neueste Programmierung, darüber, dass sie morgen alle gemeinsam in eine Karaoke Bar gehen wollten und sich schon jetzt tierisch darauf freuten, zu sehen wie Tai am Mikrofon kläglich versagte. Ja, es lief einfach alles perfekt. Sie hatten wirklich Spaß. Mimi schleckte an ihrem Eis und lachte dann herzhaft auf.

„Ich seh es schon direkt vor mir, wie er wieder ins Mikro grölt und alle anderen sich die Ohren zuhalten müssen.“ Sie hielt sich den Bauch vor lachen und verschluckte sich beinahe an ihrem Eis.

„Ja, wir sollten auf jeden Fall schon mal die Ohrstöpsel einpacken.“, stimmte Izzy in ihr Lachen mit ein.

Mimi konnte einfach nicht mehr. Sie musste stehen bleiben, um sich die Tränen wegzuwischen.

„Das ist einfach zu komisch. Ich hab lang nicht mehr so gelacht.“ Sie rang nach Luft und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.

„Warte, du hast Eis im Gesicht.“, meinte Izzy und wischte den Klecks mit dem Finger von Mimi’s Wange.

„Oh, danke.“ Mimi hatte sich wieder etwas beruhigt, aber innerlich musste sie immer noch grinsen.

„Du siehst wirklich schön aus, wenn du lachst.“, sagte Izzy plötzlich und eine leichte Ernsthaftigkeit schwang in seiner Stimme mit.

Mimi blickte ihn fragend an und runzelte die Stirn, bevor sie wieder anfing zu lachen.

„Ach was! Ich hab mich mit Eis bekleckert und du findest das also schön.“, witzelte sie.

„Ich meine das Ernst.“, entgegnete der Rothaarige und sah ihr dabei direkt in die Augen.

Mimi winkte seinen Kommentar ab und kicherte unsicher.

„Hör auf Izzy, du machst mich noch ganz verlegen. Wenn du mir weiter solche Komplimente machst, komme ich mir noch vor wie bei einem Date.“

Wie bitte? Was genau hatte das denn jetzt zu bedeuten? Was war das denn hier? Fand sie den Gedanken etwa unangenehm, dass die beiden ein Date haben könnten?

„Das findest du wohl lustig.“, sagte Izzy beleidigt.

Mimi zuckte zusammen und sah ihn überrascht an. Die Atmosphäre, die bis eben noch so unbeschwert und leicht zwischen ihnen war, schien schlagartig kühl zu werden. Izzy's euphorische Emotionen waren in den Keller gerutscht. Stattdessen machte sich Enttäuschung und das Gefühl von Ablehnung bei ihm breit.

Mimi versuchte die Situation zu retten „Nein, also... So war das doch nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, dass es doch irgendwie komisch wäre.“, und machte es damit nur noch schlimmer.

„Komisch? Was wäre denn daran komisch?“, fragte er sie gereizt. War es denn wirklich so unvorstellbar für sie? Mimi wollte etwas erwidern, doch noch bevor sie richtig antworten konnte, fuhr er ihr über den Mund.

„Weißt du was? Ich will es gar nicht wissen. Ich muss jetzt gehen.“

Er drückte der Brünetten sein Eis in die Hand und verließ schnellen Schrittes den Park. Dass er eine total verdatterte Mimi zurück ließ, interessierte ihn nicht. Er wollte nur noch weg.

 

 

 

„Sag’s schon, ich bin ein richtiger Idiot!“

Izzy stand immer noch am Fenster seines Büro’s und beobachtete, wie die Sonne unterging. Denselben schönen Sonnenuntergang, den er sich gestern mit Mimi ansehen wollte.

„Du bist ein Idiot! Und ich kann es nicht fassen, dass ihr euch auf meine Kosten über mich lustig gemacht habt.“, mimte sein Freund den Gekränkten. Tai hatte sich während Izzy’s Erzählungen auf der Sofalehne nieder gelassen und ihm aufmerksam zugehört. Er versuchte noch die Einzelheiten zu ordnen, während Izzy nicht weiter auf seinen Witz einging.

„Also, was willst du nun tun?“, fragte Tai ihn schließlich.

„Das wollte ich dich fragen. Wenn mich nicht bald jemand vor mir selbst rettet, lande ich ein Fettnäpfchen nach dem anderen.“, erwiderte das Computergenie und fuhr sich nervös durch die Haare.

„Nun ja, erst mal solltest du versuchen dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Denn so wie sich das anhört, waren deine Absichten für Mimi alles andere als eindeutig.“

„Stell dir vor, das hab ich inzwischen auch schon gemerkt.“, grinste Izzy seinen Freund an.

„Hast du noch was besseres auf Lager?“

„Entschuldige dich bei ihr!“, forderte Tai ihn auf.

„Sie wird mir nicht zuhören.“ Izzy blickte geknickt zu Boden. Er hatte es wirklich gründlich vermasselt. Wie konnte man nur so übers Ziel hinausschießen?

„Sie wird dir schon zuhören. Und wenn nicht, dann kann ich der Kleinen ja mal auf den Zahn fühlen.“, grinste Tai Izzy an. Sein Freund hob skeptisch eine Augenbraue.

Tai’s Grinsen wurde noch breiter. „War nur ein Spaß! Aber jetzt mal ehrlich Izzy, rede mit ihr!“

Izzy nickte stumm und grübelte bereits darüber nach, was er zu ihr sagen sollte. Wie er sich am besten erklären konnte. Wenn sie ihm überhaupt die Gelegenheit dazu gab... Er würde es sehen. Gleich morgen...

Tai’s Plan

Am nächsten Tag in der Schule versuchte Izzy sein bestes, um mit Mimi zu sprechen. Und diese versuchte wiederum ihr Möglichstes, um Izzy aus dem Weg zu gehen. Er hetzte nach seinem Informatikkurs direkt zum Chemielabor, in der Hoffnung sie auf fünf Minuten abzufangen. Doch als Mimi raus kam und ihn sah, verwickelte sie sofort eine Mitschülerin in ein Gespräch, so dass Izzy keine Chance hatte. In der Mittagspause wartete er in der Cafeteria auf sie, doch es war keine Spur von der Schülerin. Anscheinend ließ sie heute das Mittagessen ausfallen. Izzy war wirklich mehr als enttäuscht. Er wollte es ihr so gern erklären und sich vor allem für sein Verhalten entschuldigen. Doch wie sollte er das anstellen, wenn sie einfach alles tat, um ihn aus dem Weg zu gehen?
 

Zum Glück hatte sie zumindest diesen Schultag unbeschadet überstanden. Es war nicht leicht Izzy den ganzen Tag aus dem Weg zu gehen. Sie konnte sich denken, dass er mit ihr sprechen wollte. Aber der Schock über die vergangenen Tage saß noch zu tief. Außerdem wollte sie sich voll und ganz auf die bevorstehenden Prüfungen konzentrieren und hatte daher keinen Nerv sich auf eine weitere Diskussion mit ihm einzulassen. Was auch immer er ihr heute sagen wollte... Es konnte warten.

„Mimi! Warte!“, ertönte eine Stimme hinter ihr.

Sie drehte sich um und natürlich war er es.

„Izzy, ich habe jetzt keine Zeit. Wir sehen uns...“, versuchte sie ihn schnell abzuwimmeln.

„Nein Mimi, bitte warte. Ich muss mit dir reden.“ So schnell schien er sich nicht abfertigen zu lassen.

Mimi stöhnte leise auf. Es war ihr so unangenehm. Seine Worte gestern, die sie so hart trafen, der Moment in dem er sie im Park stehen gelassen hatte... Das alles waren Dinge, über die sie jetzt nicht nachdenken wollte, aus Angst davor was wohl die Schlussfolgerung des Ganzen wäre.

„Mimi, das war alles ein großes Missverständnis.“, begann der Rothaarige hektisch.

„Da gibt es nichts misszuverstehen. Du hast mir deutlich gesagt, was du von mir hältst.“, erwiderte Mimi kühl.

„Es tut mir Leid, dass ich das gesagt habe. Das war nicht so gemeint. Ich war nur sauer, weil...“ Izzy brach den Satz ab.

Natürlich! Also war Mimi’s Gefühl doch richtig gewesen und es ging im Grunde um den Nachmittag im Park. Ihr reichte es!

„Weißt du was Izzy? Sag endlich was Sache ist oder lass es. Auf solche Spielchen habe ich keine Lust. An dem einen Tag lädst du mich auf ein Eis ein und wir lachen und haben Spaß und dann lässt du mich einfach so stehen und machst mir am nächsten Tag die Hölle heiß? Ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist, aber solang du nicht den Mumm hast ehrlich zu sein, brauchen wir hier gar nicht erst weiter zu machen.“

Izzy starrte sie sprachlos an. Mimi hatte die Nase voll und sie meinte es genauso, wie sie es sagte. Außerdem hatte sie keine Lust wegen etwas ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie doch gar nicht genau wusste, was sie falsch gemacht hatte.

Von ihrer Seite war alles gesagt. Sie drehte sich um, steckte sich die Kopfhörer ihres iPod’s in die Ohren und verschwand. Diesmal war sie Diejenige, die ihn stehen ließ.
 

Izzy war am Boden zerstört. Obwohl es im Grunde das war, womit er schon gerechnet hatte.

Und doch trafen ihn ihre Worte härter, als erwartet. Denn sie waren wahr. Er war feige und konnte einfach nicht aussprechen, was er wirklich fühlte. Übelkeit stieg in ihm auf.

Was konnte er denn jetzt noch tun, um das wieder hinzubiegen?

Eine Hand auf seiner Schulter riss ihn aus seinen Gedanken.

„Na Kumpel, alles klar?“

„Tai, was machst du denn hier?“, fragte er seinen Freund verblüfft.

„Ich war heute eher mit der Uni fertig und wollte mal sehen, wie es so läuft. Hast du schon was erreichen können?“

Izzy sah bedrückt zu Boden.

„Auf ganzer Linie versagt, wie du siehst.“

Tai überlegte. Das konnte so nicht weiter gehen mit den beiden. Er musste etwas tun, bevor die Situation völlig verfahren war.

„Das Angebot steht noch.“, grinste der Braunhaarige.

„Dass du mit ihr sprichst? Ich weiß nicht...“, antwortete Izzy unsicher.

„Ach komm schon? Kann ich es noch schlimmer machen?“, versuchte Tai ihn zu überreden.

„Tu, was du nicht lassen kannst. Ich weiß gerade eh nicht weiter.“, willigte sein Freund ein und ohne weitere Worte zu verlieren, machte er sich auf den Weg nach Hause. Vielleicht kam ihm ja vor seinem PC eine Erleuchtung.
 

„Hey Mimi.“, rief Tai der Schülerin hinterher. Er wusste, welchen Weg sie immer nach Hause nahm, daher fiel es ihm nicht schwer sie auf diesem einzuholen. Allerdings reagierte sie nicht auf seine Rufe. Er legte noch einen Zahn zu, um sie dann an der Schulter festzuhalten. „Hallooooo Mimi...“, begrüßte er sie etwas lauter, denn er hatte gesehen, dass sie Musik hörte. Mimi drehte sich schlagartig um und sah ziemlich verärgert aus.

„Was willst du denn noch?“

„Hey, bleib locker, ich bin es nur.“, lachte Tai und hob schützend seine Hände hoch.

Mimi's Gesichtsausdruck entspannte sich und sie nahm die Kopfhörer ab.

„Tai, mit dir hatte ich nicht gerechnet, tut mir Leid.“, sagte sie und sah ihn entschuldigend an.

„Du hast wohl Izzy erwartet.“, witzelte er und bemerkte in dem Moment, dass er sich verraten hatte. Mimi’s Blick verfinsterte sich wieder.

„Wenn er dich schickt, um mit mir zu reden, dann kannst du gleich wieder gehen. Das soll er schön selbst machen.“, antwortete Mimi giftig und setzte ihren Heimweg fort.

„Was? Nein, er schickt mich nicht. Ich bin nur ganz zufällig hier.“, versuchte er sie zu beschwichtigen und folgte ihr auf Schritt und Tritt.

„Wer’s glaubt.“, meinte Mimi nur abwertend.

„Ach Mimi komm schon, jetzt stell dich nicht so zickig an.“, rief Tai ihr hinterer.

Abrupt blieb Mimi stehen, drehte sich um und schien stinksauer auf ihn zu sein.

Tai zuckte zusammen. Hoppla, jetzt hatte er sie wohl auf dem falschen Fuß erwischt.

„Willst du da weiter machen, wo Izzy aufgehört hat?“, fragte sie ihn.

„Auf keinen Fall! Das ist mir nur so rausgerutscht, bitte sei nicht böse!“, bat er sie und faltete die Hände vor seinem Gesicht, wie zu einem Gebet.

Mimi’s Miene erhellte sich schlagartig und sie fing an zu lachen.

„Du müsstest mal dein Gesicht sehen!“ Die Schülerin hielt sich den Bauch vor lachen.

Tai brauchte einige Sekunden, bis der Groschen fiel.

Sie hatte ihn reingelegt!

Sie wusste, er würde wegen des Spruches sofort ein schlechtes Gewissen bekommen.

Er stämmte die Arme an die Seite.

„Hey, das ist nicht lustig!“

Mimi hielt sich immer noch den Bauch und Tränen stiegen ihr in die Augen.

„Doch, ist es!“

Als Tai sie so herzhaft lachen sah, konnte er nicht anders, als sich ebenfalls davon anstecken zu lassen.
 

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit hatten sich beide wieder beruhigt und Tai sah seine Chance gekommen.

„Wollen wir uns kurz hinsetzen?“, fragte er die Schülerin.

Mimi nickte und sie setzten sich auf die nächstgelegene Bank.

Der Student wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte, aber zum Glück nahm Mimi ihm die Entscheidung ab.

„Also,...?“, sagte sie. „Du bist doch nicht wirklich zufällig hier vorbei gekommen oder?“

Tai kratzte sich am Kopf und grinste verlegen.

„Nein, nicht so richtig. Ich wollte...“

„Ich weiß, was du willst.“, unterbrach Mimi ihn. „Aber du brauchst ihn nicht zu verteidigen.“

„Nein, das wollte ich auch gar nicht.“, sagte Tai.

„Ich möchte nur, dass du ihm zuhörst. Ich denke, er hat dir einiges zu sagen.“

Mimi schien nachdenklich. Tai hatte das Gefühl, dass auch sie die Situation sehr belastete.

So vor sich hingrübelnd kannte er seine langjährige Freundin gar nicht. Und es gefiel ihm nicht.

Er nahm ihre Hand und sah sie mitfühlend an.

„Wir müssen jetzt nicht darüber reden, wenn du nicht willst.“

Mimi nickte. So, wie es aussah, ergab sich zumindest für diesen Moment keine Gelegenheit mit ihr über Izzy zu sprechen. Tai hatte eine Idee, wie er es vielleicht hinbekommen könnte und außerdem konnte er es nicht ertragen sie so niedergeschlagen zu sehen.

„Weißt du was? Das gefällt mir so nicht. Lass uns heute Abend ausgehen, damit du auf andere Gedanken kommst.“, schlug er ihr vor und lächelte sie an.

Mimi zog eine Augenbraue hoch.

„Du willst mit mir ausgehen? Ist das so was wie ein Date?“, fragte sie verwirrt.

Tai fing an zu lachen. „Nein, nein, da brauchst du dir keine Sorgen machen.“

„Gut, sonst wäre ich auch nicht mit gekommen.“, grinste Mimi ihn frech an und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich möchte dich nur etwas aufheitern. Ist ja nicht auszuhalten deine Laune.“, neckte Tai sie weiter.

„Danke für das Kompliment, Mr. Supercool.“

„Das war kein Kompliment.“

Mimi musste lachen. Sie stand auf, nahm ihre Tasche und machte sich auf den Heimweg.

„Warte, wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, was wir machen wollen.“, rief Tai ihr nach.

„Überrasch mich!“, antwortete sie im gehen und winkte ihm zum Abschied.

Den Moment genießen

Pünktlich um 20 Uhr klingelte es an Mimi’s Haustür.

„Na, bist du fertig?“, grinste Tai sie an.

„Ich weiß nicht. Bin ich das?“, fragte die Brünette und blickte an sich hinab. „Da ich nicht weiß, was wir machen, wusste ich auch nicht was ich anziehen sollte.“

Sie hatte sich ganz legere für eine schwarze Jeans und ein weißes Shirt entschieden.

Tai legte den Kopf schief und musterte sie.

„Na ja, du solltest auf jeden Fall noch eine Jacke mitnehmen. Und keine High Heels!“, riet er ihr.

„Keine High Heels? Das verspricht ja abenteuerlich zu werden.“, lachte Mimi auf.

Sie schnappte sich ihre Jacke und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

„Also, was machen wir?“, fragte Mimi neugierig.

Die Sonne ging gerade unter und tauchte die Straßen in ein warmes, rotes Licht.

„Wolltest du dich nicht überraschen lassen?“, grinste der Student.

„Hoffentlich war das nicht die schlechteste Idee des Tages.“, neckte sie.

„Vertrau mir!“
 

Mimi hatte keine Ahnung, wo Tai mit ihr hin wollte. Die Straßen und Wege, die sie einschlugen kannte sie nicht.

Die Sonne war schließlich untergegangen und plötzlich blieb ihr Freund stehen. Waren sie schon da? Aber hier war doch weit und breit nichts. Außer...

„So, da wären wir.“, verkündete Tai stolz und wartete auf Mimi’s Reaktion, die offenbar die Sprache verloren hatte.

„Tai...“, begann Mimi unsicher. „Ich muss dich das fragen: du willst mich doch nicht um die Ecke bringen und meine Leiche dann irgendwo hier verstecken oder?“, fragte sie schließlich und sah sich ängstlich um.

Tai lachte, denn sie standen vor einem noch nicht fertiggestellten Hochhaus, dessen Bauarbeiten gerade pausierten. Es war sehr dunkel auf dem Gelände und keine Menschenseele war da. Zum Fürchten, wie Mimi fand.

„Du wolltest eine Überraschung.“

„Ich hatte schon bessere... Halt, warte! Willst du etwa da rein?“

Doch noch ehe sie irgendeinen Versuch unternehmen konnte, das Ganze abzuwenden, zog Tai sich bereits am Zaun hoch und schwang sich elegant auf die andere Seite.

„Tai... Was soll dieser Blödsinn?“, fragte Mimi und sah sich um, ob sie jemand beobachtet hatte.

„Komm rüber!“, forderte Tai seine Freundin auf.

„Was? Oh nein! Es kriegen mich keine zehn Pferde da rein.“

„Willst du etwa abhauen und mich hier mutterseelenallein lassen?“, neckte er sie.

„Du kommst schon klar.“, widersprach Mimi und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Komm schon, Mimi. Sei kein Angsthase.“

Mimi seufzte und machte sich schließlich doch daran, sich am Zaun hochzuziehen, was ihr nicht ganz so leicht fiel, wie dem Sportler. Wieso ließ sie sich nur zu diesem Quatsch überreden?

„Ich kann nicht glauben, dass ich das hier mache.“, flüsterte sie, als könnte sie jemand hören.

Ihr war nicht wohl bei der ganzen Sache. Was, wenn sie jemand erwischte, wie sie, ihrer Meinung nach, völlig sinnlos in ein leeres Gebäude eindrangen?

Mimi sprang vom Zaun und Tai half ihr dabei, das Gleichgewicht zu halten, als sie aufkam.

„Und jetzt?“, fragte sie genervt.

„Komm mit!“, forderte Tai sie auf und ging in Richtung Eingang. Mimi zögerte.

„Lass uns lieber abhauen, Tai. Bevor uns noch jemand erwischt.“

„Uns wird keiner erwischen, hier ist doch niemand. Und entweder du kommst jetzt mit oder ich gehe allein. Und du willst doch sicher nicht allein hier rum stehen. Es ist schon dunkel.“, grinste er und wusste genau, dass er ihr damit Angst machen konnte.

„Was hab ich mir da nur eingebrockt?“, stöhnte Mimi und folgte ihm schließlich doch.

Sie schlichen sich in das Gebäude und nahmen einige Stufen nach oben.

„Tai was soll das? Wenn das irgendein idiotischer Streich ist, den nur Jungs verstehen, dann können wir gleich wieder gehen.“

Mimi konnte sich einfach nicht erklären, was diese Aktion hier sollte.

„Warte noch, wir sind gleich da.“, lies er sich nicht beirren und führte sie Treppe für Treppe immer höher.

Oben angekommen standen sie schließlich vor einer Eisentür.

„Wunderbar Tai, können wir jetzt bitte wieder gehen? Mir ist es hier echt unheimlich und ich habe wirklich keine Lust...“

Doch noch bevor Mimi ihren Satz beenden konnte, öffnete Tai die Tür und trat mit ihr hinaus.

Mimi blieb beinahe die Spucke weg.

Sie befanden sich ganz oben auf dem Hochhaus und vor ihnen erstreckte sich die Stadt in ihrer gesamten Schönheit.

Es war bereits dunkel geworden und überall funkelten Lichter. Es sah einfach traumhaft aus!

„Na, willst du immer noch weg?“, fragte Tai die Schülerin neckisch und grinste breit.

Mimi ging ein paar Schritte nach vorn und sah sich verblüfft um.

Wann hatte sie das letzte Mal so etwas Schönes gesehen?

„Du bist verrückt, Taichi Yagami.“, lächelte sie überrascht und fasziniert zugleich.

„Danke! Genau das wollte ich hören.“, sagte Tai zufrieden und stellte sich neben sie.
 

Die beiden hatten es sich am Rande des Hochhauses gemütlich gemacht. Sie ließen die Füße baumeln und genossen den Anblick und die Stille. Unter ihnen tobte das Leben, doch davon bekam man über den Dächern der Stadt nichts mit. Die beiden Freunde saßen einfach nur da und es bedarf keiner Worte.

Plötzlich durchzuckte Tai ein Gedankenblitz.

Warum war er hier?

Beinahe hatte er vergessen, warum er mit Mimi hier hoch gegangen war.

Doch er wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, das hätte wahrscheinlich eh nichts gebracht. Also beschloss er, es erst ein mal mit Small Talk zu probieren.

Er sah zu der Brünetten und war überrascht, wie glücklich und zufrieden sie in diesem Moment aussah. Ganz anders, als am Nachmittag, kurz nachdem sie auf Izzy getroffen war.

Aber sie sah nicht nur glücklich aus, sondern auch hübsch, musste sich der Student eingestehen. Wie sie von den Lichtern der Stadt sanft angestrahlt wurde und ihr Haar leicht im Wind wehte...

Es fiel ihm schwer, seinen Blick wieder von ihr abzuwenden, doch er zwang sich dazu, bevor ihm dieser Augenblick noch einen Streich spielte.

„Also, wie läuft es so in der Schule? Bereitest du dich gerade auf deine Prüfungen vor?“, fragte er sie, einfach um einen ersten Schritt zu tun.

Mimi sah ihn überrascht an. Offenbar hatte er sie gerade aus einem tiefen Gedanken gerissen.

„Ähm... Ja, es läuft alles bestens, aber es ist auch sehr anstrengend.“

„Kann ich gut nachvollziehen. Und hast du dich schon für eine Uni entschieden?“

Mimi überlegte.

„Ja, ein paar kommen schon in Frage. Vielleicht bewerbe ich mich auch für ein Stipendium in den USA.“

Tai runzelte die Stirn. Er hatte keinen blassen Schimmer davon gehabt, dass Mimi mit dem Gedanken spielte, Japan zu verlassen. Sie war jetzt schon so lange wieder hier und irgendwie wäre er nie auf die Idee gekommen, sie könnte zurück in die USA ziehen. Tai versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.

„Nun ja, das wäre sicher eine einmalige Gelegenheit für dich! Möchtest du denn zurück?“, fragte er sie ganz offen.

„Ich weiß es im Moment noch nicht...“, antwortete sie und lächelte ihn dann aufmunternd an.

„Ach, was soll’s. Jetzt muss ich mich erst mal auf meine Prüfungen konzentrieren und wer weiß, was danach ist.“

Ja, wer wusste das schon? Tai war, wie schon so oft, verblüfft über ihre lockere Art, die Dinge zu nehmen. Diese Eigenschaft hatte ihn schon immer fasziniert. Anderen Menschen fiel es meist sehr schwer, nicht ständig über irgendetwas nachzugrübeln. Oder sich Sorgen über die Zukunft zu machen.

Nicht jedoch Mimi. Sie lebte im hier und jetzt.

„Sagst du mir jetzt endlich, warum wir ausgerechnet hier her gegangen sind?“, fragte sie ihn.

Tai musste eine Weile überlegen, wie er antworten sollte.

„Ich dachte, das ist ein guter Ort, um sich ein bisschen zu entspannen... Um sich zu unterhalten...“

„...über?“, hakte die Brünette nach.

„Du willst doch nicht etwa den ganzen Abend über die Schule reden?“

Tai sah sie an und überlegte, ob jetzt der richtige Augenblick gekommen war, um mit dem Thema ‚Izzy’ um die Ecke zu kommen.

Er hatte sich schon alles zurecht gelegt. Er wollte ihr sagen, wie sehr Izzy die Situation belastete und wie leid es ihm tat und er wollte ihr ans Herz legen, unbedingt noch mal mit ihm zu reden, weil Izzy ein guter Kerl war und es verdient hatte.

Er wusste nicht was ihn leitete und warum er das tat, aber...

In diesem Moment entschied er sich dagegen.

„Weißt du was? Du hast recht! Lass uns noch woanders hingehen und ein bisschen Spaß haben.“

Er stand auf, lächelte sie an und hielt ihr eine Hand hin.

„Was hast du denn vor?“, fragte die Brünette, ergriff seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen.

„Was sich eben so ergibt, lass uns spontan sein! Vielleicht lade ich dich ja ganz spontan auf einen Cappuccino ein.“, witzelte er.

Mimi kicherte. „Ok, dann lass uns mal ganz spontan einen Cappuccino trinken gehen. Aber mit Zimt! Ich liebe Zimt!“

Tai wollte Mimi’s Unbeschwertheit für diesen Abend noch ein bisschen länger erhalten. Hätte er jetzt mit Izzy angefangen, wäre dies vorbei gewesen. Das wollte er nicht. Und es würde sich sicher noch eine andere Gelegenheit ergeben.

Die beiden verließen das Dach und schlenderten noch eine ganze Weile durch die Stadt.

Sie sprachen über so viele Dinge, so wie sie es schon ewig oder gar noch nie wirklich getan hatten. Keiner von ihnen erwähnte Izzy und das war ok für Tai. Manchmal musste man eben den Moment genießen wie er war, ohne ihn mit ernsten oder schmerzenden Dingen zu belasten.

Eine unmoralische Bitte

Am nächsten Tag war Mimi nach der Schule auf direktem Wege zu der Universität gegangen, an der Sora studierte. Ihre beste Freundin hatte durch das Studium nur noch wenig Zeit, weshalb sie sich nicht mehr so oft sahen, wie früher. Das war auch ok, denn Mimi hatte durch ihre bevorstehenden Prüfungen auch alle Hände voll zu tun. Doch heute war es ihr irgendwie ein Bedürfnis. Als Sora raus kam, winkte Mimi ihr aufgeregt zu. „Sora, Hey!“

„Mimi? Was machst du denn hier?“, fragte die Rothaarige überrascht.

„Ich wollte dich einfach sehen.“, lächelte Mimi ihre Freundin an.

Sora grinste. „Hab ich was verpasst? Du siehst so glücklich aus. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du...“

„Nicht so gut drauf, ich weiß.“, beendete Mimi ihren Satz.

„Ich würde gerne hören, warum das so ist, aber ich habe leider keine Zeit für einen Kaffee. Ich muss noch so viel für die Uni machen.“, entschuldigte Sora sich.

Mimi nickte verständnisvoll. „Dann lass mich dich wenigstens nach Hause bringen.“

„Na gut, aber nur, wenn du mir erzählst, warum du so strahlst.“, schlug Sora vor.

Die beiden machten sich auf den Weg und Sora sah ihre Freundin skeptisch an.

„Also, warum bist du so gut drauf? Hat es etwas mit Izzy zu tun? Habt ihr euch wieder vertragen?“, fragte sie hoffnungsvoll und bekam große Augen.

Mimi schüttelte den Kopf.

„Nein, mit Izzy hat das nichts zu tun. Wir reden nicht miteinander. Das heißt: ich geh ihm aus dem Weg.“

„Aber damit kann es dir doch nicht gut gehen oder?“

Mimi dachte nach. Ging es ihr gut damit? Oder störte sie die Situation immer noch? Seit gestern Abend hatte sie nicht mehr darüber nachgedacht.

„Momentan versuche ich einfach nicht daran zu denken. Ich habe ihm gesagt, was ich von dem Ganzen halte und seitdem geht es mir besser damit“, antwortete sie.

„Es freut mich das zu hören. Aber früher oder später solltest du die Sache mit Izzy klären.“, sagte Sora und sah ihre Freundin eindringlich an.

„Das weiß ich. Aber zur Zeit möchte ich mich lieber auf mich konzentrieren. Gestern Abend war ich mit Tai aus und das hat mir richtig gut getan, Sora. So unbeschwert hab ich mich schon lang nicht mehr gefühlt.“, berichtete Mimi und hatte dabei ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.

„Seit wann gehst du mit Tai aus... Alleine?“, fragte Sora irritiert nach.

„Wir sind Freunde, das ist doch kein Verbrechen. Und ich konnte ein bisschen Ablenkung gut gebrauchen.“

„Schon gut, vor mir musst du dich nicht rechtfertigen.“, lächelte Sora verständnisvoll. „Wenn dir das so gut getan hat, solltest du das vielleicht öfter machen.“

Mimi ließ in Gedanken noch ein mal den gestrigen Abend Revue passieren. Es hatte ihr wirklich gut getan, sich einfach ganz zwanglos zu amüsieren und zu reden. Gestern Abend hatte sie sich für ein paar Stunden fallen lassen können und durfte dabei ganz sie selbst sein. Ob das an Tai lag? Gab er ihr dieses Gefühl oder war es der Abend an sich gewesen. Mimi dachte kurz darüber nach, kam jedoch schnell zu dem Entschluss, dass sie mit Sora oder Meiko einen genauso schönen Abend verbracht hätte und dennoch hoffte sie innerlich, sich bald wieder so fühlen zu dürfen.
 

Es hatte jetzt schon mehrfach an Izzy's Tür geklingelt, doch er hatte keine Lust auf zu machen. Allerdings ließ die unerwünschte Person nicht locker, so dass Izzy sich schließlich doch von seinem PC abwenden und zur Tür gehen musste.

Was konnte denn jetzt so wichtig sein?

Er hatte für heute keinen Besuch erwartet und war erstaunt, als Tai plötzlich davor stand.

„Tai. Was machst du hier?“

„Ich muss kurz mit dir reden.“, sagte der Braunhaarige und ging an Izzy vorbei ins Wohnzimmer. Für ihn war klar gewesen, dass er Izzy von dem gestrigen Abend mit Mimi erzählen musste. Er war schließlich sein Freund und das letzte was er wollte war, dass Izzy ausgerechnet jetzt was in den falschen Hals bekam. Er hatte den Abend mit Mimi genossen und fand ihn schön, aber sie waren Freunde und von daher konnte Izzy ruhig davon erfahren.

„Hast du mit Mimi gesprochen?“, fiel Izzy direkt mit der Tür ins Haus, denn er konnte sich denken, um was es ging.

Das Thema beschäftigte ihn wohl immer noch sehr. Izzy folgte Tai ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch.

„Ja, deswegen bin ich hier. Ich habe mich gestern Abend mit ihr getroffen.“

„Und? Was hat sie gesagt?“, drängte Izzy ihn.

„Nicht viel...“, war Tai’s Antwort. Womit sich das Computergenie natürlich nicht zufrieden gab.

„Nicht viel? Was soll das heißen, nicht viel? Ich dachte, du wolltest mit ihr darüber reden.“,hakte Izzy weiter ungeduldig nach.

Tai überlegte, wie er ihm sagen sollte, dass er gar nicht mit Mimi über die Situation zwischen den beiden gesprochen hatte. Er ging zu Izzy's Kommode und nahm ein Foto in die Hand. Darauf war die ganze Clique zu sehen. Es war ungefähr vor 3 Jahren entstanden, als alle noch zur Schule gingen.

Gedankenverloren betrachtete er es.

Mimi war schon immer sehr hübsch gewesen, es war ihm nur noch nie so bewusst aufgefallen. Doch, wenn er so an gestern Abend dachte, wie sie mit ihm auf dem Dach saß...

„Erde an Tai? Was hat sie gesagt?“

„...Dass sie Zimt mag...“, antwortete Tai völlig in Gedanken versunken, mehr zu sich selbst, als zu dem Rothaarigen.

Izzy runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was? Zimt? Was redest du da? Sag mal, bist du überhaupt richtig da?“

Tai verwarf seinen Gedanken, stellte das Bild wieder ab und wandte sich dann Izzy zu.

„Izzy, wie gut kennst du Mimi eigentlich?“

„Was soll diese Frage? Wir kennen uns seit Jahren, das weißt du.“, antwortete Izzy, offenbar langsam sauer, dass er von seinem Freund keine vernünftige Antwort bekam.

„Das meine ich nicht. Was ich damit sagen will... Wie gut kennst du sie wirklich?“

Izzy wusste immer noch nicht wovon er sprach und was er eigentlich von ihm hören wollte.

„Ich meine, klar kennst du sie seit Jahren, aber hast du dir je die Mühe gemacht, herauszufinden wer sie ist und was sie beschäftigt? Welche Musik hört sie gern? Was liebt sie? Und was hasst sie? Was tut sie Abends als letztes bevor sie einschläft? Was bereitet ihr Freude?“

„Worauf willst du hinaus?“ Das Computergenie stand völlig auf dem Schlauch.

„Wenn sie dir wirklich was bedeutet und du eure Freundschaft retten willst, dann solltest du all diese Dinge herausfinden. Erst wenn du sie richtig kennst und ihr zeigst, dass du dich für sie als Mensch interessierst, wird sie dich ernst nehmen und dir vielleicht eine Chance geben.“

Izzy sah ihn verblüfft an. Und selbst Tai war erstaunt über seine aufrichtigen Worte. Doch es ergab einen Sinn und war für ihn der einzige Weg, wie sie zueinander finden konnten.

„Tai... Du bist genial.“, kam es plötzlich von Izzy. „Du hast recht, ich bin die Sache völlig falsch angegangen! Ich bin seit einer Ewigkeit in sie verliebt und weiß eigentlich gar nichts von ihr...“

Izzy begann im Raum auf und ab zu gehen und angestrengt nachzudenken.

„Aber wir haben nie über solche Dinge gesprochen.“

Tai folgte ihm mit seinen Augen. War es tatsächlich dieser Denkanstoß, der Izzy fehlte?

„Aber wie soll ich das nur rausfinden? Wie soll ich sie besser kennen lernen, wenn sie kein Wort mehr mit mir spricht?“, fragte Izzy und sah seinen Freund hilfesuchend an.

Dieser wusste allerdings keine Antwort mehr darauf.

Izzy hatte recht. Die Situation war inzwischen so verfahren, dass Mimi Izzy sicher nicht ihre tiefsten Gedanken auf die Nase binden würde. Doch nachdem sie sich eine Weile wortlos angesehen hatten, kam Izzy eine Idee und er riss begeistert die Augen auf.

„Ich hab’s! Du wirst es für mich tun!“
 

Tai hatte es die Sprache verschlagen.

Was wollte Izzy von ihm? Er musste noch ein mal nachfragen, um sicher zu gehen, dass er ihn richtig verstanden hatte.

„Bitte was? Ich soll für dich herausfinden, wie Mimi tickt?“

Izzy nickte. Und schien komplett begeistert von seiner Idee.

„Was soll der Blödsinn? Das kann ich doch nicht machen!“

„Warum denn nicht? Du sollst dich doch nur noch ein paar mal mit ihr treffen und rausfinden, was sie so mag. Was sie beschäftigt, auf welche Sachen sie so steht... Musik, Fime, Essen, Bücher, keine Ahnung... Du hast gesagt, sie mag Zimt, das ist doch schon mal ein Anfang. Genau solche Sachen will ich wissen! Ich weiß so viele unwichtige Dinge von ihr, aber nicht was sie bewegt oder was für Träume sie hat. Wenn ich das weiß, kann ich viel besser an sie ran kommen.“

Das Computergenie schien völlig euphorisch und steigerte sich immer weiter hinein. Während Tai nicht fassen konnte, was sein Freund da gerade von ihm verlangte.

„Du willst, dass ich Mimi für dich ausspioniere, damit du bei ihr landen kannst?“

Bemerkte Izzy denn gar nicht, wie lächerlich er sich gerade machte?

„Das ist doch kein ausspionieren. Außerdem hast du gesagt, du willst mir helfen. Und mit mir spricht sie ja nicht mehr.“, redete Izzy weiter auf ihn ein.

„Izzy! Ich kann doch nicht dir helfen und dabei Mimi in den Rücken fallen. Vergiss es! Das mach ich nicht!“, weigerte sich Tai und fing an nervös im Raum auf und ab zu gehen.

„Tai was soll ich denn machen? Sie hat mir deutlich gesagt, dass sie erst mal die Nase voll von mir hat. Und ich kann es ihr nicht mal verübeln. An ihrer Stelle hätte ich auch die Nase voll von mir. Weißt du, dass sie mir heute in der Schule schon wieder den ganzen Tag aus den Weg gegangen ist?“

Der Student schüttelte den Kopf. „Das ist total unmoralisch.“

„Izzy, ich weiß, du bist verzweifelt. Aber du kannst mich nicht einfach vor den Karren spannen. Mimi ist auch meine Freundin und das wäre ihr gegenüber nicht fair.“

Der Rothaarige ließ betrübt den Kopf sinken.

„Wahrscheinlich hast du recht. Es wäre nicht richtig, das von dir zu verlangen. Nur versteh mich bitte auch. Ich hab sie echt verletzt und sie war so sauer auf mich. Ich bin im Moment sehr weit davon entfernt mit ihr auszugehen, geschweige denn ihr meine Gefühle zu gestehen.“

Izzy machte einen unglaublich geknickten Eindruck auf seinen Freund. Und trotzdem konnte er ihm nicht helfen. Es wäre einfach falsch gewesen. Wenn Izzy mehr von Mimi erfahren wollte, musste er das selbst rausfinden. Irgendwie...

„Es tut mir Leid, Izzy.“, entschuldigte er sich aufrichtig bei ihm.

Eine unmoralische Entscheidung

Tai war froh, dass die Diskussion schließlich doch noch ein Ende fand. Auf dem Nach Hause Weg gingen ihm Izzy's Worte noch ein mal durch den Kopf. Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er ihm so einen Floh ins Ohr gesetzt hatte. So hatte er das doch gar nicht gemeint. Er wollte seinen Freund doch nur ein wenig in die richtige Richtung schupsen. Er konnte ja nicht ahnen, dass Izzy gleich so überschnappte. Tai hatte ihm lediglich sagen wollen, dass er die Sache mit Mimi völlig falsch angegangen war, und er sie erst mal als Freundin besser kennen lernen sollte, bevor er ihr gleich ein Date aufdrückte.

Er überlegte, wie er seinem Freund noch helfen konnte. Es fiel ihm nichts besseres ein, als doch noch mal das Gespräch mit Mimi zu suchen. Vielleicht ließ sie sich ja irgendwie erweichen.

Der Student war so in Gedanken versunken, dass er gar nicht bemerkte, wie sich ihm jemand von hinten näherte.

Die Person tippte ihn an und Tai erschrak sich heftig.

„Hab ich dich erschreckt?“, fragte sie und lachte laut auf.

Tai hielt sich die Brust und rang nach Luft.

„Mimi! Mach das nie, nie wieder!“, schimpfte er.

Die Brünette konnte nicht mehr vor Lachen.

„Wer schreckhaft ist, hat etwas zu verbergen.“, sagte sie.

Tai fühlte sich leicht ertappt, was natürlich völlig unbegründet war.

„So ein Quatsch.“, stritt er ab. „Was machst du eigentlich hier?“

Mimi hatte sich wieder etwas beruhigt.

„Ich komme gerade von Sora. Und warum irrst du hier so gedankenverloren durch die Gegend?“, grinste sie ihn an.

„Nun ja, also...“, begann der Braunhaarige unbeholfen.

Jetzt oder nie, dachte er sich. Er musste einfach einen Versuch starten.

„Ich war gerade bei Izzy.“

Mimi’s Lächeln verblasste. Sie sah ihn fragend an, sagte jedoch nichts.

„Mimi, ich denke wirklich, ihr zwei solltet reden. Ich will ja gar nicht Partei für jemanden ergreifen, aber...“

„Tai, lass es.“, unterbrach Mimi ihn.

„Willst du dich etwa nicht wieder mit ihm vertragen?“, fragte Tai.

Mimi sah ihn zwar an, aber er konnte an ihrem Gesicht nichts ablesen, wusste nicht was gerade in ihr vorging. Die Schülerin schloss die Augen und ging an ihm vorbei.

„Du bist genau wie Sora. Wieso wollen alle, dass wir die Sache so schnell wie möglich klären?“, fragte sie und klang beinahe gekränkt.

„Aber ihr seid doch Freunde...“, sagte Tai zu Mimi’s Rücken gewandt. Nun konnte er noch weniger einschätzen, wie sie sich fühlte, da er ihr Gesicht nicht mehr sah. Doch da drehte die Brünette sich um und Tai erkannte Tränen in ihren Augen.

„Sind wir das?“, fragte sie und hatte Mühe ihre Gefühle zurück zu halten.

Tai wusste nicht mehr, was er antworten sollte. Waren Izzy und sie noch Freunde? Hatten sie Izzy's Worte tatsächlich so verletzt?

Er sah sie mitfühlend an, brachte jedoch keinen Ton mehr heraus.

„Deswegen ist es ja so schlimm, Tai. Weil wir Freunde sind! Hätte Irgendjemand das zu mir gesagt, hätte es mich nicht im Geringsten interessiert. Aber es war Izzy, der mich vor allen anderen verletzt hat, mir vorgeworfen hat, ich würde immer nur an mich selbst denken, als wär ich irgend so ein naives, oberflächliches Schulmädchen. Weißt du, wie kränkend das ist?“

Nun konnte sie nicht mehr anders und eine Träne suchte sich ihren Weg über ihr Gesicht.

Tai war völlig überrumpelt von Mimi’s ehrlichen Worten. Aber sie hatte Recht. In diesem Moment konnte er sehr gut verstehen, wie Mimi sich fühlen musste. Izzy war einer ihrer besten Freunde. Natürlich tat das weh. Schlimmer hätte es nur noch sein können, wären die Worte von Sora gekommen.

Sie wischte sich die Träne weg und versuchte ihre Fassung wiederzugewinnen.

„Ich muss jetzt nach Hause. Das wird sich schon wieder einrenken, aber er muss mir einfach etwas Zeit geben.“

Sie wandte sich von Tai ab und wollte gehen, als sie sich doch noch mal zu ihm umdrehte und lächelte.

„Ach übrigens, danke für den schönen Abend gestern. Das hat mir wirklich gut getan.“, verabschiedete Mimi sich und setzte ihren Heimweg fort. Und ließ dabei einen sprachlosen Tai zurück.

Er hatte einfach nicht die richtigen Worte gefunden.

Was sollte er ihr auch sagen?

Er konnte noch so oft auf sie einreden, aber ihre Augen sprachen Bände. Es war nicht daran zu denken, dass sie Izzy in nächster Zeit verzeihen würde. Und wer weiß, wenn zu viel Zeit ins Land gehen würde, würde der Weg zurück in die Freundschaft vielleicht sogar aussichtslos.

So schnell würde sie nicht über ihren Schatten springen können. Nicht ohne Hilfe...

Tai holte sein Handy raus, durchsuchte sein Telefonbuch und wählte die Nummer.

Es dauerte nicht lange, bis Izzy abnahm.

„Tai, was gibt’s?“

„Ich mach’s. Ich versuche, dir zu helfen.“
 

Wieso musste Tai alles kaputt machen, indem er wieder davon anfing?

Sie hatte sich nach dem gestrigen Abend so fest vorgenommen, nicht mehr so viel darüber nachzudenken. Und nun kam doch alles wieder hoch.

Verdammt, Tai. Wieso konnte er sich nicht einfach raushalten?

Wieso konnten sich nicht alle raushalten? Sie wusste selbst am besten, dass sie Izzy nicht ewig aus dem Weg gehen konnte. Aber zumindest so lang, bis sie bereit war ihm zu verzeihen. Zumindest das müsste man ihr doch zugestehen.

Als sie nach Hause kam, war sie immer noch sehr aufgewühlt. Sie versuchte sich wieder runter zu bringen, indem sie sich gleich ein heißes Bad einließ. Dabei konnte sie sich immer so richtig gut entspannen.

Sie versuchte nicht mehr an Izzy zu denken, oder an das was Sora und Tai gesagt hatten. Sie wollte einfach ihre Ruhe. Und sich auf ihre Prüfungen konzentrieren. Alles andere würde sich schon irgendwann von alleine regeln, redete sie sich immer wieder ein, als sie die Augen in der Wanne geschlossen hatte und die beruhigende Wärme des Wassers genoss.

Mimi nahm sich zumindest für heute Abend vor, sich von nichts mehr aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie musste eh noch lernen – die perfekte Ablenkung.

Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und zog sich bequeme Sachen an.

Als sie ins Wohnzimmer trat, fiel ihr Blick als erstes auf ihr Handy, das auf dem Tisch lag und blinkte.

Sie nahm es in die Hand und stellte fest, dass sie 2 verpasste Anrufe drauf hatte.

Von Tai.

Super. Was wollte er denn jetzt noch?

Mimi entschloss sich, die Anrufe einfach zu ignorieren und sich an ihre Arbeiten zu machen. Sie nahm ihren Laptop mit auf die Couch und begann einige Bücher und Kopien zu wälzen, um dann das Wichtigste auf ihrem Computer zusammen zu fassen.

Warum hatte Tai sie nur angerufen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er schon wieder wegen Izzy auf sie einreden wollte.

Nein, sie hatte ihm doch deutlich gemacht, dass sie erst mal nichts davon hören wollte, da war sie sich sicher. Aber was wollte er dann noch?

Mimi bemerkte, dass sie sich gar nicht mehr auf ihre Aufgaben konzentrierte, sondern abwesend aus dem Fenster sah. Sie versuchte sich zusammen zu reißen, und weiter zu lesen, als ihr Handy erneut klingelte.

Tai...

Ihr juckte es in den Fingern, ran zu gehen...

Sie musste dem Drang einfach nachgeben. Sonst würde sie sich heute gar nicht mehr auf ihre Bücher konzentrieren können.

„Hallo Tai, was gibt es denn?“, versuchte sie so belanglos wie möglich zu klingen.

Der Student am anderen Ende lachte unsicher.

„Ich dachte, du gehst heute gar nicht mehr an dein Telefon.“

Mimi antwortete nichts darauf. Sie wollte einfach nur wissen, was er wollte und dann weiter arbeiten.

Da keine Reaktion mehr von der Schülerin kam, setzte Tai das Gespräch fort.

„Also eigentlich wollte ich mich nur bei dir entschuldigen. Es war nicht richtig, dich deswegen so zu bedrängen. Natürlich ist es deine Sache, was du machst. Und wenn dich das so aufregt, müssen wir nie wieder darüber reden.“

Tai klang sehr aufrichtig. Mimi hatte das Gefühl, er meinte es ernst.

„Danke, Tai. Schon vergessen.“, beruhigte sie ihn.

„Darf ich dich trotzdem auf ein Abendessen oder einen Kinobesuch einladen, um es wieder gut zu machen?“

„Ich muss lernen.“, sagte Mimi. Eigentlich hielt sie es nicht für nötig oder angebracht, dass Tai sich in der Form bei ihr entschuldigte. Das war dann doch etwas übertrieben.

Und doch sagte ein Teil ihres Unterbewusstseins, dass sie sehr gerne einen weiteren Abend mit Tai verbringen würde.

„Dann morgen?“, schlug der Student ihr vor.

Mimi konnte nicht anders, als grinsen. Und sie gab ihrem inneren Gefühl nach...

„Na gut, morgen. Aber diesmal entscheide ich, was wir machen! Damit wir nicht wieder irgendetwas illegales tun.“

Tai lachte. „Geht klar! Dann bis morgen.“

„Bis dann.“, sagte Mimi und legte auf.

Das mit der Konzentration hatte sich für heute wohl erledigt. Gedanklich hing sie schon längst im morgigen Abend fest und fragte sich, ob er genauso schön sein würde, wie der gestrige...
 

Tai fühlte sich ziemlich mies, als er auflegte.

Irgendwie hatte er das Gefühl Mimi zu hintergehen.

Aber sie hatte so sensibel auf die Sache mit Izzy reagiert, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass sie von selbst wieder auf ihn zugehen würde. Und wahrscheinlich würde sie auch alle Versuche seitens seines Freundes im Keim ersticken.

Also was blieb ihm anderes übrig, als Izzy unter die Arme zu greifen?

Und wer weiß, vielleicht hatte dieser Plan, der auf Tai immer noch so absurd wirkte, ja doch etwas gutes. Auch, wenn er sich das Offensichtliche noch nicht eingestehen konnte, aber insgeheim gefiel ihm der Gedanke, den Abend mit Mimi zu wiederholen.

Er wusste nicht was, aber irgendetwas hatte ihn fasziniert.

Vielleicht bildete er sich das aber auch nur ein und es lag allein an der Atmosphäre, die so schön war und seinen Gedanken einen Streich gespielt hatte.

Was auch immer, seine Gefühle waren hier zweitrangig und er schob sie nach hinten.

Izzy stand jetzt im Vordergrund und er wollte alles daran setzen, die Freundschaft der beiden zu kitten.

Shoppingtour mit Irritationen

„Kari, das sieht wirklich unmöglich aus.“, amüsierte sich Mimi über ihre Freundin und auch Meiko konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Es war einfach zu komisch. Kari ging die Umkleidekabine auf und ab und drehte sich dabei, wie auf einem Catwalk.

Sie hatte sich einen giftgrünen, alten Damenhut, den eine gelbe Feder zierte aufgesetzt, samt leuchtend rotem Schal und einer Sonnenbrille.

„Findet ihr? Ich denke Takeru wird mein neues Outfit ganz exquisit gefallen. Das ist schließlich die neueste Mode aus Frankreich.“, alberte Kari herum und verstellte dabei ihre Stimme, wie die einer feinen, englischen Dame.

Meiko und Mimi schmissen sich weg vor lachen.

„Ich würde alles dafür geben, wenn er dich heute Abend so sehen könnte.“, sagte Meiko und ihr stiegen schon die Tränen in die Augen.

„Keine schlechte Idee, mein Kind. Ich werde es ihm sogleich heute Abend vorführen. James, lassen sie dieses Gewand bitte für mich einpacken.“, spielte Kari weiter und drückte Mimi den Hut und den Schal in die Hand.

Mimi prustete los. Ihr tat schon alles weh vom Lachen. Sie hatte sich heute mit ihren Freundinnen zum shoppen verabredet, was definitiv die beste Idee des Tages gewesen war. Sie hatte so viel Spaß! Das ließ sie zumindest für den Moment die Sorgen der letzten Tage vergessen. Schade, dass Sora keine Zeit hatte...

„So, nachdem ich also mein Outfit für heute Abend gefunden habe...“, begann Kari wieder in ihrer normalen Stimme, doch Meiko musste sofort wieder los lachen.

„...lach nicht!“, ermahnte Kari ihre Freundin und musste dabei selbst breit grinsen.

„Was wollen wir als nächstes tun?“

„Oh, ich könnte ein neues Parfum gebrauchen.“, fiel Mimi ein.

„Ein neues Parfum? Eventuell für einen neuen Freund?“, stichelte Kari und grinste ihre Freundin vielsagend an.

„Ich habe doch gar keinen Freund und der Einzige, mit dem ich heute Abend ausgehe, ist dein Bruder und für den brauche ich ganz sicher kein neues Parfum.“, winkte Mimi ab.

„Da hast du recht! Er würde es sowieso nicht bemerken. Sein Geruchssinn ist eh nur für essbare Dinge ausgelegt.“, amüsierte Kari sich über ihren Bruder. Meiko und Mimi stimmten ihr lachend zu. So feinfühlig war Tai wirklich nicht...
 

„Also Tai, warum wolltest du mich treffen?“, fragte Sora ihren besten Freund und sah ihn neugierig an.

Tai und Sora schlenderten gerade durch das Buchgeschäft im Einkaufszentrum und sahen sich ein paar fachspezifische Bücher an, die Tai für sein Studium benötigte. Er hatte sie gebeten, ihm bei der Auswahl einiger davon zu helfen.

Natürlich war das nicht der wahre Grund gewesen, warum er sich mit ihr treffen wollte.

Und Sora durchschaute es sofort. Sie kannte ihn einfach zu gut.

Tai fühlte sich ertappt und genau so sah er auch aus.

Sora grinste. „Du weißt genauso gut, wie ich, dass ich von diesem Kram hier keine Ahnung hab. Du hättest dir wirklich was besseres einfallen lassen können, Taichi Yagami.“

Sie hatte recht.

Tai ärgerte sich innerlich, dass er etwas so plumpes vorgeschoben hatte. Hätte er sich doch denken können, dass sie ihm das nicht abnahm.

„Du bist ne Klugscheißerin.“, nörgelte Tai beleidigt.

Die Rothaarige lächelte triumphierend und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue auffordernd an.

Nun gut, es half schließlich nichts, um den heißen Brei drum rum zu reden. Sora würde eh keine Ruhe geben.

„Die Sache ist die: ich war gestern noch mal bei Izzy und er ist ziemlich geknickt, wegen der Sache mit Mimi.“

Sora nickte verständnisvoll. „Ich weiß, ich habe gestern Mimi getroffen und sie hat keine Ambitionen, sich mit ihm auszusöhnen.“

„Deswegen wollte ich dich sprechen. Mimi hat doch bald Geburtstag. Und ich denke, wenn Izzy ihr etwas schenken würde, was sie so richtig umhaut... Vielleicht hört sie ihm dann zu.“

„Mmh, kein schlechter Gedanke. Mimi steht auf Geschenke.“, stimmte Sora ihrem Freund zu.

„Und auf was steht sie so? Das ist nämlich mein Problem.“

„Wieso sagst du ‚mein Problem’?“ Sora war irritiert und sah Tai skeptisch an.

Er wich ihrem Blick aus und tat so, als würde er sich interessiert der Rückseite eines Buches widmen. „Ähm, das war nur so daher gesagt. Also, hast du eine Idee, was Izzy ihr schenken könnte?“

Sora überlegte. Sie machte einige Vorschläge: „Vielleicht ein paar Ohrringe, einen schönen Schal oder eine Sonderausgabe ihres Lieblingsbuches...“

„Komm schon Sora, da geht doch noch mehr oder? Du bist ihre beste Freundin...“, stöhnte Tai und hoffte so, noch etwas Besseres aus Sora rauskitzeln zu können.

Izzy konnte doch schlecht mit einem Buch an Mimi's 18. Geburtstag um die Ecke kommen.

Wahrscheinlich würde sie es ihm direkt um die Ohren hauen.

„Ah, ich hab’s!“, strahlte die Studentin plötzlich auf und klatschte in die Hände.

„Das ‚Festival of hearts’.“

Tai sah seine Freundin fragend an. „Was ist das?“

„Das ist ein Open-Air-Konzert, zu dem Mimi unbedingt hingehen wollte. Hat sie mir neulich erzählt. Da treten viele bekannte Künstler auf und das Ganze ist wohl für einen guten Zweck.“, erklärte Sora.

Na bitte, ging doch! Tai lächelte zufrieden und tätschelte Sora den Kopf.

„Ich wusste, auf dich ist Verlass.“

„Hab ich jetzt was gut bei dir?“, kicherte die Rothaarige.

„Ich sag’s Izzy.“, grinste Tai und die beiden verließen den Laden.

Er war stolz auf sich und seine Idee, Sora mit einzubeziehen.

Sora war Mimi's beste Freundin und es war nichts verwerfliches daran, sie nach einem passenden Geschenk zu fragen.

Das erleichterte sein Gewissen zumindest ein bisschen... Für’s erste.
 

„Oh Mimi, dieser Duft ist wirklich ein Traum!“, schwärmte Meiko und roch noch ein mal an Mimi’s Handgelenk.

„Danke!“, antwortete die Brünette geschmeichelt.

Die drei Freundinnen kamen gerade aus einer Parfümerie und wollten sich gleich noch einen Coffee-to-go holen, bevor sie ihre ausgiebige Shoppingtour fortsetzten.

„Was wollt ihr heute Abend eigentlich machen? Also du und mein Bruder?“, fragte Kari neugierig an Mimi gewandt.

Diese zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich noch nicht.“, log sie.

Natürlich hatte sie schon eine Idee, wo sie mit Tai hingehen würde. Aber das wollte sie ihren Freundinnen jetzt nicht verraten. Sicher kam es Ihnen eh schon komisch vor, dass sie alleine mit Tai ausgehen würde. Und gerade Kari gegenüber wollte sie nicht zu viel preisgeben. Sie war schließlich seine Schwester und sehr feinfühlig, was solche Dinge anging. Und Mimi wollte nicht, dass Kari falsche Schlüsse zog.

„Hey Bruderherz!“, rief Kari und riss Mimi somit aus ihren Gedanken.

„Wir haben gerade von dir gesprochen.“

Bruderherz? Was? War Tai etwa hier?

Mimi blickte sich suchend um.

Tatsächlich. Kari winkte ihren Bruder herüber.

Tai kam auf die drei Mädchen zu, mit... Sora?

Was machte sie denn hier? Mit Tai. Mimi hatte sie doch angerufen und gefragt, ob sie mit shoppen gehen wollte. Sora sagte nur, dass sie keine Zeit habe, aber nicht, dass Tai der Grund dafür war.

„Ich hoffe, es war nur gutes, wenn ihr schon über mich lästern müsst.“, grinste Tai und zwinkerte seiner Schwester zu.

Meiko begrüßte die beiden, während Mimi nur verdattert da stand.

„Mimi, alles klar?“, fragte Tai sie, als er ihren erstaunten Gesichtsausdruck bemerkte.

Mimi schüttelte schnell den Kopf und lächelte erst Tai und dann Sora an.

„Äh ja, alles gut. Was macht ihr hier?“

Sora grinste nervös. Auch ihr war der fragende Blick ihrer Freundin nicht entgangen.

„Oh, Tai hatte mich nur gebeten, ihm beim aussuchen einiger Bücher zu helfen, die er für sein Studium braucht.“

Mimi blickte von Sora zu Tai und musterte ihn.

„Ich sehe keine Bücher.“

Tai kratzte sich verlegen am Kopf und grinste schief.

„Ja, es war leider nicht das Richtige dabei.“, verteidigte er sich.

Irgendwie kam Mimi die Situation spanisch vor.

Wieso erzählte Sora ihr nicht, dass sie sich mit Tai treffen wollte? Das wäre doch kein Problem gewesen.

Gut, ihre beste Freundin versetzte sie, um mit Tai Bücher einzukaufen, was sie dann schließlich doch nicht taten... Aber das hätte sie doch sagen können.

Mimi verwarf ihre komischen Gedanken schnell wieder und lächelte die beiden an.

„Und was habt ihr jetzt noch so vor?“

Sora sah Tai fragend an. „Ach, ich denke, wir sind für heute fertig, oder? Ich muss jetzt auch wieder nach Hause und ein paar Bücher wälzen. Und Matt wollte später noch vorbei kommen. Tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte.“, entschuldigte sich die Rothaarige und umarmte ihren Freund zum Abschied.

„Macht nicht’s. Trotzdem danke, dass du mitgekommen bist, Sora.“, entgegnete Tai und ihm entging dabei nicht, wie Mimi sie aufmerksam beobachtete.

Die Brünette sah schnell weg und tat so, als hätte sie ein großes Interesse an dem nächstgelegen Schaufenster.

Sora verabschiedete sich auch noch von den anderen Dreien und machte sich auf den Weg nach Hause.

„Mist, ist es tatsächlich schon so spät?“, erschrak sich Kari bei einem Blick auf die Uhr.

„Oh man, ich bin doch noch mit Takeru verabredet. Sorry Leute, aber ich muss los.“

„Macht nichts, ich muss auch nach Hause. Meine Schicht im Krankenhaus beginnt bald und ich wollte mich vorher noch etwas von unserem Shopping-Training erholen.“, lachte Meiko.

„Was ist mit euch beiden?“, fragte Kari an Tai und Mimi gewandt.

„Ich glaube, wir haben noch was vor.“, grinste Tai Mimi schief an.

„Ok, Bruderherz. Dann noch viel Spaß bei... Was auch immer. Mach’s gut Mimi.“, verabschiedete sich Kari hektisch und zerrte Meiko hinter sich her.

„Hey, nicht so schnell.“, protestierte die Schwarzhaarige.

„Komm schon, ich hab’s eilig.“, kicherte Kari.
 

Tai und Mimi standen da und schwiegen sich an.

„So so, ihr habt also über mich geredet?“, begann Tai, um die Stille zu durchbrechen.

„Nicht’s wichtiges.“, antwortete Mimi gleichgültig und verschränkte die Arme vor der Brust.

Tai hatte das Gefühl, dass Mimi seinem Blick auswich. Was hatte sie denn?

„Sag mal... Warum hast du eben so merkwürdig geguckt?“, fragte er sie aus einer Vermutung heraus.

„So ein Quatsch, habe ich gar nicht.“, antwortete Mimi und wirkte leicht gereizt auf Tai.

„Hast du doch! Als du mich mit Sora gesehen hast...“ Er fing an zu lachen. „Wenn ich es nicht besser wissen würde, hätte man denken können, du wärst eifersüchtig gewesen.“

„Sei nicht albern Tai.“, reagierte Mimi beleidigt. „Erstens ist Sora mit Matt zusammen und zweitens, wieso sollte ich eifersüchtig sein?“

„Das frage ich mich auch.“, grinste Tai sie frech an.

„Zerbrich dir nicht den Kopf.“

Na gut, er hatte sich wohl geirrt. Und wahrscheinlich war sie jetzt nur so beleidigt, weil er ihr das unterstellt hatte. Tai wollte jetzt nicht darauf rumreiten und versuchte das Thema zu wechseln.

„Wie spät ist es eigentlich? Ich glaube, wir sind bald miteinander verabredet.“, witzelte er und nahm Mimi’s Handgelenk, um auf ihre Uhr zu sehen.

Dabei stieg ihm ein sehr angenehmer Duft in die Nase.

Er hob ihr Handgelenk noch ein Stück höher, um daran zu riechen.

„Hey, was machst du da?“, protestierte Mimi und wurde dabei leicht rot.

„Wow, duftet wirklich gut. Steht dir!“

„Na wenn du das sagst.“, antwortete die Brünette verlegen und zog ihre Hand zurück.

Tai hätte gerne noch etwas länger ihren Duft eingeatmet. Er roch so angenehm blumig und dezent und schmeichelte ihr wirklich sehr.

„So, meintest du nicht gerade, wir wären bald miteinander verabredet?“, fragte Mimi und räusperte sich.

Tai steckte die Hände in die Hosentaschen und lächelte sie an.

„Ich warte nur noch darauf, dass du mir sagst, wo wir hin gehen.“

Mimi zwinkerte ihrem Freund vielsagend zu.

„Du hast es mir doch beim letzten Mal auch nicht verraten. Da wirst du dich wohl überraschen lassen müssen.“

neue Seiten

Nachdem Mimi und Tai das Einkaufszentrum verlassen hatten, gingen sie zunächst ein mal zu Mimi nach Hause. Die Schülerin wollte noch etwas von zu Hause holen und sich umziehen.

Als Mimi die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss und die beiden eintraten, rümpfte Tai die Nase.

„Mmh das riecht fantastisch. Hast du gebacken?“

„Ja, das mache ich immer, wenn ich aufgeregt oder nervös bin. Dann überkommt es mich einfach. Ist so ein Tick von mir.“, kicherte Mimi, bevor ihr klar wurde, was sie gerade über sich verraten hatte.

Tai zog eine Augenbraue nach oben. „Wieso warst du aufgeregt?“, fragte er neugierig.

„Ach, nur wegen der Prüfungen, die in ein paar Monaten anstehen.“, redete die Brünette sich schnell raus.

Tai fing an zu lachen. „Deswegen warst du nervös? Das ist doch noch lange hin. Was machst du denn dann erst, wenn es soweit ist?“

„Na ja, wahrscheinlich werde ich an die tausend Kekse backen. Die stehen übrigens in der Küche, bedien dich ruhig. Ich zieh mich schnell um.“, sagte Mimi und verschwand im Schlafzimmer.

Tai ließ sich das nicht zwei mal sagen, ging in den offenen Wohnbereich, wo sich auch die Küche befand und machte sich sofort über Mimi’s Kekse her.

Er steckte sich den ersten in den Mund und musste lächeln...

Zimt.

Sofort dachte er wieder an den Abend auf dem Hochhaus. Als sie zusammen auf dem Dach saßen und um sie herum einfach alles perfekt war. Die Aussicht auf die Stadt, die vielen Lichter und...

Wieder verdrängte er den Gedanken. Was war denn nur los mit ihm?

Immer, wenn er an den Abend dachte, kam ihm als erstes Mimi’s Gesicht in den Sinn.

Wie unbeschwert und glücklich sie ausgesehen hatte. Und wie schön...

Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich. Mimi war schon fertig.

„Was denn? Ich bin fest davon ausgegangen, dass der Teller leer ist, wenn ich raus komme.“, lachte sie und deutete auf den noch vollen Keksteller vor Tai.

Jetzt erst realisierte er wieder, wo er sich befand. Er hatte sich von seinen Gedanken hinreißen lassen.

Das durfte ihm nicht noch ein mal passieren. Sonst stellte er sich vielleicht noch irgendwann die Frage, warum sich Mimi in seinen Kopf schlich und dann würde das Ganze real werden. Und das wollte er auf keinen Fall.

„Ich komme gerne wieder und esse alle auf, wenn du willst.“, antwortete er keck, nachdem er sich noch mal ins Gedächtnis gerufen hatte, warum er hier war.

Tai legte den Kopf schief und betrachtete Mimi, die zum Glück nicht’s von seinem Gedankenspiel mitbekam.

„Sag mal, wollen wir heute noch eine Bank überfallen?“

Sie war komplett in schwarz gekleidet und hatte ihr leicht gewelltes Haar zu einem Pferdeschwanz zurück gebunden.

Die Schülerin stemmte die Arme an die Seite und machte ein bedeutendes Gesicht.

„Na ja, vielleicht war ich nicht ganz ehrlich zu dir, als ich gesagt hab, wir machen diesmal nichts Illegales.“

Tai kratzte sich gespielt nachdenklich am Hinterkopf. „Mimi, ich weiß nicht. Ich war neulich mit einer Freundin unterwegs, die hatte echt die Hosen voll, als ich mit ihr in ein leeres Gebäude einbrechen wollte. Das Risiko will ich nicht noch mal eingehen.“

Mimi lachte und boxte Tai am Arm. „Pah! Ich habe keine Ahnung, von wem du redest.“

„Kennst du nicht.“, grinste Tai breit und freute sich, dass er sie aufziehen konnte.

Er fragte sich, was Mimi vor hatte. Aber eigentlich war es unwichtig. Er freute sich einfach auf den Abend.
 

Nachdem sie eine ganze Weile quer durch die Stadt gegangen waren, standen die beiden Freunde vor einem klitzekleinen Vergnügungspark und Tai fragte sich, was sie hier wollten. Schließlich hatte alles geschlossen und nicht ein Fahrgeschäft hatte geöffnet. Außerdem war es bereits dunkel geworden.

„Was wollen wir hier, Mimi?“, fragte er frei heraus.

„Komm einfach mit.“, forderte Mimi ihn auf und ging voraus. Der kleine Vergnügungspark war nicht abgeschlossen oder umzäunt, lediglich die Fahrgeschäfte waren verschlossen.

„Moment mal...“, protestierte Tai und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und das ist also erlaubt?“

„Siehst du hier irgendwo einen Zaun, über den wir springen müssen? Ich nicht, also ist es irgendwie erlaubt. Sei kein Angsthase, Tai.“, neckte die Brünette ihn und ging weiter.

Tai grinste und folgte seiner Freundin in den Park hinein.

Mimi ging an vielen Fahrgeschäften und Buden vorbei, bis ganz nach hinten durch und blieb dann vor einem alten Holzschuppen stehen.

Sie rüttelte ein wenig an der Tür, bis sie endlich mit einem lauten knarzen aufging.

Ihr Freund stand dicht hinter ihr und beobachtete sie argwöhnisch.

„Ich bin froh, dass wir uns kennen und ich weiß, dass du keine verrückte Serienkillerin bist. Aber jeder Andere würde spätestens jetzt schreiend weg rennen, das ist dir klar oder?“, fragte Tai skeptisch und konnte sich keinen Reim darauf machen. Was zum Teufel wollten sie bloß hier?

Vielleicht besaß Mimi irgendeinen schrägen Humor, von dem Tai noch nichts wusste.

„Es gibt absolut keinen Grund Angst zu haben.“, versicherte Mimi ihm mit einem Lächeln und ging in die Knie.

Plötzlich sah Tai, wie sich mehrere leuchtende Kugeln auf sie zubewegten und er erschrak sich leicht. Was war das nur?

Doch dann erkannte er einige kleine Kätzchen, die maunzend auf Mimi zukamen und mit ihren Händen schmusten.

„Hi, ihr Süßen. Na, geht es euch gut?“, begrüßte Mimi die Kleinen liebevoll.

Tai ging neben Mimi in die Hocke und betrachtete die Kätzchen.

„Mimi, wie kommen die hier her?“, fragte er neugierig.

Es waren 5 kleine, dunkelgraue Kätzchen, einige davon hatten ein paar weiße Flecken.

„Ich habe sie vor ein paar Wochen gefunden. Irgendjemand hat sie wohl nicht haben wollen und da ich sie nicht alle mit nach Hause nehmen konnte, habe ich sie hier her gebracht.“, erklärte Mimi und spielte währenddessen vergnügt mit den kleinen Kätzchen.

„Und das weiß keiner?“, fragte Tai und sah sich suchend um, als würde gleich jemand um die Ecke kommen.

„Bis jetzt nicht. Aus irgendeinem Grund wird dieser Schuppen hier nicht benutzt. Sie sind jetzt schon etwas größer. Ich werde bald versuchen sie zu vermitteln und ein schönes zu Hause für sie zu finden.“

Tai war schwer beeindruckt von so viel Fürsorge.

Das würde eindeutig nicht jeder tun.

Er betrachtete Mimi, wie sie mit den Kätzchen spielte. Ihre Augen schienen zu leuchten.

Tai fing an sich zu wundern. Es gab so viele Seiten an Mimi, die er noch nicht kannte. Und er fragte sich, warum das so war.

Sie kannten sich schon so lange, doch gerade jetzt fiel Tai auf, wie oberflächlich er sie immer betrachtet hatte. Für ihn war sie immer Mimi gewesen. Einfach nur Mimi. Die gerne viel Zeit mit ihren Freundinnen verbrachte, die gerne zu viel Geld ausgab, die gerne so laut über irgendwelche albernen Dinge lachte, als könnte sie niemand hören und die dickköpfig war und immer das tat, worauf sie gerade Lust hatte.

Aber das alles waren Äußerlichkeiten, die jeder über sie wusste, der sie kannte.

Doch inzwischen durfte Tai eine andere Seite von ihr kennenlernen.

Die Seite, die eigentlich Izzy kennenlernen sollte...

Izzy sollte jetzt mit Mimi hier sein und nicht er.

Mimi packte ein paar Dosen Katzenfutter aus ihrem Rucksack, woraufhin die Kätzchen ganz unruhig wurden.

Tai beobachtete, wie Mimi das Futter verteilte und wie liebevoll sie dabei mit den kleinen Tieren umging.

Er lächelte sie an. „Und was machen wir jetzt?“

Mimi packte ihre restlichen Sachen wieder ein und stand auf.

„Komm mit, ich zeige dir meinen Lieblingsort.“

mein Lieblingsort

Die zwei gingen zu einem nahegelegenen Kettenkarussell, welches nicht weit von dem alten Schuppen entfernt war.

Mimi stellte ihren Rucksack ab und ließ sich auf einer der Kettenschaukeln nieder.

Tai setzte sich neben sie und sah sie fragend an. Er war neugierig darauf zu erfahren, warum ausgerechnet das hier ihr Lieblingsort war. Doch er hatte Hemmungen sie danach zu fragen. Ihm schien es irgendwie zu persönlich.

Mimi blickte hinauf in die Sterne und sah dabei unglaublich zufrieden aus. „Möchtest du wissen, warum das mein Lieblingsort ist?“, fragte sie ihn, als könnte sie seine Gedanken lesen.

„Ich war früher oft mit meinen Eltern hier. Als ich klein war und jedes Mal, wenn wir hier waren, bin ich ungefähr zehn Mal mit diesem Kettenkarussell gefahren. Und es fühlte sich jedes Mal so nach... Nach Freiheit an, verstehst du?“

Sie blickte Tai an und wieder erkannte er dieses Leuchten in ihren Augen.

Mimi schloss ihre Augen und lächelte. „Ich hab einfach die Augen zugemacht und bin geflogen.“, sagte sie und breitete ihre Arme aus.

„Zumindest hat es sich so angefühlt.“

„Das hört sich wirklich sehr schön an.“, gestand Tai und lächelte erst sie und dann die Sterne an. Er fühlte sich sehr geschmeichelt, dass Mimi ihm so etwas persönliches anvertraute. Doch direkt in diesem Moment meldete sich das schlechte Gewissen zu Wort.

Wenn er all diese Dinge, die er heute von ihr erfahren hatte, Izzy weiter erzählte, war das, als würde er sie hintergehen. Was sollte er nur tun?

Ohne es zu merken, blickte er plötzlich ziemlich ernst drein, was der Schülerin jedoch nicht entging.

„Hey, weißt du was?“, fragte sie und grinste ihren Freund an.

Dieser wandte seinen Blick von den Sternen ab und nun Mimi zu.

„Ich war vorhin wirklich eifersüchtig, im Einkaufszentrum. Als ich dich mit Sora gesehen habe.“, gestand die Brünette ihm.

Tai war sichtlich überrumpelt und bekam große Augen. Bis Mimi anfing zu grinsen...

„Nicht das, was du jetzt denkst! Sora hatte mich wegen dir versetzt. Das war ziemlich enttäuschend für mich, dass sie dich mir vorgezogen hat.“, erklärte sie ihm und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Achso! Und ich hatte schon Angst.“, sagte Tai, fuhr sich nervös durch’s Haar und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie ihn eben fast eiskalt erwischt hätte.
 

„Hallo? Wer ist da?“, rief plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit zu ihnen herüber.

Mimi zuckte zusammen und fluchte leise. „So ein Mist.“

Tai erkannte ein Stück weiter weg nur eine Taschenlampe, die sich immer weiter auf die beiden zu bewegte.

Mimi sprang sofort auf und schnappte sich ihren Rucksack.

„Komm! Wir müssen abhauen, das ist wahrscheinlich der Besitzer.“, erklärte sie ihm hektisch.

„Na toll, auch das noch.“, stöhnte Tai und sprang ebenfalls von der Schaukel.

Sie standen einige Sekunden da und blickten in Richtung des Lichtes, welches sich immer weiter näherte.

Mist, sie konnten nicht an ihm vorbei zum Ausgang.

„Hallo? Ich weiß genau, dass da jemand ist!“, rief die Stimme erneut. Und diesmal deutlich erbost.

„Komm mit!“, forderte Tai seine Freundin auf und nahm sie bei der Hand.

Er zerrte sie hinter sich her. Sie mussten sich irgendwo verstecken.

Eine Anzeige wegen unbefugtem Betreten eines Grundstücks konnte er als frisch gebackener Wirtschaftsstudent nun wirklich nicht gebrauchen.

Tai zog sie immer weiter hinter sich her, bis sie wieder bei dem Schuppen ankamen, in dem sich die Kätzchen befanden.

„Warte!“, sagte Mimi plötzlich und riss sich von Tai’s Hand los.

„Ich hab vergessen die Tür zu zu machen.“

Tai versteckte sich schnell seitlich hinter dem Schuppen, während Mimi verzweifelt an der knarzenden Tür zog.

„Komm schon, Mimi.“, drängte Tai sie.

„Wenn ich euch in die Finger kriege, dann könnt ihr was erleben!“, drohte der Mann, der sich ihnen immer weiter näherte.

Tai sah um die Ecke und erkannte, wie nah er inzwischen gekommen war.

Gleich würde er Mimi entdecken.

Ohne zu überlegen, packte er die Brünette am Handgelenk und zog sie zu sich rum. Gerade im richtigen Moment.

Er hielt ihr Handgelenk fest umklammert und zog sie mit der anderen Hand an den Hüften zu sich heran.

Der Mann stand nun direkt neben dem Schuppen und leuchtete in die Dunkelheit. Er war gerade mal ein paar Meter von ihnen entfernt.

„Ich weiß genau, dass ihr hier irgendwo seid!“, schrie der wütende Mann erneut.

Mimi presste ihr Gesicht gegen Tai’s Brust und hielt die Luft an.

Da war er wieder... Dieser wunderbare Duft, der sie umgab. Tai atmete ihn leise ein und verfestigte seinen Griff um ihre Hüfte.

„Ihr Mistbälger, irgendwann erwisch ich euch!“, nörgelte der Besitzer und wandte sich schließlich ab.

Mimi’s Anspannung löste sich und sie atmete erleichtert aus.

„Puh, das war knapp.“, flüsterte Tai und hielt Mimi dabei immer noch fest.

„Danke, dass du mich vor dem alten Zausel gerettet hast.“, sagte Mimi und lächelte ihn erleichtert an.

Tai überkam das plötzliche Bedürfnis noch etwas länger in dieser Position zu verharren, doch noch bevor er zu Ende denken konnte, löste die Brünette sich von ihm. Mimi machte ein paar Schritte zurück und trat dabei unglücklicherweise auf einen Ast, der unter ihren Füßen zerbrach.

Der Mann, der sich inzwischen schon wieder einige Meter entfernt hatte, schnellte mit seiner Taschenlampe herum.

„Wusste ich doch, dass da jemand ist.“, fluchte er und kam erneut auf sie zu.

„Komm mit!“, sagte Mimi lauter, als beabsichtigt, ergriff Tai’s Hand und rannte los.

Der Besitzer sah gerade noch, wie zwei Gestalten in der Dunkelheit in Richtung Ausgang verschwanden. Er startete einen kläglichen Versuch die beiden zu verfolgen, fluchte wild herum und rief ihnen Beschimpfungen hinterher, bevor er es schließlich aufgab.

Mimi und Tai rannten zum Ausgang und vom Adrenalin angetrieben, gleich noch einige Straßen weiter.

Als sie um die nächste Ecke abbogen, blieben sie schließlich stehen.

„Du bist völlig verrückt, Mimi Tachikawa!“, sagte Tai nach Luft schnappend und stützte sich mit den Händen auf seine Oberschenkel ab.

„Was denn? Hat dir er Abend etwa nicht gefallen?“, grinste Mimi ihren Freund frech an und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

„Langweilig war’s auf jeden Fall nicht.“, konterte Tai und beide fingen an zu lachen.

Schlechtes Gewissen

„Das glaub ich nicht! Ihr seid doch verrückt! Das hättet ihr nicht tun dürfen, Mimi.“, tadelte Sora ihre Freundin gespielt und lachte dabei herzhaft.

Mimi erzählte ihr gerade von der nächtlichen Fluchtaktion, die Tai und sie letzte Woche begangen hatten.

Die beiden saßen in Sora’s Wohnzimmer auf dem Sofa und unterhielten sich ausgiebig. Seit sie sich vor kurzem zufällig im Einkaufszentrum begegnet waren, hatten sie sich nicht mehr gesehen.

„Ganz ehrlich, Sora... Ich weiß nicht, wann mein Herz das letzte Mal so stark geklopft hat.“, gestand Mimi ihrer Freundin und fasste sich mit der Hand bedeutsam an die Brust.

„Wegen Tai oder wegen dem Besitzer, der euch erwischt hat?“, fragte die Rothaarige und begann zu kichern.

„Was für eine Frage...“, winkte Mimi schnell ab und schüttelte den Kopf.

Ja... Was für eine Frage! Sie selbst hatte sich Diese in den letzten Tagen öfters gestellt.

Aber das führte nur zu widersprüchlichen Gedanken und dass sie Tai seitdem nicht wieder gesehen hatte, verwirrte sie nur noch mehr.

Er hatte sie festgehalten, sie an sich gedrückt, sie beschützt...

Und trotz der brenzlichen Situation, in der sie sich befanden, genoss sie es.

Das war alles, was sie wusste.

Diesen Teil der Geschichte verschwieg Mimi ihrer Freundin allerdings lieber. Denn Sora würde dem Ganzen vielleicht eine Bedeutung zumessen und das wäre zu viel gewesen für die Schülerin.

Sie war sich ja selbst nicht bewusst, ob dieser Moment was zu bedeuten hatte oder ob sie sich das nur einbildete.

„Und wann plant ihr den nächsten Einbruch?“, witzelte Sora.

Mimi zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich habe gestern versucht ihn anzurufen, aber er hat nicht reagiert. Wahrscheinlich hat er einfach viel um die Ohren.“, versuchte sie sich in gewisser Weise selbst zu beruhigen.

„Mimi übrigens, das neulich im Einkaufszentrum...“, begann Sora plötzlich, als sie die nachdenkliche Miene ihrer Freundin sah.

„Ich wollte nicht, dass du da etwas falsch verstehst.“, erklärte sie ihr verlegen.

Mimi schüttelte schnell den Kopf. „Was? Ach Quatsch! Ich war nur irritiert, das war alles.“

„Gut. Tai hatte mich an diesem Tag angerufen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er Hilfe brauchte. Naja... Und das war alles...“, rechtfertigte die Rothaarige sich weiter und zupfte nervös an ihrem Shirt.

„Ich hab zwar keinen blassen Schimmer, worauf du hinaus willst, aber... Gut zu wissen.“, grinste Mimi und sah sie irritiert an.

Sora lächelte nervös und wollte noch was hinzufügen, doch bevor sie etwas sagen konnte, ging die Wohnungstür auf und lautes Gelächter war zu hören.

„Wenn ich’s dir doch sage! Genau so war es! Oh, hi Mädels.“, lachte Matt, als er das Wohnzimmer betrat und die Mädchen begrüßte. Er gab Sora einen Kuss auf die Stirn und setzte sich ihr gegenüber, nur um dann direkt weiter zu lachen.

„Ich hab Tai grad von deinen verrückten Nachbarn erzählt. Wie sie sich neulich über meine Musik beschwert und dann gedroht haben, sie würden mich eine Woche lang mit Schlager beschallen, wenn ich nicht leiser bin.“

Tai?

Mimi drehte sich um.

Tai.

Ihr Herz machte ungewollt einen Sprung. Sie versuchte sich ihre positive Überraschung nicht anmerken zu lassen. „Hallo, Tai.“, begrüßte sie den Studenten ganz beiläufig.

Tai stand mit den Händen in den Hosentaschen in der Tür und lächelte die beiden Mädchen an.

„Hi. Matt, ich kann leider nicht bleiben, ich hab noch was vor.“, sagte er eilig.

Der Gitarrist legte einen erstaunten Gesichtsausdruck auf.

„Was? Eben hast du doch noch gesagt, du hast heute nichts mehr vor. Deswegen sind wir doch hier her gegangen.“

Tai kratzte sich am Hinterkopf. „Ja, ähm... Das hat sich leider geändert. Sorry, ein ander’ mal.“, versprach Tai und war schon auf halben Wege nach draußen, als Mimi aufstand und ihm in den Flur folgte.

„Tai, warte mal.“, forderte sie ihn vorsichtig auf und fasste sich ein Herz.

„Ich habe mich gefragt, ob wir bald mal wieder was zusammen unternehmen könnten. Natürlich nichts gefährliches, damit bin ich durch...“, kicherte Mimi verlegen.

„Ja, mal sehen, vielleicht.“, unterbrach Tai sie schnell und öffnete die Wohnungstür.

„Ich muss jetzt los.“, sagte er noch, bevor er eilig verschwand und Mimi verdutzt stehen ließ.

Sora kam aus dem Wohnzimmer und sah ihre Freundin fragend an.

„Irre ich mich oder...“, begann Mimi geknickt. „Oder geht er mir aus dem Weg?“
 

Das wollte die Schülerin auf gar keinen Fall auf sich sitzen lassen!

Was bildete er sich ein?

Erst verbrachte er zwei ganze Abende mit ihr und hielt sie schützend im Arm, lachte mit ihr, spazierte mit ihr durch die Nacht und hörte sich ihre Geschichten an und jetzt ignorierte er sie?

Auf keinen Fall! Nicht mit Mimi Tachikawa!

Nachdem sie sich von Sora verabschiedet und sich auf den Weg nach Hause gemacht hatte, rief sie bei Tai an. Sie wollte nur wissen, warum er ihr anscheinend aus dem Weg zu gehen schien.

Nichts weiter.

Besetzt.

Sie hatte den Eindruck, dass Tai die Zeit mit ihr ebenfalls genossen hatte. Oder war das ein Trugschluss? Das würde zumindest erklären, warum sie seit einer Woche nichts von ihm gehört hatte und er nicht zurück rief. Sie wählte erneut seine Nummer und es tutete.

Mailbox.

Es war ja nicht so, dass er sich dazu verpflichtet hatte, sich bei ihr zu melden. Nur weil sie zwei mal zusammen unterwegs waren. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie die Abende wirklich aufregend fand und sie irgendetwas in ihr bewegt hatten.

Warum ließ er sie vorhin einfach so stehen?

Sie wählte erneut seine Nummer.

Wieder Mailbox.

„Oh, es reicht, Taichi.“, fluchte Mimi vor sich hin, machte kehrt und schlug eine andere Richtung ein.

Wenn er nicht ans Telefon ging, musste sie eben persönlich mit ihm sprechen.
 

Mimi hatte nun schon mehrmals an Tai’s Tür geklingelt, doch der Student machte nicht auf. Langsam aber sicher verlor sie die Geduld und fing an energisch zu klopfen.

„Jetzt mach schon auf, du Blödmann!“, schrie sie die Tür an.

„Hey, was hat die Tür dir denn getan?“

Mimi erschrak sich und zuckte zusammen. Als sie sich umwandte, erkannte sie Tai, der mit zwei vollgepackten Einkaufstüten vor ihr stand.

Mimi verschränkte die Arme vor der Brust.

„Tut mir Leid, ich dachte, du wärst zu Hause.“, entschuldigte sie sich halbherzig.

„Dann war das ‚Blödmann’ an mich gerichtet?“, fragte Tai mehr oder weniger gleichgültig und drückte sich an ihr vorbei, um die Tür aufzuschließen.

Mimi folgte ihm unaufgefordert in seine Wohnung.

„Tai, warum hast du mich vorhin bei Sora so stehen lassen?“, fragte sie frei von der Leber weg. Sie wollte es geklärt haben, falls etwas zwischen ihnen stehen sollte. Was auch immer das war...

„Hab ich doch gesagt, ich musste weg. Ich erwarte noch Besuch.“, erklärte der Braunhaarige ihr kühl und packte dabei seine Einkäufe aus.

„Ich sehe keinen Besuch. Tai, was ist denn los mit dir?“

Mimi hatte nicht vor, sich so einfach abwimmeln zu lassen.

Tai sah sie fragend an. „Ich kriege wirklich noch Besuch.“

„Das meine ich doch nicht. Ich meine, warum du mir aus dem Weg gehst...“

Tai biss sich auf die Unterlippe. Und wusste nicht, was er antworten sollte...

„Wenn du den Abend neulich blöd fandest...?“, hakte Mimi weiter nach.

Der Student bekam große Augen und ging ein paar Schritte auf sie zu.

„Was? Nein! Ich fand ihn wirklich schön. Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß. Auch, wenn’s ziemlich gefährlich war.“, gestand Tai ihr und ein Lächeln umspielte seine Lippen.

Mimi hatte das Gefühl, dass er das was er sagte, wirklich ernst meinte. Nur war es leider keine Erklärung und passte nicht zusammen.

Sie sah ihn verständnislos an und wartete auf eine Antwort.

Tai näherte sich ihr bis auf wenige Zentimeter und ergriff ihre Hand.

Mimi’s Herz machte wieder einen Sprung und ihre Wangen bekamen eine rosige Farbe.

Oh nein, was war das nur? Sie versuchte schnell seinem Blick auszuweichen, damit er davon nichts mitbekam.

„Ehrlich Mimi“, begann Tai einfühlsam. „Ich fand den Abend nicht blöd und es liegt auch nicht an dir oder daran, dass ich dich nicht sehen möchte. Es tut mir Leid, dass du das gedacht hast. Es ist nur so...“, versuchte Tai ihr zu erklären. „Ich bin momentan etwas verwirrt.“

Mimi sah ihn irritiert an. Was hatte das denn jetzt zu bedeuten?

„Ich weiß, das ist keine besonders gute Erklärung, aber ich brauche momentan einfach ein bisschen Zeit für mich.“, sagte er mit ruhiger Stimme und ließ ihre Hand wieder los. Tai ging zurück zu seinen Einkäufen, während Mimi ihn entgeistert anstarrte. Sie verstand nur Bahnhof. Allerdings entschied sie sich dazu, lieber nicht weiter nachzufragen. Sie hatte ein komisches Gefühl. Vielleicht wollte sie es gar nicht so genau wissen...

„Du solltest jetzt wirklich gehen. Mein Besuch wird gleich da sein.“, sagte Tai entschieden.

Mimi überkam sofort das Gefühl, dass er sie loswerden wollte. Schmiss er sie gerade sehr höflich raus?

Ohne noch etwas zu erwidern, drehte sie sich um und ging zur Wohnungstür.

„Mimi?“

Mimi hatte schon die Hand auf der Türklinke, drehte sich jedoch noch ein mal hoffnungsvoll um, als Tai ihr gefolgt war.

„Bis bald.“, verabschiedete er sich mit einem schwachen Lächeln, doch seine Augen forderten sie weiterhin auf zu gehen.

„Ja, bis bald.“, brachte Mimi gerade noch so trocken heraus, bevor sie Tai’s Wohnung verließ.

Was zum Teufel war das?

Was Tai zu ihr gesagt hatte, war für sie alles andere als eine Erklärung gewesen und ergab keinen Sinn. Er war verwirrt? Sie nun auch!

Sie wollte es eigentlich nicht zulassen, aber sie konnte dem Drang nicht widerstehen, sich zu fragen, was Tai wohl damit meinte. Und warum er sich ihr gegenüber so verhielt.

Wieso wollte er sie so eilig aus seiner Wohnung haben?

Mimi durchzuckte ein Gedanke und für einen kurzen Augenblick überkam sie ein merkwürdiges Gefühl.

Er meldete sich nicht bei ihr. Er ging ihr aus dem Weg. Er wimmelte sie ab.

Ob er gleich ein Date mit einer Anderen hatte?

Mimi schüttelte den Kopf.

Und wenn schon? Was interessierte sie das?

Wenn Tai sagte, er bräuchte Zeit für sich, dann hatte sie das so hinzunehmen und keine weiteren Fragen zu stellen. Denn das taten Freunde schließlich so...
 

Tai lehnte sich gegen die Tür, die Mimi eben von außen geschlossen hatte und stöhnte.

Warum musste sie ausgerechnet jetzt bei ihm aufkreuzen?

Er hatte sich die letzten Tage absichtlich nicht bei ihr gemeldet, denn seit dem Abend mit Mimi im Park plagte ihn das schlechte Gewissen. So sehr, dass er ihr eben kaum mehr in die Augen sehen konnte.

Tai war erleichtert, dass sie gegangen war.

Das Letzte, was er wollte war, dass Mimi und Izzy sich die Klinke in die Hand gaben.

Izzy’s Plan

Es waren keine fünf Minuten vergangen, da klingelte es an Tai’s Tür.

Izzy hatte sich spontan für heute Nachmittag angekündigt.

Das war auch der Grund gewesen, warum er Mimi so schnell loswerden musste.

Was sie wohl von ihm denken mochte?

Aber darüber konnte er sich später noch den Kopf zerbrechen. Viel interessierter war er daran, zu erfahren, was Izzy von ihm wollte. Er hatte sich bereits vor ein paar Tagen mit dem

Computergenie getroffen und ihm alles von den Treffen mit Mimi erzählt. Na ja... Fast alles.

Izzy hatte es schweigend aufgenommen und sich dann bei ihm bedankt. Und Tai hatte gehofft, dass die Sache damit gegessen war.

Wie konnte er nur in dieses Schlamassel hineingeraten?

Er wollte doch Izzy nur dabei helfen, Mimi’s Freundschaft zurück zu gewinnen und nun war er dabei seine zu ihr kaputt zu machen. Das zumindest würde passieren, wenn sie heraus kriegen sollte, dass er sie für Izzy ausgehorcht hat.

Und genau deswegen musste er jetzt erst mal Abstand zu ihr gewinnen.

Deswegen, und damit er wieder einen klaren Kopf bekam.
 

„Tai, bist du da?“, rief Izzy von draußen, der inzwischen schon mehrmals an seiner Tür geklingelt hatte. Der Student war so in Gedanken versunken, dass ihn Izzy’s Rufe erst ein mal wach rütteln mussten.

Tai öffnete wortlos die Tür. Sein Freund kam unaufgefordert hinein und ging in Richtung Wohnzimmer. „Hey, du siehst nicht besonders gut aus.“, begrüßte der Rothaarige ihn und ließ sich auf seiner Couch nieder.

„Bist du gekommen, um mir Komplimente zu machen?“, erwiderte Tai trocken.

Irgendetwas sagte ihm, dass Izzy nicht für Smalltalk gekommen war...

„Nein.“, antworte Izzy lediglich und kam direkt zur Sache. Er holte ein paar Karten aus seiner Hosentasche und legte sie Tai auf den Tisch.

„Was soll ich damit?“, fragte Tai und zog eine Augenbraue hoch.

„Tai, ich weiß, du hast wirklich schon viel für mich getan und dafür bin ich dir dankbar, ehrlich, aber...“, begann Izzy recht unbeholfen und wich dabei Tai’s Blick aus, der ihn eindringlich fixierte. „Könntest du Mimi diese Karten geben?“

Tai sah sich die Karten genauer an, die Izzy auf den Tisch gelegt hatte.

Es waren 2 Karten für einen Backkurs. Izzy hatte sich anscheinend Tai’s Informationen direkt zu Nutze gemacht.

„Warum gibst du sie ihr nicht selbst? Sie würde sich sicher freuen.“, entgegnete Tai und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Nein, das würde sie nicht und das weißt du. Weil ich Derjenige wäre und sie gerade mit Sicherheit keine Geschenke von mir annehmen wird. Aber, wenn du sie ihr schenken würdest...“, setzte Izzy fort. Tai hatte Probleme ihm zu folgen.

„Mimi soll denken, die Karten kommen von mir?“, fragte er noch mal zum Verständnis nach.

Izzy nickte und sah ihn bittend an.

„Aber Izzy, was hast du denn davon, wenn ich Mimi die Karten schenke und sie zu diesem Backkurs einlade? Du bist doch dann gar nicht dabei...“, sagte Tai irritiert.

Er sah von Izzy zu den Karten auf dem Tisch und wieder zu Izzy... Bevor der Groschen fiel...

„Das ist nicht dein Ernst!“, brach es aus dem Studenten heraus und er sah seinen Freund verständnislos an. Izzy wusste anscheinend nicht, was er darauf erwidern sollte.

Was auch? Es war schließlich sein Ernst!

Tai setzte sich Izzy gegenüber auf die Couch. Diese Idee musste er ihm sofort ausreden.

„Du möchtest, dass ich Mimi für dich zu diesem Kurs locke und du bist dann rein zufällig auch da...? Bist du verrückt? Das wird sie sofort durchschauen!“, versuchte Tai seinen Freund davon abzubringen.

„Das wird sie nicht. Ich habe alles ganz genau geplant. Ich werde mit meiner Mutter da sein. Hab ich ihr zum Geburtstag geschenkt. Du hast gesagt Mimi steht auf backen und so hab ich die Möglichkeit mit ihr zu sprechen. Sonst geht sie mir ja nur aus dem Weg.“, fing Izzy an zu erklären, doch Tai schüttelte nur den Kopf. Er wusste nicht, ob er beeindruckt oder abgestoßen von so viel Raffinesse sein sollte.

„Izzy, findest du nicht, dass das etwas zu weit geht? Ich habe mich für dich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich habe mich mit Mimi getroffen und sie hat mir Dinge erzählt, die sie mir nie erzählt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass ich dir alles brühwarm auf den Tisch lege. Und jetzt soll ich sie für dich unter falschen Tatsachen da hin locken? Weißt du, wie manipulativ das ist?“

Tai war sichtlich verärgert und wurde lauter, als beabsichtigt. Wovon sich das Computergenie leider nicht beeindrucken ließ.

„Was regst du dich eigentlich so auf? Du hast mir doch schließlich so viel von ihr erzählt und jetzt bist du sauer, weil ich das für mich nutze?“

Izzy schien Tai’s Lage überhaupt nicht zu verstehen.

Tai stützte verzweifelt seinen Kopf auf die Hände.

„Und wie stellst du dir das vor? Soll ich mir dann den ganzen Abend dieses Schauspiel mit ansehen, wie du versuchst bei Mimi zu landen?“, fragte er genervt.

Das konnte wirklich nicht sein Ernst sein!

„Du musst ja nicht kommen...“, sagte Izzy vorsichtig und wich erneut seinem Blick aus.

Tai war die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.

„Ich soll sie einladen und sie dann da sitzen lassen?“, fragte er ungläubig, stand auf und fing an nervös im Raum auf und ab zu gehen.

„Tai, versteh doch...“, begann sich der Rothaarige zu rechtfertigen. „Es wäre für mich viel einfacher mit ihr ins Gespräch zu kommen, wenn du nicht dabei wärst.“

Tai schüttelte verständnislos den Kopf.

„Tai, bitte. Danach bitte ich dich nie wieder um was. Ich muss einfach mit ihr sprechen und das wäre die beste Gelegenheit dazu, ohne, dass sie das Gefühl hat, dass ich ihr hinterher renne und sie bedränge. Das versuche ich beinahe täglich in der Schule und beiße auf Granit.“, versuchte Izzy seinen Freund von seiner Idee zu überzeugen.

Tai stützte sich auf die Rücklehne seines Sofas und sah Izzy eindringlich an.

„Wenn ich das für dich tue, hältst du mich in Zukunft aus allem raus, was Mimi betrifft?“

Er konnte selbst nicht glauben, was er da sagte und dass er tatsächlich mit dem Gedanken spielte, sich auf Izzy’s verrückten Plan einzulassen. Nur hatte er das Gefühl, dass Izzy nicht locker lassen würde. Und würde Tai hierbei nicht mit spielen, würde Izzy sicher schon bald mit dem nächsten perfiden Plan um die Ecke kommen.

Und dann würde das nie ein Ende haben.

„Und wenn Mimi sich dazu entscheiden sollte abzulehnen oder es sich kurz vorher anders überlegt, hat sich die Sache erledigt!“, forderte er entschieden.

Izzy nickte wortlos und Tai ohrfeigte sich innerlich dafür, sich auf die ganze Sache überhaupt erst eingelassen zu haben.
 


 

Mimi hatte sich vorgenommen an diesen Abend keinen Gedanken mehr an Tai zu vergeuden. Oder sich über sein Verhalten zu wundern. Sie musste aufhören sich einzureden, dass sie irgendeine Verbindung zwischen ihnen gespürt hatte. Sie kannte ihn schließlich seit so vielen Jahren und wieso sollte es plötzlich anders sein, nur weil sie zwei Abende zusammen verbracht hatten?

Schön, vielleicht war es so, dass Tai ihr für kurze Zeit ein gutes Gefühl gab und es geschafft hatte, dass sie ihre bisherige Freundschaft in Frage stellte.

Aber das alles musste sie aus ihren Kopf kriegen. Sonst würde alles nur unnötig kompliziert werden und das wollte sie nicht. Vor allem nicht, da er wahrscheinlich gerade ein Date hatte und keinen Gedanken an sie verschwendete.

Sie seufzte und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Widerwillen doch an Tai und die gemeinsamen Abende dachte. Sie konnte nichts dagegen tun. Es ging ihr immer wieder durch den Kopf.

„Das muss aufhören, Mimi.“, sagte sie zu sich selbst und stellte ihre leere Tasse Tee auf den Tisch ab.

Als sie nach Hause gekommen war, hatte sich sich direkt ihren bequemen, übergroßen Pullover übergeworfen und sich auf die Couch gekuschelt. Sie wollte sich mit einem guten Buch ablenken und nicht mehr über diesen mehr als verwirrenden Nachmittag nachgrübeln. Das war so gar nicht ihre Art. Normalerweise nahm sie die Dinge so, wie sie kamen.

Wieso fiel es ihr dann so schwer zu akzeptieren, dass diese Abende mit Tai vorbei waren und er anscheinend auch kein Interesse daran hatte, sie zu wiederholen?

Sie versuchte sich weiter auf ihr Buch zu konzentrieren, als es an der Tür klingelte.

Unerwarteter Besuch? Das konnte ja nur eine ihrer Freundinnen sein. Sie tippte auf Meiko und ging grinsend zur Tür. Wahrscheinlich wollte sie sie mal wieder mit einem spontanen DVD Abend und einer Flasche Wein überraschen. Wäre nicht das erste Mal. Innerlich freute sie sich schon darauf und öffnete begeistert die Tür.

„Auf dich hab ich gewartet.“, sagte sie freudestrahlend, noch bevor sie bemerkte, dass es nicht Meiko war, die geklingelt hatte.

„Tai...“, sagte sie erstaunt, als sie in die braunen Augen ihres Freundes blickte.

„Woher wusstest du, dass ich komme?“, fragte er grinsend und lehnte lässig gegen den Türrahmen.

Mimi verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn irritiert an.

„Ähm... Wusste ich nicht, also ich meine,... Ich habe jemand anderen erwartet.“, stotterte sie verlegen und spürte die Wärme in ihre Wangen aufsteigen.

„Kann ich rein kommen?“, fragte Tai, ohne lange Umschweife.

Mimi trat zur Seite und Tai ging an ihr vorbei in Richtung Wohnzimmer.

„Weißt du, ich hab eigentlich gar keine Zeit. Ich bin gerade sehr beschäftigt, also...“, sagte sie etwas nervös und versuchte somit ihn schnell wieder los zu werden.

Tai ließ seinen Blick kurz durch die Wohnung schweifen, bis er an ihrem Buch und ihrer Tasse Tee auf dem Couchtisch hängen blieb.

„Seh schon.“, erwiderte er beiläufig. Und Mimi fragte sich, was er eigentlich von ihr wollte. Er hatte ihr doch klar zu verstehen gegeben, dass er Zeit für sich bräuchte.

„Weißt du Mimi, ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich war vorhin etwas durch den Wind und hab es an dir ausgelassen.“, fing der Braunhaarige an zu erklären und wirkte dabei auf Mimi nicht wie sonst, aufrichtig. Irgendetwas war in seiner Stimme, dass sie stutzen ließ.

Sie antwortete nichts, sondern sah ihn nur weiterhin fragend an.

Was Tai bemerkte und zum Anlass nahm, seine Erklärungen fortzusetzen.

„Es ist so: ich habe momentan wirklich viel Stress in der Uni und habe wenig geschlafen in letzter Zeit und mein Professor... Du müsstest ihn kennen. Er ist wirklich streng und verlangt uns eine ganze Menge ab und... Mimi, können wir uns nicht setzen?“, erzählte er hastig.

Auf Mimi wirkte er irgendwie nervös und unbeholfen. So kannte sie ihn gar nicht.

Sie ging zu ihm und setzte sich mit ihm auf die Couch.

„Tai, wieso hab ich das Gefühl, dass du nicht ehrlich zu mir bist?“, fragte sie und sah ihn einfühlsam an. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.

Tai schüttelte den Kopf und lächelte sie aufmunternd an. „Es ist alles in Ordnung. Es ist so, wie ich dir gesagt habe. Ich bin momentan nur etwas durch den Wind, das ist alles.“

Mimi glaubte ihm kein Wort, aber beschloss, es für’s erste auf sich beruhen zu lassen. Sie wollte ihn nicht bedrängen.

„Und warum bist du nun hier?“, fragte sie.

Tai’s Gesicht hellte auf. „Ich hatte vorhin ein schlechtes Gewissen, dass ich meine Launen an dir ausgelassen hab. Also hab ich mir was überlegt.“, verkündete er stolz, holte zwei Karten aus seiner Hosentasche und gab sie Mimi.

Die Schülerin sah sie sich an und bekam große Augen.

„Wenn du möchtest, können wir zusammen da hin gehen. Ich bin zwar ein absolut hoffnungsloser Fall, was das kochen und backen angeht, aber für dich würd ich’s machen.“, schlug Tai ihr vor.

„Soll das ein Witz sein?“, strahlte Mimi. „Zu dem wollte ich schon immer mal hin. Der Küchenchef, der den Kurs gibt ist total bekannt und hat sogar seine eigene TV Show.“

Mimi wusste gar nicht, was sie sagen sollte. Ihre Gefühle überschlugen sich geradezu.

Erst war er so abweisend zu ihr gewesen und jetzt schaffte er es wieder ein mal sie zu überraschen und ihr Herz zum Springen zu bringen.

Mimi konnte nicht anders, als über beide Ohren zu strahlen.

Allerdings wusste sie genau, dass es nicht allein an dem Geschenk lag. Sondern auch daran, dass es von Tai kam...

„Also, gehen wir hin?“, fragte Tai schließlich und lächelte sie an.

„Machst du Witze? Natürlich gehen wir hin!“, grinste Mimi zufrieden und war erleichtert darüber, dass anscheinend alles wieder gut zwischen ihnen zu sein schien.

Unverhofft kommt oft

Mimi war so aufgeregt! Noch eine Woche hatte sie warten müssen, bis endlich am Samstag Abend der Backkurs stattfand. Tai hatte sie schwer beeindruckt mit diesem Geschenk. Zum einen, weil er sich gemerkt hatte, dass sie sich gerne mal beim backen austobte und zum anderen, weil er über seinen Schatten gesprungen war und mit ihr dahin gehen wollte. Wo doch jeder wusste, was für ein Trampel Tai in der Küche war. Sie musste grinsen bei dem Gedanken daran, wie Tai sich wohl beim backen anstellen würde. Es versprach auf jeden Fall jetzt schon ein lustiger Abend zu werden.

Mimi stand noch in ein Handtuch gewickelt vor ihrem Badezimmerspiegel und machte sich die Haare zurecht. Sie hatte ihre Haare gerade geföhnt und band nun zwei Strähnen nach hinten, so dass die anderen Haare in leichten Wellen über ihre Schultern fielen.

Sie hatte sich bereits ein paar Sachen zum anziehen raus gelegt, doch so richtig schien ihr nichts davon zu gefallen. Skeptisch beäugte sie ihre Auswahl.

Ein weißes Kleid – zu schick.

Leggins und ein Shirt – zu legere.

Rock und Bluse... Auf keinen Fall!

Mimi seufzte und überlegte. Was würde Tai wohl schön finden?

Schnell verwarf sie diese Frage wieder, schnappte sich die Sachen, ging in ihr Schlafzimmer und schmiss alles auf ihr Bett. Stattdessen öffnete sie ihren Kleiderschrank und griff, ohne groß zu überlegen, nach einer blauen Jeans und einer rot, grau karierten Hemdbluse.

Sehr schön! Bloß nicht so viel Aufriss machen.

Als sie fertig war, blickte Mimi auf ihre Uhr und erschrak. „Was, schon so spät? So ein Mist!“, fluchte sie, nahm sich noch schnell ihre Jacke und den Regenschirm und verließ eilig ihre Wohnung. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen.

Leider war das Wetter an diesem Abend nicht besonders einladend, denn es regnete schon den ganzen Tag. Das tat Mimi’s guter Laune jedoch keinen Abbruch. Sie freute sich, gleich Tai wieder zu sehen und einen schönen Abend mit ihm zu verbringen.
 

„Wo bleibt er nur? Es geht doch in zehn Minuten schon los.“, fragte Mimi sich selbst und sah ungeduldig auf die Uhr. Tai verspätete sich anscheinend. Hoffentlich schaffte er es noch rechtzeitig. Mimi stand vor dem Eingang im Regen, während viele Besucher bereits an ihr vorbei gingen und sich einen guten Platz sicherten. Die Brünette sah sich unruhig um. Wo steckte Tai nur?

„Hallo Mimi, das ist ja ein Zufall. Hast du dich auch für den Backkurs angemeldet?“, sagte eine freundlich weibliche Stimme plötzlich zu ihr. Mimi konnte die Stimme zunächst nicht einordnen, bis sie in das bekannte Gesicht von Frau Izumi blickte.

„Frau Izumi, was für eine Überraschung. Nehmen Sie auch Teil?“, begrüßte sie Izzy's Mutter freudig.

Frau Izumi nickte. „Ja, mein Sohn hat mir die Karten letzte Woche zum Geburtstag geschenkt. Ist das nicht nett?“

„Das ist aber schön. Sind Sie alleine hier? Ich sehe ihren Mann gar nicht... Oder sind Sie mit einer Freundin gekommen?“, fragte Mimi und sah sich irritiert um. Sie blickte an Frau Izumi vorbei und erkannte Izzy, der um die nächste Ecke bog.

„Nein, es war sehr kurzfristig, also bin ich mit Izzy hier.“

Mimi’s Magen verkrampfte sich. Das hatte ihr gerade noch gefehlt...

Izzy kam auf die beiden Frauen zu und sah sichtlich genervt aus. „Es hat ewig gedauert einen Parkplatz zu finden.“, sagte er zu seiner Mutter, bevor sein Blick auf Mimi fiel.

„Mimi? Was machst du denn hier?“

Oh nein, auf so eine Situation war sie nicht vorbereitet. Allerdings wollte sie ihre Irritation Izzy gegenüber nicht zeigen und versuchte einigermaßen locker zu wirken.

„Ach, ich mache den Backkurs auch mit und warte hier nur noch auf meine Verabredung.“, antwortete sie nebensächlich, als wäre es keine große Sache.

„Okay, na dann viel Spaß! Komm Mom, wir gehen schon mal rein.“, sagte Izzy und schob seine Mutter in Richtung Eingang. „Wir sehen uns drinnen, Mimi.“, winkte Frau Izumi ihr freundlich zu.

Mimi war das Herz in die Hose gerutscht. In der Schule fiel es ihr nicht schwer Izzy aus dem Weg zu gehen, aber hiermit hatte sie nicht gerechnet. Hier konnte sie ihn ja schlecht ignorieren und ihn somit bloß stellen. Es musste ja nicht sein, dass seine Mutter etwas von ihrem Streit mitbekam. Aber wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? So, als wäre alles wie immer? Und wo zum Teufel steckte Tai?

Noch 5 Minuten...

Ihr Handy klingelte. Es dauerte einige Sekunden, bis sie es aus ihrer Tasche gekramt hatte.

Es war Tai.

„Tai, wo steckst du?“, fragte Mimi sorgenvoll, als sie abhob.

„Hi, es tut mir sehr leid, aber ich kann nicht kommen. Ich fühle mich schon seit Tagen nicht wohl und ich möchte dich wirklich nicht anstecken. Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich heute im Bett bleibe.“, sagte der Student am anderen Ende freundlich, aber entschieden.

Mimi war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, was Tai zum Glück nicht sehen konnte.

„Oh... Ähm, ist dann wahrscheinlich besser so. Ich denke, dann werde ich auch wieder nach Hause gehen.“, antwortete die Brünette und versuchte dabei nicht all zu geknickt zu klingen.

„Nein, das darfst du nicht.“, sagte Tai prompt und eine leichte Nervosität schwang in seiner Stimme mit. „Ich meine nur, meine Mutter hat mir ihre Karten überlassen. Sie wäre sicher sehr enttäuscht, wenn sie verfallen würden. Also geh du wenigstens hin.“, versuchte Tai sie zu überreden.

Mimi überlegte. So oder so konnte der Abend ja nicht schlimmer werden. Und sie wollte Tai nicht kränken, indem sie die Karten einfach verfallen ließ.

„Na gut. Sehen wir uns, wenn es dir besser geht?“, fragte sie ihren Freund.

„Auf jeden Fall! Du musst mir doch vorführen, was du gelernt hast.“, erwiderte Tai und Mimi konnte deutlich spüren, wie er am anderen Ende grinste.

„Okay, bis dann.“, verabschiedete sie sich mit einem Lächeln und legte auf.

Mimi sah durch das Fenster zu Izzy und seiner Mutter, die es sich schon an einem Küchentisch bequem gemacht hatten.

Sie atmete tief ein und betrat den Kursraum.

Was sollte schon schiefgehen?
 

Man könnte sagen, dass Tai nach dem Telefonat mit Mimi ein schlechtes Gewissen hatte, doch das war weit untertrieben. Denn er hatte nicht nur ein schlechtes Gewissen seiner Freundin gegenüber, sondern schämte sich auch unheimlich für sich selbst.

Er konnte froh sein, wenn er morgen aufstehen und noch in den Spiegel blicken konnte.

Wie war er da nur hineingeraten? Es war auch so schon schlimm genug, dass er seiner Freundin in den Rücken fiel und sie für Izzy manipulierte. Doch dass er sich jetzt noch nicht mal seiner eigenen Gefühle bewusst war, machte das ganze noch verachtenswerter für ihn.
 

„Ah, unsere letzte Teilnehmerin. Wo haben Sie Ihre Begleitung gelassen? Dies ist ein Backkurs für zwei...“, begrüßte der Küchenchef sie verwundert.

„Ist leider verhindert.“, antwortete Mimi knapp.

Im Grunde wollte sie den Abend einfach nur hinter sich bringen. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, Zeit mit Tai zu verbringen. Und nun lag er plötzlich krank im Bett und als wäre das nicht schlimm genug, kreuzte Izzy auch noch auf. Der Abend war ruiniert.

„Hm, das ist kein Problem. Das kriegen wir schon hin.“, überlegte der Küchenchef und kratzte sich nachdenklich den Kopf. „Sie da... Frau Izumi, richtig?“, sagte er und deutete auf Izzy’s Mutter. „Wäre es für Sie in Ordnung, wenn Sie mit mir arbeiten würden und Fräulein Tachikawa mit Ihrem Sohn? Das passt alterstechnisch auch ein bisschen besser zusammen. Ich würde die junge Dame nur langweilen.“, schlug der Küchenchef höflich vor.

Frau Izumi nickte eifrig. Wahrscheinlich war es eine Ehre für sie mit so einer kulinarischen Größe zusammen backen zu dürfen.

„Super, dann tauscht doch schnell die Plätze. Hopp, Hopp!“, trieb der Küchenchef sie spaßig an und klatschte in die Hände.

„Super!“, stöhnte Mimi genervt zu sich selbst und nahm Frau Izumi’s Platz neben dem Computergenie ein.

Versöhnung

Mimi konnte nicht fassen, in welche Situation sie hier reingeraten war.

Völlig entnervt hatte sie sich auf den Barhocker neben Izzy niedergelassen und hoffte nun inständig, dass der Abend schnell vorbei gehen würde.

„Sehr schön, dann können wir ja anfangen. Als erstes zeige ich Ihnen drei Variationen Gebäck, von denen Sie sich dann eine aussuchen und nach backen dürfen. Aber fangen wir erst mal hiermit an. Hier sehen sie eine sehr leckere, fruchtige Torte, mit sehr filigranen Verzierungen...“, begann der Küchenchef zu erklären.

Mimi hörte schon jetzt nicht mehr zu. Sie war so wütend, über die Situation, dass sie Izzy von der Seite her irritiert anschielte.

„Sag mal, verfolgst du mich etwa?“, flüsterte sie ihm zu, ohne ihn dabei direkt anzusehen. Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen. Ihr kam es total absurd vor, dass Izzy ausgerechnet hier und heute aufkreuzte.

„Reicht es dir nicht, mir in der Schule aufzulauern?“

Izzy lehnte sich auf den Tisch und wandte den Kopf zu der Brünetten um. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich lauere nicht.“

Mimi verschränkte die Arme vor der Brust und wich beleidigt seinem Blick aus.

Als könnte er irgendwas dafür, dass sie jetzt zusammen hier standen und gemeinsam backen mussten.

„Wollen wir nicht einfach versuchen, das Beste daraus zu machen?“, schlug er ihr freundlich vor und sah sie bittend an.

Mimi nickte stumm. Was blieb ihr auch anderes übrig?

„Also, was willst du backen?“, fragte Izzy sie.

Widerwillig sah sich Mimi die Auswahl an, die vorne auf dem Tisch aufgebaut war.

„Die Cupcakes.“, sagte sie, ohne lange zu überlegen und mit den Schultern zuckend.

„Alles klar, dann die Cupcakes.“, nickte Izzy und begann sich eine Schürze umzubinden.
 

Eine halbe Stunde später waren die Kursteilnehmer schon mittendrin, statt nur dabei. Überall wurden Eier geknackt, Löffel geschwungen und Sahne geschlagen. Der Küchenchef ging jeweils von Tisch zu Tisch und gab den Teilnehmern Tipps und Verbesserungsvorschläge.

„Nehmen Sie auf jeden Fall immer Butter zum backen, nicht diese fettreduzierte, geschmacklose Margarine. Geht zwar mehr auf die Hüften, schmeckt aber auch besser.“, sagte er lachend und sah dabei Frau Izumi über die Schulter, wie sie die Butter für die Tortencreme weich schlug. Izzy's Mutter lachte herzhaft auf.

Mimi beobachtete sie eine Weile und wurde neidisch. Wieso konnte sie jetzt nicht mit Tai hier sein und Spaß haben?

„Schön, dass wenigstens deine Mutter ihren Spaß hat.“, sagte sie betrübt und widmete sich wieder ihrer Schokocreme.

„Gefällt es dir etwa nicht?“, fragte Izzy und schielte zu ihr rüber, während er den Teig zubereitete.

„Könnte mir gerade nichts besseres vorstellen.“, erwiderte Mimi sarkastisch und verdrehte die Augen.

Auch, wenn ihr ein anderer Partner lieber gewesen wäre, war Izzy’s Anwesenheit bis jetzt nicht unangenehm für sie gewesen. Zumindest ließ er sie weitestgehend in Ruhe und machte keine Anstalten, ihr irgendein Gespräch aufzudrücken .

„Ich finde es auch ungemein unterhaltsam hier.“, witzelte er und sah dann skeptisch zu seinem Teig hinab.

„Mimi kannst du mal schauen? Irgendwie sieht der komisch aus. Muss der so flüssig sein?“, fragte er die Schülerin und trat zur Seite, dass Mimi einen Blick darauf werfen konnte.

„Nein, da fehlt Mehl. Warte...“, erklärte Mimi und drückte Izzy die Dose Mehl in die Hand. Gerade als Izzy etwas davon nach schütten wollte, kam der Küchenchef von hinten auf ihn zu. „Na, wie läuft’s Sportsfreund?“, sagte er und klopfte Izzy dabei so heftig auf die Schulter, dass ihm das ganze Mehl in die Schüssel knallte und stark aufstäubte.

Mimi prustete los. Izzy's ganzes Gesicht war komplett mit Mehlstaub bedeckt.

„Du hattest Recht, es ist wirklich sehr unterhaltsam hier! Du siehst aus wie ein Panda, Izzy.“, lachte sie laut und klopfte vor Belustigung mit der Hand auf den Tisch. Sogar der Küchenchef konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Auch Izzy fing an herzhaft zu lachen und ließ es sich nicht nehmen, Mimi ein bisschen zu necken. „Ach komm, du bist doch nur neidisch, weil du nicht so einen schönen Teint hast.“, sagte er, vergrub seine Hände im Mehl und klatschte sie dann vor Mimi’s Gesicht zusammen.

Jetzt war Izzy der, der sich nicht mehr halten konnte. „Na, wer ist jetzt ein Panda?“, ärgerte er sie und hielt sich den Bauch vor Lachen. Nachdem Mimi etwas verdutzt drein geschaut hatte, fing auch sie erneut lautstark an zu lachen.

Der Abend schien anscheinend doch nicht ganz so mies zu verlaufen, wie sie ihn sich ausgemalt hatte.

Und dass sie gerade so unbeschwert zusammen lachen und Spaß haben konnten, ließ in ihr die Hoffnung aufkeimen, dass sich vielleicht doch noch nicht alles zwischen ihnen verändert hatte. Denn für einen Moment fühlte es sich so an wie früher... vor dem Streit.
 

Nachdem sie sich wieder beruhigt und schließlich doch noch einen einigermaßen guten Teig zustande gebracht hatten, warteten sie darauf, dass die Muffins im Ofen fertig backten.

Sie schafften es während der ganzen Zeit tatsächlich sich normal miteinander zu unterhalten und sich das ein oder andere Lächeln zu schenken. Mimi hatte das Gefühl, dass das Eis gebrochen war.

Plötzlich überkam sie ein schlechtes Gewissen. Vielleicht waren die letzten Wochen, in denen sie ihm aus dem Weg gegangen war, einfach nur unnötig gewesen. Es war nicht leicht für sie und sicher auch nicht für Izzy und plötzlich tat es ihr Leid, dass sie ihm so die kalte Schulter gezeigt hatte. Verdiente er es wirklich, so von ihr behandelt zu werden?

Sie musste sich endlich ein Herz fassen und die Sache aus der Welt schaffen. Ihrer Freundschaft zuliebe.

„Izzy, hör mal...“, begann sie kleinlaut und sah ihn mitfühlend an, doch der Schüler legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Izzy wirkte plötzlich so... ernst.

„Nein, ist schon gut. Wirklich, Mimi.“, sagte er einfühlsam, als könnte er ihre Gedanken lesen.

„Ich hätte das nie zu dir sagen dürfen. Du glaubst gar nicht, wie leid mir das alles tut. Ich wollte dich nie verletzen und wenn ich könnte, würde ich alles sofort rückgängig machen.“, gestand er ihr aufrichtig und sah betrübt zu Boden.

Mimi war gerührt von seinen ehrlichen Worten und wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Ihr wurde plötzlich klar, dass auch Izzy sehr unter dem Abstand gelitten haben musste, den Mimi zwischen ihnen schuf.

Wieso hatten sie nur diesen dummen Streit angefangen? Was war denn nur mit ihnen passiert? Freunde mussten sich doch anhören und sich gegenseitig zugestehen auch mal Fehler zu machen. Was brachte es denn, sich ewig deswegen in den Haaren zu haben?

Mimi musste einsehen, dass sie beide in den letzten Wochen genug gelitten hatten und dass das Ganze jetzt ein Ende haben musste, wenn ihnen ihre Freundschaft noch etwas bedeutete.

„Ach Izzy.“, sagte sie nur und umarmte den Rothaarigen innig.

Izzy drückte sie fest an sich. „Ich habe dich vermisst.“, hauchte er.

Mimi löste sich aus der Umarmung und lächelte ihn aufmunternd an. „Lass uns nie wieder so streiten, ja?“

„Nie wieder.“, nickte Izzy zustimmend und lächelte zufrieden.

Mimi fiel ein Stein vom Herzen. Erst dachte sie, dass dieser Abend eine einzige Farce werden würde. Und jetzt hatte sie sich tatsächlich mit Izzy ausgesöhnt. Und das fühlte sich gut an.

„Na gut, dann wollen wir die Sache mal zu Ende bringen.“, sagte Mimi erleichtert und widmete sich wieder dem Backofen.
 

Nach einer weiteren Stunde waren die Muffins abgekühlt und konnten von Mimi liebevoll verziert werden. „Du machst das wirklich gut.“, lobte Izzy sie und sah ihr begeistert dabei zu, wie sorgfältig sie die Creme auf die Cupcakes verteilte und kleine Rosen daraus zauberte. „Na ja, irgendein Talent muss ja jeder haben.“, kicherte Mimi.

„So, fertig.“, sagte sie schließlich, nachdem sie den Letzten geschafft hatte und drückte Izzy einen Cupcake in die Hand.

„Und der ist auch nicht vergiftet?“, witzelte Izzy und sah sie neckisch an.

Mimi grinste, griff sich einen Cupcake und nahm einen großen Bissen davon.

„Fieht daf fo auf, alf wäre er vergiftet?“, nuschelte sie mit vollem Mund und Izzy musste laut auflachen, bevor er sich ebenfalls einen Bissen gönnte.

„Hm, ich finde, da fehlt irgendwas.“, sagte er nachdenklich.

„So? Was denn?“, fragte Mimi verwirrt und machte große Augen.

Izzy kramte im Gewürzfach neben sich herum und holte ein kleines Päckchen raus. Er machte es auf und träufelte den Inhalt vorsichtig über die Cupcakes.

„Zimt.“, erklärte er ihr.

„Oh ja! Da steh ich drauf!“, schwärmte Mimi und klatschte begeistert in die Hände.

Der Rothaarige grinste verschmitzt.

„Koste jetzt.“, forderte er seine Freundin auf und hielt ihr einen Cupcake unter die Nase. Mimi biss ab und ihre Augen begannen zu strahlen. „Ein Traum!“, schwärmte sie.

„Sag ich doch.“, antworte Izzy und schien sichtlich stolz auf seine Idee.

Mimi war so froh darüber, dass sich die Situation zwischen ihnen entspannt hatte. Die letzten Wochen waren wirklich nervenaufreibend gewesen und hatten beiden nicht gut getan. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie Izzy dabei beobachtete, wie er sich genüsslich über den Cupcake her machte.

„Sag mal, kommst du nächste Woche zu meinem Geburtstag?“, fragte sie ihn.

Izzy sah sie erstaunt an. Damit hatte er jetzt wahrscheinlich nicht gerechnet.

„Klar, total gerne!“, stimmte er zu und strahlte über beide Ohren.

„Gut, ich freu mich!“, erwiderte Mimi und lächelte ihn an. Und sie meinte es genauso, wie sie es sagte.

Was wünschst du dir?

Mimi lag schon seit Stunden wach.

Ihr gingen so viele Dinge durch den Kopf...

Normalerweise raubte ihr nichts und niemand nachts den Schlaf. Doch jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie sich mit Tai auf dem Hochhaus sitzen. Oder sich mit Tai am Kettenkarussell. Sich mit Tai, wie er sie schützend an sich drückte. Sich mit Tai, wie sie ihn in seiner Wohnung zur Rede stellte. Wie er ihr danach völlig unerwartet die Karten schenkte...

Es half nichts. Er hatte sich in ihre Gedanken geschlichen und egal, wie sehr sie sich auch anstrengte dies zu verdrängen... Tai weckte etwas in ihr. Sie fühlte sich jedes Mal so wohl und so frei und ungezwungen, wenn sie mit ihm zusammen war.

Mimi wälzte sich von einer Seite zur anderen. Sie schloss die Augen und dachte an den vergangenen Abend und an Izzy.

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Es war wirklich ein schöner Abend gewesen.

Und das Beste daran war, dass sie sich endlich mit dem rothaarigen Nerd vertragen hatte.

Sie fragte sich unwillkürlich, ob sie sich auch mit Izzy versöhnt hätte, wenn Tai nicht abgesagt und sie den Abend mit ihm, anstatt mit Izzy verbracht hätte.

Mimi drehte sich auf den Rücken, starrte zur Decke und fasste sich an die Stirn.

Sie bekam Kopfschmerzen. Das kam wohl davon, wenn man nicht schlief und zu viel nachdachte.

Sie griff nach ihrem Handy, was neben ihr auf dem Nachttisch lag und blickte ins grelle Licht des Displays. Keine Nachricht von ihm.

Wie es ihm wohl gerade ging? Ob er sich schon besser fühlte?

Na super, wenn das so weiter ging, würde sie bald gar nicht mehr zum schlafen kommen.

Mimi unterdrückte den Drang ihm zu schreiben und legte das Handy wieder zur Seite.

Er würde sowieso nicht antworten.

Keiner würde das um diese Uhrzeit, denn es war drei Uhr nachts.

Die Brünette gähnte und drehte sich wieder um. Sie musste unbedingt zur Ruhe kommen und einschlafen, damit sie nicht weiter über Tai nachdenken konnte. Vorausgesetzt er würde sie nicht bis in ihre Träume verfolgen...
 

Als Mimi am Mittag aufwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Überrascht sah sie auf die Uhr. Hatte sie tatsächlich so lang geschlafen?

Sie wollte aufstehen, doch ihr Kopf machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Die Kopfschmerzen waren schlimmer geworden und alles drehte sich. Langsam ließ sie sich wieder auf’s Bett sinken und fasste sich an die Stirn. Sie fühlte sich heiß an. Obwohl ihr kalt war. Mimi beschloss erst mal ein heißes Bad zu nehmen, dann würde sie sich sicher besser fühlen. Auf den Weg ins Badezimmer und während sie darauf wartete, dass die Wanne voll lief, musste sie ein paar mal heftig niesen.

Na super! Jetzt hatte sie sich auch noch eine Erkältung eingefangen. Bestimmt, weil sie gestern so lang im Regen gestanden hatte, als sie auf Tai wartete.

Das heiße Wasser war unglaublich wohltuend, wie es ihren Körper umschloss. Und doch war ihr bitterkalt, als sie aus der Wanne stieg. Sie musste noch ein paar Mal niesen und nachdem sie sich ihre bequemen Klamotten angezogen hatte, schlurfte sie zur Couch.

Eigentlich wollte sie heute lernen, aber daraus wurde wohl nichts.

Sie kuschelte sich in eine Decke und begann stumpf durchs Fernsehprogramm zu zappen.

Mimi war kurz davor wieder einzunicken, als es an ihre Tür klingelte und sie sich heftig erschrak. Ihr Herz raste vor Aufregung und sie fasste sich an die Stirn. Sie glühte.

Es klingelte erneut und Mimi stand erschöpft auf. Wer oder was war denn jetzt so wichtig, dass es nicht bis morgen warten konnte? Sie wollte einfach nur schlafen...

Mimi brauchte etwas länger, als üblich bis in den Flur, so dass es noch ein paar Mal klingelte.

„Wer stört?“, fragte sie genervt, als sie mit müden Augen die Tür öffnete.

„Mimi... du hast aber auch schon besser ausgesehen.“, begrüßte Tai sie scherzhaft.

Oh nein, was machte er denn hier? Ausgerechnet jetzt, wo es ihr so schlecht ging und sie sich wie ein Neandertaler fühlte, der gerade das erste Mal seine Höhle verlassen hatte.

Sie spürte, wie ihr die Wärme ins Gesicht stieg.

„Sehr witzig! Was willst du überhaupt hier? Ich dachte, es geht dir nicht gut...“, fragte sie irritiert und rieb sich wärmend die Arme.

„Mir geht es schon besser. Was man von dir nicht behaupten kann.“, erwiderte der Braunhaarige. „Darf ich rein kommen?“

Mimi nickte und trat zur Seite. Normalerweise hätte sie Niemanden zu sich hineingelassen, wenn es ihr so schlecht ging. Doch sie war neugierig darauf zu erfahren, was der Grund für Tai’s spontanen Besuch war.

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer, wo sich beide auf die Couch niederließen.

„Möchtest du was trinken?“, fragte Mimi ihn höflich.

„Das sollte ich dich fragen. Du siehst wirklich nicht gut aus.“, antwortete Tai und sah sie sorgenvoll an.

„Also Komplimente machen kannst du.“

Aber er hatte Recht. Mimi war wirklich erschöpft und fühlte sich alles andere, als gut.

Tai grinste verlegen. „Ich wollte mich eigentlich nur bei dir entschuldigen, weil ich dich gestern sitzen gelassen hab. Das war nicht nett von mir.“

„Du konntest nicht’s dafür, ist schon gut.“, beruhigte Mimi ihn schnell.

„Es tut mir trotzdem Leid.“

Mimi verstand nicht, warum er so einen Aufriss darum machte. Es war doch nicht seine Schuld, dass er ausgerechnet gestern krank war.

„Und wo ist mein Geschenk?“, grinste Mimi neckisch und hielt die Hände auf.

Tai zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an. „Welches Geschenk?“

„Na ja, wenn das jetzt zur Gewohnheit wird, dass du unangemeldet vor meiner Tür stehst und dich für irgendwas entschuldigst, dann könntest du wenigstens die Tradition wahren und mir was schenken.“, erklärte Mimi mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

„Das Fieber steigt dir wohl zu Kopf!“, sagte Tai lachend und rutschte ein Stück näher an die Brünette heran. Er legte seine Stirn sanft auf ihre, um ihre Temperatur zu fühlen. „Eindeutig das Fieber.“, stellte er grinsend fest. Mimi's Herz begann unwillkürlich zu klopfen und sie wich ein Stück zurück.

Tai sah sie fragend an. Sie trennten nur ein paar Zentimeter und Mimi spürte erneut Hitze in sich aufsteigen, die ihren Körper durchströmte und ihre Wangen erröten ließ.

„Soll ich... soll ich wieder gehen?“, fragte der Braunhaarige etwas unsicher.

„Nein... Bleib noch.“, brachte Mimi gerade noch schwach hervor. Seine Nähe schien ihr geradezu den Atem zu rauben. Ihr war nie aufgefallen, was für schöne Augen Tai hatte...

Mimi räusperte sich und stand auf. „Ich mach uns mal einen Tee.“ Sie musste diese hitzige Situation unbedingt unterbrechen, bevor ihr ihre Gefühle vollends zu Kopf stiegen.

„Nein, das kann ich doch machen. Du solltest dich lieber ausruhen.“, schlug Tai prompt vor, stand auf und drückte Mimi sanft zurück auf die Couch. Mimi nickte zustimmend und war innerlich dankbar für ihre Selbstbeherrschung. Sie wollte auf keinen Fall etwas tun, was sie später sowieso nur bereuen würde.
 

„Hast du Aspirin?“, fragte Tai und durchwühlte einige von Mimi’s Schubladen in der Küche.

„Ja, unterste Schublade, irgendwo da.“

„Ah, hab sie. Kann ich dir sonst noch irgendwas Gutes tun? Willst du was essen? Ich könnte dir was kochen...“, schlug Tai vor, als er Mimi einen Tee und die Tablette reichte.

„Danke Tai, aber ich bin schon krank.“, lachte Mimi auf.

Tai setzte sich neben sie auf die Couch und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

„Ich meine das Ernst. Wenn du irgendwas möchtest, dann sag es nur.“

„Was ist los mit dir? Sonst überschlägst du dich doch auch nicht vor Nettigkeit.“, lächelte Mimi ihren Freund irritiert an.

„Ich hab einfach ein schlechtes Gewissen.“, erklärte er ernst und wich ihrem Blick aus.

Das war weit untertrieben.

Wie gern würde er ihr sagen, wie es ihm wirklich ging. Er fühlte sich schuldbewusst, weil er Mimi gestern unter falschen Tatsachen zu dem Backkurs gelockt, sie dann dort sitzen gelassen und sie sich deswegen auch noch eine Erkältung eingefangen hatte. Und alles nur wegen Izzy’s absurden Plan. Tai hätte sich niemals darauf einlassen dürfen.

Das Letzte was er wollte war, Mimi zu verletzen. Doch genau das tat er. Ob sie es nun wusste oder nicht. Es reichte, dass er wusste, dass er sie die ganze Zeit manipuliert und für Izzy ausgefragt hatte. Das würde sie ihm nie verzeihen, wenn sie jemals davon erfahren sollte...

„Du brauchst überhaupt kein schlechtes Gewissen haben.“, sagte Mimi plötzlich und riss ihn aus seinen ernsten Gedanken. Tai sah sie fragend an.

„Na ja, hättest du mich nicht versetzt, hätte ich mich wahrscheinlich auch nicht mit Izzy versöhnt.“, erklärte sie ihm und ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

Also hatte es tatsächlich geklappt.

Tai räusperte sich und fuhr sich nervös durch die Haare. „Izzy war da?“, fragte er und musste dabei so tun, als wäre es eine überraschende Neuigkeit.

Mimi nickte zufrieden. „Ja, ich hätte auch nicht damit gerechnet. Aber er war mit seiner Mutter da. Und da du nicht gekommen bist, musste ich mit ihm backen.“

Tai wich Mimi’s Blick aus und sah zum Fernseher, wo gerade irgend so eine alberne Reality Show lief. Er konnte ihr einfach nicht in die Augen sehen.

„Na ja, auf jeden Fall haben wir uns ausgesprochen. Und... es ist alles wieder gut.“, erzählte Mimi weiter.

Tai sah aus dem Augenwinkel wie sie gedankenversunken ins Leere blickte. Und dabei sehr zufrieden aussah. Sie hatte wieder dieses Strahlen in den Augen. Dieses Strahlen, woran er erkannte, dass sie wirklich glücklich war. Das selbe Strahlen, dass sie auf dem Hochhaus hatte. Oder als sie sich auf dem Kettenkarussell die Sterne angesehen hatten.

Mimi war so eine unendlich aufrichtige Person. Sie scheute sich nicht davor, sie selbst zu sein und ihre Gefühle zu zeigen. Tai hatte diese Eigenschaft ausgenutzt. Und nun drohte ihn sein schlechtes Gewissen aufzufressen, ganz gleich, ob sie sich mit Izzy versöhnt hatte oder nicht. Ganz gleich, ob sein bescheuerter Plan aufgegangen war.

Er war Derjenige, der sich jetzt schlecht fühlte, nicht Izzy...

„Tai? Alles in Ordnung?“

Mimi sah ihn besorgt an. Anscheinend war ihr nicht entgangen, dass sich der Student gerade über irgendetwas den Kopf zerbrach.

„Ja ja, alles gut.“, winkte er schnell ab und zwang sich dazu, sie anzulächeln. „Ich finde es schön, dass ihr zwei euch wieder vertragen habt.“

Mimi nickte und lächelte zufrieden. „Ja, das finde ich auch. Es fühlt sich wirklich gut an.“

Na wunderbar. Izzy und Mimi hatten sich also wieder versöhnt. Was ja auch von Anfang an Tai’s Bestreben war. Allerdings war es nicht sein Bestreben sich dabei jetzt selbst schlecht zu fühlen.

„Tai, du hast doch irgendwas oder?“, fragte Mimi erneut und sah ihn eindringlich an.

Der Student schüttelte den Kopf. „Nein, aber du scheinst etwas zu haben. Ist dir kalt?“, fragte er fürsorglich, denn Mimi hatte ihre Arme um sich geschlungen und zitterte am ganzen Körper.

„Ja, ein bisschen.“, gestand sie und musste niesen.

„Oh, war ja klar.“, stöhnte Tai gespielt auf und rollte bedeutungsvoll mit den Augen.

„Sag doch gleich, wenn du mit mir kuscheln möchtest.“

Mimi verschluckte sich beinahe an ihrem Tee. „Wie kommst du denn darauf?“

„Was denn? Du zitterst dir hier extra einen ab und das ohne Hintergedanke?“, neckte er sie weiter.

Mimi wollte sich gerade empört vor ihm aufbauen, als Tai sich das Lachen nicht mehr verkneifen konnte.

„Wieso kann man dich nur so gut ärgern?“, sagte er und rutschte ein Stück näher. Er legte einen Arm um sie und zog sie zu sich ran.

Ihm entging dabei nicht, wie Mimi leicht errötete. Genau wie vorhin, als er ihr plötzlich so nah war und sich nicht sicher war, was als nächstes passieren würde.

Mimi ließ zu, dass er sie in seine Arme zog und kuschelte sich an ihn. Tai merkte sofort, wie sie aufhörte zu zittern.

„Besser?“, fragte er.

„Ja, danke.“, sagte Mimi lächelnd und schloss die Augen.

Tai stutzte. „Wofür denn?“

„Einfach, dass du da bist. Und dich um mich kümmerst.“

„Na ja, ich möchte schließlich nicht daran Schuld sein, wenn du nächste Woche wegen einer Erkältung deinen 18. Geburtstag verpasst.“, antwortete er.

„Wieso denkst du immer, dass du für alles und jeden verantwortlich bist?“, fragte die Brünette und schmiegte sich noch enger an ihn.

Tai wusste darauf keine Antwort. Das Einzige, was er wusste war, dass er es gerade sehr genoss Mimi im Arm zu halten. Innerlich hoffte er, dass es nicht nur dem schlechten Gewissen geschuldet war.

„Sag mal, was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag?“, versuchte er das Thema zu wechseln.

Mimi zuckte nur leicht mit den Schultern. „Keine Ahnung.“

„Keine Ahnung? Du musst doch irgendeinen Wunsch haben?“, fragte Tai ungläubig.

„Hab ich schon, aber das kann ich dir nicht sagen.“, erwiderte Mimi mit schläfriger Stimme und einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Tai grinste und blickte auf Mimi hinab, die sich an seine Brust kuschelte und die Augen geschlossen hatte. Sie sah so friedlich aus.

Wie konnte er sich nur je auf so einen Unsinn einlassen? Sein schlechtes Gewissen drohte ihn zu übermannen und ihm wurde plötzlich schmerzlich bewusst, dass er Mimi die Wahrheit sagen musste. Dass ihre Versöhnung mit Izzy kein glücklicher Zufall war und dass die Karten von Anfang an von Izzy waren und nicht von ihm. Und dass er sich eigentlich nur mit ihr getroffen hatte, um mehr über sie zu erfahren... alles für Izzy.

Besser Mimi erfuhr es jetzt von ihm, als später durch irgendeinen blöden Zufall. Vielleicht war ihre Freundschaft ja noch zu retten, wenn er jetzt ehrlich war...

„Mimi, hör mal.“, begann Tai recht kleinlaut und unbeholfen.

„Mmh?“

„Also ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber... dass du gestern auf Izzy getroffen bist und ihr euch wieder vertragen habt... also, das war nicht wirklich ein Zufall... Ich hatte da gewissermaßen auch meine Finger im Spiel.“

Mimi erwiderte nichts auf sein Geständnis.

Wahrscheinlich musste sie seine Worte erst ein mal realisieren. Tai schluckte und setzte seine Erklärungen fort.

„Eigentlich war es von Anfang an mein Plan gewesen, dabei zu helfen, dass ihr euch wieder versöhnt. Na ja, eigentlich war es Izzy’s Plan. Nein, also erst war es meiner und dann war es Izzy’s.“, erzählte Tai hektisch weiter und schien sich dabei förmlich zu überschlagen. Ob sie ihm das glaubte?

„Und im Grunde habe ich mich anfangs nur mit dir verabredet, um für Izzy Informationen über dich zu sammeln. Auf was du so stehst und so... deswegen auch der Backkurs.“

So, jetzt war es raus. Nun gab es kein zurück mehr. Sicher würde sie ihm das nie verzeihen...

Tai wartete darauf, von Mimi eine Ohrfeige zu kassieren. Oder dass sie ihn anschrie und raus schmiss. Doch nichts geschah.

„Mimi, jetzt sag doch was! Das ist alles nicht gerade einfach für mich...“, forderte er die Brünette schroff auf und sah hinunter zu seiner Brust. Mimi lag immer noch dicht an ihn gekuschelt und war eingeschlafen.

Tai seufzte, legte den Kopf in den Nacken und fuhr sich nervös durch die Haare.

Super! Gerade hatte er endlich Mut bewiesen und ihr alles gestanden. Und Mimi bekam kein einziges Wort davon mit.

Lächelnd blickte er auf das schlafende Mädchen in seinen Armen hinab.

„Du bist wirklich eine gute Zuhörerin, Mimi Tachikawa!“, lobte er sie scherzhaft.

„Aber nur, damit du es weißt...“, sagte er leise und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Jetzt verbringe ich Zeit mit dir, weil ich es so möchte.“

Eifersucht?

Als Mimi am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich schon viel besser.

Sie hatte unheimlich gut geschlafen. Geblendet vom Licht blinzelte sie orientierungslos durch die Gegend. Warum war sie nicht in ihrem Bett?

Etwas regte sich unter ihr. Und es gähnte....

Mimi erschrak sich so heftig, dass sie sofort kerzengerade dasaß.

„Tai!“, sagte sie überrascht und blickte in das verschlafene Gesicht ihres Freundes.

Dieser streckte sich genüsslich. „Na, geht's dir besser?“

Mimi zog die Decke näher zu sich ran und sah den Braunhaarigen irritiert an.

„Kannst du mir mal erzählen, was du... was wir hier machen?“, fragte sie empört.

Was hatte Tai auf ihrer Couch zu suchen? Hatte sie etwa die ganze Nacht in seinen Armen geschlafen? Sie spürte Hitze in sich aufsteigen und fühlte, wie ihre Wangen wärmer wurden.

Der Student konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

„Keine Angst! Du bist gestern eingeschlafen. Ich wollte dich nicht wecken, also bin ich geblieben.“, erklärte er ihr amüsiert.

„Achso...“ Mimi war erleichtert. Das war ja noch das kleinere Übel von den ganzen Szenarien, die ihr durch den Kopf schossen.

„Oder was hast du gedacht? Falls es dir nicht aufgefallen ist, sind wir beide bekleidet.“, lachte Tai, während Mimi peinlich berührt wegsah und rot anlief.

Jetzt hatte er sie eiskalt erwischt. Es war doch albern, dass irgendetwas passiert war! Das hätte sie doch gleich merken müssen.

„Auf jeden Fall freut es mich, dass es dir besser geht.“, lächelte der Braunhaarige sie an.

Mimi sah ihn irritiert an. Er war tatsächlich die ganze Nacht geblieben und hatte sich um sie gekümmert.

Warum war Tai nur so nett zu ihr?

Es fiel ihr nicht das erste Mal auf, dass ihr Freund sich in letzter Zeit ungewöhnlich aufmerksam verhielt. So war er doch sonst nicht…

Mimi beschloss schnell sich später darüber Gedanken zu machen. Denn sie hatte heute noch was vor und sah gespannt auf die Uhr.

„Was, so spät ist es schon?“, erschrak sie sich und sprang auf.

„Was ist denn?“, fragte Tai verdattert.

In diesem Moment klingelte es an der Tür.

„Oh nein, das ist Izzy. Wir hatten uns für heute verabredet. Und ich hab einfach bis jetzt gepennt…“, erklärte sie fluchend und flitzte zur Tür.

Mit einem Ruck öffnete sie und blickte in das Gesicht des rothaarigen Nerds, der sie freudig anlächelte.

„Izzy, ich hab verschlafen.“, überfiel sie ihn sofort aufgeregt.

„Das seh ich!“, lachte Izzy auf und musterte die Brünette. „Ist aber nicht schlimm, ich bin eh etwas zu früh da. Hier, die sind für dich.“, sagte er und hielt ihr etwas entgegen.

Erst jetzt bemerkte Mimi den kleinen Blumenstrauß, den Izzy in der Hand hielt.

„Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen.“, winkte Mimi ab und nahm das Präsent entgegen.

„Von meiner Mutter aus dem Garten. Ich dachte, du würdest dich freuen.“

„Danke, ich stelle sie schnell ins Wasser und zieh mich um. Warte kurz.“, forderte sie den Rotschopf freundlich auf und verschwand in Richtung Küche.
 

„Klar!“, erwiderte Izzy und erhaschte einen Blick in Mimi‘s Wohnzimmer.

Er bekam große Augen, als er plötzlich sah, dass Mimi nicht allein zu Hause war.

Sein Freund Tai stand von der Couch auf und wirkte ziemlich verschlafen.

Genau wie Mimi…

Was zur Hölle machte er hier? Hatte er etwa bei ihr geschlafen?

Izzy war der Schock ins Gesicht geschrieben.

Seine Kehle wurde trocken, als ihre Blicke sich trafen und Tai ein deutlich schuldbewusstes Gesicht auflegte. Dieser Blick sagte doch alles!

„Tai, was machst du denn hier?“, fragte Izzy seinen Freund so freundlich wie möglich. In der Hoffnung, dass Tai ihm eine Erklärung dafür geben konnte.

Tai fuhr sich nervös durch die Haare, doch bevor er antworten konnte, kam Mimi aus der Küche zurück.

„Oh… ähm… Tai hat hier übernachtet.“, erklärte sie ganz beiläufig, als wäre es keine große Sache.

Izzy traf der Schlag. Er blickte irritiert von Mimi zu Tai und wieder zurück.

Was zum Teufel…?

Mimi lächelte verlegen. „Du brauchst gar nicht so zu gucken! Er hat nur hier übernachtet, weil ich mich gestern nicht wohl gefühlt hatte und ich eine Krankenschwester brauchte.“

Izzy war völlig perplex. Was genau hatte das zu bedeuten?

Da keiner von den Jungs etwas darauf erwiderte, verabschiedete Mimi sich ins Badezimmer.

„Na gut, ich geh mich mal frisch machen. Dann können wir sofort los.“, sagte sie und schloss die Tür.

Das Computergenie wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Und am zweitliebsten hätte er sich Tai geschnappt und geschüttelt.

Er wollte eine Antwort.

Tai bemerkte seinen vielsagenden Blick und kam unsicher auf ihn zu.

„Ich warte mit Izzy draußen.“, rief er Mimi durch die Badezimmertür zu.

Tai schob seinen Freund, der immer noch wie angewurzelt dastand, nach draußen und schloss die Tür hinter sich.

Izzy verschränkte die Arme vor der Brust und sah den Studenten erwartungsvoll an.

„Ich höre?“, fragte er und wartete auf eine Erklärung. Auf eine verdammt Gute!

„Es ist auf keinen Fall das, wonach es aussieht.“, begann Tai sofort hektisch zu erzählen.

„Ach nein? Wonach sieht es denn für dich aus?“, hakte Izzy zynisch nach.

Tai stöhnte. „Es ist genau so, wie sie gesagt hat.“, sagte er beschwichtigend und steckte die Hände in die Hosentaschen.

„Ja, ihr ging es nicht gut. Habe ich mitbekommen. Aber das erklärt noch lange nicht, warum du bei ihr geschlafen hast.“

„Ich, also… ich…“, begann Tai unsicher.

Izzy wurde unruhig. Warum stammelte Tai so rum? Sonst war er doch auch nicht auf den Mund gefallen…

Er sah ihn eindringlich an. Was war das hier für ein merkwürdiges Szenario, in das er reingeplatzt war. War etwas zwischen den beiden passiert?

„Lief da was?“, fragte er, ohne Umschweife. Er musste es einfach wissen.

„Was? Nein!“, protestierte Tai sofort.

„Ich…“, begann er wieder und wirkte auf Izzy zunehmend nervöser.

„Ich wollte es ihr sagen.“, gestand Tai schließlich.

Izzy sah ihn fragend an. Was sagen?

Es dauerte eine Weile, bis der Groschen fiel.

Doch er fiel umso tiefer, als Izzy realisierte, um was es hier ging.

„Bist du verrückt?“, entgegnete er aufgebracht und sah seinen Freund fassungslos an.

Mimi alles sagen? Das konnte nicht sein Ernst sein.

„Izzy, ich kann das einfach nicht. Ich hab sie die ganze Zeit so manipuliert, wie du wolltest, so dass ihr euch schließlich wieder vertragen habt. Worüber ich mich sehr freue, glaub mir. Aber ich hab ihr Vertrauen missbraucht und wenn sie das heraus findet, wird sie nie wieder ein Wort mit mir reden.“, rechtfertigte sich Tai hastig.

Izzy war die Sprachlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Er sah Tai einfach nur mit offenem Mund an. Wieso wollte er ihm plötzlich in den Rücken fallen?

„Izzy, sie ist auch meine Freundin.“, redete Tai unbeirrt weiter auf ihn ein.

Izzy wurde wütend. Wie konnte er auch nur in Erwägung ziehen, Mimi von ihrem Plan zu erzählen?

„Weißt du was ich nicht verstehe? Wieso hilfst du mir erst und willst dann wieder alles kaputt machen? Nämlich genau das wird passieren, wenn du ihr das sagst. Sie wird sauer auf dich sein, sauer auf mich sein und dann hat keiner was gewonnen.“, schrie er Tai schon beinahe an, als er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte.

Tai biss sich auf die Lippe und wich Izzy’s Blick aus.

Hoffentlich sah er gerade ein, wie dumm das war.

„Willst du das etwa? Dass sie sauer auf uns beide ist?“, versuchte Izzy weiterhin an Tai’s Vernunft zu appellieren.

Auf keinen Fall würde er zulassen, dass Tai jetzt alles ruinierte. Jetzt, wo es gerade wieder friedlich zwischen ihnen war und er eine reelle Chance sah, Mimi besser kennen zu lernen.

Tai wollte etwas erwidern, doch in dem Moment öffnete sich die Tür hinter ihm.

„Na Jungs, über was redet ihr?“, fragte Mimi grinsend und trat hinaus, um hinter sich abzuschließen.

Izzy warf Tai einen bedeutungsvollen Blick zu und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten.

Was würde er ihr sagen? Er war sich nicht sicher. Er hoffte nur, dass es nicht das Falsche war.

„Ähm, wir haben nur…“, begann Tai kleinlaut.

Izzy hielt die Luft an. Bitte nicht…!

„Izzy hat mir nur erzählt, was ihr heute so vor habt.“, sagte Tai und lächelte sie an.

Anscheinend war er zur Vernunft gekommen, stellte Izzy erleichtert fest.

Mimi strahlte über beide Ohren. „Ja, ich freue mich schon total auf den Vergnügungspark.“

Sogleich erntete Izzy einen vielsagenden Blick von seinem Freund.

„Kann ich mir vorstellen. Ich begleite euch noch ein Stück.“, sagte Tai bestimmend und da Izzy schlecht widersprechen konnte, machten sie sich gemeinsam auf den Weg.
 

Der Tag schien recht durchwachsen zu sein. Zumindest hatte sich das schlechte Wetter verzogen und ab und zu glänzten ein paar Sonnenstrahlen in den noch verbliebenen Pfützen.

„So, Vergnügungspark also?“, hakte Tai einfach noch mal nach, um sich ins Gespräch seiner beiden Freunde einzumischen. Bis jetzt hatten Izzy und Mimi sich über allerlei Belanglosigkeiten unterhalten. Was Tai allerdings gerade kein Stück interessierte.

„Ja, das war eine spontane Idee von Izzy gewesen. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen... Auf jeden Fall hat er mich eingeladen, als wir zusammen die Cupcakes verputzt haben. Oder besser gesagt, als Izzy sie alle verputzt hat.“, kicherte Mimi und sah Izzy belustigend an.

„Was denn? Die waren einfach zu lecker. Deine Schokocreme war der Hit! Die musste man einfach wegnaschen.“, verteidigte sich der Rotschopf und zwinkerte ihr zu.

Schleimer – schoss es Tai durch den Kopf. Genervt sah er die beiden an, wie sie vor sich hin kicherten und verspürte plötzlich ein Gefühl der Abneigung in sich aufsteigen.

„Ach, das ist ja seltsam, dass Izzy dich ausgerechnet in einen Vergnügungspark einlädt, obwohl doch jeder weiß, dass er sich selbst im Kinderkarussell schon übergeben muss.“, spottete er gehässig.

Er war einfach nur angewidert. Von sich, weil er zu feige war, um Mimi die Wahrheit zu sagen. Und von Izzy, weil er sämtliche Informationen, die Tai ihm gegeben hatte, so schamlos und unverzüglich ausnutzte.

Izzy warf ihm einen strengen Blick zu, was ihn allerdings wenig interessierte.

Mimi hatte Tai’s Hohn anscheinend als Witz aufgefasst und fing an zu lachen.

„Na ja, wenn’s soweit ist, kann ich Izzy ja immer noch einen Luftballon kaufen und ihn nach Hause bringen.“

Tai grinste. Denn aus den Augenwinkeln konnte er deutlich sehen, dass Izzy alles andere als begeistert darüber war, dass sie sich gerade auf seine Kosten amüsierten.

„Aber so kommt der kleine Nerd wenigstens mal raus.“, sagte Mimi breit grinsend und wuschelte Izzy durchs Haar.

„Stimmt auch wieder. Sonst wird er irgendwann noch völlig an seinem Computer vereinsamen.“, witzelte Tai und griff sich gespielt dramatisch an die Stirn.

Izzy schmunzelte. „Ja, manchmal ist es schon recht einsam vor dem Monitor. Deswegen hab ich mir auch überlegt, ob ich mir nicht etwas Gesellschaft hole. Ein Haustier oder so. Vielleicht eine Katze…“

Das war Mimi’s Stichwort. Sie strahlte über beide Ohren und klatschte begeistert in die Hände.

„Oh Izzy, was für eine schöne Idee! Zufällig kenne ich da ein paar Kätzchen, die dringend ein neues zu Hause suchen.“

Das durfte doch nicht wahr sein. Izzy zog wirklich alle Register.

Tai warf Izzy einen ermahnenden Blick zu, was der Rotschopf jedoch gekonnt ignorierte.

„Ein paar Kätzchen? Ich sprach von einer!“, versuchte Izzy die Euphorie seiner Freundin zu zügeln.

„Aber du würdest sie sehr glücklich machen. Und mich auch.“, lächelte Mimi ihn zuckersüß an, was Izzy leicht erröten ließ.

Nervös kratzte er sich am Kopf. „Na gut, ich überleg’s mir.“, versprach er ihr grinsend.

Tai hatte die Nase voll von diesem Schauspiel. Das war ja nicht auszuhalten!

Sollte Izzy doch seine Tour bei Mimi abziehen. Aber ohne ihn!

„Wisst ihr was? Ich will euch nicht länger stören, ich muss sowieso hier lang. Viel Spaß noch!“, verabschiedete er sich kurz und knapp mit einem Winken und bog um die nächste Ecke ab.

Izzy’s Schleimerei musste er sich wirklich nicht mehr geben. Er war stinksauer auf seinen Freund. Obwohl er wusste, dass es im Grunde ungerechtfertigt war. Denn schließlich lag es ja an ihm, dass Izzy jetzt den Mimi-Tachikawa-Frauenversteher raushängen lassen konnte.

„Tai, warte mal.“, rief Mimi und kam ihm hinterhergelaufen.

Tai drehte sich um und sah sie fragend an.

„Ich hab mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt, dass du dich gestern um mich gekümmert hast.“, sagte sie und lächelte verlegen.

Tai winkte schnell ab. „Ach, das war doch selbstverständlich. Hauptsache ist doch, dass es dir wieder besser geht.“

„Ist es nicht. Also, danke.“, erwiderte sie und umarmte ihn dankend.

„Jetzt hast du wohl was gut bei mir.“, grinste sie zum Abschied und machte auf dem Absatz kehrt.

Tai blieb noch eine Weile wie angewurzelt stehen, während sein Herz aufgeregt klopfte.

Er verstand sich selbst nicht mehr.

Warum war er eigentlich so sauer auf seinen Freund?

Er sollte sich doch für Izzy freuen, dass er jetzt endlich die Chance hatte, sich bei Mimi beliebt zu machen. Dass er deswegen so gehässig werden würde, hatte er nicht von sich erwartet.

War er etwa so was, wie… eifersüchtig?

Vorbereitungen

„Sora, ich bin so aufgeregt!“, grinste die Brünette und wirbelte aufgedreht umher.

Sie waren schon seit Stunden dabei den riesigen Raum vorzubereiten, den Mimi für ihre Geburtstagsparty gemietet hatte.

Mimi’s Motto für diesen Abend war: „New York meets Tokyo“.

Was hätte treffender sein können?

Außerdem liebte Mimi große Party’s. Da lag es nahe, dass es an ihrem 18. Geburtstag so richtig krachen musste!

Sora war gerade dabei eine der vielen Lichterketten um eine Säule zu wickeln, während Mimi schon mal die Karaoke Maschine klar machte.

„Kann ich mir vorstellen, man wird ja nur ein Mal 18.“, gab die Rothaarige nickend zu.

Sie hatte es aufgegeben, ihre Freundin beruhigen zu wollen. Mimi war den ganzen Tag schon so aufgekratzt, dass viele Andere sicher längst genervt von der Schülerin gewesen wären, doch Sora nahm es mit einem Lächeln hin und versuchte stattdessen ihr so gut es ging unter die Arme zu greifen. Das wusste Mimi wirklich zu schätzen. Sora hatte sogar eine Torte vorbereitet, die sie ihr um Mitternacht überreichen wollte.

Sora war wirklich die Beste!

„Entschuldigung, Miss?“

Mimi hatte gar nicht gemerkt, dass sich einige Männer mit schweren Kisten die vielen Stockwerke hoch gekämpft hatten und nun schnaubend vor ihr standen.

Die Brünette klatschte begeistert in die Hände. „Juhu! Die Getränke sind da.“, rief sie erfreut.

„Ja, juhu! Hätten Sie uns nicht sagen können, dass der Fahrstuhl kaputt ist? Dann hätten wir eine Sackkarre mitgebracht.“, nörgelte der Getränkelieferant und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

Mimi lächelte entschuldigend. „Oh, das tut mir sehr leid. Ich hab’s vergessen. Aber bis heute Abend soll er noch repariert werden.“

„Das bringt uns dann auch nichts mehr!“, meckerte der Mann weiter und legte ein genervtes Gesicht auf.

Kein Wunder! Mimi hatte duzende Getränke auf Kommission bestellt und die Männer waren nur zu dritt. Und der Fahrstuhl war kaputt, was hieß, sie mussten die ganzen Kisten zu Fuß ins oberste Stockhaus des Hochhauses tragen.

„Also, wo sollen die jetzt hin?“, fragte er Mann entnervt.

„Da hinten in den Lagerraum, bitte.“, antwortete Mimi und wies ihnen mit einer Handbewegung den Weg. Die Männer taten ihr zwar Leid, aber sie konnte es schließlich nicht ändern und hatte keine Lust, sich ihre gute Laune verderben zu lassen.

„Sora sag mal, wann kommt ihr heute Abend eigentlich?“, fragte Mimi an ihre Freundin gerichtet, die inzwischen mit den Lichterketten fertig war und sich nun daran machte, eine riesengroße USA Flagge aufzuhängen.

„Ich weiß noch nicht genau. Wir wollten alle zusammen kommen und wir haben Joe versprochen, auf ihn zu warten, bis er mit lernen fertig ist.“, antwortete Sora schulterzuckend. Mimi runzelte die Stirn. „Na dann kann’s ja spät werden.“, lachte sie.

„Na Mädels, braucht ihr vielleicht eine kleine Stärkung?“

Mimi drehte sich irritiert um und blickte in das strahlende Gesicht von Kari, die plötzlich die Treppen hoch kam, mit Meiko und einem großen Korb im Schlepptau.

„Hey, was macht ihr denn hier?“, fragte Mimi freudig überrascht und umarmte die beiden zur Begrüßung.

„Na ja, wir dachten, wenn wir schon keine Zeit haben bei den Vorbereitungen zu helfen, können wir euch wenigstens eine Kleinigkeit zum Essen vorbei bringen.“, lächelte Meiko und deutete auf Kari’s Korb.

„Wow, wie lecker!“, strahlte Mimi, als sie die ganzen Leckereien sah, die ihre beiden Freundinnen mitgebracht hatten.

Die Getränkelieferanten hatten sich währenddessen ein weiteres Mal stöhnend die Treppe hochgekämpft und gingen grummelnd an den Mädchen vorbei. „Was braucht so ne kleine Göre eigentlich so viele Getränke? Hat die ihre ganze Schule eingeladen?“, flüsterte der Mann seinem Kollegen nörgelnd zu.

Kari musste kichern. „Na die sind ja bester Laune.“

„Pfft, das gibt kein Trinkgeld!“, schnaubte Mimi und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Aber recht haben sie. Wofür brauchst du so viele Getränke?“, warf Meiko kopfschüttelnd ein.

„Guck dich doch mal hier um, Meiko. Das werden sicher mehr, als zehn Leute.“, lachte Kari, während Meiko sich mit großen Augen im Raum umsah.

Mimi und Sora hatten wirklich ganze Arbeit geleistet.

„Lasst euch einfach überraschen! Sora? Essen!“, rief Mimi ihre Freundin herbei, die immer noch auf einer Leiter am Ende des Raumes stand und fleißig werkelte.
 

Da sie nichts dreckig machen wollten, setzten sich die Mädchen einfach auf den Fußboden und Kari breitet die ganzen Leckereien vor ihnen aus, die sie mitgebracht hatte.

Mimi schwärmte von Kari’s Kochkünsten! Ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder, war ihr wohl ein goldener Kochlöffel mit in die Wiege gelegt worden.

„Tai hat mir erzählt, du hast dich wieder mit Izzy vertragen?“, fragte Kari interessiert nach.

Mimi nickte nur, während sie sich ein Reisbällchen in den Mund stopfte. Sie hatte den ganzen Tag über noch nichts gegessen und ihr grummelte schon der Bauch.

„Ja, allerdings. Und sie hat ihn sogar gleich zu ihrer Geburtstagfeier eingeladen. Und rein zufällig weiß ich, dass Izzy ein Geschenk hat, dass Mimi von den Socken hauen wird.“, grinste Sora und buffte Mimi leicht mit dem Ellenbogen in die Seite.

Mimi verschluckte sich beinahe an ihrem Reisbällchen und hustete, so dass Meiko ihr ein paar mal stark auf den Rücken klopfen musste.

„Na so ein Zufall…“, begann jetzt auch Kari zu grinsen. „Und rein zufällig weiß ich, dass Tai ebenfalls ein Geschenk hat, was Mimi umhauen wird!“

Mimi lief leicht rot an. Was sollte denn dieses blöde Gegrinse?

„Hört auf, ihr macht Mimi ganz verlegen! Das klingt ja fast so, als wär hier ein Platzgehabe ausgebrochen.“, sagte Meiko und sah sich irritiert in der Runde um.

Mimi fixierte sich lieber auf ihr Essen und fragte sich insgeheim, was Tai seiner Schwester erzählt hatte und woher Sora von Izzy’s Geschenk wusste?!

Sora und Kari fingen an zu lachen. „Ach, das war doch nur Spaß. Es ist einfach der 18. Geburtstag. Klar schenkt man da was Besonderes.“, winkte Kari schnell ab, um Mimi nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.

Mimi schluckte die Fragen runter, die ihr auf der Zunge lagen und lächelte ihre Freundinnen glücklich an.

„Wisst ihr, das beste Geschenk für mich ist, dass ich meinen Geburtstag mit euch allen zusammen feiern kann.“

„Oh Mimi, du bist süß.“, lächelte Meiko gerührt.

Die Brünette grinste und stand auf. „Ich bin nicht süß! Ich bin cool… und verrückt.“, sagte sie und ging rüber zur Karaoke Maschine.

Die Freundinnen lachten auf. „Das hat auch nie jemand bestritten!“, erwiederte Sora amüsiert.

„Hey, lasst uns das Ding mal testen.“, schlug Mimi vor und warf Kari ein Mikro zu, welches sie gekonnt auffing.

Meiko bekam sofort große Augen und wurde sichtlich nervös. „Was? Oh nein, ohne mich! Du weißt, ich steh nicht auf so was!“, protestierte sie sofort.

„Willst du daran schuld sein, wenn die Anlage nicht funktioniert und meine Party heute Abend ein Flop wird?“, stichelte Mimi und warf Meiko und Sora zwei weitere Mikros zu.

Ohne noch weiter auf Meikos Reaktion zu warten, stellte Mimi ein Lied an der Karaoke Maschine ein.

Die Musik ertönte und Mimi sang lautstark die ersten Zeilen.
 

„Yo, I'll tell you what I want

What I really, really want“
 

Sora vergrub sofort das Gesicht in ihrer Hand und schüttelte belustigt den Kopf.

Während Kari sich sofort mitreisen ließ, aufsprang und ebenfalls ins Mikro sang.
 

„So tell me what you want

What you really, really want“
 

Die Freundinnen grinsten sich an und auch Sora und Meiko ergaben sich ihrem Schicksal und stiegen lachend mit ein.
 

„I wanna, (ha) I wanna, (ha)

I wanna, (ha) I wanna, (ha)

I wanna really, really, really wanna zigazig ah…“,

sang Mimi ins Mikro und legte ein paar gekonnte Tanzmoves hin. Der Abend würde einfach legendär werden…
 


 

„Oh man Joe, jetzt leg mal einen Zahn zu!“, forderte Sora den Medizinstudenten genervt auf.

Die Freunde hatten sich alle bei Sora zu Hause getroffen, um sich schon mal etwas auf die Party einzustimmen. Nur leider mussten alle auf Joe warten, da dieser vehement darauf bestand, dass sie gemeinsam los gingen. Es war weit nach 21 Uhr, bis sie endlich weg kamen. Und nun trödelte Joe auch noch unterwegs rum und tippte die ganze Zeit etwas in sein Handy.

„Ich versteh nicht, warum ihr so hetzen müsst. Wie ich Mimi kenne, geht die Party eh die ganze Nacht. Also haben wir noch genug Zeit.“, protestierte Joe und ließ sich gar nicht weiter beirren.

„Wäre nur schön, wenn ich vor Mitternacht bei dem Geburtstag meiner besten Freundin wäre…“, nörgelte Sora genervt.

„Ja, also ehrlich mal Kido. Geh doch einfach noch etwas langsamer, dann kommen wir pünktlich zur Rausschmeiß-Musik an.“, unterstützte Matt seine Freundin, während er die große Torte trug, die Sora für Mimi gebacken hatte. Zum Glück hatte ihr Kari dabei geholfen, sonst hätte die Rothaarige sicher tagelang in der Küche verbracht.

Meiko kicherte. „Vielleicht fällt es Mimi ja gar nicht auf, wenn wir nicht da sind. Sollen an die hundert Leute sein, wird gemunkelt.“

„Oh Gott, ich glaub, ich dreh wieder um.“, warf Joe genervt ein und tat so, als ob er auf dem Absatz kehrtmachen würde. Partys waren schon generell nichts für ihn und große Partys schon mal gar nicht. Je mehr Leute, desto schlimmer, sagte er immer. Er führte nicht unbedingt das klassische Studentenleben.

Tai grinste sich eins und zog Joe am Ärmel weiter.

„Sei nicht so ein Spießer und lass dich ruhig mal gehen. Du wärst überrascht, was du bisher alles so verpasst hast.“, zwinkerte er ihm zu.

„Tai hat recht. Manchmal muss man einfach mal die Sau raus lassen.“, kam es bestätigend von Izzy, der sofort einen vielsagenden Blick von Tai erntete.

„So, wie du?“, fragte Tai ihn trocken und zog eine Augenbraue hoch. Was Izzy gekonnt ignorierte.

Momentan war er wirklich nicht besonders gut auf den Computerfreak zu sprechen.

Nicht, seitdem er ihn so unter Druck gesetzt und ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet hatte. Außerdem graute es Tai davor, wie Izzy sich heute wieder schamlos an Mimi ranschmeißen würde. Denn das zumindest stand schon mal fest! Er hatte sich extra so richtig in Schale geworfen, für die Brünette. Das war so offensichtlich. Sonst machte Izzy sich auch nicht so viel aus seinem Aussehen. Tai musterte ihn herablassend. Wie er schon den ganzen Abend mit diesem dämlichen Grinsen durch die Gegend lief…

„Alles klar, Tai?“, stupste ihn Kari an. Natürlich hatte sie den prüfenden Blick ihres Bruders bemerkt.

„Machst du dir etwa Gedanken, ob Mimi dein Geschenk gefallen wird?“, grinste sie ihn vielsagend an.

Tai fuhr sich verlegen durch die Haare. „Na ja, irgendwie schon.“, log er, ohne rot zu werden. Er musste echt besser aufpassen, wenn er wollte, dass die anderen nichts von seinem Disput mit Izzy mitbekamen.

„Ach, da brauchst du dir keine Sorgen machen!“, kicherte seine Schwester und kam etwas näher zu ihm heran, so dass sie ihm ins Ohr flüstern konnte.

„Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Izzy’s Geschenk nicht an deins herankommen wird.“

Tai zog irritiert eine Augenbraue nach oben. War das eine Anspielung? Hatte Kari doch etwas mitgekriegt? Manchmal könnte er sie dafür verfluchen, dass sie immer zwischen den Zeilen laß und deutlich das erkannte, was Andere oft übersahen.

Grinsend ließ sie sich wieder zurück fallen, so dass sie gemeinsam mit Takeru gehen konnte.

Tai war verwirrt. Er hatte sich wirklich Gedanken gemacht, was er Mimi zum Geburtstag schenken könnte. Ob es ihr gefallen würde?

Unsicher umklammerte er das kleine Geschenk in seiner Hosentasche.

Tai’s Überraschung

„Ach. Du. Scheiße.“

Das war das Einzige, was Kari hervorbrachte. Und sie war generell keine Person, die man leicht zum fluchen brachte…

Ihren Freunden ging es nicht anders.

Mimi’s Party war das komplette Kontrastprogramm zur entspannten Fahrstuhlmusik.

Bis eben umgaben sie noch die Ruhe und die seichten Klänge des Aufzuges, doch als sie oben im zwanzigsten Stockwerk ankamen und die Fahrstuhltüren sich öffneten, brach förmlich die Hölle über sie rein. Die Freunde standen mit offenem Mund da und mussten sich erst ein Mal in der tobenden Menschenmasse orientieren, während die dröhnende Partymusik sie beschallte.

„Wahnsinn!“, lachte Takeru verlegen und kratzte sich am Kopf, als zwei betrunkene Mädchen an ihm vorbeirannten, die eindeutig zu knapp bekleidet waren. Kari boxte ihn gegen den Arm und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Das ist exzessiv!“, stellte Joe völlig empört fest.

„Wie viele Leute sind das?“, fragte Meiko und wusste gar nicht wo sie zuerst hinsehen sollte.

Sora lächelte die Anderen entschuldigend an. „Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung, dass sie so Viele eingeladen hat.“

„Ihr redet den ganzen Tag, aber die wichtigen Dinge vergesst ihr wieder. Man, hier geht es härter zu, als auf den Partys nach meinen Konzerten.“, musste Matt sich lachend eingestehen. Tai war sich sicher, dass diese Party genau nach Matt’s Geschmack sein würde. Trotz seiner langjährigen Beziehung mit Sora, hatte er der Feierei nie komplett abgeschworen. Allein wegen seinen Konzerten und seinen Fans wäre das gar nicht möglich, beteuerte er immer.

Taichi grinste. Er hatte ja keine Ahnung, dass Mimi vorhatte so dermaßen stürmisch in ihr 18. Lebensjahr zu starten. Er hoffte, er würde später überhaupt dazu kommen, ihr das Geschenk zu zeigen.

Izzy sah sich unsicher um. „Wo ist denn Mimi überhaupt?“, fragte er in die Runde.

Tai stöhnte auf, was zum Glück dank der lauten Musik niemand hören konnte.

War ja klar, dass er es kaum erwarten konnte, ihr um den Hals zu fallen.

Aber er hatte recht, von der Brünetten war bisher keine Spur.

„Lasst sie uns doch einfach suchen. Irgendwo muss sie ja sein.“, schlug Kari schulterzuckend vor, nahm Takeru bei der Hand und zog ihn hinter sich her.

„Ich würde gern erst mal das Ding hier loswerden.“, nörgelte Matt genervt. „Mir fallen schon die Arme ab!“

„Das Ding heißt Torte, Schatz.“, erklärte Sora ihm amüsiert. „Komm mit, ich zeig dir, wo wir sie abstellen können. Geht am besten schon mal vor, wir sehen uns dann gleich.“, winkte sie ab und verschwand mit Matt in Richtung Küche.

„Was? Wir dürfen uns auf keinen Fall trennen, wir finden uns hier nie wieder!“, protestierte Joe aufgeregt.

Izzy und Meiko, setzten sich in Bewegung, um Kari und Takeru zu folgen und als Joe sich umdrehte, waren sie bereits in der Menschenmasse verschwunden.

„Hey, was soll das? Ihr könnt mich doch hier nicht einfach mutterseelenallein zurücklassen!“, schrie er ihnen wütend nach.

„Joe, du bist hier vieles, aber sicher nicht allein. Bis später.“, grinste Tai frech und schmiss sich ebenfalls ins Getümmel, noch bevor der Medizinstudent irgendetwas darauf erwidern konnte.
 

Tai war schwer beeindruckt, was für eine Party Mimi auf die Beine gestellt hatte. Auch, wenn er längst den Überblick verloren hatte. Überall sah er Leute, die tanzten, lachten, rum knutschten… Er kannte nicht mal die Hälfte von ihnen und er fragte sich, woher Mimi sie alle kannte, beziehungsweise ob sie alle Mimi kannten?

Langweilig würde dieser Abend jedenfalls nicht werden, das stand fest.

Inzwischen hatte er Kari und die anderen eingeholt. Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die Massen und hielten Ausschau nach dem Geburtstagskind.

Tai grinste, als er in einer Ecke eine Brünette sah, die gerade mit einem anderen Mädchen auf Freundschaft trank und danach lauthals lachte.

„Ich glaub, ich hab sie.“, sagte er zu den anderen und zeigte auf Mimi, die schon sichtlich angetrunken war.

Sie wirbelte herum und ihre Augen weiteten sich vor Freude, als sie ihre Freunde erblickte. Aufgeregt kam sie auf sie zu und zog Kari in eine stürmische Umarmung.

„Ihr seid da!“, stellte sie strahlend fest und wollte Kari gar nicht mehr loslassen.

„Sind wir! Happy Birthday!“, lächelte Kari und versuchte sich langsam aus dem festen Griff ihrer Freundin zu lösen.

„Noch habe ich nicht Geburtstag, erst um Mitternacht.“, zwinkerte die Brünette und ließ Kari los, nur um gleich im Anschluss Tai um den Hals zu fallen.

„Ich freue mich so, dass du da bist!“

„Hey, nicht so stürmisch…“, lachte der Student und wusste gar nicht so recht, wie ihm geschah. Izzy’s eifersüchtiger Blick allerdings entging ihm nicht, woraufhin er Mimi nur noch fester in die Umarmung zog.

Als sie sich schließlich von ihm löste und auch die Anderen freudestrahlend begrüßte, hatte er endlich Gelegenheit sie sich erst einmal in Ruhe anzusehen.

Mimi sah einfach umwerfend aus!

Sie trug ein wunderschönes, kurzes Kleid, welches nicht ganz bis zu den Knien reichte. Obenrum war es in gold verziert und ab der Taille abwärts fiel es in einem leichten, schwarzen Stoff um ihre Beine. Außerdem trug sie schwarze High Heels, welche ihre ohnehin schon schönen Beine noch mehr betonten. Ihr Haar trug sie offen, mit großen Locken, die ihr leicht über die Schulter fielen.

Kari stupste Tai in die Seite, was ihn dazu zwang, seinen Blick von Mimi abzuwenden.

„Starr sie nicht so an, das fällt auf!“, maßregelte sie ihn kichernd.

Tai verdrehte die Augen. Warum musste sie immer alles mitkriegen?

„Mimi, wo kommen die ganzen Leute her? Sag mir nicht, dass du die alle kennst…“, machte sich Meiko endlich Luft, der es ähnlich wie Joe zu gehen schien. Allerdings machte sie nicht so ein Drama daraus.

„Nein, aber alle scheinen mich zu kennen.“, lachte sie. „Eigentlich wollte ich nur meinen Jahrgang einladen, aber das schien sich wohl an der Schule wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben und irgendwann wurde es zum Selbstläufer und alle wollten kommen. Ich glaub, es sind sogar einige Studenten hier…“, kicherte Mimi und zuckte mit den Schultern. „Egal, je mehr, umso besser! In New York wird immer groß gefeiert!“

„Und wer zahlt das alles?“, fragte Takeru mit großen Augen.

„Daddys goldene Kreditkarte natürlich. Das ist sein Geburtstagsgeschenk an mich.“, zwinkerte die Brünette und stemmte die Arme an die Seite.

„Wo sind eigentlich Matt und Sora?“

„Wenn du willst, such ich sie mit dir.“, schlug Izzy vor.

„Na dann komm, ich will endlich mit meiner besten Freundin anstoßen!“, forderte sie ihn auf und zog ihn eilig an der Hand hinter sich her.

Tai biss sich auf die Unterlippe, während er dabei zusah, wie die Beiden in der Menge verschwanden. Hoffentlich klebte Izzy nicht den ganzen Abend wie eine Klette an ihr. Sonst wusste er nicht, wie er sie für sein Geschenk kurz entführen konnte.
 

„Leute, jetzt wird gefeiert!“, rief Mimi und warf den Kopf in den Nacken. Nachdem sie Sora und Matt endlich gefunden hatte, trieb es sie als nächstes zur Bar, wo sie sich und ihren Freunden ein paar Kurze bestellte. Die Anderen standen um sie rum und prosteten ihr zu.

Meiko schüttelte es. „Puh, wie kann man das nur trinken?“, fragte sie angewidert und verzog das Gesicht.

„Ich weiß nicht.“, grinste Mimi, zuckte mit den Schultern und trank ein zweites Schnapsglas in einem Zug aus.

„Hey, wieso hast du zwei?“, protestierte Matt und stemmte die Hände an die Hüften.

„Das war für Joe.“, erklärte sie ihm trocken und alle mussten lachen.

Bisher hatte den Medizinstudenten keiner wieder gesehen…

Tai musste grinsen. Er liebte es einfach, wenn sie so unbeschwert und ungezwungen war. Wenn sie eben einfach Mimi war.

„Wie sieht’s aus? Wer von euch Feierwütigen will als Erster mit dem Geburtstagskind tanzen?“, fragte Mimi frech in die Runde und zog eine Augenbraue hoch, als ihr Blick auf Tai hängen blieb.

„Mmh nein, du lieber nicht. Du hast noch nicht genug getrunken, um mir zu verfallen.“, erklärte sie und schüttelte lachend den Kopf.

Tai zuckte unmerklich zusammen und grinste verlegen. Um ihr zu verfallen? Wenn er nicht aufpasste, würde heute Abend genau das geschehen. Aber wahrscheinlich sprach ohnehin der Alkohol aus ihr.

Mimi’s Blick wanderte weiter durch die Runde. „Mmh, zu jung und vergeben…“, zeigte sie mit dem Finger auf Takeru und musterte dann Matt. „Und du, zu blond und vergeben.“, stellte sie lachend fest.

„Was? Zu blond? Bei dir piept’s wohl!“, schimpfte Matt, stemmte die Arme an die Seite und legte ein beleidigtes Gesicht auf.

„Sei nicht böse, mein blonder Freund. Kann ja nicht Jede auf Prinz Charming stehen, so wie sie.“, ärgerte Mimi ihn weiter und deutete auf Sora. Diese konnte sich nun nicht mehr halten und prustete los.

Matt sah sie entgeistert an. „Du fällst mir in den Rücken?“

„Tut mir leid… Prinz Charming. Das passt so gar nicht zu dir!“, lachte sie und hielt sich den Bauch.

„Tja, dann bleibt nur noch der Nerd.“, sagte Mimi und drehte sich schwungvoll zu Izzy um.

Ein verlegenes Lächeln kam ihm über die Lippen, als Mimi ihn ohne weiter zu fragen auf die Tanzfläche zog.
 

„Hast du Spaß?“, schrie sie dem Rothaarigen zu, um die Musik zu übertönen. Sie hatten schon einige Lieder durchgetanzt und während Mimi sich rhythmisch im Takt der Musik bewegte und dabei ein sehr gutes Körpergefühl bewies, wippte Izzy nur von einem Fuß auf den anderen. Er sah sichtlich verunsichert aus und blickte immer wieder nervös zu den Leuten, die um sie herum tanzten. Anscheinend versuchte er sich an deren Bewegungen zu orientieren, was ihm einfach nicht gelingen wollte. Im Allgemeinen war Izzy, der Computerfreak eher nicht als feierwütig bekannt. Und wenn sie doch mal tanzen gingen, begnügte er sich meist mit einem Bier in der Ecke. Dies war mehr oder weniger eine Premiere für ihn.

Er sah Mimi fragend an, während er sich leicht zum rockigen Takt hin und her bewegte. „Was hast du gesagt?“

„Nichts! Du machst das wirklich gut!“, versuchte Mimi ihn aufzumuntern und schenkte ihm ein Lächeln.

„Wirklich? Ich komme mir total albern vor…“, grinste Izzy verlegen.

„Ach, quatsch! Ist doch total einfach.“, winkte sie ab und näherte sich ihm auf wenige Zentimeter. Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Hüfte. „Einfach mit der Musik bewegen.“, erklärte sie ihm und versuchte einen gemeinsamen Rhythmus mit ihm zu finden.

Was ihn nach einigen Sekunden sogar ganz gut gelang. „Siehst du, geht doch!“, lobte sie ihn und Izzy wurde leicht rot.

Mimi sah sich nach ihren Freunden um, die inzwischen ebenfalls von der Musik angezogen wurden und lachend mit der Menge tanzten. Sie sah zu Takeru und Kari rüber, die einfach mehr als nur süß waren. Sie tanzten wild und taktlos zur Musik, während Takeru seine Freundin mehrmals um die eigene Achse drehen ließ. In solchen Momenten wirkten sie meist gar nicht, wie ein verliebtes Paar, sondern einfach wie beste Freunde, die gemeinsam Spaß hatten. Und das waren sie auch. Vielleicht war das das Geheimnis ihrer innigen Beziehung, hatte Mimi sich schon oft gedacht. Und insgeheim beneidete sie die beiden darum. Sie vertrauten sich einfach blind und waren beste Freunde, lange bevor sie ein Paar wurden.

Lächelnd wandte sie den Blick ab und erkannte etwas weiter entfernt Sora, die ihre Arme elegant um ihren Freund gelegt hatte und sich gemeinsam mit ihm zur Musik bewegte. Auch sie hatten eine wirklich einzigartige Beziehung. So unterschiedlich sie auf den ersten Blick oft wirkten, harmonierten sie doch perfekt miteinander.

Mimi ließ ihren Blick weiter durch die Massen schweifen und runzelte die Stirn.

Wo war Tai?

„Entschuldigst du mich kurz?“, fragte sie an Izzy gewandt, der sich voll und ganz auf ihren gemeinsamen Tanz konzentriert hatte und wie hypnotisiert wirkte.

„Was? Ähm… klar!“, sagte er etwas überrumpelt und ließ enttäuscht von ihr ab.

„Schön weiter machen.“, zwinkerte sie ihm grinsend zu und zwängte sich an den Leuten vorbei hin zur Bar.

Er stand, mit einem Bier in der Hand an den Tresen gelehnt und beobachtete mit Argusaugen das wilde Treiben der Gäste.

Mimi ging zu ihm und sah ihn irritiert an. Als er sie erblickte, schwand seine ernste Miene und wich einem freudigen Lächeln.

„Du siehst nicht so aus, als ob du Spaß hättest.“, stellte sie fest und sah ihn eindringlich an.

„Bist du verrückt? Das ist die beste Party aller Zeiten.“, stritt Tai schnell ab.

„Und wieso stehst du dann nur hier rum? Es laufen haufenweise hübsche Mädchen hier rum…“, grinste Mimi frech und verschränkte die Arme vor der Brust.

Tai lachte auf. „Dafür hab ich noch nicht genug getrunken. Ich bin quasi noch nüchtern.“

„Tu dir keinen Zwang an.“, versuchte sie ihn anzuspornen und hielt zurückhaltend die Hände in die Luft.

„Geht nicht.“, grinste der Student verschmitzt. „Ich muss dir doch noch dein Geschenk geben.“

Mimi verstand nur Bahnhof. Was hatte das denn damit zu tun?

„Das verstehe ich jetzt nicht…“, gestand sie und zog eine Augenbraue nach oben.

Tai stellte sein Bier auf der Theke ab und nahm sie bei der Hand. „Na dann komm, ich zeig’s dir.“, forderte er sie mit einem vielsagenden Blick auf und wollte sie mit sich ziehen.

Doch Mimi blieb wie angewurzelt stehen. „Was ist denn?“, fragte er sie irritiert, als er merkte, dass die Brünette keine Anstalten machte, sich zu bewegen.

„Warte mal. Um mir das Geschenk zu geben, musst du nüchtern sein? Gilt das dann auch für mich? Denn das ist eindeutig zu spät…“, eröffnete sie ihm, als wäre es eine Überraschung.

Tai lachte. „Ich denke, das ist in Ordnung.“

„Okay.“, meinte Mimi nur, lehnte sich über die Bar und schnappte sich die erstbeste Sektflasche, die sie greifen konnte.

„Bereit! Für was auch immer!“, nickte sie entschlossen.

Tai konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und nahm sie bei der Hand. „Wir müssen nach unten.“, erklärte er ihr beiläufig.

Sie gingen zum Fahrstuhl, der sich just in dem Moment öffnete und lautes Gegröle hervorbrachte. Einige Jungs und Mädchen kamen lauthals lachend heraus gestolpert und Tai musste einen Schritt zur Seite ausweichen, um nicht von ihnen umgerannt zu werden.

„Mimi, wo willst du hin?“, fragte das eine Mädchen verwirrt und blieb stehen, als sie Mimi erblickte, wie sie mit Tai den Fahrstuhl betrat.

„Keine Ahnung, aber ich bin pünktlich um Mitternacht wieder da.“, erklärte sie ihr schulterzuckend.

„Das will ich auch hoffen! Sonst kriegst du nichts von der Torte ab.“, neckte sie das Mädchen und hob mahnend ihren Finger, während Mimi ihr nur grinsend zuwinkte, als Tai den Knopf betätigte und sich die Fahrstuhltüren schlossen.

„Eine Freundin von dir?“, fragte Tai neugierig.

„Ja, sie geht in meine Klasse. Wieso? Gefällt sie dir?“, spaßte Mimi und buffte ihn leicht an der Schulter an.

„Ja genau! Du tanzt die ganze Zeit mit Izzy, obwohl ihr kein Paar seid und ich stehe auf ein Mädchen, dass ich gerade zum ersten Mal gesehen habe.“, lachte Tai gehässig auf, woraufhin er einen fragenden Blick von Mimi erntete.

War das etwa eine Anspielung? Weil sie mit Izzy getanzt hatte? Und wenn ja, wie sollte sie darauf reagieren? Für so was war sie eindeutig schon zu betrunken. Normalerweise plapperte sie ja immer so, wie ihr der Schnabel gewachsen war, doch wenn sie ihn jetzt direkt fragen würde, ob er eifersüchtig auf Izzy war, würde womöglich noch eine peinlich, tiefgründige Diskussion ausbrechen, was sie mit ihrem alkoholbenebeltem Kopf nicht mehr ausmachen konnte.

„Du hättest es doch sagen können, wenn du unbedingt mit mir tanzen möchtest.“, witzelte sie und streckte ihm die Zunge raus.

„Darum geht es doch gar nicht.“, erwiderte Tai stocksteif und vergrub die Hände in den Hosentaschen.

„Bist du dir sicher, Yagami?“, säuselte sie mit einem vielsagenden Blick und rutschte ein bisschen näher an ihn heran, um ihn zu ärgern. Sie legte sanft eine Hand auf seine Brust und bemerkte, wie Tai leicht zusammenzuckte. Er zog nervös eine Augenbraue hoch und musterte sie. Irgendwie machte es ihr Spaß, ein wenig mit Tai zu flirten. War vermutlich dem Alkohol zuzuschreiben.

Der Fahrstuhl war schneller unten angekommen, als Mimi lieb war. Sie hätte ihn gerne noch etwas mehr in Verlegenheit gebracht, doch die Türen öffneten sich und Tai grinste sie an. „Kommst du?“

Mimi nickte und folgte ihm raus aus dem Fahrstuhl, in die elegante Eingangshalle des Gebäudes. Suchend sah sie sich um.

„Warum hast du das Geschenk nicht einfach mit hochgebracht?“, fragte sie ihn.

„Das wäre beim besten Willen nicht gegangen.“, antwortete Tai lachend und steuerte den Ausgang an. Ganz Gentlemen-like hielt er ihr die Tür auf. „Nach Ihnen.“, witzelte er und Mimi musste lachen. Sie fragte sich wirklich, was Tai vorhatte…

Als sie vor dem Gebäude standen, atmete sie begierig die frische Nachtluft ein. Es fühlte sich wirklich gut an, mal aus diesem stickigen Partyraum raus zu kommen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Tai stand neben ihr und wartete auf eine Reaktion. „Da ist es!“, verkündete er stolz.

Mimi sah sich um. „Wo?“, fragte sie nach und konnte beim besten Willen nichts entdecken, was auch nur ansatzweise wie ein Geschenk aussah. „Bin ich tatsächlich schon so betrunken?“ Sie zweifelte schon langsam an sich selbst, als Tai mit dem Finger auf etwas deutete, das vor ihnen stand.
 

„Tai… was…? Dein Ernst?“, brachte Mimi mit erstickender Stimme hervor und fasste sich nach Luft ringend an die Brust.

„Du schenkst mir ein Auto?“, fragte sie ihn entgeistert und sah ihn erstaunt und empört zugleich an.

Tai musste laut auflachen.

Vor ihnen stand ein glänzendes, rotes Cabrio und Mimi… die stand total auf dem Schlauch. Lag es an ihr und dem Alkohol, dass sie den Witz nicht kapierte oder hatte Tai völlig den Verstand verloren?

„Nein, du Dummerchen. Natürlich schenke ich dir kein Auto.“, eröffnete Tai ihr und konnte sich kaum mehr halten vor Lachen.

Mimi sah ihn skeptisch an und stemmte die Arme an die Seite. Was für eine schräge Art von Humor war denn das nun wieder? So langsam kam sie sich veräppelt vor.

„Nein, ich schenke ihn dir schon, aber nur für heute Nacht.“, erläuterte Tai, als er sich langsam wieder beruhigt hatte, holte einen silbernen Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn ihr unter die Nase.

Mimi wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.

„Ich wollte dir an deinem 18. Geburtstag gerne ein wenig Freiheit schenken. Du wirst bald anfangen zu studieren und dein Leben wird sich grundlegend verändern. Vielleicht werden wir nie wieder so unbeschwert und frei sein, wie jetzt.“, erklärte er ihr mit Begeisterung, als er ihr fragendes Gesicht sah.

Mimi stockte der Atem. So etwas hatte ihr noch nie jemand geschenkt. Ihre Augen begannen zu funkeln und ein Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit.

„Tai, du bist...“, begann sie, doch ihr fehlten die Worte.

Stattdessen nahm Tai sie an die Hand und zog sie sanft mit sich.

Er öffnete ihr die Beifahrertür und wies ihr mit einer Geste einzusteigen.

„Da du ja leider schon etwas getrunken hast, werde ich fahren.“, grinste er frech und nachdem Mimi sich in dem roten Cabrio niedergelassen hatte und mit großen Augen die Innenausstattung unter die Lupe nahm, machte Tai es sich auf der Fahrerseite bequem und steckte die Schlüssel ins Loch. Als der Motor startete, sah Mimi ihn begeistert an.

„Wo fahren wir hin?“

„Wo immer du hin willst.“, lächelte Tai verschmitzt und fuhr los.
 

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An dieser Stelle möchte ich mich hier gerne für die ganzen Favoriteneinträge bedanken :-* Hab mich total gefreut <3 Habt viel Spaß beim weiterlesen ;)

Wir sind Freunde

„Also, wo willst du hin?“, fragte Tai sie und bog auf die Hauptstraße ab.

Mimi legte den Kopf schief und überlegte. Wo sollten sie hinfahren? Jetzt, wo ihr alle Möglichkeiten offen standen, wusste sie plötzlich nicht mehr wo sie am liebsten sein wollte.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Weißt du, wo es total schön ist, um diese Uhrzeit?“, fragte sie an Tai gewandt und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die durch den Fahrtwind wild herum wehte.

„Du wirst es mir bestimmt gleich verraten.“, sagte Tai mit einem extrem süßen Grinsen, wie Mimi fand, während er sich weiter auf die Straße konzentrierte.

Er sah einfach unfassbar gut aus, wie er so lässig neben ihr saß und seine wilde Mähne vom Wind zerzaust wurde. Sie konnte den Blick gar nicht mehr von ihm abwenden.

Als er sich ihr zuwandte und sie eindringlich ansah, machte ihr Herz einen Sprung.

„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, hakte er amüsiert nach, denn er wartete immer noch auf ihre Antwort.

Mimi sah schnell wieder nach vorn, damit er nicht erkennen konnte, dass sie leicht errötet war. „Lass uns zum Hafen fahren. Da war ich früher oft mit meinen Eltern und von da aus kann man super über die Stadt blicken. Ist wirklich schön da.“, schlug sie ihm vor.

Tai lächelte und richtete den Blick wieder auf die Straße. „Ganz wie du willst, Prinzessin.“, sagte er, drehte die Musik noch etwas auf und fuhr geradewegs über eine lange Brücke in Richtung Hafen.

Er beschleunigte den Wagen immer weiter, so dass Mimi’s Haare immer mehr durcheinander gebracht wurden. Ihre Augen begannen zu leuchten und ein Kribbeln machte sich in ihr breit. Vielleicht lag es am Alkohol, aber sie empfand plötzlich ein tiefes Gefühl von Freiheit. Sie grinste und schnallte sich ab. Tai sah skeptisch zu ihr rüber, während sie sich ihre Schuhe abstreifte. „Was soll das werden?“, fragte er irritiert.

„Wirst du gleich sehen!“, sagte sie provokant und versuchte auf ihren Sitz zu steigen.

„Mimi, lass den Scheiß!“, befahl er ihr streng, was Mimi jedoch nicht im Geringsten interessierte.

Sie hielt sich an der Frontscheibe fest und versuchte sich langsam aufzurichten.

„Bist du irre? Was machst du da?“, fragte Tai sie entsetzt und hatte Mühe gleichzeitig auf Mimi und auf die Straße zu achten.

„Das ist wie fliegen...“, säuselte sie lächelnd und breitete die Arme aus. Der Fahrtwind wehte ihr um die Ohren und das Adrenalin durchfuhr so plötzlich ihren Körper, dass sie dachte spüren zu können, wie das Blut unaufhaltsam durch ihre Venen schoss.

Es war einfach unglaublich…!

Tai beobachtete sie aus dem Augenwinkel und musste lachen.

„Du bist einfach komplett verrückt, Mimi Tachikawa!“, sagte er kopfschüttelnd und gab es auf, sie davon abbringen zu wollen.

„Das ist einfach der Wahnsinn!“, lachte Mimi und ließ sich immer mehr vom Adrenalin und der Geschwindigkeit beflügeln.

Noch nie hatte sie sich so lebendig gefühlt, wie in diesem Moment. Alles andere um sie herum war plötzlich unwichtig und die Welt schien unendlich. Sie hatte noch nie in ihrem Leben mal wirklich Etwas riskiert und das Gefühl der Freiheit, was sie gerade empfand, war einfach unbeschreiblich, so dass sie es so lange wie möglich festhalten wollte.

Sie blinzelte und dachte an all die schönen Momente zurück, die sie in letzter Zeit gehabt hatte.

Viele davon teilte sie mit Tai, das wurde ihr jetzt bewusst.

Er schaffte es, dass sie sich lebendig fühlte. Dass sie sich nicht mehr, wie in den letzten Monaten nur auf ihre bevorstehenden Prüfungen und ihre Zukunft konzentrierte, sondern im Hier und Jetzt lebte. Ihr Herz begann noch schneller zu schlagen, wenn das überhaupt noch möglich war und sie musste sich eingestehen, dass Tai sie glücklich machte. Verdammt glücklich!

Durch ihn fühlte sie sich leicht und unbeschwert. Bei ihm durfte sie genauso sein, wie sie war.

Sie schluckte, als es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel…

Hatte sie sich in Tai verliebt?

Immer noch schlug ihr Herz stark gegen ihre Brust, als sie in der Ferne das Ende der Brücke erblickte und ernüchternd feststellte, dass sie sich wieder hinsetzen musste.

Sie ließ die Arme sinken und setzte sich vorsichtig wieder auf ihren Sitz.

Noch völlig euphorisiert von ihren Gefühlen fuhr sie sich mit einer Hand durch die Haare und lachte kurz auf, während ihr Herz langsam begann wieder gleichmäßiger zu schlagen.

„Hätte ich gewusst, dass du vor hast dich umzubringen, hätte ich dich nicht in dieses Auto gesetzt.“, lachte Tai auf und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.

Mimi legte eine ihrer zittrigen Hände auf sein Bein und sah ihn mit großen, strahlenden Augen an. „Das ist schon jetzt mit Abstand das beste Geschenk, aller Zeiten!“, sagte sie beeindruckt und das breite Lächeln auf ihren Lippen wollte gar nicht mehr verschwinden.

„Danke, das wollte ich hören.“, entgegnete Tai selbstsicher und richtete den Blick wieder auf die Straße.
 

„Hey, hast du Mimi gesehen?“, fragte er Kari, die mit Takeru an der Bar stand und sich einen Cocktail genehmigte.

Sie sah ihn verwundert an und zuckte mit den Schultern. „Nein… wieso? Ist sie nicht da?“

„Keine Ahnung, ich kann sie einfach nicht finden. Ich suche sie schon seit einer halben Stunde.“, erwiderte Izzy und sah sich suchend in der Menge um. Seit sie ihn auf der Tanzfläche stehen gelassen hatte, war von der Brünetten keine Spur mehr.

„Mmh, ich kann ja mal auf der Toilette nachsehen. Vielleicht ist sie da.“, überlegte Kari und sah Takeru fragend an, der nur die Schultern nach oben zog und ihr damit signalisierte, dass er auch keinen Schimmer hatte, wo Mimi sein könnte.

„So lang auf der Toilette? Kann ich mir nicht vorstellen…“, sagte Izzy gedankenverloren, bemerkte jedoch in dem Moment, dass genau das Mädchen an ihm vorbeilief, dass vorhin mit Mimi auf Freundschaft getrunken hatte.

Schnell hielt er sie an der Schulter fest und sah in ihr irritiertes Gesicht. Sie musterte ihn von oben bis unten und wollte gerade den Mund aufmachen, als Izzy ihr zuvorkam. „Entschuldige bitte, hast du vielleicht Mimi gesehen?“, fragte er sie höflich.

„Wir suchen sie schon eine ganze Weile.“, ergänzte Kari noch, damit sich das Mädchen nicht allzu überrumpelt fühlte.

„Mimi? Die ist doch vorhin mit diesem Typen verschwunden.“, antwortete das Mädchen und sah Izzy und Kari abwechselnd an.

Kari runzelte die Stirn. „Was? Mit welchem Typen?“

Das Mädchen zuckte leicht mit den Schultern. „Na mit diesem Tai, oder wie der heißt.“, sagte sie beiläufig und konnte nicht ahnen, was sie damit ausgelöst hatte…
 

„Es ist so wunderschön hier!“, schwärmte Mimi und blickte verträumt auf die Lichter der Stadt. Der Hafen war leicht beleuchtet und das Licht der Stadt spiegelte sich im Wasser wieder. Sie hatten das Auto dort abgestellt und saßen nebeneinander auf der Lehne der Rückbank, während sie einfach den Liedern im Radio lauschten und den Anblick genossen.

Mimi fuhr sich durch ihre zerzausten Haare und nahm einen Schluck aus der Sektflasche, die sie von ihrer Party mitgenommen hatte.

„Da hast du recht.“, stimmte Tai ihr zu und drehte sich zu ihr um. „Aber du solltest wirklich aufhören so viel zu trinken.“, ermahnte er sie fürsorglich.

„Sonst?“, grinste Mimi frech und nahm provokant noch einen Schluck.

„Sonst kommst du auf noch mehr solcher Ideen, wie vorhin. Und ich hatte eigentlich vor, dich heile wieder bei deiner Party abzuliefern.“, lachte Tai und versuchte ihr die Flasche wegzunehmen. Doch Mimi war schneller und hielt sie seitlich von ihm weg.

„Nix da, ich hab schließlich Geburtstag und das Geburtstagskind darf machen, was es will.“

Tai grinste herausfordernd. „Ja, da hast du recht, aber…“, gestand er ihr zu und beugte sich dann doch blitzschnell zu Mimi hinüber, nur um ihr gekonnt die Flasche aus der Hand zu entwenden. „Aber genaugenommen hast du noch gar nicht Geburtstag, also…“, beendete er seinen Satz triumphierend.

Mimi sah ihn eingeschnappt an und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Taichi, du Spielverderber!“, sagte sie beleidigt.

Der Student lachte auf. Sie war einfach zu süß, wenn sie wütend war.

„Sag mal,…“, begann er und wurde plötzlich ernst.

„Was ist eigentlich aus deinen Zukunftsplänen geworden? Ich meine, hast du immer noch vor vielleicht in den USA zu studieren?“

Mimi sah ihn irritiert an.

Schon länger hatte er sich darüber Gedanken gemacht. Er hatte nicht vergessen, was Mimi ihm damals auf dem Hochhaus erzählt hatte. Und inzwischen stellte er sich oft die Frage, was wäre, wenn sie sich wirklich dazu entscheiden sollte, zu gehen? Würde er das wollen? Würde er sie dazu ermutigen können?

„Na ja, ich habe mich zumindest für ein Stipendium beworben. Ich wollte mir alle Türen offenhalten.“, sagte sie schulterzuckend und sah ihn weiterhin fragend an. Anscheinend kam ihr dieser Stimmungswechsel etwas zu plötzlich.

Tai versetzte diese Antwort einen kleinen Stich ins Herz.

Wieso hatte er gehofft, was Anderes zu hören? Sollte er ihr sagen, dass er nicht wollte, dass sie wegging?

Sein Körper fühlte sich plötzlich so steif und schwer an. Gedankenverloren blickte er auf’s Wasser und fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. War Mimi ihm so sehr ans Herz gewachsen, dass er nicht aussprechen konnte, was wirklich in ihm vorging?

Er zuckte leicht zusammen, als er Mimi’s Hand auf seinem Bein spürte und sah sie erwartungsvoll an.

Sie hatte so wunderschöne Augen…

Warum war ihm das früher nie aufgefallen? Wieso fühlte er sich ihr plötzlich so nah?

Sie rutschte ein Stück näher an ihn heran und sah ihm tief in die Augen.

„Tai, mach’s nicht kaputt, ja?!“, sagte sie leise.

„Was denn?“, fragte er und fixierte ihre Augen, die leicht im Licht der Stadt leuchteten.

„Lass uns jetzt nicht darüber reden. Lass uns einfach…“, flüsterte sie schon beinahe und kam seinem Gesicht immer näher. Verträumt sah sie abwechselnd von seinen Augen zu seinen Lippen und Tai’s Herz begann unwillkürlich zu klopfen.

„Lass uns einfach hier sein.“, beendete Mimi ihren Satz und legte ihre Lippen sanft auf seine.

In dem Moment, als ihre Lippen sich berührten, wurde Tai von seinen Gefühlen regelrecht übermannt und ein angenehmes Kribbeln machte sich in seiner Magengegend breit.

Er schloss die Augen und erwiderte den Kuss, indem er mit seiner Hand ihr Gesicht berührte und seine Lippen stärker auf ihre presste.

Ihre Lippen fühlten sich unglaublich weich an und ihm wurde bewusst, dass es genau das war, was er sich schon seit einiger Zeit gewünscht hatte.

Er fuhr mit der Hand langsam an ihrem Hals hinunter, über ihr Schlüsselbein und verharrte dann nahe ihrem Herzen. Tai konnte deutlich das starke Klopfen und ihre unregelmäßige Atmung spüren, was ihn dazu brachte, den Kuss noch weiter zu intensivieren. Er rutschte noch etwas näher an sie heran und nahm ihr Gesicht in seine Hände, während sie sich zärtlich küssten.

Es fühlte sich an, als würde die Zeit stehen bleiben. Als wären sie irgendwo gefangen zwischen Traum und Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit…

Das schlechte Gewissen überkam ihn ebenso schnell, wie die Gefühle, die der Kuss bei ihm ausgelöst hatte.

Was tat er hier nur?

Ohne, dass er es wollte, schoss ihm das Bild von Mimi und Izzy in den Kopf, wie sie noch vor kurzem auf ihrer Party getanzt hatten.

Das hier war falsch, einfach so falsch. Obwohl es sich so richtig und gut anfühlte.

Doch das konnte er seinem Freund einfach nicht antun. Er konnte, nein er durfte nicht das Mädchen küssen, in das er verliebt war.

Schneller, als beabsichtigt löste er sich von ihren Lippen und sah sie entschuldigend an.

Mimi erkannte sofort in seinem Blick, dass irgendetwas nicht stimmte und legte ein fragendes Gesicht auf.

„Was ist?“, wollte sie wissen.

„Mimi, ich… ich kann das nicht.“, gestand er ihr betrübt und wollte wegsehen, als er mit seinem Blick auf ihren Lippen hängen blieb.

Mimi schluckte. „Was meinst du damit, du kannst das nicht?“, hakte sie unsicher nach.

Tai drehte sich um und sah wieder hinaus auf’s Wasser.

Was hatte ihn nur geritten, sich so hinreißen zu lassen?

Egal, wie sehr er sich momentan mit Izzy in der Wolle hatte. Er brachte es nicht fertig, ihm das anzutun.

Mimi griff seine Schulter und zog ihn leicht zu sich rum, so dass er sie ansehen musste.

In ihren Augen spiegelte sich Enttäuschung wieder.

„Hey, was hast du denn plötzlich?“

Tai fuhr sich nervös durch die Haare. „Man Mimi, wir dürfen das nicht.“, sagte er und klang dabei gereizter, als er es wollte.

Mimi lachte leicht auf. „Was? Uns küssen?“, fragte sie verständnislos.

„Wir sind Freunde.“, sagte er nur trocken und vermied es in ihre traurigen Augen zu sehen.

Ein Moment der Stille machte sich zwischen ihnen breit und Tai wusste, dass er gerade einen weiteren schlimmen Fehler begangen hatte.

Er spürte, wie Mimi’s Blick immer noch auf ihn ruhte und auf eine bessere Erklärung wartete. Denn die Freundschaftsschiene hatten sie längst verlassen, das wussten beide.

Doch Tai brachte keinen Ton mehr heraus. Eben hatte er noch Mimi’s weiche Lippen geküsst und sich nie glücklicher gefühlt und jetzt steckte ihm ein dicker Kloß, namens Izzy im Hals, den er nicht runterschlucken konnte. Er presste die Lippen aufeinander und hoffte inständig, dass der Boden sich auftuen und ihn verschlucken würde.

„Wenn das so ist…“, sagte Mimi kühl und kletterte von der Rückbank auf den Vordersitz.

„…fahr mich wieder zu meiner Party.“

I won't disagree

Die Fahrt zurück zu Mimi’s Party war eine einzige Farce.

Was hatte er nur damit bezweckt?

Erst schenkte er ihr diesen kleinen Ausflug, sie hatten sich sogar geküsst und jetzt?

Jetzt waren sie plötzlich nur Freunde und es hätte nie passieren dürfen?

Mimi stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab, sah sich flüchtig die vorbeiziehenden Gebäude und Menschen an und hing ihren eigenen, kläglichen Gedanken nach.

Der Fahrtwind spielte wieder mal mit ihren Haaren und brachte sie völlig durcheinander. Doch der süße Beigeschmack, den sie zuvor während der Autofahrt verspürt hatte, wich nun einem beklemmenden Gefühl in ihrer Brust, welches sie runter zu ziehen schien.

Das alles war einfach nur lächerlich!

Wenn er nicht gewollt hätte, dass dieser Kuss passierte, dann hätte er ihr einfach ein Buch zum Geburtstag schenken sollen und nicht so was!

Doch nach so einem Geschenk und nachdem er sich neulich so liebevoll um sie gekümmert hatte, als sie krank war und sogar die Nacht bei ihr verbracht hatte… war Mimi, fälschlicherweise, wie sich nun herausstellte, davon ausgegangen, dass sie ihm etwas bedeutete.

Wie konnte er nach all dem sagen, dass sie nur Freunde wären?

Je länger sie darüber nachdachte, umso wütender wurde sie darüber.

Erst war sie nur gekränkt und enttäuscht gewesen, dass Tai den Kuss abgebrochen hatte, doch inzwischen brodelte es regelrecht in ihr.

Wieso machte er ihr so falsche Hoffnungen?

Die ganzen Blicke, die Momente, in denen sie sich nah waren… das hatte sie sich doch nicht alles nur eingebildet. Oder etwa doch?

Mimi wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte. Für sie erschien das alles mehr, als widersprüchlich und sie konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen.

Sie ballte die Hand in ihrem Schoß zur Faust und biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu explodieren.

Tai hatte, seit sie vom Hafen losgefahren waren kein einziges Wort mehr gesagt.

Und das machte sie nur noch wütender. „Wir sind Freunde“ konnte doch nicht die einzige Erklärung sein, die er ihr gab. Er hatte es ihr regelrecht vor die Füße geschmissen und sie musste damit klar kommen, ob sie es nun verstand oder nicht.

„Mimi…“, ertönte Tai’s Stimme neben ihr und ein trauriger Unterton schwang in ihr mit.

„Das hätte einfach nicht passieren dürfen. Es tut mir leid.“, sagte er einfühlsam.

Mimi sah ihn fassungslos an. Wieso machte er es noch schlimmer, als es eh schon war?

„Soll ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben?“, zischte sie sarkastisch.

Tai konzentrierte sich weiter auf die Straße und bog in die Einfahrt ein.

„Es tut mir leid, wenn ich dir die falschen Signale gesendet habe. Aber ich mag dich, wirklich Mimi.“, sagte er monoton und klang dabei wie ein Schauspieler, der einen Text auswendig gelernt hatte.

Tai hielt vor dem Gebäude, in dem immer noch Mimi’s Party stattfand und Mimi öffnete sofort ihre Beifahrertür.

„Spar’s dir!“, gab sie ihm noch zur Antwort, ehe sie schnellen Schrittes in das Gebäude hastete.

Sie war so sauer! Wieso erwiderte er dann überhaupt erst den Kuss, anstatt sie direkt vor vollendete Tatsachen zu stellen?

Da der Fahrstuhl nicht sofort kam, gelang es Tai sie einzuholen. Er stand neben ihr und sah sie entschuldigend an.

„Sei nicht sauer, es tut mir doch leid.“, versuchte er sie zu beschwichtigen. Doch die Miene der Schülerin blieb verhärtet.

Endlich ertönte das Signal des Fahrstuhls und die Türen öffneten sich.

Mimi ging hinein und betätigte unsanft den Knopf, während Tai sich neben sie stellte und sie eindringlich musterte.

Die Türen schlossen sich und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.

„Warum bist du nur so stur? Ich hab mich doch entschuldigt…“, begann Tai von vorne, doch biss erneut auf Granit.

Mimi war es so leid das zu hören. Ihr tat der Kuss nämlich nicht leid!

Doch jetzt hoffte sie einfach nur, dass der Fahrstuhl schnell oben ankommen würde und sie sich wieder unter die Leute mischen konnte. Sie brauchte unbedingt einen Tequila!

Während sie eisern versuchte Tai zu ignorieren, hakte plötzlich der Fahrstuhl und blieb stehen. Mimi’s Herz rutschte in die Hose und sie sah verwirrt auf die Fahrstuhlanzeige, die eindeutig gestoppt war.

„Oh, das darf doch nicht wahr sein!“, stöhnte sie auf und drückte hektisch auf den Knöpfen rum.

„So eine scheiße!“, fing sie an zu fluchen, als eine metallene Stimme aus dem Lautsprecher ertönte.

„Entschuldigen Sie bitte, der Fahrstuhl ist stecken geblieben.“, erklärte der Mann am anderen Ende der Leitung.

Mimi stemmte die Hände an die Hüften. „Na Sie sind ja ein ganz schlauer, das habe ich auch schon gemerkt.“, erwiderte sie gereizt. Das hatte ihr gerade noch gefehlt!

„Wir werden versuchen das Problem so schnell wie möglich zu beheben. Solang verhalten Sie sich bitte ruhig und warten ab.“, ließ der Mann sich nicht weiter beirren und legte auf.

„Sehr witzig! Was sollen wir denn sonst machen? Sie Vollidiot!“, schrie sie immer noch in die Gegensprechanlage, auch wenn sie schon längst keiner mehr hören konnte.

Schwungvoll drehte sie sich zu Tai um, der bis jetzt noch recht gelassen dreinblickte.

„So, und jetzt zu dir…“, sagte sie gereizt und schien so richtig in Fahrt geraten zu sein.

Tai zuckte leicht zusammen und zog eine Augenbraue hoch.

„Weißt du was? Wir sind keine Freunde! Denn Freunde machen sich nicht erst schöne Augen, küssen sich und lassen den Anderen dann fallen, wie eine heiße Kartoffel. Ich meine, was bildest du dir eigentlich ein?“, begann sie ihn beinahe schon anzuschreien und gestikulierte dabei aufgebracht mit ihren Händen in der Luft.

„Ganz ehrlich Tai, soll ich dir mal aufzählen, was in den letzten Wochen alles so zwischen uns passiert ist? Erst schleppst du mich auf ein Hochhaus, dann verabredest du dich wieder mit mir, zeigst mir danach, warum auch immer die kalte Schulter, nur um dich danach mit zwei Karten für den Backkurs bei mir zu entschuldigen. Du hast dich um mich gekümmert, als ich krank war, hast mich die ganze Nacht im Arm gehalten, machst mir dieses Geschenk zum Geburtstag und dann haust du mir vor den Latz, dass wir nur Freunde sind? Ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist…“, redete Mimi sich immer weiter in Rage, während Tai einfach nur dastand und sie ausdruckslos ansah. Was sie nur noch wütender machte.

„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte sie ihn aufgebracht, verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich vor ihm auf.

„Was ich damit sagen will: bevor du das nächste Mal einem Mädchen schöne Augen machst, solltest darüber nachdenken, was du eigentlich willst!“, beendete sie ihr Ansprache und atmete nach einer gefühlten Ewigkeit wieder aus. Es tat gut, das alles mal raus zu lassen.

So konnte er nicht mit ihr umspringen!

Tai musterte sie nur regungslos, was die Brünette sehr verwunderte. Hatte er denn gar nichts dazu zu sagen?

Er machte langsam einen Schritt auf sie zu, was Mimi stutzen und ein wenig zurückweichen ließ.

„Du hast recht.“, sagte er plötzlich tonlos und sah ihr dabei tief in die Augen, was Mimi komplett überforderte. Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet.

Konnte er sie nicht einfach anschreien, so wie sie es tat? Damit wüsste sie wenigstens umzugehen.

„Womit?“, fragte sie nach und betrachtete ihn nervös. Die Art, wie er sie ansah löste ein aufregendes Kribbeln in ihr aus, als er ihr auf ein mal gefährlich nah kam und sie nur noch weniger Zentimeter voneinander trennten.

„Wir sind keine Freunde.“, sagte er leise, nahm ihr Gesicht in seine Hand und küsste sie.

Die Schülerin wusste gar nicht, wie ihr geschah und für eine Sekunde überlegte sie, ob sie ihn von sich stoßen sollte. Doch noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, verwarf sie ihn auch schon wieder.

Stattdessen schlang sie ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss.

Dass sie seine Lippen auf ihren spürte, beflügelte sie regelrecht und sie konnte an nichts Anderes mehr denken, als daran ihm nahe zu sein.

Urplötzlich schien sie die Leidenschaft zu übermannen. Sie ließ ihre Hand von seinem Nacken über seinen Hals gleiten, bevor sie sich an seinem Hemdkragen festkrallte.

Während ihre Küsse immer leidenschaftlicher wurden, drängte Tai sie an die Fahrstuhlwand, was sie dazu zwang ihren Körper noch stärker an ihn zu pressen. Er fuhr mit der Hand über ihre Taille und stoppte an ihrer Hüfte, als er sich von ihren Lippen löste und begierig anfing ihren Hals zu küssen. Mimi entfuhr ein leises Stöhnen. Seine Küsse machten sie wahnsinnig und ihr Herz begann wild zu schlagen.

Wenn sie sich nicht bald zügeln würden, könnte sie für nichts garantieren.

Sie wollte ihn!

Tai ließ von ihrem Hals ab und presste seine Lippen erneut leidenschaftlich auf ihre.

Seine Hände wanderten langsam von ihrer Hüfte weiter hinunter zu ihrem Po.

Mimi verstand sofort, was er wollte, schlang ihre Beine um seine Hüften und ließ sich von ihm hochheben. Er drückte sie noch stärker gegen die Wand des Fahrstuhls und konnte seine Erregung vor ihr nicht länger verbergen.

Abermals entfuhr Mimi ein tiefer Seufzer, als er wieder begann ihren Hals und diesmal auch ihr Dekolleté zu küssen. Sie warf den Kopf in den Nacken und war bereit sich ihrer Lust und ihren Gefühlen vollends hinzugeben, als es plötzlich ruckelte und sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung setzte.

Erschrocken sahen sie sich an.

Sie hatten völlig vergessen, wo sie waren. Doch als ihnen klar wurde, dass sie sich immer noch im Aufzug befanden und jede Sekunde auf der Party ankommen würden, wurden sie nervös. Tai ließ Mimi wieder runter und sie begannen hektisch ihre Klamotten zurecht zu rücken. Mimi fuhr sich mit der Hand durch die Haare und hoffte inständig, dass man ihr gerötetes Gesicht nicht bemerken würde. Sie sah verstohlen zu Tai, der seinen Kragen richtete und gespannt die Aufzugtür fixierte, die sich jeden Moment öffnen würde.

Auch sie richtete ihren Blick wieder nach vorne und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen.

Was war hier eben passiert?

Das Signal, dass sie oben angekommen waren, kam definitiv schneller als ihr lieb war und sie hatte Mühe, sich zu sammeln.

Als die Türen sich öffneten, war die Party tatsächlich noch so, wie sie sie verlassen hatten.

Der Bass durchfuhr augenblicklich ihre Körper und holte sie knallhart zurück in die Realität.

Mimi räusperte sich und ging vor. Es kam ihr vor, als stand auf ihrer Stirn geschrieben, was sie eben im Aufzug getrieben hatten.

Noch ehe sie sich selbst klarmachen konnte, dass das natürlich nicht so war, riss eine tiefe Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Na, ihr zwei… wo habt ihr gesteckt? Leugnen ist zwecklos, man hat euch gesehen.“, grinste Matt provokant, der lässig an der Bar lehnte.

Mimi stieg sofort die Hitze ins Gesicht. „Wir, äh…, also wir…“, begann sie rum zu stottern und deutete mit dem Daume immer wieder in Richtung Fahrstuhl, als Tai eine Hand auf ihre Schulter legte.

„Wir waren nur etwas frische Luft schnappen, weil das Geburtstagskind einen über den Durst getrunken hatte.“, erklärte er völlig glaubhaft und Mimi sah ihn beeindruckt an.

Matt zog eine Augenbraue nach oben und durchbohrte sie quasi mit seinen Blicken.

Ob er es geschluckt hatte?

„Mimi! Wo wart ihr nur? Es ist gleich zwölf.“ Kari, Takeru und Izzy kamen direkt auf sie zu.

„Alles gut, sie waren nur frische Luft schnappen.“, winkte Matt schnell ab.

Mimi nickte zustimmend. Ihr entging jedoch nicht, dass Izzy skeptisch zwischen ihr und Tai hin und her sah. Und auch Kari musterte ihren Bruder mit einem fragenden Blick. Irgendetwas war doch hier faul… Wieso guckten die beiden so, als würden sie ahnen, was passiert war?

Plötzlich ging die Musik aus und ein lautes Fiepen ließ die Menge aufstöhnen.

Mimi hielt sich die Ohren zu, als sie ihre beste Freundin auf der Karaoke Bühne erkannte, neben ihr eine große Geburtstagstorte.

„Hallo? Alle mal aufgepasst…“, sagte sie etwas schüchtern ins Mikro.

„Es ist jetzt Mitternacht. Mimi, wo bist du?“, fragte sie in die Menge, die sich suchend umsah.

„Komme schon.“, rief Mimi lachend und machte sich auf den Weg zu Sora auf die Bühne.

Sora umarmte ihre Freundin innig und lächelte sie verlegen an.

„Happy Birthday, liebe Mimi. Du weißt, ich bin kein Mensch, der großen Reden, also… möchtest du die Kerzen auspusten und dir was wünschen?“

Mimi nickte grinsend und bewunderte die grandiose Torte, die ihre Freunde für sie gezaubert hatten.

Sie machte sich daran, die Kerzen auszupusten, hielt jedoch noch kurz inne und blickte lächelnd zu Tai, der sie verschmitzt angrinste. Mimi strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, als sie sich zu den Kerzen hinunter beugte und pustete alle mit einem Mal aus.

Alle klatschten und einige knallten mit Konfettikanonen.

„So Mimi, da das erledigt wäre und dein Wunsch hoffentlich in Erfüllung geht… erfüllst du uns auch einen Wunsch?“, fragte Sora mit einem vielsagenden Blick.

Mimi stutzte und zog eine Augenbraue hoch. Was meinte sie?

„Singst du für uns?“, eröffnete sie ihr schließlich mit einem breiten Grinsen und die Leute fingen an zu pfeifen und zu klatschen.

Mimi lachte und vergrub das Gesicht in ihrer Hand.

Sora hielt ihr auffordernd das Mikro entgegen, während Mimi nur lachend mit dem Kopf schüttelte. Das war wieder typisch für ihre Freundin.

Da sie wusste, dass es eh keinen Zweck hatte zu widersprechen, nahm sie Sora das Mikro ab und streckte ihr frech die Zunge raus, was Sora lediglich mit einem Augenzwinkern erwiderte.

„Na gut, aber nur, weil ihr es seid.“, sagte sie ins Mikro. „Und weil ihr mich sonst eh nicht in Ruhe lasst.“ Die Menge tobte und klatschte.

Mimi flüsterte ihrer Freundin noch ins Ohr, welchen Song sie einstellen sollte und sah dann in die erwartungsvollen Gesichter ihrer Gäste, als auch schon die ersten Töne ihres Liedes erklangen und alle verstummten.

Sie sang die erste Strophe ihres Textes und konnte es nicht vermeiden, immer wieder zu Tai hinüber zu sehen.

Was war da vorhin nur zwischen ihnen passiert?

Sie hatte plötzlich so eine starke Anziehungskraft verspürt, wie es vorher nie der Fall gewesen war. Und sie war sich sicher, dass es Tai genauso ging.
 

„'Cause lately you make me weaker in the knees

and you race through my veins, baby every time you're close to me…“
 

Als sie vom Hafen losgefahren waren, war Mimi noch felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Tai nichts für sie empfand. Sie hatte ihn sogar angeschrien.

Doch als er sie dann plötzlich küsste, waren all ihre Überzeugungen wieder ins Wanken geraten. Das musste doch etwas zu bedeuten haben…
 

„Take me away to places I ain't seen

They say you've got a hold on me

and I won't disagree…“
 

Kurz ließ sie ihren Blick durch die Menge schweifen, nur um letztendlich doch wieder bei Tai hängen zu bleiben, der sie aufmerksam musterte.
 

„…Well, I've been told it's gonna take an iron hand

to break the mold and stand above all of the rest…“
 

Sie musste unbedingt mit Tai sprechen. Sie wollte wissen, was das alles zu bedeuten hatte.

Sie würde sich einfach ein Herz fassen und ihn gradeheraus fragen, was er für sie empfand. Vielleicht war das Ganze ja auch nur ein Spaß für ihn und er trieb seine Spielchen mit ihr.

Sie musste es einfach wissen… sofort!
 

„Lately you make me weaker in the knees

and you race through my veins, baby every time you're close to me

Take me away to places I ain't seen

They say you've got a hold on me

and I won't disagree…“,

sang sie die letzte Strophe zu Ende und sah gespannt in die Gesichter ihrer Gäste, die augenblicklich anfingen zu klatschen und zu pfeifen.

Mimi machte einen gespielten Hofknicks und lächelte zufrieden.

„So, jetzt seid ihr dran!“, forderte sie die Gäste auf, stieg von der Bühne und drückte das Mikro dem erstbesten Typen in die Hand, der ihr über den Weg lief. Woraufhin seine Freunde, die um ihn drum rum standen in lautes Gelächter ausbrachen.
 

Mimi eilte zu ihren Freunden, die schon auf sie warteten. Zielstrebig ging sie auf Sora zu und knuffte ihr in den Arm.

„Das machst du nicht noch mal!“, witzelte sie frech und warf ihr einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu.

„Wieso? War doch super!“, grinste Sora und stemmte ihre Hände an die Hüften. „Die Leute lieben dich.“

„Das war wirklich toll, Mimi. Du hast eine schöne Stimme.“, pflichtete ihr Matt bei.

Mimi zog eine Augenbraue hoch und sah ihn skeptisch an.

„Na, wenn unser Prinz Charming das sagt…“

Alle brachen in Gelächter aus und Takeru klatschte begeistert in die Hände, als Matt seinen Bruder fassungslos ansah und ihm mit der flachen Hand gegen den Arm schlug. „Fall du mir nicht auch noch in den Rücken!“
 

„Tai, ich denke, wir sollten reden.“, begann Mimi schüchtern und sah den Studenten verlegen an. Ihre Freunde hatten sich alle verteilt, waren tanzen oder tranken noch das ein oder andere Bier an der Bar. Mimi war inzwischen auf Wasser umgestiegen und spielte nervös mit ihrem Strohhalm herum, während Tai sich das erste richtige Bier an diesem Abend gönnte.

Er musterte sie kurz und nickte dann zustimmend.

Auch er wusste, dass es Klärungsbedarf gab. Doch was sollte er ihr sagen?

Die Wahrheit war keine Option.

Aber schloss die Wahrheit auch ein, dass er Gefühle für sie hatte? Konnte er ihr das eine sagen und ihr gleichzeitig was Anderes verschweigen?

Konnte er ihr gestehen, dass er etwas für sie empfand, doch dass das alles nur passiert war, weil er in Izzy’s Sinne gehandelt hatte und eigentlich alles ganz anders sein sollte?

Er wusste, sie mussten über die Fahrstuhlsituation sprechen, da führte kein Weg dran vorbei. Er hatte sich einfach von seinen Gefühlen hinreißen lassen…

Tai folgte ihr auf die Dachterrasse hinaus, wo sie ungestört und vor neugierigen Ohren geschützt waren.

Sie blickten über die Stadt und schwiegen sich an, da sich anscheinend keiner so recht traute, den Anfang zu machen.

„Also, das vorhin…“, begannen sie schließlich doch hektisch, wie aus einem Munde und mussten lachen.

„Du zuerst.“, kicherte Mimi und sah ihn neugierig an.

Tai schluckte und fasste sich schließlich ein Herz.

„Also, das vorhin im Aufzug…“, begann er erneut und zwang sich dazu in ihre Augen zu sehen. Diesmal wollte er ehrlich sein und ihr sagen, was er fühlte. Er atmete tief ein und nahm all seinen Mut zusammen.

„…das war ernst gemeint. Wir sind keine Freunde mehr, wir sind viel mehr als das.“, sagte er und nahm ihre Hand. Mimi errötete leicht und schaute ihn weiterhin erwartungsvoll an.

„Mimi, du bist inzwischen so viel mehr für mich, als nur eine gute Freundin. Das ist mir inzwischen klargeworden. Der Kuss am Hafen und auch das vorhin im Fahrstuhl hat mir wirklich etwas bedeutet und ich…“, erzählte Tai weiter, während er ihr tief in die Augen sah und doch plötzlich von Jemanden unterbrochen wurde, der die Tür zur Veranda aufschob.

„Mimi, hier bist du. Ich hab dich gesucht.“, stellte Izzy erstaunt fest und trat zu den beiden hinaus.

Tai räusperte sich und ließ Mimi’s Hand los. Wieso musste er ihm jetzt dazwischenfunken?

Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und wandte seinen Blick von Izzy ab.

„Izzy, ähm…“, stammelte Mimi verlegen. „Was gibt’s denn?“

„Ich wollte dir doch noch mein Geschenk geben. Aber wenn ihr zwei gerade beschäftigt seid…“, sagte Izzy und ein vorwurfsvoller Unterton schwang in seiner Stimme mit.

Tai spürte förmlich Izzy’s Blicke auf seinem Rücken haften.

Mimi sah fragend zu Tai und wusste anscheinend nicht, was sie sagen sollte.

Der Braunhaarige nickte ihr aufmunternd zu. „Schon okay, ich lass euch dann mal alleine.“, sagte er freundlich und begab sich nach drinnen. Als er an Izzy vorbeiging, war es, als würde sein Freund ihn aus dem Seitenwinkel ganz genau beobachten. Als könnte er seine Gedanken lesen…

Tai schloss die Glastür hinter sich und mischte sich unter die Gäste.

Er entfernte sich jedoch nur so weit, dass er Izzy und Mimi immer noch ganz genau im Blick hatte. Durch die Glasscheibe beobachtete er, wie Izzy zwei Karten hervorholte und sie Mimi mit einem breiten Grinsen überreichte.

Natürlich waren das die Festivalkarten, die Tai ihm empfohlen hatte zu kaufen.

Tai biss sich auf die Unterlippe und ballte seine Hand zur Faust, als er sah, wie Mimi’s Augen aufleuchteten und sie Izzy begeistert um den Hals fiel. Sie drückte ihm sogar einen Kuss auf die Wange, was Tai einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Was sollte er nur tun? Er wollte Mimi auf keinen Fall verlieren und schon gar nicht an seinen Freund. Das könnte er nicht ertragen, das war ihm inzwischen klargeworden.

Aber sollte er wirklich Izzy’s Gefühle ignorieren und weiter egoistisch versuchen, Mimi für sich zu gewinnen?

Was hatte er noch für eine Wahl? Jetzt, wo er sich in sie verliebt hatte…?

Bloß nichts überstürzen!

„Oh man, Mimi, das war definitiv die beste Party aller Zeiten.“, sagte Takeru anerkennend und umarmte die Brünette.

„Freut mich, dass es euch gefallen hat.“, gab Mimi zurück und lächelte das frisch verliebte Paar an. Trotz der wilden Party hatten es Kari und Takeru geschafft sich einigermaßen zurück zu halten, was den Alkohol anging. Zumindest konnten sie noch klar und deutlich sprechen.

Was man von Matt nicht mehr behaupten konnte.

„Jetzt komm schon! Ich kann dich nicht den ganzen Weg nach Hause tragen.“, nörgelte Sora. Sie hatte ihren Freund unter die Arme gegriffen und versuchte ihn verzweifelt zum eigenständigen Gehen zu animieren.

Mimi musste ein wenig lachen bei diesem Anblick. Matt hatte eindeutig einen über den Durst getrunken.

Der Sänger murmelte irgendetwas von „…allein…“ und „…liegen lassen…“, was bei den Anderen ein lautes Gelächter auslöste.

Sora verzog das Gesicht. „Ich lass dich wirklich gleich hier liegen mein Freund, wenn du dich nicht zusammenreißt.“, murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu ihm, denn Matt bekam eh nicht mehr viel mit.

Mimi fragte sich, wann das passiert war? Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass Matt so viel getrunken hatte. Aber sie war ja auch eine Weile nicht da gewesen…

„Komm, ich helfe dir. Irgendwie kriegen wir ihn schon nach Hause.“, lachte Takeru und griff Matt ebenfalls unter die Arme.

Sora lächelte ihn dankend und entschuldigend an.

„Gott, was wiegt der? `Ne Tonne?“, beschwerte er sich stöhnend über seinen Bruder, als dieser fast sein ganzes Gewicht auf ihn verlagerte und Takeru fast zu Boden riss.

„Izzy? Kannst du mal mit anpacken?“, rief er dem Computergenie zu, der gerade mit Tai dabei war schon mal ein wenig Chaos zu beseitigen.

Einige wenige Gäste waren noch geblieben und unterhielten sich angeregt an der Bar oder auf der Dachterrasse. Der Rest war entweder in irgendeiner Ecke eingeschlafen oder gegangen.

„Klar!“, antwortete Izzy und brachte noch ein paar leere Flaschen zur Bar, bevor er zu Matt ging und ihn Sora abnahm.

„Danke, Leute! Ohne euch müsste ich ihn wahrscheinlich hier lassen.“, sagte sie schnaufend und stemmte die Hände an die Hüften.

„Ist gar kein Problem.“, nickte Izzy verständnisvoll und sie begaben sich mit Matt im Schlepptau, der langsam weg zu dösen schien zum Fahrstuhl.

Mimi begleitete sie und umarmte Kari und Sora zum Abschied.

„Danke, für die leckere Torte, ihr Beiden. Und die restlichen Geschenke mache ich dann morgen in Ruhe auf, ja?“, lächelte sie ihre Freundinnen an.

„Okay. Und mach nicht mehr so lang.“, ermahnte Sora sie mit einem gespielt strengen Gesicht, während Izzy und Takeru den Blondschopf schon mal in den Aufzug verfrachteten.

Kari blickte irritiert an Mimi vorbei zu ihrem Bruder, der immer noch dastand und keine Anstalten machte, mit zu gehen.

„Kommst du nicht mit uns, Taichi?“, fragte sie ihn neugierig.

„Ich helfe Mimi noch etwas beim Aufräumen.“, sagte er beiläufig und schnappte sich gleich ein paar leere Gläser und Flaschen.

Kari zuckte zwar nur mit den Schultern, schenkte Mimi jedoch noch einen vielsagenden Blick, bevor sie sich ebenfalls in den Fahrstuhl zu den Anderen begab.

Was hatte das denn schon wieder zu bedeuten?

Die Türen schlossen sich und Mimi drehte sich zu Tai um, der die Arme vollgepackt hatte und die Sachen eben auf der Bar abstellen wollte.

Jetzt waren nur noch sie beide hier…

Na ja, und die wenigen anderen Gäste, die noch geblieben waren. Aber das zählte nicht.

Vielleicht konnten sie jetzt ihr Gespräch von vorhin fortsetzen, bei dem Izzy sie unterbrochen hatte. Nur zu gern wollte sie wissen, was Tai ihr noch zu sagen hatte.

Sie kratzte sich verlegen am Hinterkopf und räusperte sich, als sie auf ihn zuging.

„Ist wirklich nett von dir, dass du noch beim Aufräumen hilfst.“, bedankte sie sich lächelnd bei ihm, um ein Gespräch anzufangen.

Tai stellte die Gläser ab und lehnte sich gewohnt lässig an die Bar.

Wieder legte er sein verschmitztes Grinsen auf und wieder ein mal hätte Mimi dahinschmelzen können.

„Ich wollte eben noch ein bisschen mit dir alleine sein.“, gestand er ihr ohne Umschweife und sah sie schief lächelnd aus dem Augenwinkel an.

Mimi schluckte und spürte sofort, wie ihr die Hitze erneut ins Gesicht stieg.

Sie versuchte all ihren Mut zusammen zu nehmen und ihn einfach darauf anzusprechen.

Sie musste es wissen…

„Taichi,… was wolltest du mir vorhin noch sagen, als wir draußen standen?“, fragte sie schüchtern nach und versuchte seinem Blick Stand zu halten.

Tai zog eine Augenbraue hoch und machte einen Schritt auf sie zu.

Er legte seine Hand zärtlich an ihre Wange und sah sie eindringlich an.

„Willst du das wirklich wissen? Ich meine, danach wird sich alles verändern...“, begann er unsicher und in seinen Augen spiegelte sich etwas Erwartungsvolles wieder.

Mimi nickte nur leicht, denn sie brachte keinen einzigen Ton heraus.

Ihr Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an und das Herz war ihr in die Hose gerutscht.

Er hatte recht. Wenn es erst mal raus war, egal, was er sagen wollte… dann gab es kein Zurück mehr und ihre Freundschaft würde nie wieder das sein, was sie mal war.

Tai lächelte zufrieden. „Mimi, ich empfinde etwas für dich.“, sagte er aufrichtig und frei heraus, als wäre es längst kein Geheimnis mehr.

Mimi’s Herz begann zu klopfen und ihre Hände zu zittern.

„Und ich meine damit, ich empfinde für dich nicht mehr nur Freundschaft, sondern…“, erzählte er weiter, während er seine Hand sinken ließ und sich mit der anderen nervös durch die Haare fuhr. Ein verlegenes Grinsen umspielte seine Lippen.

„Ach man Mimi, du hast mir einfach völlig den Kopf verdreht.“

Sein Geständnis traf sie wie eine übergroße Flutwelle der Gefühle und sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Ihre Kehle wurde trocken, während ihr Herz unaufhaltsam gegen ihre Brust hämmerte. Sprachlos und mit großen Augen stand sie da und wusste nicht, was sie sagen sollte.

Bei diesem Anblick fing Tai an zu lachen und sah sie irritiert an.

„Und du stehst da und sagst nichts! Dass ich das noch erleben darf, dass es einer Mimi Tachikawa mal die Sprache verschlägt.“, scherzte er und ehe er sich versah, machte Mimi einen schnellen Schritt auf ihn zu und küsste ihn innig.

Sie legte ihre Arme um ihn und presste ihren Körper an seinen. Ihre Lippen auf seine.

Tai umschloss mit seinen Armen ihren schlanken Körper und erwiderte den unerwarteten Kuss.

Als sie sich wieder von ihm löste, sah sie ihm tief in die Augen und schmunzelte, während sie sich immer noch in einer engen Umarmung befanden.

„Reicht dir das als Antwort?“, fragte sie ihn grinsend.

„Allerdings!“, bestätigte Tai und lächelte triumphierend.
 

„Hey, w-was m-macht ihr da?“, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund.

Mimi und Tai sahen sich erschrocken um. Doch sie konnten niemanden erblicken.

„Mmh? Wer war das?“, fragte Mimi, ließ von Tai ab und sah sich suchend im Raum um.

„Halloooo! Ich bin hier.“, rief die Stimme erneut.

Tai zog eine Augenbraue nach oben und lehnte sich über die Bar, bevor er breit anfing zu grinsen.

„Joe, mein Freund! Was machst du denn da? Wir dachten, du wärst schon längst zu Hause.“, sagte er lachend, als er den Medizinstudenten völlig betrunken in einer Ecke unter der Bar erkannte. Seine Brille hing ihm schief von der Nase und seine Haare waren ganz zerstreut.

„Ach du meine Güte, Joe! Was ist passiert?“, fragte Mimi erschrocken und lehnte sich ebenfalls über die Bar, um zu sehen, ob es ihrem Freund gut ging.

„Was passiert ist?“, lallte Joe und fing albern an zu lachen. „Das Leben ist passiert!“, erklärte er und hielt triumphierend eine Flasche Sekt in die Höhe, bevor er einen großen Schluck daraus nahm.

Während Mimi total entsetzt auf ihren Freund herab blickte und völlig perplex über diese Situation war, musste Tai sich ganz offensichtlich das Lachen verkneifen. Er ging um die Bar herum und sah belustigt auf den Studenten hinab.

„Warte, ich helfe dir erst mal hoch.“, sagte er und machte sich daran, Joe unter der Bar vor zu zerren und ihm auf zu helfen.

„Joe, was hast du nur getan?“, fragte Mimi fassungslos und konnte nicht glauben, dass Joe – IHR JOE – sich tatsächlich so hatte gehen lassen.

„Die Frage ist: Was… habt ihr getan?“, lallte er hicksend drauf los und sah Mimi eindringlich an. Wenn auch mit verklärtem Blick.

„Habt ihr euch etwa geküsst?“, fragte er an Tai gewandt.

Mimi zuckte leicht zusammen. Während Tai nur dämlich grinste und gar nicht weiter darauf einging.

„Joe, ich glaube es ist besser, wenn ich dich nach Hause bringe.“, schlug er vor und griff seinem Freund stützend unter die Arme.

„Was? Nein! Ich will noch nicht gehen! Das war der beste Abend meines Lebens!“, weigerte sich Joe vehement und versuchte sich aus Tai’s Griff zu befreien. Was allerdings zwecklos war und auf Außenstehende wirken musste, als würde ein Kleinkind versuchen sich von seiner Mama loszureißen.

Mimi schüttelte verständnislos den Kopf und sah dabei zu, wie Tai den betrunkenen Joe zum Fahrstuhl schleppte.

„Ich kann jetzt noch nicht gehen, Yagami. Das geht nicht! Vielleicht seh‘ ich sie nie wieder.“, protestierte Joe weiter, hatte es allerdings aufgegeben, sich aus Tai’s Griff zu befreien.

„Wen? Mimi? Klar, siehst du sie wieder.“, sagte Tai amüsiert und sah Mimi entschuldigend an.

„Tzzt“, schnalzte Joe verächtlich mit der Zunge. „Ich mein doch nicht Mimi. Die kann ich sehen, wann ich will.“, winkte er lallend ab.

Mimi verdrehte die Augen. Na ja, es musste ja für alles ein erstes Mal geben…

„Tut mir leid, dass ich schon gehen muss. Ich hätte dir gerne noch geholfen.“, sagte Tai an Mimi gewandt.

„Das macht gar nichts. Morgen kommt eh eine Putzfrau, das würde ich nie alleine schaffen.“, winkte sie ab und sah ihn fragend an.

„Sehen wir uns morgen?“

„Sehr gerne!“, antwortete Tai grinsend, bevor Joe ihm wieder ins Wort fiel.

„Vielleicht werde ich ihr einfach einen Antrag machen. Ja, ich denke, das sollte ich tun.“, brabbelte er vor sich hin und hob bestimmend den Finger in die Luft, als die Aufzugtüren sich öffneten.

„Mein Gott, von wem sprichst du überhaupt? Ach, auch egal… erzähl’s mir auf dem Nachhauseweg.“, lachte Tai auf und schüttelte belustigt den Kopf, bevor er Mimi noch einen liebevollen Blick zuwarf.

„Dann bis morgen.“, verabschiedete er sich erwartungsvoll von ihr und legte ein verlegenes Grinsen auf.

„Bis morgen.“, antwortete Mimi lächelnd und die Türen schlossen sich.

Ihr Herz wollte einfach nicht aufhören zu rasen. Endlich wusste sie, dass Tai dasselbe für sie empfand, wie sie für ihn…
 


 

„Man, ich hätte nicht gedacht, dass man nach seinem 18. Geburtstag so furchtbar aussieht.“, stöhnte Mimi ihr Spiegelbild an und verzog das Gesicht.

„Hast du etwa erwartet, dass diese Party spurlos an dir vorbei geht?“, lachte Sora und schüttelte den Kopf.

Mimi zuckte mit den Schultern und nahm wieder neben der Rothaarigen auf der Liege Platz. Die Freundinnen gönnten sich heute einen kleinen Wellnesstag, um die Spuren dieser exzessiven Geburtstagsparty beseitigen zu lassen.

Nach einer langen Massage lagen sie entspannt am Pool, während Sora ein paar Modezeitschriften durchblätterte.

„Du hast leicht reden, du hast ja auch nicht so viel getrunken.“, sagte Mimi schmollend und beneidete Sora für ihr frisches Aussehen. Sie hingegen fühlte sich wie durch den Fleischwolf gedreht und genau so sah sie auch aus, das war zumindest ihre Meinung.

„Nein, dafür hat Matt für zwei getrunken.“, witzelte Sora, ohne von ihrer Zeitschrift aufzusehen.

„Was ich damit sagen will: er sieht deutlich schlimmer aus, als du. Also mach dir keinen Kopf.“, kicherte sie und sah ihre Freundin aufmunternd an, die nur den Mund verzog.

„Es passt mir aber gar nicht, heute so auszusehen.“, erwiderte Mimi und verschränkte die Arme vor der Brust.

Sora legte ein fragendes Gesicht auf.

„Wieso? Es ist doch eh Sonntag. Oder hast du heute noch was vor?“, hakte sie nach und ließ ihre Zeitung sinken.

„Vielleicht…“, sagte Mimi und legte den Kopf schief.

Sora setzte sich auf und sah ihre Freundin eindringlich an.

„Wirklich? Mit wem denn? Hast du etwa ein Date?“, grinste sie schief und bekam große Augen.

Mimi stand auf und zog sich ihren Bademantel aus, unter dem sich ein pinker Bikini befand.

Achtlos schmiss sie ihn auf die Liege.

„Du musst nicht immer alles wissen, Takenouchi.“, ärgerte Mimi sie und streckte ihr frech grinsend die Zunge raus.

„Also doch ein Date!“, antwortete Sora triumphierend und musterte Mimi mit einem vielsagenden Blick.

„Und? Wer ist es?“, fragte sie übertrieben neugierig weiter, woraufhin Mimi nur mit den Augen rollte.

„War er gestern auch auf deiner Party?“

„Ja, war er. Aber mehr kriegst du aus mir nicht raus.“, schmunzelte Mimi siegessicher und begab sich an den Rand des Pools.

Mit einem gekonnten Kopfsprung sprang sie ins Wasser und begann einige Bahnen zu schwimmen.

Irgendwie musste sie diesem Gespräch aus dem Weg gehen. Sora war eindeutig zu neugierig. Sie konnte ihr doch jetzt nicht auf die Nase binden, dass sie sich in Tai verliebt hatte. Zumindest jetzt noch nicht.

Mimi wollte erst sehen, wie sich die Sache zwischen ihnen weiter entwickeln würde.

Es war doch alles noch so neu und ungewohnt und so richtig konnte sie ja selbst noch nicht glauben, was Tai gestern zu ihr gesagt hatte.

Meinte er das wirklich ernst?

Sie konnte einfach an nichts Anderes mehr denken. Er ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.
 

Nachdem sie bei der Gesichtsmaske einer weiteren Unterhaltung über ihr Liebesleben aus dem Weg gegangen war, verabschiedeten sich die Freundinnen vor der Wellness-Oase voneinander. Sora hatte wirklich gebohrt und Mimi fiel es schwer, den Mund zu halten.

Aber es war einfach noch zu früh.

Ihre Freundin legte ein beleidigtes Gesicht auf. „Wieso willst du mir nicht sagen, wer es ist?“

Sie wollte einfach nicht aufgeben. Mimi seufzte und lächelte sie aufmunternd an.

„Du wirst es schon noch früh genug erfahren.“, winkte sie beiläufig ab.

„Na gut, aber dass du mir ja keine Dummheiten machst. Du weißt, was ich meine…“, begann Sora plötzlich ernst und hob mahnend den Zeigefinger.

Mimi schluckte und wurde leicht rot, denn sofort schossen ihr die Bilder vom Fahrstuhl in den Kopf. Als sie regelrecht übereinander hergefallen waren…

Sie wusste genau, was Sora meinte.

„Ich werd‘s nicht überstürzen, versprochen.“, sagte sie überzeugend und umarmte ihre Freundin zum Abschied.

Versprochen?

Konnte sie das nach gestern wirklich versprechen?

Natürlich wollte sie es versuchen, der Wille war da, aber nachdem ihre Gefühle gestern so verrückt gespielt hatten…

Wer konnte ihr da schon Zurückhaltung garantieren?

Selten in ihrem Leben hatte sie sich so spontan von einer Situation hinreißen lassen, wie gestern im Aufzug.

Es war plötzlich, als wäre ihr die Kontrolle über ihren eigenen Körper entglitten.

Nein, so ging das nicht! Sie wollte es richtigmachen und es langsam angehen lassen, also musste sie sich einfach zusammenreißen! Bloß nichts überstürzen, Mimi – ermahnte sie sich in Gedanken.

Aber wenn er doch nun mal so gut aussah… Wer konnte da schon widerstehen?

Mimi grinste bei dem Gedanken daran, wie sexy er wohl oberkörperfrei aussehen würde.

Ihr Handy piepte und riss sie somit unsanft aus ihren Fantasien.

Sie kramte es aus ihrer Tasche und blickte auf’s Display.

Dass er ihr gerade jetzt schrieb, als sie solch lüsterne Gedanken über ihn hatte, trieb ihr die Röte ins Gesicht. Irgendwie fühlte sie sich ertappt.

Zaghaft öffnete sie die SMS und ein Lächeln wich ihrem verdutzten Gesicht.

„Soll ich nachher zu dir kommen?“

Eine ganz einfache Frage, die Mimi’s Herz jedoch augenblicklich höher schlugen ließ.

Fröhlich tippte sie die Antwort und drückte auf senden.

Sie freute sich sehr darauf, ihn gleich wieder zu sehen…

Vorahnung

Wenig später klingelte es an ihrer Tür.

Mimi hatte bis eben noch versucht ein passendes Outfit für diesen Abend zu finden. Doch für welchen Anlass?

Nachdem sie gefühlt hundert Kleidungsstücke an und wieder ausgezogen hatte und schließlich doch kein passendes fand, schmiss sie alles frustriert aufs Bett und schlüpfte in die Sachen, die sie vorher schon getragen hatte. Eine Jeans und ein rotes T-Shirt. Warum auch so viel Aufriss machen? Sie wollten doch nur einen gemütlichen DVD Abend machen.

Und selbst, wenn sie es gewollt hätte… für’s umziehen und rausputzen blieb jetzt keine Zeit mehr. Sie band sich schnell noch die Haare zu einem Pferdeschwanz, bevor sie zaghaft die Tür öffnete und in sein strahlendes Gesicht blickte, auf welchem sich ein verschmitztes Grinsen legte, als er sie sah. Ein Grinsen, das ihr Blut sofort in Wallung versetzte.

„Hey, Baby.“, säuselte er zuckersüß.

Baby?

Mimi sah ihn zuerst verdutzt und dann belustigt an. Sie prustete los.

„Baby? Was Besseres ist dir wohl nicht eingefallen!“, lachte sie und die ersten Tränen stiegen ihr in die Augen.

Tai verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß gar nicht, was du hast. Sonst klappt dieser Anmachspruch immer.“, witzelte er und legte den Kopf schief.

Mimi ging ein Stück zur Seite und Tai trat ein, während sie sich immer noch den Bauch hielt vor Lachen. „Dein Ernst?“

„Na klar, was denkst du denn? Dass ich die Frauen nur mit meinem guten Aussehen rumkriege?“, grinste er überlegen und stemmte die Hände an die Seite.

Allmählich beruhigte sich die Brünette wieder, hatte allerdings immer noch Tränen in den Augen.

„Nun bild dir mal nichts ein, Yagami.“, sagte Mimi, zog eine Augenbraue hoch und sah ihn herausfordernd an.

„Also findest du, ich sehe nicht gut aus?“, antwortete er keck und ging einen Schritt auf sie zu. Er legte die Hand in ihren Nacken, während die andere sie an der Taille packte und zu sich ran zog.

Mimi’s Herz setzte einen Schlag aus, als er ihr tief in die Augen blickte und sie ungewollt errötete.

Mit so viel plötzlicher Nähe hatte sie nicht gerechnet.

Er kam ihrem Gesicht immer näher, so dass sich ihre Lippen beinahe berührten und sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Ihr Puls fing an zu rasen und ihr Innerstes hoffte inständig, dass er sie endlich küssen und diese minimale Distanz, die noch zwischen ihnen bestand, durchbrach. Sie wollte einfach nur seine Lippen auf ihren spüren.

Mimi war gerade dabei die Augen zu schließen und ihm sich leicht entgegen zu strecken, als plötzlich ein breites Grinsen seine Lippen umspielte und er sich wieder von ihr entfernte.

Er trat einen Schritt zurück und ließ sie verdattert stehen.

„Vonwegen.“, grinste er schief und musterte sie triumphierend.

Mimi lief sofort feuerrot an und hätte im Erdboden versinken können.

Natürlich hatte er genau mitbekommen, wie er auf sie wirkte und es sich zu Nutzen gemacht. Er spielte mit ihr und sie war voll darauf reingefallen.

„Oh Taichi, du Idiot!“, fauchte sie ihn an und ging schnurstracks an ihm vorbei.

Tai lachte und folgte ihr in die Küche.

„War doch nur Spaß, sei nicht sauer.“, versuchte er sie zu beschwichtigen, doch die Brünette würdigte ihn keines Blickes.

Eingeschnappt stand sie mit dem Rücken zu ihm und schenkte sich ein Glas Wasser ein.

Wieso hatte er sie so im Griff und wieso wusste er das auch noch so gut?

Als wüsste er genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste.

Auch kein Wunder, nachdem was gestern im Fahrstuhl geschehen war… Mimi biss sich auf die Lippe und war wütend auf sich selbst, dass sie nicht cooler reagiert hatte.

Flirten gehörte wohl nicht zu ihren Stärken.

Aber so einfach wollte sie ihn nicht davonkommen lassen.

Plötzlich spürte sie seine Hände, die langsam ihre Taille umschlossen.

„Wie kann ich das nur wieder gut machen?“, spaßte er und Mimi konnte genau fühlen, wie er sich ein Lachen verkneifen musste.

Sie drehte sich zu ihm um und näherte sich seinem Gesicht auf wenige Zentimeter, während seine Hände immer noch auf ihrer Taille ruhten. Verwundert sah er sie an.

Mimi legte einen verführerischen Blick auf und fuhr mit dem Finger langsam über seine Brust.

„Vielleicht mit einem richtigen Kuss.“, säuselte sie ihm vor.

Tai schluckte und beugte sich zu ihr runter, doch ehe er sich versah, drehte Mimi sich achtlos weg und ließ ihn in seiner Bewegung erstarren.

„Vonwegen!“, neckte sie ihn und streckte ihm die Zunge raus.

Der Student lachte auf und zuckte mit den Schultern. „Tja, selbst Schuld. Was leg ich mich auch mit dir an, was?“

„Eben.“, bestätigte Mimi ihm mit einem vielsagenden Blick und freute sich, dass sie ihm die Suppe vorerst versalzen hatte.
 

Sie machten es sich auf Mimi’s Couch bequem, doch bevor sie sich einen Film aussuchten, wollte Mimi zuerst ihre restlichen Geburtstagsgeschenke aufmachen.

„Ein paar habe ich schon heute Morgen ausgepackt, aber es sind einfach so viele gewesen.“, lachte Mimi und begutachtete den Berg von Geschenkpapier, der zusammengeknüllt vor ihr lag.

„Eigentlich sind es nur noch die Geschenke von Joe, Sora und Kari, die ich noch auspacken muss.“, erklärte sie und nahm das Erste in die Hand.

„Das Beste kommt zum Schluss, was?“, lächelte Tai und wartete darauf, dass sie es öffnete.

„Das Beste habe ich gestern schon bekommen.“, sagte sie schmunzelnd und sah ihn aus dem Augenwinkel an, während sie das Geschenk auspackte.

Tai grinste und freute sich innerlich darüber, dass sie sein Geschenk für das Beste hielt. Auch, wenn es zunächst etwas unschön geendet hatte…

„Wow, ein Buch. Wer hätte das gedacht?“, lachte Mimi auf, als sie die Karte von Joe dazu las.

„‘Erfolg bedingt lebenslanges Lernen‘. Viel Glück für deine Prüfungen!“, las sie laut vor und äffte dabei Joe’s übertriebene Besserwisserstimme nach.

Tai schüttelte lachend den Kopf, als sie ihm das Buch und die Karte reichte, um es zur Seite zu legen.

Sora’s Geschenk war weniger einfallslos, als Joe’s, dafür sehr kreativ und definitiv ein Unikat.

„Oh mein Gott, ist das schön!“, staunte Mimi mit großen, leuchtenden Augen, als sie das Kleid in den Händen hielt, was Sora für sie geschneidert hatte.

Es war ein kurzes Sommerkleid, ganz in weiß, mit zarten rosa Blumen bestickt.

Auch Tai staunte nicht schlecht, als Mimi aufstand und es sich anhielt. Es stand ihr einfach hervorragend! Sora hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.

„Sie ist einfach die Beste!“, lächelte Mimi glücklich, als sie das Kleid zur Seite legte und nun das letzte Geschenk von Kari in die Hand nahm.

Es war deutlich kleiner, als die letzten beiden Geschenke. Um genau zu sein, passte es lediglich in einen Briefumschlag.

Mimi öffnete ihn etwas stirnrunzelnd und zog eine Karte heraus.

„Macht euch einen schönen Abend!“, las sie vor und drehte die Karte irritiert um.

„Kari!“, brach es plötzlich aus Mimi heraus, als sie erkannte, dass die Karte ein Restaurantgutschein war. Für ein Candle Light Dinner zu zweit, in einen der besten Restaurants der Stadt.

Erstaunt reichte sie die Karte an Tai weiter, der sie ebenfalls verwundert in den Händen drehte.

„Weiß deine Schwester was von uns?“, fragte Mimi überrascht.

Tai schüttelte verneinend den Kopf. „Wie könnte sie? Das Geschenk hat sie ja vor dem gestrigen Abend besorgt.“

Mimi nahm die Karte wieder an sich und legte sie schulterzuckend zu den anderen Geschenken.

„Es sei denn, du hast noch einen anderen Verehrer von dem ich nichts weiß.“, grinste Tai plötzlich und Mimi warf ihm prompt einen vorwurfsvollen Blick zu.

Genau genommen hatte sie das ja auch – Izzy!

Allerdings konnte Tai sich kaum vorstellen, dass seine Schwester die Karten für Mimi und Izzy besorgt hatte…

Und Mimi wusste ja auch gar nichts von seinen heimlichen Avancen.

Er musste unbedingt mit Kari sprechen. Anscheinend war sie bisher die Einzige, die bemerkt hatte, dass sich etwas an der Beziehung zwischen ihn und Mimi verändert hatte. Und das verkomplizierte die Sache ungemein. Denn er wollte auf gar keinen Fall, dass diese Neuigkeit in der Clique die Runde machte, bevor er sich nicht entschieden hatte, wie er die Sache mit Izzy klären sollte.

„Übrigens…“, riss Mimi ihn unsanft aus seinen Gedanken.

„…hat Izzy mir zwei Konzertkarten für das Festival of hearts geschenkt. Toll, oder?“, erzählte Mimi und ihre Augen begannen zu leuchten.

„Ach nein, wirklich?“, sagte er müde und zog eine Augenbraue hoch. Tai fiel es sichtlich schwer die Begeisterung seiner Freundin mit ihr zu teilen. Schließlich war das ja alles auf seinen Mist gewachsen und jetzt musste er auch noch mit ansehen, wie sie bald mit Izzy zu dem Konzert ging und er weiter versuchen würde, sich an sie ranzuschmeißen.

Mimi grinste etwas verlegen. „Eigentlich wollte ich zuerst dich fragen, ob du mit mir hingehen möchtest…“, sagte sie und ein leichter Hauch von Hoffnung machte sich in ihm breit.

Die sofort im Keim erstickt wurde…

„…aber ich glaube, Izzy hat schon darauf spekuliert, dass ich mit ihm dahin gehe, also konnte ich nicht anders.“, erklärte sie weiter und sah ihn entschuldigend an.

„Ach was, das ist schon in Ordnung für mich.“, log Tai schulterzuckend und biss sich danach auf die Lippe, um nicht zu platzen. Es ärgerte ihn, dass er einfach so mit ansehen musste, wie Izzy immer weiter versuchte, ihr Herz für sich zu gewinnen.

Doch musste er das wirklich – schoss es ihm durch den Kopf.

Was, wenn er Izzy einfach die Wahrheit sagen würde? Dass er sich, ohne es zu wollen, in Mimi verliebt hatte und dass sich gerade etwas zwischen ihnen entwickelte…?

Izzy würde ausrasten!

Noch bevor Tai zu Ende denken konnte, klingelte sein Handy.

Er kramte es aus seiner Hosentasche hervor und sah auf das Display.

Wenn man vom Teufel sprach…

„Willst du nicht rangehen?“, fragte Mimi irritiert, als Tai ohne zu überlegen den ungebetenen Anrufer wegdrückte.

„Ist nicht so wichtig.“, erwiderte er gespielt gelassen und steckte das Handy wieder in die Hosentasche, nur um es eine Sekunde später wieder hervor zu holen, da es erneut piepte. Diesmal war es eine SMS.

„Sicher? Du kannst ruhig zurückrufen.“, ermutigte Mimi ihn lächelnd.

Tai öffnete die SMS und überflog sie hastig.

„Wir müssen reden! – Izzy“

„Nein, es ist wirklich nicht so wichtig.“, log Tai weiter und machte Nägel mit Köpfen. Er schaltete das Handy aus und schmiss es achtlos auf den Tisch. „Viel wichtiger ist, dass wir uns jetzt einen schönen Abend machen.“, grinste er verschmitzt und rutschte näher an die Brünette heran.

Mit einem liebevollen Blick sah sie ihn an und erneut verlor er sich in ihren haselnussbraunen Augen, die ihn gestern schon beinahe um den Verstand gebracht hätten.

Er legte seine Hand sanft auf ihre und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen, welcher sein Herz augenblicklich in Aufruhr versetzte.

Als sie sich voneinander lösten, strich er ihr vorsichtig eine Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte.

„Weißt du schon, welchen Film du sehen möchtest?“, fragte er sie beiläufig, da er immer noch von ihren Augen abgelenkt war.

„Ist mir ziemlich egal…“, brachte Mimi gerade noch flüsternd hervor, bevor sie ihre Lippen erneut auf seine legte und die Arme um seinen Hals verschloss.

Tai zog sie enger an sich, bevor er sich rücklings mit ihr auf die Couch sinken ließ…
 

Es fiel ihnen nicht leicht, sich wieder voneinander zu lösen, doch schließlich hatte sie der Hunger dazu gezwungen.

Immer wieder hatten sie sich zärtliche Küsse auf die Lippen gehaucht und sich verlegen angelächelt. Tai genoss ihre Nähe und kostete jede Sekunde mit ihr aus, wohlwissend, dass das womöglich bald vorbei war, sollte er ihr die Wahrheit über Izzy’s idiotischen Plan sagen.

Immer wieder fuhr er ihr mit der Hand über den Rücken und atmete ihren wundervollen Duft ein.

Als es an der Tür klingelte, lächelte sie ihn entschuldigend an und stand auf.

Auch Tai setzte sich auf, wobei sein Blick unwillkürlich auf sein Handy fiel, welches er vorher achtlos auf den Tisch geschmissen hatte.

Unwohlsein machte sich in seiner Magengegend breit und er konnte den Drang nicht unterdrücken, es in die Hand zu nehmen und wieder einzuschalten.

Kaum war das Handy gestartet, bombardierte es ihn förmlich mit verpassten Anrufen und Nachrichten.

Er überflog die vielen SMS, die sich alle sehr ähnelten und dem Studenten rutschte augenblicklich das Herz in die Hose.

Er hatte nun keinen Zweifel mehr daran, dass Izzy etwas ahnen musste. Wenn er es nicht schon längst wusste…

„Das Essen ist da.“, rief Mimi heiter, als sie mit einer großen Tüte ins Wohnzimmer zurückkam.

Tai legte schnell das Handy zur Seite und versuchte sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

„Hast du Hunger?“, fragte sie ihn fröhlich und sah ihn erwartungsvoll an.

„Wie ein Bär.“, grinste Tai sie an und machte sich daran, das Essen auszupacken.

Mimi lachte leicht auf und sah ihm dabei zu, wie er bereits die erste Portion seines chinesischen Essens begierig runter schlang. „Was frag ich überhaupt…?“
 

Nachdem sie gegessen hatten, legten sie sich einen Film rein und machten es sich auf der Couch gemütlich.

Tai hielt Mimi im Arm, die schon ziemlich müde zu sein schien, da ihr immer wieder leicht die Augen zufielen.

„Fühlst du dich wohl?“, fragte sie ihn plötzlich und ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

„Ja, natürlich.“, antwortete Tai nur mit einem Grinsen, während sich die Brünette noch enger an ihn schmiegte.

„Gut. Ich mich auch.“, sagte sie müde, aber dennoch glücklich.

Tai verfestigte seinen Griff um ihren schmalen Körper und drückte ihr einen Kuss auf’s Haar.

Bis jetzt hatte er seinem Handy und Izzy’s Versuchen mit ihm Kontakt aufzunehmen, keine weitere Beachtung geschenkt. Er wollte sich diesen Moment einfach nicht von ihm kaputt machen lassen, auch, wenn er wusste, dass früher oder später sowieso kein Weg daran vorbeiführen würde. Er musste einfach mit ihm sprechen, ob er nun wollte oder nicht. Allein Mimi’s wegen…

Doch für diesen Moment wollte er einfach nur bei ihr sein und sie im Arm halten. Mehr nicht.

Er schaffte es wieder, Izzy erfolgreich aus seinen Gedanken zu verdrängen, als auch er müde die Augen schloss und ein letztes Mal für diesen Abend ihren Duft einatmete.

Gefangen im Netz der Lügen

Sichtlich verunsichert stand Tai ein paar Tage später vor seiner alten Schule.

Am liebsten wäre er absichtlich zu spät gekommen, um der ganzen Sache doch noch irgendwie aus dem Weg zu gehen. Doch das war leider keine Option.

Nachdem er Izzy zwei ganze Tage lang ignoriert hatte, gab sein Handy einfach keine Ruhe mehr. Mit einer langüberlegten Ausrede nahm er schließlich doch noch ab und erklärte ihm glaubhaft, dass er in den letzten Tagen durch sein Studium einfach keine Zeit gefunden hatte, ihn zurück zu rufen. Izzy drängte ihn natürlich gleich auf ein Treffen, welchem Tai nur widerwillig zustimmte. Aber was blieb ihm anderes übrig?

Früher oder später musste er sich dem Ganzen stellen!

Außerdem hielt er die Ungewissheit nicht mehr aus, ob sein Freund inzwischen dahinter gekommen war, was sich zwischen ihn und Mimi abspielte oder ob er weiterhin der Ahnungslose war… Zweiteres wäre Tai auf jeden Fall lieber gewesen.

Nervös ging er im Schuleingang auf und ab, hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und stierte zum Boden. Natürlich hatte er Izzy bereits am Telefon gefragt, warum er so dringend mit ihm sprechen musste, doch aus dem Computergenie war nichts rauszubekommen.

Tai versuchte cool zu bleiben, als es klingelte und kurze Zeit später Izzy auf ihn zukam. Er begrüßte Tai kurz und wies ihn direkt an, ihm nach draußen zu folgen. Sie gingen um die nächste Ecke, so dass keiner der anderen Schüler etwas von ihrem Gespräch mitbekommen konnte.

„Also, warum wolltest du so dringend mit mir sprechen?“, fragte Tai gespielt ahnungslos, wobei er sich doch schon längst denken konnte, um was es ging.

„Es geht um Mimi. Und um ihre Geburtstagsparty.“, eröffnete Izzy ihm mit einem ernsten Gesichtsausdruck und Tai war es, als würde ihn sein gesamtes Blut in die Füße sacken und schwer zu Boden ziehen.

„Und um was genau?“, hakte er nach und versuchte so beiläufig wie möglich zu klingen.

Izzy überlegte kurz, während er seinem Blick standhielt.

„Taichi, ich frage dich jetzt etwas und ich bitte dich, als meinen Freund, mir die Wahrheit zu sagen.“, begann Izzy und Tai wusste nicht mehr, ob ihm warm oder kalt war. Nach außen hin versuchte er weiterhin cool zu wirken, doch innerlich fuhren seine Gedanken gerade Achterbahn.

Selbstverständlich hatte er ein paar Tage Vorlauf gehabt und sich die ein oder andere Antwort zurechtgelegt, doch das alles war wie ausgelöscht, als die Worte gnadenlos auf ihn einbrachen.

„Läuft da was zwischen dir und Mimi?“

In diesem Moment entglitten dem Studenten einfach sämtliche Gesichtszüge. Natürlich wusste er es! Wie hätte es anders sein können? Er musste etwas sagen! Aber was?

„Ähm, w-was? Wie kommst du darauf?“, fragte Tai unbeholfen nach und hoffte dabei inständig, dass er irgendwie unbeschadet aus dieser Nummer herauskam.

Izzy’s Augen verengten sich zu Schlitzen. Aufmerksam musterte er die Reaktion seines Freundes.

„Na ja… ihr habt ziemlich innig auf mich gewirkt, als ihr auf der Dachterrasse gestanden habt.“

Tai musste sich beherrschen, seine Emotionen zurück zu halten. Seine nächsten Worte mussten gut überlegt sein.

„Und ihr wart eine Zeit lang verschwunden und keiner wusste, wo ihr seid.“, erläuterte Izzy ihm trocken weiter und sah ihn erwartungsvoll an.

Tai zuckte belanglos mit den Schultern und legte ein beiläufiges Gesicht auf.

„Na ja, ihr war etwas übel von dem Alkohol und sie brauchte mal etwas frische Luft.“

„Die hätte sie auch auf der Dachterrasse bekommen können.“, sagte Izzy und zwängte ihn in die Enge. Tai kam sich plötzlich vor wie bei einem Verhör vor Gericht und alles, was er machen konnte, war sich zu verteidigen oder zu gestehen und verurteilt zu werden.

„Sie wollte sich die Füße vertreten und ich wollte sie nicht allein gehen lassen.“, rechtfertigte er sich weiter vor seinem Freund und kam sich dabei immer lächerlicher vor.

Izzy verschränkte die Arme vor der Brust und sah nicht so aus, als würde er auch nur ein Wort glauben, was Tai ihm auftischte.

„Und das auf der Dachterrasse… Das hast du in den falschen Hals gekriegt, Izzy. Ich hab ihr lediglich zum Geburtstag gratuliert.“, log er weiter und verstrickte sich somit immer weiter in seinem Wirrwarr aus Ausflüchten.

Wieso konnte er Izzy nicht einfach die Wahrheit sagen?

Ja, er hatte sich in sie verliebt und es tat ihm unglaublich leid für Izzy, aber er konnte nun mal nichts gegen seine Gefühle tun. Doch dieser Satz wollte ihm einfach nicht über die Lippen kommen. Stattdessen wurde sein Mund staubtrocken und er wartete auf eine Reaktion seitens seines Freundes, der ihn immer noch argwöhnisch musterte.

Plötzlich entspannte sich Izzy’s Gesicht und er ließ die Arme lustlos neben seinen Körper sinken. Frustriert starrte er zu Boden.

Eine Reaktion mit der Tai in keinster Weise gerechnet hatte. Hatte er Izzy tatsächlich so leicht überzeugen können? Tai stutzte.

„Alles okay? Du wirkst leicht…“, begann er unsicher und sah den Rothaarigen eindringlich an.

„Verzweifelt?“, beendete Izzy seinen Satz und brachte es nicht fertig, Tai weiter in die Augen zu sehen. Er fing an sich die Haare zu raufen und Tai wusste, es war zu spät ihm die Wahrheit zu sagen. Unmöglich konnte er jetzt noch zurück rudern und ihm doch noch alles gestehen. Er hatte sich einfach zu tief reingeritten, indem er Izzy anlog und ihm vorgaugelte, dass die Momente zwischen ihm und Mimi niemals stattgefunden hätten. Dass Izzy sich das alles nur eingebildet hatte.

„Ich weiß einfach nicht mehr, was Sache ist.“, fing Izzy an zu erklären und riss Tai somit aus seinen ernsten Gedanken.

„Es ist einfach alles so verwirrend. Sie hat sich total über mein Geschenk gefreut und mich sogar gefragt, ob ich mit ihr zusammen zum Festival gehen möchte…“, erzählte er weiter, während er deprimiert zu Boden sah und Tai ihm aufmerksam folgte.

„Vor ein paar Tagen hab ich sie gefragt, ob wir mal zusammen ins Kino gehen wollen und sie hat sofort ‚ja‘ gesagt…“

Tai zog eine Augenbraue hoch und wartetet gespannt darauf, was Izzy noch erzählen würde. Seit er den Sonntagabend bei Mimi verbracht hatte und erst sehr spät gegangen war, hatten sie nicht mehr viel Kontakt gehabt. Mimi war zur Zeit völlig im Prüfungsstress und das wusste er, deswegen hatte er sich auch nicht weiter darüber gewundert. Sonst hätte sie ihm sicher erzählt, dass sie vor hatte, mit Izzy ins Kino zu gehen… oder? Ein Anflug von Eifersucht kroch in ihm hoch.

„Und dann erfahre ich gestern von Sora, dass sie neulich, kurz nach ihrem Geburtstag ein Date hatte und sie wohl ziemlich aufgeregt vorher war.“

Tai’s Herz rutschte augenblicklich in die Hose. Oh nein, wieso wusste denn jetzt plötzlich Sora davon, dass Mimi sich mit jemanden traf? Dass Mädchen sich einfach immer alles erzählen mussten… Wenn das so weiter ging, würde er gar keine Gelegenheit mehr dazu bekommen, Izzy die Wahrheit zu sagen, denn dann wussten es einfach alle schon vorher. Und die Gelegenheit eben hatte er gekonnt verspielt.

Izzy zuckte mit den Schultern und sah Tai entschuldigend an.

„Da lag es für mich einfach nahe, dass du ihr Date gewesen sein könntest, nachdem ich euch auf der Dachterrasse zusammen gesehen hatte.“, sagte er und wirkte ziemlich bemitleidenswert auf den Braunhaarigen. „Aber das war natürlich dumm, tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Erklärungsnot bringen.“

Hätte Tai nicht noch ein geringes Maß an Selbstbeherrschung gehabt, wäre ihm der Mund aufgeklappt. Izzy entschuldigte sich gerade bei ihm dafür, dass Tai ihn angelogen hatte?

Na super! Sein schlechtes Gewissen drohte ihn zu zerfressen und dennoch brachte er einfach nichts über die Lippen, was ihn hätte retten können.

Im Grunde hatte Izzy ihn eiskalt ertappt. Und er war einfach zu feige, ihm die Wahrheit zu sagen. Aus Angst vor seiner Reaktion. Aus Angst davor, dass er Mimi direkt alles sagen würde. In seinem Kopf war nur noch sie und der quälende Gedanke sie verlieren zu können, wenn sie die Wahrheit erfuhr.

Sprachlos standen sie sich immer noch gegenüber, bevor Izzy ein weiteres Mal das Wort ergriff.

„Ich denke, ich muss jetzt ins Büro. Ich hab einen Haufen Arbeit vor mir. Tut mir wirklich leid, dass ich dich unnötig hier her bestellt habe. Ich weiß, du hast zur Zeit auch eine Menge zu tun.“, entschuldigte er sich ein weiteres Mal, schulterte seine Schultasche und machte sich daran, zu gehen.

„Izzy, warte…“, sagte Tai schnell, bevor der Rothaarige verschwinden konnte. Izzy drehte sich um und sah Tai mit einem fragenden Gesicht an.

Was sollte er ihm nur sagen?

„Ich denke, sie würde es dir sagen, wenn sie jemand kennen gelernt hätte. Ihr seid doch schließlich Freunde.“, kam es nur trocken aus seinem Mund und führte ihm augenblicklich seine Feigheit vor Augen. Er konnte ihm die Wahrheit nicht sagen. Jetzt noch nicht…

„Ja, du hast recht.“, antwortete Izzy geknickt. „Wir sind Freunde.“ Er wandte sich um und setzte seinen Weg fort, während Tai wie angewurzelt stehen blieb und ihm fassungslos hinterher starrte. Er hätte sich wirklich ohrfeigen können! Was war er nur für ein schlechter Freund? Wog die Angst vor Izzy’s Reaktion wirklich mehr, als die Wahrheit und mehr, als ihre Freundschaft?

Aufgebracht fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare und verzog das Gesicht.

„Oh, du bist so ein Idiot!“, sagte er wütend zu sich selbst und merkte gar nicht, wie eine Person um die Ecke schielte und ihn aufmerksam beobachtete.
 

Tai erschrak sich gewaltig, als die Brünette hervor trat und ihn irritiert ansah.

Wie lange stand sie schon da?

Ein weiteres Mal rutschte sein Herz in die Hose, als er sich fragte, ob Mimi vielleicht alles mitbekommen hatte? Die gesamte Unterhaltung mit Izzy… das wäre eine Katastrophe!

Sie fing an zu grinsen und warf ihm ein heiteres Lächeln zu.

„Das wissen alle, dass du ein Idiot bist und ich finde es schön, dass du es auch endlich selbst einsiehst.“, sagte sie frech und schien dabei nicht zu bemerken, wie Tai erleichtert in sich zusammensackte.

Anscheinend hatte sie nichts von dem Gespräch mitbekommen.

Breit grinsend machte sie einige Schritte auf ihn zu und sah ihn erwartungsvoll an.

„Sag nicht, du wolltest mich von der Schule abholen?“, fragte sie stirnrunzelnd und versuchte seinen Blick aufzufangen, da Tai nur unsicher zur Seite sah.

Er kratzte sich am Hinterkopf und überlegte, was er ihr sagen sollte.

Das Beste war wahrscheinlich einfach auf ihre Vermutung einzugehen.

„Also eigentlich wollte ich nur kurz was mit Izzy besprechen und dann hab ich mir überlegt, dass ich ja auch einfach auf dich warten und noch nach Hause bringen könnte.“, sagte er überzeugend, lächelte sie an und fragte sich, die wievielte Lüge eben aus seinem Mund kam.

Am liebsten wäre er vor Scham im Erdboden versunken, doch davon bekam Mimi nichts mit.

„Tai, das ist so süß von dir!“, lächelte sie glücklich, nahm seine Hand und zog ihn mit sich. Sie hakte sich ziemlich schnell bei ihm unter, was auf Andere mit Sicherheit so wirkte, als wären sie ein verliebtes Pärchen.

Tai genoss zwar ihre Nähe, war jedoch insgeheim froh, dass Izzy das Schulgelände bereits verlassen hatte und sie so nicht mehr sehen konnte.

„Über was hast du denn mit Izzy geredet? Er war die letzten Tage etwas komisch in der Schule.“, fragte sie ihn plötzlich und legte die Stirn nachdenklich in Falten.

Tai schluckte unmerklich. „Ach, das interessiert dich bestimmt nicht. Nur so Informatikkram.“, winkte Tai schnell ab, um weitere Fragen zu vermeiden.

„So? Na gut, wer weiß, was er hatte.“, sagte Mimi schulterzuckend und hakte zum Glück nicht weiter nach.

„Sag mal, weißt du schon, dass Matt am Wochenende bei sich zu Hause eine kleine Party schmeißt? Nix Großes, nur ein bisschen abhängen, was ganz Ruhiges.“, fing Tai an zu erzählen, einfach nur, um das Thema zu wechseln.

Mimi nickte zustimmend und kicherte. „Natürlich! Seine Freundin ist meine beste Freundin.“

„Hatte ich fast vergessen.“, scherzte Tai und fing an verschmitzt zu grinsen.

„Wollen wir zusammen hin gehen?“

Mimi blieb stehen und sah ihn irritiert an. „Na ja, wir sind beide eingeladen, also…“, sagte sie und hatte deutlich Probleme ihm zu folgen.

„Ja, ist mir schon klar. Ich dachte nur, wir könnten uns Freitag einen netten Abend bei mir machen, vielleicht am nächsten Tag zusammen frühstücken und später gemeinsam hin gehen.“

Bei Mimi fiel allmählich der Groschen und sie bekam große Augen.

„Oh ähm… du meinst… oh…“, stammelte sie hektisch herum und brachte kein vernünftiges Wort zustande, sehr zur Belustigung des Braunhaarigen.

„Ist schon okay! Du musst nicht, wenn du nicht willst.“, lachte er und fing Mimi’s erstaunten Blick auf.

Mimi räusperte sich und straffte ihre Körperhaltung, nur um ihn dann eindringlich anzusehen.

„Hast du mich gerade durch die Blume gefragt, ob ich am Freitag bei dir übernachten möchte?“, fragte sie steif nach und beobachtete seine Reaktion.

„Nur, wenn du möchtest.“ Tai lächelte sie liebevoll an und machte einen Schritt auf sie zu. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und beugte sich zu ihr hinunter, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Mimi entspannte sich augenblicklich, schloss die Augen und erwiderte den Kuss.

Als er sich wieder von ihr löste, erkannte er in ihrem Blick, dass ihre Augen anfingen zu strahlen und sich ein verlegenes Lächeln auf ihr Gesicht gelegt hatte.

„Du kannst ziemlich überzeugend sein.“, gestand sie ihm flüsternd und er spürte ihren aufgeregten Atem auf seiner Haut.

„Also dann Freitag?“, grinste er und konnte mal wieder nicht fassen, welche Gefühle dieses Mädchen in ihm auslöste.

„Freitag.“, stimmte Mimi nickend zu und löste sich vollends von ihm, um ihren Nachhauseweg fortzusetzen.
 

„Man Kari, jetzt hau endlich ab, sie wird jeden Moment hier sein.“, redete der Student dringlichst auf seine Schwester ein, um sie endlich aus seiner Wohnung zu bekommen.

Er hatte sie am Freitagnachmittag zu sich bestellt, um mit ihr über die Sache mit Mimi zu sprechen. Natürlich wusste seine Schwester längst Bescheid, auch, wenn es anfangs nur ein Gefühl von ihr gewesen war, so war sie sich spätestens nach Tai’s Geburtstagsgeschenk sicher, dass er etwas für ihre Freundin empfand.

Doch der Grund, warum er mit Kari darüber sprechen wollte, war nicht der, dass er jemanden seine Gefühlswelt anvertrauen wollte. Tai’s Grund war weniger ehrenhafter Natur. Er wollte von ihr, dass sie den Anderen gegenüber die Klappe hielt und nichts ausplauderte, was auch nur im Geringsten darauf hindeuten könnte, dass die zwei sich ineinander verliebt hatten.

„Na toll, da ist sie schon!“, stöhnte Tai auf, als es an der Tür klingelte und seine kleine Schwester immer noch dabei war, sich die Schuhe anzuziehen.

Sie hatte ihm, wenn auch widerwillig versprochen, dicht zu halten und niemanden etwas zu verraten. Natürlich hatte sie gefragt, warum Tai das von ihr verlangte und warum er so einen Hehl daraus machte, offen zu seinen Gefühlen zu stehen.

Er hatte ihr gesagt, dass die Beiden es gerne langsam angehen lassen wollten und dass noch nicht mal Sora etwas darüber wusste. Und dass sie es ihren Freunden gerne selbst sagen wollten, wenn sie sich ganz sicher waren.

Nachdem Kari ihn zuerst irritiert gemustert hatte, stimmte sie jedoch relativ schnell zu, sich raus zu halten. Sie musste ihm sogar versprechen, dass sie es selbst Takeru nicht erzählen würde. Je weniger Mitwisser, umso besser, dachte Tai sich insgeheim.

„Ich bin ja schon so gut, wie weg.“, kicherte Kari, als sie in das aufgeregte Gesicht ihres Bruders blickte und die Tür öffnete.

„Kari? Was machst du denn hier?“, fragte Mimi, die mit einer großen Tasche vor Tai’s Wohnung stand.

„Ach, ich bin im Grunde gar nicht mehr da. Habt einen schönen Abend ihr zwei und wir sehen uns dann morgen bei Matt.“, verabschiedete sie sich mit einem Zwinkern von Mimi, bevor sie sie überhaupt richtig begrüßt hatte und warf ihrem Bruder noch einen vielsagenden Blick zu.

Mimi sah ihr verdutzt hinterher, ehe sie sich an Tai wandte.

„Was war das denn? Hast du ihr von uns erzählt?“

Tai nahm ihr die Tasche ab und stellte sie im Flur ab. Danach half er Mimi aus ihrer Jacke und zuckte bedenkenlos mit den Schultern. „Nicht alles. Nur, dass sie es vorerst nicht rum erzählen soll.“

„Wieso nicht? Was wäre daran so schlimm?“, fragte Mimi weiter nach und konnte sich ein bedrücktes Gesicht nicht verkneifen.

„Nein, so war das doch nicht gemeint.“, versuchte Tai sie direkt zu beschwichtigen, als er ihren wehmütigen Ausdruck bemerkte. Er legte eine Hand beruhigend auf ihre Schulter und versuchte ihren Blick aufzufangen.

„Hey Mimi, so war das wirklich nicht gemeint. Natürlich ist das nicht schlimm, wenn es jemand erfahren würde.“

Doch, wäre es.

„Ich dachte nur, wir lassen uns noch etwas Zeit und sehen wie sich die Sache zwischen uns entwickelt, bevor wir uns unseren Freunden als Pärchen präsentieren.“, erklärte er weiter und stellte fest, wie sich ihr Blick entspannte. Sie überlegte kurz und lächelte ihn dann aufmunternd an. „Ja, wahrscheinlich hast du recht. Wir sollten nichts überstürzen. Und wenn wir uns ganz sicher sind, können wir es ja immer noch offiziell machen.“, gestand sie ihm zu. Tai fiel ein Stein vom Herzen.

So weit so gut. Dies würde ihm zumindest etwas Zeit verschaffen, bis er wusste, wie er Izzy die Wahrheit verklickern konnte.

Verhängnisvolle Worte

„Also? Worauf hast du Lust?“, fragte Tai und ging vorweg ins Wohnzimmer, während Mimi noch etwas unsicher im Türrahmen stand und nicht so recht wusste, wohin mit sich.

Natürlich war sie auch schon vorher öfters bei Tai zu Hause gewesen, doch noch nie mit der Absicht bei ihm zu übernachten. Irgendwie war ihr noch nicht ganz wohl bei dem Gedanken, mit Tai in einem Bett zu schlafen. Aber sie konnte ja auch schlecht vorschlagen, auf der Couch zu schlafen, wie ein kleines Schulmädchen, das bei ihrer Freundin übernachtete. Sie wusste nicht, warum sie sich so anstellte. Nachdem, was neulich im Fahrstuhl passiert war, sollte sie sich eigentlich nicht so davor scheuen, neben ihm zu liegen. Doch sie fragte sich einfach immer wieder, ob sie es tatsächlich schaffen würden, die Finger voneinander zu lassen. Schließlich hatte sie Sora und sich selbst versprochen, nichts zu überstürzen. Und das hatte auch seinen guten Grund…

„Mimi, willst du… da stehen bleiben oder endlich rein kommen?“, fragte Tai etwas belustigt und rüttelte die Brünette damit wach. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie immer noch wie angewurzelt in seiner Tür stand.

„Ähm, ja.“, brachte sie nur hervor und betrat sein Wohnzimmer, welches sie plötzlich mit ganz anderen Augen sah. Unwillkürlich schielte sie zur Schlafzimmertür und fragte sich, wie es wohl dahinter aussehen mochte.

„Ich hatte dich gefragt, was du jetzt machen möchtest. Wir könnten uns einen Film ansehen oder etwas kochen oder…“, zählte Tai ihr auf, bevor er neckisch anfing mit grinsen und einige Schritte auf sie zu machte. Er nahm ihre Hand und sah sie mit einem liebevollen Blick an.

Ob er merkte, wie unsicher und nervös sie war?

„…Oder wir reden einfach ein bisschen.“, sagte er und beugte sich zu ihr hinunter, nur um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen, der ziemlich schnell immer fordernder wurde. Er legte die Hand in ihren Nacken, während Mimi ihre Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn drückte.

„Mmh, ziemlich gute Konversation.“, grinste sie verschmitzt, als sie sich von ihm löste.

„Ich bin eben ein guter Gesprächspartner.“, erwiderte Tai keck und zog sie in Richtung Couch. „Selbstbewusst, wie eh und je.“, gab Mimi nur lachend zur Antwort, als sie sich setzte und sich insgeheim fragte, was wohl als nächstes passieren würde.

Erwartungsvoll und etwas unsicher sah sie ihn an.

Tai grinste leicht und schluckte dann, nur um sich dann widererwartend von ihr abzuwenden und den Fernseher einzuschalten.

„Also, wollen wir einen Film anschauen? Kochen können wir ja später noch.“

Was? Mimi hatte ja mit vielem gerechnet, was auf diesen innigen Kuss folgen könnte, aber nicht damit. Verdutzt sah sie ihn an und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.

Tai wandte sich ihr zu und sah sie auffordernd an.

„Ähm, ja… einen Film… klar!“, antwortete die Brünette schließlich, als sie sich wieder gefangen hatte.

Nachdem Tai einfach irgendeinen Film ausgesucht hatte, machte er es sich auf der Couch bequem und lehnte sich schräg an, während Mimi ihren Körper straffte und stocksteif dasaß.

Insgeheim ohrfeigte sie sich für ihr mädchenhaftes Kleinkindverhalten. Sie war doch keine zwölf mehr. Wieso stellte sie sich so an? Sie hatten immerhin schon öfters miteinander gekuschelt und sich innig geküsst. Doch irgendwie war die Situation eine andere, da sie in seiner Wohnung war und die ganze Sache plötzlich offiziell war. Schließlich war sie mit der Absicht hier, bei ihm zu übernachten!

Bei dem Gedanken daran, errötete sie leicht und schielte unsicher zu Tai hinüber, um zu sehen, ob er es bemerkte.

Sie zuckte leicht zusammen, als sie feststellte, dass er sie die ganze Zeit grinsend beobachtet hatte.

„Willst du nicht rüber kommen?“, fragte er sie unverblümt, breitete den Arm aus und forderte sie somit auf, etwas näher zu rutschen, was Mimi auch zögerlich tat.

Sie kuschelte sich unter seinen Arm und legte den Kopf auf seiner Brust ab. Sie atmete seinen Duft ein und fragte sich, wie lange es wohl noch möglich war, ihm zu widerstehen.

„Ich hab eine Liebeskomödie ausgesucht, müsste dir also gefallen.“, sagte Tai lächelnd und erwärmte damit ihr Herz. Mimi wusste genau, dass er das nur für sie tat. Denn was Filme anging, hätten ihre Geschmäcker nicht unterschiedlicher sein können. „Du bist wirklich süß.“, gestand Mimi ihm und fühlte sich gleich viel wohler.

„Ich weiß!“, antwortete Tai schulterzuckend und zauberte Mimi somit ein Lächeln auf die Lippen.
 

„Oh Gott, worauf habe ich mich da nur eingelassen?“, stöhnte Tai und schlug die Hände vor’s Gesicht, als wäre es das Schlimmste, was er sich je ansehen musste.

„Hey, du hast den Film ausgesucht, also beschwer dich jetzt nicht.“, bäumte Mimi sich beleidigt vor ihm auf, als im Fernsehen bereits der Abspann lief.

Sie hatten sich ‚Kiss and Kill‘ angesehen und nicht nur ein Mal hatte Tai während des Films genervt geschnauft oder aufgestöhnt und sich darüber beschwert, wie unrealistisch dieses ganze Szenario sei.

„Aber ich verstehe einfach nicht, warum ihr Frauen auf so einen Quatsch steht, ich meine… was soll das?“, nörgelte er und rollte verständnislos mit den Augen.

Mimi lachte nur und schüttelte den Kopf.

„Okay, dann suche ich jetzt den nächsten Film aus.“, grinste sie ihn herausfordernd an und wollte aufstehen, als Tai sie an der Hand zurück zu sich auf die Couch zog.

„Untersteh dich! Noch so einen Film überlebe ich nicht.“, lachte er auf und sah ihr tief in die Augen. Warum schien er immer wieder seinen Verstand zu verlieren, wenn er ihr so nah war?

Schon während des Films fiel es ihm schwer sich auf was Anderes, als auf Mimi zu konzentrieren, die entspannt in seinem Arm gelegen hatte und ab und zu bei einer lustigen Szene auflachte.

Am liebsten würde er diesen Abend niemals enden lassen und einfach weiter mit ihr hier liegen bleiben… ohne ein schlechtes Gewissen.

Er konnte dem Drang unmöglich länger widerstehen, sie zu küssen. Er kam ihrem Gesicht immer näher und versiegelte ihre Lippen mit einem fordernden Kuss, während er sie noch enger an sich zog. Seine Hand ruhte auf ihrem Rücken, während die andere ihr Gesicht berührte. Vorsichtig öffnete er seine Lippen und drückte seine Zunge gegen ihre. Sie spielten miteinander und ihre Küsse wurden schnell immer leidenschaftlicher.

Langsam fuhr er mit der Hand unter ihr Shirt und streichelte ihren Rücken.

Er benetzte ihren Hals mit weiteren Küssen, während Mimi sich in sein Shirt krallte und seine Küsse sichtlich genoss.

Seine Hand fuhr weiter nach oben und ertastete vorsichtig ihre weiche Haut. Der Drang, sie ganz nah bei sich zu spüren wurde immer stärker.

Doch bevor er mit seiner Hand weiter wandern konnte, zuckte Mimi unerwartend zurück, woraufhin sie ihre Küsse unterbrechen mussten. Er stoppte in seiner Bewegung und zog sich schnell zurück, als sie ihn erstaunt ansah.

„Stimmt was nicht?“, fragte er sie irritiert und war sich nicht sicher, ob er was falsch gemacht hatte.

„Ähm na ja,…“, begann Mimi etwas unsicher und wurde leicht rot im Gesicht, während sie verlegen drein blickte und mit dem Finger auf seiner Brust unruhig hin und her fuhr. „Na ja, also ich dachte, wir gehen das Ganze lieber etwas… etwas langsamer an.“

Tai stuzte und zog eine Augenbraue nach oben. Ob ihr bewusst war, dass es neulich im Fahrstuhl eh beinahe dazu gekommen wäre?

„Weißt du, das neulich im Fahrstuhl, das war größtenteils dem Alkohol geschuldet.“, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. „Das hätte so nicht passieren dürfen, denn ich will…“ Sie stockte. Tai spürte, dass sie nervös wurde. Er sah sie aufmunternd an und ein zustimmendes Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihren Blick suchte. „Du willst?“

Mimi schluckte. „Ich will, dass wenn es passiert, es etwas Besonderes ist.“, brachte sie schüchtern über die Lippen und Tai konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er ihren verlegenen Blick sah und feststellen musste, dass er immer wieder neue Seiten an ihr entdeckte. Zum einen brachte sie ihn völlig durcheinander und seinen Puls zum rasen, wenn sie sich so innig küssten, wie sie es eben getan hatten und zum anderen erweichte sie jedes Mal sein Herz mit ihrer liebenswerten, gefühlvollen Art, die einfach völlig entwaffnend auf ihn wirkte. Behutsam strich er ihr mit der Hand über die Wange.

„Das ist gar kein Problem. Und ich finde, du hast recht.“

Mimi sah ihn erstaunt an und es schien, als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen.

„Wirklich?“, fragte sie skeptisch.

„Wirklich!“, lachte Tai und merkte deutlich, wie ein Stück Anspannung von ihr abfiel.

Sie lächelte ihn an, bevor sie ihren Kopf auf seine Brust legte und erleichtert ausatmete. „Da bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon…“

„Was? Dass ich dich jetzt fallen lasse, wie eine heiße Kartoffel?“, grinste der Student und umschloss sie mit seinen Armen. Egal, ob sie sich küssten oder nicht. Es fühlte sich einfach unglaublich gut an, ihr so nah zu sein. Und er genoss dieses Gefühl in vollen Zügen.

„Mimi, du bist mir sehr wichtig und mir ist die Sache mit dir ziemlich ernst.“, sagte er einfühlsam, aber auch bestimmend und drückte sie fest an sich, während ihm ihr wunderbarer Duft in die Nase stieg.

„Gut, denn du bist mir auch wichtig und ich möchte einfach nur alles richtigmachen.“, antwortete sie zufrieden und schmiegte sich an ihn.

„Ich weiß.“, sagte Tai lächelnd und drückte ihr einen Kuss auf’s Haar. Er war froh darüber, dass Mimi das Thema angesprochen hatte, bevor sie etwas Unüberlegtes getan hätten. Denn sie hatte recht. Auch Tai wollte, dass es etwas Besonderes sein sollte und nicht aus einer Laune heraus geschah. Zu oft hatte er sich bereits seinen Gefühlen willenlos hingegeben, ohne groß darüber nachzudenken. Doch dieser emotionslose, triebgesteuerte Sex reichte ihm inzwischen nicht mehr. Nicht, seitdem er sich in Mimi verliebt hatte. Er wollte mehr, viel mehr und er war sich sicher, dass Mimi ihm das geben konnte, was er bei anderen Frauen stets vergeblich gesucht hatte.
 

Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten sie wach und sie hielt sich schützend eine Hand vor die Augen, um nicht weiter geblendet zu werden. Sie blinzelte ein paar Mal, bevor sie sich vom Fenster wegdreht und in das schlafende Gesicht von Tai sah, der friedlich neben ihr lag und noch schlief, wie ein Stein. Sie legte die Hand unter ihre Wange und lächelte ihn an. Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich in seinem Bett lag und die Nacht bei ihm verbracht hatte.

Die ganze Nacht hatten sie geredet, sich dabei immer wieder verliebt angelächelt…

Sie hatten sogar im Bett Eis gegessen, fiel Mimi plötzlich wieder ein, als sie den Schokoladenfleck an seinem Kragen sah. Die Brünette grinste und richtete sich leicht auf, so dass sie ihren Kopf auf ihrer Hand abstützen konnte.

Vorsichtig fuhr sie mit der Hand über sein Gesicht. Wieso nur durfte sie diese liebevolle Art an Tai nicht schon eher kennen lernen?

Diese Frage hatte sie sich häufig gestellt, in den letzten Wochen. Sie begann ihn aus einem völlig anderem Blickwinkel zu sehen. Er war nicht mehr nur ihr Freund, mit dem sie früher einiges erlebt und durchgestanden hatte… nein, inzwischen war er so viel mehr für sie geworden. Er hörte ihr zu, verstand sie, war unglaublich einfühlsam…

Sie konnten miteinander lachen, Spaß haben und sie genoss jede Sekunde, die sie mit ihm verbringen durfte. Mimi hatte nicht damit gerechnet, dass er so locker auf ihren Wunsch noch zu warten reagieren würde. Doch er hatte es geschafft, ihr die Anspannung zu nehmen und sie zu beruhigen, dass es kein Problem für ihn war, zu warten. Das bedeutete ihr unglaublich viel! Schon einmal hatte sie einen Jungen darum gebeten, der sie daraufhin verlassen hatte. Sie erinnerte sich nur ungern daran zurück und verzog unwillkürlich das Gesicht bei dem Gedanken.

Tai war zum Glück ganz anders. Und das wusste sie sehr an ihm zu schätzen. Er bedrängte sie nicht und nahm sie so, wie sie war. Bei ihm konnte sie sich einfach fallen lassen und so sein, wie sie sein wollte.

Ein leises Grummeln weckte sie aus ihren Gedanken und sie blinzelte irritiert, als sie erkannte, dass Tai bereits leicht die Augen geöffnet hatte und sie verschlafen ansah.

Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. „Oh, tut mir leid. Hab ich dich geweckt?“

„Überhaupt nicht.“, grinste der Braunhaarige und schien plötzlich hellwach.

Er fuhr ihr mit der Hand durch ihr leicht zerzaustes Haar und sah sie liebevoll an. „Es ist schön, neben dir aufzuwachen!“

Mimi grinste verlegen. „Geht mir genauso.“

Sie warf einen fragenden Blick auf den Wecker, der hinter Tai stand und zog eine Augenbraue hoch. „Mmh, anscheinend haben wir so lang geschlafen, dass wir das Frühstück verpasst haben.“

„Kein Problem!“, entgegnete Tai schnell und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, bevor er sich aus dem Bett schwang. „Ich koch uns was!“

Mimi prustete los. „Willst du mich vergiften?“

„Weißt du was? Du bist ganz schön frech!“, sagte Tai lachend und ließ es sich nicht nehmen, ein Kissen nach ihr zu werfen, welches die Brünette direkt im Gesicht traf und augenblicklich kerzengerade im Bett sitzen ließ. „Du kannst dich geehrt fühlen, das hab ich für noch keine Frau gemacht.“

„So so, na ja wahrscheinlich liegt das daran, dass bisher noch keine Frau zum Frühstück geblieben ist.“, neckte Mimi ihn weiter und schmiss das Kissen zurück. Tai wich aus und grinste sie frech an. „Gut, wenn du nicht willst, dann mach ich eben nur für mich was zu essen.“, sagte er und machte sich auf in die Küche.

Mimi hüpfte sofort aus dem Bett und lief ihm hinterher. „Hey, ich will auch was essen. Ich hab nämlich einen Bärenhunger!“, lachte sie und sprang ihm gekonnt auf den Rücken, als sie ihn eingeholt hatte. „Was? Nachdem du letzte Nacht so viel Eis verputzt hast?“, lachte er und hielt sie an den Beinen fest, während er mit ihr huckepack in die Küche ging, als wäre sie federleicht. Er setzte sie auf der Theke ab, wandte sich zu ihr um und grinste sie schelmisch an. „Und was hätte der Bär gerne zu essen?“

„Woher soll ich wissen, was du essen willst.“, konterte sie und grinste ihn herausfordernd an. Tai trat einen Schritt auf sie zu und packte sie an den Hüften. Er zog sie ein wenig zu sich heran und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Mimi erwiderte seinen Kuss und schlang die Arme um seinen Hals.

Als sie sich wieder langsam voneinander lösten, grinste Mimi ihn triumphierend an und sprang von der Theke. „Ich glaube, ich mache lieber das Essen.“, sagte sie bestimmend und machte sich daran, Tai’s Kühlschrank zu plündern. Tai schüttelte nur belustigt den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich entspannt an die Theke, während er ihr dabei zusah, wie sie in seiner Küche herumwuselte.
 

Nachdem die beiden etwas gegessen und sich danach wieder auf die Couch gekuschelt hatten, war die Zeit plötzlich wie im Flug vergangen. Erschrocken blickte Mimi zur Uhr. „Was? Es ist schon so spät? So ein Mist! Tai, wir werden zu spät kommen!“, fluchte sie aufgebracht und sprang förmlich aus Tai’s Armen auf, der sie nur amüsiert ansah. „Beruhig dich mal, ist doch nur Matt. Da können wir ruhig etwas zu spät kommen.“

„Wie unhöflich deinem besten Freund gegenüber.“, stellte sie verblüfft und mit hochgezogener Augenbraue fest. „Was? Unhöflich? Wenn du wüsstest, wie oft Matt zu spät kommt.“, lachte der Student auf und sah dabei zu, wie Mimi hektisch ins Schlafzimmer und dann, die Arme vollgepackt ins Badezimmer verschwand.

Tai grinste nur und ließ sich wieder zurück auf die Couch sinken. Er fand es schade, dass die Zeit der Zweisamkeit ein jähes Ende finden musste. Am liebsten hätte er sich das ganze Wochenende über mit ihr eingeschlossen und die Welt warten lassen. Wieso mussten sie auch ausgerechnet jetzt zu Matt’s Party?

Izzy würde auch da sein – schoss es Tai durch den Kopf und den Schmetterlingen im Bauch wich ein Gefühl, welches er nur all zu gut kannte. Es drückte seinen Körper zu Boden und ließ ihn schwer werden, wie Blei. Er hatte schon geahnt, dass sein schlechtes Gewissen nicht für ewig die Flucht ergriffen hatte. Gnadenlos und unaufhaltsam kam es zurück und benebelte seine Gedanken. Ergriffen fuhr er sich mit der Hand durch’s Haar und musste sich eingestehen, dass das unmöglich zum Dauerzustand werden konnte.

So ging das einfach nicht weiter!

Jedes Mal, wenn er die Zeit mit Mimi genoss und es schaffte, sich fallen zu lassen, holte ihn unmittelbar danach sein schlechtes Gewissen wieder ein und redete ihm ein, dass er ein schlechter Mensch war und dass das, was er tat, falsch war. Von Grund auf falsch war. Denn diese Beziehung, die sich doch so richtig anfühlte, baute von Anfang an auf einer Lüge auf. Und diese Tatsache ließ Tai regelrecht erstarren.

Egal, was er auch tat und egal, wie oft er versuchte nicht daran zu denken… die Tatsache, dass er sowohl Izzy, als auch Mimi anlog, war allgegenwärtig und drohte ihn langsam aufzufressen. Jedes Mal wieder, nach jeder weiteren Lüge, nach jedem Moment den er mit Mimi teilte.

Entmutigt schloss er die Augen und musste sich eingestehen, dass das, was er tat, für keinen gut war. Viel zu lang hatte er dies verdrängt. Doch egal, wie er es drehte und wendete – am Ende lief es doch immer wieder darauf hinaus, dass er den Beiden die Wahrheit sagen musste. Izzy zuerst! Er hatte es als erstes verdient, zu erfahren, was zwischen Mimi und Tai geschehen war. Denn das war, so dachte Tai zumindest, das kleinere Übel. Vor Mimi’s Reaktion fürchtete er sich viel mehr.

Was, wenn sie ihn danach nicht mehr sehen wollte? Sicher wäre sie wahnsinnig enttäuscht von ihm, auch davon, dass er nicht schon eher etwas gesagt hatte. Doch er musste es einfach riskieren! Er konnte nicht länger dieses schwere Gewissen, was jeden Tag, den er mit Mimi verbrachte zur größeren Last wurde, ignorieren. Er musste einfach all seinen Mut zusammennehmen und es ihnen sagen! Und das am besten so schnell wie möglich, bevor noch mehr Lügen über seine Lippen kamen.
 

„Da seid ihr ja endlich!“, begrüßte die Rothaarige die Beiden und umarmte ihre Freundin stürmisch.

„Tut mir so leid, dass wir zu spät sind. Ich habe Tai noch abgeholt und er war mal wieder nicht fertig.“, grinste Mimi entschuldigend und deutete beschuldigend mit dem Finger auf ihren Begleiter. Tai stemmte die Hände an die Seite und sah sie empört an. Doch bevor er noch irgendetwas darauf erwidern konnte, lachte Sora auf und umarmte auch ihn. „Ja ja, so kennen wir ihn. Kommt rein, alle anderen sind schon da.“, sagte sie schmunzelnd und trat zur Seite, so dass Mimi und Tai eintreten konnten. Sie gingen ins Wohnzimmer, wo bereits eine recht ausgelassene Stimmung herrschte, was man daran erkannte, dass Kari und Meiko über irgendeinen albernen Witz lachten, den Takeru ihnen gerade erzählt hatte und dass Joe eine hitzige Diskussion mit Matt führte, während sie beide ein Glas Bier umklammerten.

„Ich hab’s dir schon mal gesagt! Und jetzt lass mich endlich in Ruhe damit!“, giftete Matt den Medizinstudenten gereizt an und knallte sein Bier auf den Tisch, welches leicht überschwappte.

„Wie kann man nur so unvernünftig sein?“, motzte Joe und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie sich wütende Blicke zuwarfen.

„Man Leute, jetzt beruhigt euch mal.“, versuchte Izzy ein wenig zu schlichten, der neben Matt saß und etwas verloren wirkte.

„Was ist hier los?“, fragte Mimi ihre Freundin flüsternd hinter hervorgehaltener Hand, als sie das Wohnzimmer betraten. Sora schnaufte und lächelte Mimi entschuldigend an.

„Ach, das geht schon seit einer halben Stunde so. Joe versucht Matt zu überreden, endlich ein Studium anzufangen und sein Leben nicht nur auf die Musik zu bauen.“

„Lass mich raten: Matt ist begeistert von der Idee!“, witzelte Tai und sah den beiden belustigt dabei zu, wie sie ihre Diskussion fortsetzten.

„Denkst du etwa, du wirst ewig von deiner Musik leben können? Ich kann nicht glauben, dass du so naiv bist! Ich meine es doch nur gut mit dir!“, redete Joe beherzt weiter auf ihn ein, was Matt inzwischen versuchte zu ignorieren. Er steckte sich eine Zigarette an und schielte seinen Freund herausfordernd an. „Man, du gehst mir echt auf den Sack!“, nörgelte er genervt und blies den Rauch absichtlich in Joe’s Richtung.

„Mensch, da sind wir ja genau richtig gekommen, was?!“, grinste Tai und setzte sich neben Joe, der bei genauerer Betrachtung schon leicht angetrunken wirkte. Mimi ließ sich zwischen Izzy und Kari nieder, die sie beide herzlich begrüßten. Sie fragte sich, wann Joe den Alkohol für sich entdeckt hatte? Normalerweise hielt er sich beim Trinken deutlich mehr zurück, als die anderen.

„Was kann ich dafür, wenn unser Freund hier keinen Alkohol verträgt und dann nur noch dummes Zeug labert.“, erwiderte Matt gereizt, woraufhin er einen empörten und schon leicht verklärten Blick von Joe erntete.

„Na ja, so dumm war das ja gar nicht.“, verteidigte ihn Sora, die gerade dabei war Mimi ein Glas Sekt einzuschenken.

„Was? Jetzt fall du mir nicht auch noch in den Rücken!“, protestierte der Sänger und sah seine Freundin vorwurfsvoll an.

„Geht das schon lange so?“, wandte sich Mimi grinsend an Izzy, der nur gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Ich kann dir nicht mal mehr sagen, wie sie darauf gekommen sind.“

Mimi musste lachen, was auch Izzy ein zaghaftes Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Ach, bevor ich es vergesse…“, begann der Rothaarige und nippte an seinem Glas. „Nächste Woche kommt dieser neue Film ins Kino, den du unbedingt sehen wolltest. Da könnten wir zusammen hingehen.“

„Oh ja, sehr gerne.“, nickte Mimi zustimmend und lächelte ihn an, was Izzy’s Grinsen nur noch breiter werden ließ.

„Was, hab ich da richtig gehört? Ihr beide habt ein Date?“, mischte sich Sora plötzlich von der anderen Seite des Tisches ein und sagte es dabei auch noch so laut, dass alle anderen auf der Stelle in ihren Gesprächen verstummten und die Beiden fragend ansahen. Mimi stieg sofort die Röte ins Gesicht. Sie blinzelte ein paar mal und fragte sich, ob sie sich verhört hatte.

„SORA!“, sagte sie empört und sah ihre Freundin beschuldigend an, bevor ihr Blick für eine Sekunde zu Tai wanderte.

Sora sah sie entschuldigend an und zuckte mit den Schultern. Mimi wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Nämlich, dass sie das mit dem Kino eben aufgeschnappt und sofort falsch interpretiert hatte. Nach ihrem Grinsen zu urteilen schien sie ernsthaft zu glauben, dass Izzy ihr Date von neulich gewesen sein könnte.

„Äh Sora, wir haben kein Date.“, winkte das Computergenie sofort ab. „Wir wollen nur zusammen ins Kino, mehr nicht.“, versuchte Izzy die Situation zu retten, wofür Mimi ihm sehr dankbar war. Das konnte sie nun wirklich nicht auch noch gebrauchen… dass das Gerücht in die Welt gesetzt wurde, sie und Izzy hätten was miteinander.

Sora sah die Beiden verdutzt an, bevor sie anfing unsicher zu lachen.

„Na ja, da solltest du dich aber auf jeden Fall ran halten, wenn du was von Mimi willst. Sie trifft sich ja seit einiger Zeit ständig mit Jemandem.“, sagte die Rothaarige mehr im Scherze, als im Ernst und konnte dabei nicht ahnen, welche Lawine sie damit losgetreten hatte.

Doch Mimi sah das Unheil bereits auf sie zusteuern, als sie in die fragenden Gesichter der anderen blickte.

„Waaas? Und davon weiß ich nichts?“, meldete sich nun auch Meiko entsetzt zu Wort, die bisher ganz in ein Gespräch mit Takeru und Kari vertieft war.

Mimi erkannte aus dem Augenwinkel, dass Tai begann unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen und auch ihr war diese Situation mehr, als unangenehm.

Was sollte sie nur sagen?

Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als Joe das Wort ergriff.

„Ich kann mir schon denken, wer es ist.“, grinste er neckisch und fixierte Mimi mit einem verklärten Blick über seine Brille hinweg. Der Brünetten rutschte das Herz in die Hose.

„Was? Wer denn?“, wollte nun auch Matt wissen, der seinen Disput mit Joe anscheinend vergessen hatte. „Na… er hier!“, entgegnete Joe und wies mit einer beiläufigen Kopfbewegung auf seinen Sitznachbarn.

Alle Blicke richteten sich auf Tai, dem augenblicklich sämtliche Gesichtszüge entglitten waren.

„Oder warum habt ihr nach der Geburtstagsfeier miteinander rumgeknutscht?“
 


 

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Hi ihr Lieben :) Danke für die ganzen Favoriteneinträge, ich freue mich, dass anscheinend doch ein paar meine FF hier verfolgen ^^ Aber es wäre auch toll zu erfahren, was ihr von der Geschichte haltet. Also lasst gern mal ein Kommi da, wenn ihr Zeit habt ;)

Und ich hoffe, das Kapitel hat Lust auf mehr gemacht :P :D

Böses Blut

„Das kann ja wohl nicht wahr sein!“, fauchte Izzy und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass Mimi neben ihm zusammenzuckte und ihn erschrocken ansah.

Sora war der Mund aufgeklappt. Kari sah betreten zu Boden. Takerus Augen huschten immer wieder ungläubig von Tai zu Mimi und wieder zurück. Meiko hatte sich an ihrem Sekt verschluckt und hustete drauf los. Izzy sah erbost zu Tai, Mimi verwundert zu Izzy, Tai starrte Joe nieder, der wiederum nur vielsagend grinste.

Matt hatte es zunächst in eine Art Schockstarre versetzt, bevor er beherzt und unerwartet los prustete.

„Na du hast vielleicht Fantasien, Joe! Du warst doch sternhagelvoll an dem Abend! Als ob du noch wüsstest, wer mit wem geknutscht hat!“, lachte er lautstark und klopfte dabei immer wieder mit der Hand auf den Tisch.

Tai musterte seinen besten Freund irritiert und rang sich zu einem zaghaften Lachen durch. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so sehr gewünscht, dass der Boden sich auftat und ihn verschluckte.

„Na hör mal, ich weiß doch, was ich gesehen habe!“, protestierte Joe und gestikulierte wild mit den Händen.

Tai hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wie konnte er nur so dumm sein und Joe vergessen?

Er hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, was Joe mitbekommen hatte. Was vielleicht auch daran lag, dass er ihn an besagten Abend sowieso nicht mehr ernst genommen hatte. Denn Joe war, wie Matt schon sagte, sternhagelvoll gewesen und erzählte allerhand wirres Zeug, weswegen Tai niemals auf den Gedanken gekommen wäre, dass er sich tatsächlich noch an einige Details erinnern konnte.

Nur zu gern hätte er zu Mimi gesehen, um ihre Reaktion deuten zu können. Doch er traute sich nicht, auch nur im Geringsten in Izzy’s Richtung zu sehen, denn er spürte, dass sein Blick eh bereits an ihm haftete.

Bis auf Matt, der dass alles ziemlich amüsant zu finden schien, hatte es allen anderen die Sprache verschlagen. Und auch Tai wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.

„Was hast du denn gesehen?“, ergriff plötzlich Izzy das Wort und richtete es an Joe. Ein merkwürdiger Unterton schwang in seiner Stimme mit, den Tai nur zu gut zu deuten wusste.

Joe überlegte kurz und kratze sich am Kopf.

„Na ja, eigentlich gar nichts…“, begann er unsicher.

„Sag ich doch, du Spinner!“, lachte Matt erneut lautstark auf und klopfte Joe so hart auf die Schulter, dass er beinahe sein Glas umgeschmissen hätte.

Auch Sora schien sich wieder zu fangen und kicherte nun unsicher, während sie immer wieder von Mimi zu Tai sah. „Ja, also bitte! Ich wüsste ja wohl, wenn meine beste Freundin was mit meinem besten Freund hätte.“

Tai riskierte einen Blick zu Mimi, die ihn entgeistert ansah. Auch sie wusste nicht, wie sie sich verhalten, geschweige denn, was sie sagen sollte. Anscheinend hoffte sie darauf, dass er das Wort ergriff. Sein Blick schwang weiter zu Izzy, der ihn mit zusammengezogenen Augen fixierte.

Er musste etwas sagen! Nur was? Selten in seinem Leben hatte es ihm so die Sprache verschlagen. Er wollte nicht, dass Izzy so davon erfuhr. Etwas Schlimmeres hätte nicht passieren können.

„Moment mal, Leute…“, protestierte Joe und versuchte weiterhin alle von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen. „So betrunken war ich nun auch wieder nicht. Na ja, zumindest habe ich nicht einen kompletten Filmriss und ich bin mir ziemlich sicher, dass es Tai und Mimi waren.“, sagte er und sah überzeugend in die Runde.

„Lass gut sein, Kumpel.“, lachte Matt wieder und klopfte ihm erneut auf die Schulter, was dazu führte, dass Joe’s Glas diesmal wirklich überschwappte.

„Könntest du das mal lassen? Ich bin doch nicht komplett bescheuert!“, schnauzte er den Sänger an.

Mimi seufzte und stützte ihr Kinn auf ihrer Handfläche ab, während sie Matt und Joe beinahe schon gelangweilt beobachtete.

„Könnt ihr mal damit aufhören? Selbst wenn es so gewesen wäre, würde euch das nichts angehen.“, sagte sie mit müder Stimme. Tai sah sie überrascht an. Was tat sie denn da?

„Ha! Also gibst du es zu!“, rief Joe und zeigte beschuldigend mit dem Finger auf die Brünette.

„Ich gebe gar nichts zu! Ihr seid echt albern!“, erwiderte sie genervt, stand auf und ging raus auf den Balkon. Leicht zögernd stand Sora ebenfalls auf und ging ihr hinterher.

Tai sah ihr flehend nach. Na toll, jetzt verschwand sie auch noch nach draußen und er war Izzy’s bohrenden Blicken gnadenlos ausgeliefert.

„Ich geh mir mal noch ein Bier holen.“, sagte er kurzentschlossen und stand auf, um in die Küche zu gehen und sich am Kühlschrank zu bedienen. Er öffnete sich eine Flasche und nahm gleich mehrere Schlucke daraus, ohne ein mal abzusetzen. Seufzend drehte er sich um und wollte wieder zurück ins Wohnzimmer gehen, als Izzy plötzlich vor ihm stand und ihn eindringlich musterte. Tai zuckte leicht zusammen, als er den Blick seines Freundes sah, den er noch nicht richtig zu deuten wusste. Nervös umklammerte er seine Bierflasche und wartetet darauf, was als nächstes passieren würde.

Izzy holte tief Luft und Tai schien in dem Moment das Herz in die Hose zu rutschen. Nun gab es kein Zurück mehr.

„Stimmt das?“

Mehr fragte er nicht und mehr musste Tai auch gar nicht hören, um zu wissen, dass das Spiel für ihn aus war.

Er antwortete ihm nichts und sah nur betreten zu Boden, was für Izzy Antwort genug war.

Der Rothaarige ballte die Hände zu Fäusten und Tai war sich nicht sicher, ob Izzy drauf und dran war, ihm eine zu verpassen.

Er hätte etwas sagen sollen, doch er brachte einfach keinen Ton heraus. Zu sehr schämte er sich dafür, es Izzy nicht schon eher gesagt und ihn dieser peinlichen Situation ausgesetzt zu haben. Nicht im Ansatz wollte er sich ausmalen, wie sich Izzy gerade fühlen musste…

„Wie lange geht das schon?“

Tai sah ihn entschuldigend an, während Izzy’s Blick immer dringlicher und wütender wurde. Er wollte die Wahrheit wissen und er hatte sie verdient.

Der Student ließ die Schultern hängen und klammerte sich verzweifelt an die Hoffnung, dass Izzy es schon irgendwie verstehen und ihm verzeihen würde.

„Es ist nicht so, wie du denkst.“

„Ach nein? Wie ist es denn dann? Ich finde, die Sache ist ziemlich eindeutig! Du hast mich angelogen, Tai!“, schmetterte er ihm entgegen und Tai merkte, wie sein Freund immer mehr von Wut ergriffen wurde. Eine Wut, die Tai nur allzu gut verstehen konnte.

„Izzy, wollen wir nicht nach draußen gehen? Dann erklär ich es dir in Ruhe.“, schlug Tai ruhig vor, dem nicht entgangen war, dass die anderen sich bereits leicht nach ihnen umdrehten, da die Küche ein Stück vom Wohnzimmer aus einsehbar war.

„Da gibt’s nichts zu erklären!“, antwortete Izzy bissig, hatte jedoch seine Stimme gesenkt, da anscheinend auch er nicht wollte, dass ihre Freunde all zu viel mitbekamen.

„Izzy… bitte.“, bat ihn der Braunhaarige noch ein mal mit mehr Nachdruck. Er konnte das auf keinen Fall einfach so stehen lassen. Er musste das klären und Izzy irgendwie begreiflich machen, warum er so gehandelt hatte.

Izzy biss sich angestrengt auf die Lippe, nickte jedoch kurz darauf zustimmend. Unbemerkt von den anderen verließen die Beiden die Küche und gingen leise vor die Tür.
 

„Mimi? Was hast du eben gemeint mit: ‚wenn es so gewesen wäre‘?“, fragte Sora ihre beste Freundin unverblümt und sah sie eindringlich an. Mimi stützte sich auf dem Balkongeländer ab und stierte in die Nacht hinaus. Sie seufzte.

„Stimmt das, was Joe gesagt hat?“

Mimi biss sich auf die Lippen. Eigentlich wollte sie noch damit warten. Sie wollte nicht, dass irgendjemand etwas von ihr und Tai erfuhr, bis sie nicht selbst genau wusste, was das zwischen ihnen war. Doch Ausflüchte waren hier und jetzt fehl am Platz. Sora würde ihr sowieso kein Wort davon glauben, dafür kannte sie sie zu gut.

Mimi sah sie schulterzuckend an und nickte. Allerdings konnte sie nicht abschätzen, wie ihre Freundin darauf reagieren würde… Würde sie geschockt sein? Es ihr vielleicht sogar ausreden wollen? Mimi war sich immer sicher gewesen, dass Tai ein wichtiger Teil ihres Lebens war, sie waren schließlich seit kindesweinen an beste Freunde. Sie fragte sich, was Sora wohl davon halten würde, wenn sie als ihre beste Freundin, plötzlich in ihren besten Freund verliebt war.

Und genau das waren die Fragen, die Mimi sich eigentlich nicht stellen wollte. Genau deswegen hatte sie Sora noch nichts von sich und Tai erzählt. Egal, wie Sora’s Reaktion ausfallen würde, ob sie sie ermutigen oder es ihr ausreden würde – es würde ihr weiteres Handeln unwillkürlich beeinflussen.

Soras Lippen begannen sich zu einem Grinsen zu formen und Mimi blinzelte unsicher. Was hatte das zu bedeuten?

„Okay, damit hatte ich jetzt nicht unbedingt gerechnet, aber…“, begann sie und lehnte sich ebenfalls auf das Geländer, um in die Ferne zu blicken. „Ich freue mich für euch.“

Mimi schluckte kaum merklich. Was hatte sie da eben gesagt?

„Halt, moment mal Sora! Wir sind kein Paar, falls du das meinst?! Wir sind…“, versuchte die Brünette sich zu erklären, doch stockte mitten im Satz.

Was waren sie? Wenn sie kein Paar waren, was waren sie dann? Eine Affäre war es schließlich auch nicht, denn sie schliefen nicht miteinander. Und die Freunde-Schiene hatten sie längst verlassen.

„Wir nähern uns gerade erst an und… es ist alles noch sehr frisch.“

Sora nickte. „Verstehe.“

Mimi sah sie fragend an. Irgendwie hatte sie sich von ihrer Reaktion mehr erhofft.

„Hätte ich ja auch selbst drauf kommen können, so viel Zeit wie ihr in den letzten Wochen miteinander verbracht habt.“

„Und… was hältst du davon?“, fragte Mimi zögerlich nach. Zwar hatte sie Angst, dass sie die Antwort ihrer besten Freundin verunsichern würde, doch sie wollte einfach wissen, was sie darüber dachte. Schließlich kannte sie Tai schon etwas länger und besser, als sie. Vielleicht war es doch gar nicht so falsch, Sora nach ihrer Meinung zu fragen.

Die Rothaarige lächelte sie aufmunternd an. „Tai ist ein guter Kerl und ich bin mir sicher, dass er dir niemals weh tun würde. Auch, wenn er kein unbeschriebenes Blatt ist, was Frauen angeht. Aber das weißt du ja sicher selbst.“

Mimi schluckte. Und ob sie das wusste. Aber bis jetzt hatte sie es erfolgreich geschafft, dies zu verdrängen. Tai, der Frauenschwarm - für gewöhnlich ließ er nichts anbrennen. Doch nachdem Mimi ihn von einer anderen Seite kennen lernen durfte, hatte sie sich eigentlich keine Gedanken mehr darüber gemacht, ob sie nicht auch nur eine schnelle Nummer für ihn sein könnte. Der Zug war spätestens nach gestern Abend abgefahren und trotzdem hatte sich nichts zwischen ihnen geändert.

„Aber ich denke, wenn er nur das gewollt hätte, hätte er längst das Interesse verloren. Außerdem kenne ich Tai ziemlich gut. Wenn er es wirklich ernst meint, merkt man es ihm an.“, sagte Sora und bestätigte somit Mimi’s Gedanken. Sie war froh, dies von Sora zu hören.

„Weißt du Sora, i-ich denke, ich hab mich in ihn verliebt.“, gestand sie ihrer Freundin plötzlich und musste selbst erst mal realisieren, was ihr da grad über die Lippen gekommen war. Doch warum sollte sie es länger leugnen oder verheimlichen? Sie hatte sich in ihn verliebt und es fühlte sich gut an. Sie hatte zwar mit Tai die Abmachung getroffen, noch zu warten, bis sie es ihren Freunden erzählten, doch nun war die Katze dank Joe doch eh aus dem Sack. Auch, wenn Matt ihm anscheinend kein einziges Wort glaubte und sie sich nicht sicher war, ob es die Anderen nicht ebenfalls unglaubwürdig und lächerlich fanden, was Joe da erzählte. Sie errötete leicht, als Sora ihre Hand ergriff und sie voller Herzenswärme ansah.

„Du hast es verdient glücklich zu sein, Mimi. Und wenn ich sehe, wie du strahlst, wenn du von ihm sprichst, dann weiß ich, dass er dir gut tut. Und das ist alles, was zählt. Also mach dir keine Gedanken, was die Anderen davon halten werden.“, versuchte Sora sie zu beruhigen, als könnte sie ihre Gedanken lesen. Mimi nickte und atmete erleichtert aus. Es schien sich wirklich alles in die richtige Richtung zu entwickeln.
 

Unsicher sah Tai seinen Freund an, der seinem Blick weiterhin standhielt und darauf wartete, dass Tai das Wort ergriff. Sie hatten sich nach draußen verzogen, um den neugierigen Ohren ihrer Freunde zu entkommen, die sich allerdings anscheinend schon längst wieder mit etwas Anderem beschäftigten, denn aus der Wohnung war lautes Gelächter zu hören.

Tai hingegen stand wie angewurzelt da und wusste einfach nicht, wo er anfangen sollte. Wie konnte er es ihm nur erklären?

„Izzy, es tut mir wirklich leid, dass ich dich angelogen habe, aber…“, begann er sichtlich nervös und trat von einem Bein auf das andere. „Aber ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich wusste doch, dass dich das sehr verletzen würde.“

„Ach, und es verletzt mich weniger, wenn du mich erst anlügst und ich dann durch Zufall erfahre, dass doch was zwischen euch beiden läuft?“, antwortete Izzy barsch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Man Tai, ich habe dich gefragt, ob da was ist und du hast ‚nein‘ gesagt! Dabei hatte ich mich gedanklich schon damit abgefunden, dass sie sich in dich verliebt haben könnte und nicht in mich.“

Tai zuckte leicht zusammen, als seine Worte ihn trafen und ihm schmerzlich bewusst machten, dass es doch richtig gewesen wäre, ihm die Wahrheit zu sagen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Wieso war er nur so feige gewesen?

„Aber als du dann gesagt hast, ich würde mir das alles nur einbilden, hat das automatisch wieder Hoffnung in mir geweckt. Von wegen sie würde es mir sagen, wenn sie jemanden kennen gelernt hätte! Wie verlogen bist du eigentlich?“, sagte Izzy und redete sich dabei immer mehr in Rage.

Seine Worte trafen Tai ziemlich hart und er musste schlucken, als ihn plötzlich unerwartete Wut überkam. Auch Izzy hatte nicht fair gespielt und er sollte jetzt Derjenige sein, der an den Pranger gestellt wurde?

„Ich? Verlogen? Da verdrehst du wohl etwas die Tatsachen! Wer hat mich denn auf sie angesetzt, nur um an sie ran zu kommen und sich danach bei ihr einzuschleimen? Ist das nicht verlogen?“

Tai konnte nicht fassen, dass Izzy ihm jetzt so ein schlechtes Gewissen machte. Dafür hatte er schon selbst lang genug gesorgt und er konnte schließlich nichts dafür, dass er sich in Mimi verliebt hatte.

„Ich weiß ja, es war nicht richtig gewesen, dich deswegen anzulügen. Ich hätte es dir sagen müssen. Aber ich kann es nicht rückgängig machen und was passiert ist, ist eben passiert. Genauso, wie ich mich in Mimi verliebt habe. Oder meinst du, das war geplant?“

Izzy schnaubte verächtlich und ein gehässiges Grinsen umspielte plötzlich seine Lippen.

„Du hast dich in sie verliebt? Dass ich nicht lache!“

Tai’s Augen weiteten sich. Was nahm Izzy sich hier eigentlich heraus? Tai ballte seine Hände zu Fäusten und hatte Schwierigkeiten seine immer stärker werdende Wut zurück zu halten.

„Du kennst sie seit Jahren und ganz plötzlich hast du dich in sie verliebt, nur, weil ihr ein paar gemeinsame Stunden zusammen verbracht habt? Merkst du nicht, wie lächerlich das ist?“, lachte Izzy höhnisch auf, während Tai einen Schritt auf ihn zu machte und ihn bedrohlich fixierte.

„Pass auf, was du sagst!“

„Was denn? Willst du mir drohen?“, forderte Izzy ihn förmlich heraus und dachte nicht daran aufzuhören.

„Sag mal, weiß sie eigentlich davon?“

Tai zuckte unmerklich zusammen. „Wovon?“, fragte er zähneknirschend, obwohl er die Antwort schon kannte.

„Na von unserer kleinen Abmachung? Dass du sie für mich klar machst und ich sie nur noch an Land ziehen muss.“

Tai konnte nicht fassen, wie gehässig und selbstgefällig Izzy plötzlich wurde. So kannte er ihn gar nicht und auf eine gewisse Art und Weise machte es ihm ein bisschen Angst. Izzy’s Blick ließ darauf schließen, dass das Computergenie bereit war, alle Register zu ziehen.

„So war das überhaupt nicht und das weißt du!“, verteidigte sich Tai und musste an sich halten, ihm keine zu verpassen.

„Aber sie weiß es nicht.“, grinste Izzy und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Hätte Tai nicht gewusst, dass gerade wirklich Izzy vor ihm stand, hätte er nicht geglaubt, was er da hörte und sah. Es schien, als würde Izzy gerade in diesem Moment eine Wesensveränderung durchmachen und Tai war der Erste, der es abbekam. Wohlverdient – wie er sich eingestehen musste. Was hatte er auch erwartet? Dass er es verstehen und ihnen seinen Segen geben würde?

Das krasse Gegenteil war der Fall, wie Tai schwermütig erkennen musste.

„Wenn du dich angeblich in sie verliebt hast, solltest du ihr lieber davon erzählen, dass eure bisherigen Treffen auf einer Lüge aufgebaut haben.“, sagte Izzy tonlos und zog eine Augenbraue hoch. Er fixierte Tai mit seinem Blick, so dass dieser genau wusste, was jetzt kommen würde…

„Wäre doch schade, wenn sie es irgendwann durch einen blöden Zufall herausfinden und dich dann abschießen würde.“

Neue Hoffnung

Tai stockte der Atem bei dieser unausgesprochenen Drohung und er fühlte sich plötzlich wie ohnmächtig, bei dem Gedanken daran, dass Izzy ihr alles sagen könnte. Noch vor ihm!

Izzy setzte sich in Bewegung und ließ ihn geschockt stehen. Allerdings ging er nicht wieder zurück auf die Party, sondern verließ ohne ein weiteres Wort den Wohnblock.

Tai stand wie angewurzelt da und konnte sich nicht rühren. Er hatte seine Hände immer noch zu Fäusten geballt und seine Lippen fest aufeinandergepresst. Er konnte einfach nicht fassen, dass Izzy ihm drohte, Mimi alles zu sagen. Das würde er nicht fertig bringen… oder doch? Tai war sich nicht mehr sicher, was in seinen Freund vorging. Wenn er überhaupt noch sein Freund war…

Die einzige Sache, die er sich sicher sein konnte war, dass Izzy ihn in die Enge getrieben hatte. Nun hatte er im Prinzip keine andere Möglichkeit mehr, als Mimi alles zu erzählen. Und Tai war sich auch ziemlich sicher, dass Izzy es genießen würde, wenn Mimi ihm den Laufpass geben würde. Das konnte er an seinem selbstgefälligen Blick erkennen.

Wie konnte er es nur wagen, seine Gefühle für Mimi in Frage zu stellen und sich darüber lustig zu machen? Was wusste er schon? Er war schließlich nie dabei gewesen und es war Tai, der all diese wundervollen Momente mit Mimi teilte und nicht Izzy.

Die Tür zu Matt’s Wohnung öffnete sich und sein bester Freund lugte vorsichtig hinter ihr hervor.

„Alles klar bei euch?“, fragte er neugierig, bevor er bemerkte, dass Izzy nicht mehr da war.

„Wo ist denn Izzy?“

„Gegangen.“, brachte Tai lediglich über die Lippen, die Zähne immer noch fest aneinandergepresst. Matt öffnete die Tür noch ein Stück weiter und trat zu ihm hinaus, nur um sie von außen wieder zu verschließen.

„Was war denn los?“, fragte er nach und legte einen besorgten Blick auf.

„Ich bin der größte Idiot der Welt, das ist los. Ach ja und Izzy ist ein Arsch!“, antwortete Tai gereizt und wandte sich von Matt ab.

Der Sänger schwieg einige Sekunden lang, ehe er sich eine Zigarette anzündete und sich lässig gegen die Hauswand lehnte.

„Willst du darüber reden?“, fragte er ihn trocken und legte den Kopf schief.

Tai überlegte. Eigentlich war es völlig egal, ob er Matt davon erzählte oder nicht. Es spielte sowieso keine Rolle mehr. Es würde eh bald alles rauskommen. Und Mimi würde ihn verachten.

Er stöhnte und ließ sich neben Matt an der Hauswand sinken. Er zog die Knie an und legte seine Arme darauf, während er ins Leere starrte.

„Ich hab mich in Mimi verliebt.“, gestand er ihm, ohne großartig darüber nachzudenken und wartete auf eine Reaktion seines Freundes, die wiedererwartend ausblieb. Stattdessen zog Matt weiter genüsslich an seiner Zigarette, bevor er nach einigen Sekunden zu Tai hinabblickte. „Ich weiß.“

Tai sah ihn mit großen Augen an. Hatte er sich eben verhört? Matt bemerkte seinen fragenden Blick und grinste.

„Man Tai, wie lange kennen wir uns schon? Meinst du etwa, ich kriege nicht mit, wenn mein bester Freund sich verknallt? Zumal das bei dir bis jetzt noch nicht so häufig vorgekommen ist.“

Tai schüttelte verständnislos den Kopf. „Wieso hast du nichts gesagt?“

„Ich dachte, du würdest es mir schon noch von selbst sagen, wenn du bereit dazu wärst.“

„Und wieso hast du dich vorhin so darüber lustig gemacht, als Joe das von Mimi und mir erzählt hat?“

Matt zuckte mit den Schultern und lächelte verschmitzt. „Ich wollte einfach nicht, dass er dich so bloßstellt. Ich finde, jeder sollte selbst entscheiden dürfen, wann er über seine Gefühle spricht und nicht dazu gezwungen sein, weil andere das gerade von ihm erwarten.“

Tai blieb förmlich die Spucke weg und er sah seinen Freund irritiert an.

Diese Eigenschaft hatte er stets an Matt bewundert. Und genau deswegen war er auch immer schon sein bester Freund! Er bedrängte ihn nicht und war doch immer genau dann da, wenn er ihn brauchte. Auf andere musste Matt sicherlich oft abgeklärt oder gleichgültig wirken, da er sich generell nicht in die Angelegenheiten anderer einmischte, sondern alle einfach immer machen ließ, was sie selbst für richtig hielten. Doch Tai kannte ihn besser. Matt machte sich insgeheim mehr Gedanken über seine Freunde, als er nach außen hin zugeben würde.

Harte Schale, weicher Kern, konnte man auch sagen.

„Danke.“, brachte Tai lediglich über die Lippen und Matt verstand.

„Gern gescheh’n. Aber eins musst du mir noch erklären: was hat Izzy damit zu tun? Er hat vorhin ziemlich komisch reagiert und ihr seid direkt vor die Tür gegangen…“

Tai ließ den Kopf sinken und starrte frustriert zu Boden.

„Izzy ist auch in Mimi verliebt.“, begann er kleinlaut und merkte, wie sein Freund interessiert aufsah, als er ein letztes Mal an seiner Zigarette zog und sie danach austrat.
 

Tai erzählte ihm einfach alles. Alles, was in den letzten Wochen zwischen ihm und Izzy vorgefallen war. Wie er Izzy anfangs nur dabei helfen wollte, sich wieder mit Mimi zu versöhnen und wie dann plötzlich alles außer Kontrolle geriet, weil er sich völlig unbedacht auf Izzy’s bescheuerten Plan eingelassen hatte. Wie er Mimi manipuliert und ausgehorcht hatte und ihr dabei ungewollt immer näher gekommen war.

Matt hatte sich alles stillschweigend angehört, ab und zu verständnisvoll genickt, doch sonst weiter nichts dazu gesagt.

Als Tai zu Ende erzählt hatte, stand er auf und blickte seinen Freund erwartungsvoll an. Er hoffte inständig, dass Matt ihm irgendeinen Tipp geben konnte, wie er aus der Nummer wieder rauskam. Doch dieser fuhr sich nur angestrengt durch die Haare und atmete schwerfällig aus.

„Man, da habt ihr euch ja ‘ne ganz schöne Suppe eingebrockt. Was willst du nun tun?“

Tai zuckte mit den Schultern und vergrub die Hände in den Hosentaschen.

„Ich hatte gehofft, du sagst es mir.“

Matt dachte nach.

„Ich würde als erstes noch mal versuchen mit Izzy zu reden. Wäre ja schon ziemlich unfair von ihm, dir jetzt so vor den Karren zu scheißen, nachdem, was er alles mit dir abgezogen hat.“

„Ich glaube, das interessiert ihn gerade kein Stück, ob es unfair ist oder nicht. Er ist einfach gekränkt.“, erwiderte Tai geknickt. Hilfesuchend wandte er sich seinem Freund zu, dessen Blick ihm auch nicht mehr verriet, als das, was er schon wusste. Er hatte scheiße gebaut und das so richtig!

„Mensch Jungs, was macht ihr denn da draußen? Die anderen fragen sich schon, wo ihr bleibt.“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen, die sie kurz zusammen zucken ließ.

Sie drehten sich zeitgleich um und erkannten, dass Sora in der Tür stand und sie erwartungsvoll musterte. „Was ist? Kommt wieder rein, es ist doch kalt hier draußen!“, forderte sie die Beiden auf, bevor sie sich suchend umsah. „Nanu, wo ist denn Izzy? Ich dachte, er wäre mit euch zusammen raus gegangen.“

Tai warf Matt einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu, den Matt zum Glück sofort zu deuten wusste.

„Dem ging’s irgendwie nicht gut, da ist er nach Hause gegangen.“, zuckte er gleichgültig mit den Schultern und wies Tai mit einem Blick an, ihm wieder nach drinnen zu folgen.

Er war froh, dass er sich wenigstens noch auf Matt verlassen konnte und dass dieser die Füße still hielt, bis Tai die Sache mit Mimi und Izzy geklärt hatte. Vielleicht hatte er recht und er sollte als erstes noch mal mit Izzy reden, bevor er das Gespräch mit Mimi suchte – welches vermutlich alles verändern würde…
 

Gemütlich schlenderten sie Händchenhaltend durch die Straßen, während Mimi von ihren bevorstehenden Prüfungen erzählte und wie nervös sie doch deswegen sei. Tai hatte sich angeboten, sie noch nach Hause zu bringen. Angestrengt versuchte er ihr zuzuhören und wenigstens ab und zu etwas zu erwidern. Seine Gedanken kreisten jedoch nur um Izzy und darum, was er gesagt hatte.

„Und dann hat diese blöde Kuh auch noch gesagt, dass wir das alles für die Prüfung lernen sollen. Das alles! Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet? Das heißt, ich muss die nächsten Wochen einfach nur noch lernen, lernen, lernen und…“, erzählte Mimi hektisch und gestikulierte aufgebracht mit den Händen in der Luft.

„Mimi, warte mal.“, bat Tai sie und blieb abrupt stehen. Die Brünette stoppte irritiert in ihren Erzählungen und blieb ebenfalls stehen. Sie legte den Kopf schief und sah ihn fragend an. „Was ist denn?“

„Mimi, weißt du…“, begann Tai zögerlich und griff ihre Hand. Mimi blickte ihn mit großen, fragenden Augen an, während sie leicht rot wurde.

„Die Sache mit dir ist mir wirklich sehr ernst und i-ich…“

Tai wurde nervös und seine Hände begannen zu schwitzen.

Was, wenn sie es nicht verstehen würde?

Er schluckte den Kloß in seinem Hals runter, als Mimi ihn liebevoll ansah und ihm sanft über die Wange strich. „Was ist denn los? Du bist ja plötzlich so nervös!“

Tai erstarrte leicht unter ihrer Berührung und sein Herz fing unwillkürlich an zu klopfen. Woher hatte sie nur diese entwaffnende Art, die ihn jedes Mal völlig sprachlos machte?

Er würde ihr so gerne alles sagen, endlich sein Herz erleichtern und sein Gewissen bereinigen. Doch dann würde sich wahrscheinlich alles verändern und er war noch nicht bereit dafür. Er wollte sie nicht loslassen.

Völlig überwältigt von seinen Gefühlen zog er sie in seine Arme und drückte sie fest an sich.

„Tai…“, flüsterte Mimi und war sichtlich überfordert mit seinem plötzlichen Gefühlsausbruch.

Tai vergrub sein Gesicht in ihrem offenen Haar und atmete ihren Duft tief ein, während er nicht daran dachte, sie je wieder los zu lassen.

„Mimi, versprich mir, dass ich dich nicht verlieren werde!“

Mimi zuckte kurz unmerklich zusammen, verfestigte danach jedoch ihren Griff um ihn und drückte ihre Wange gegen seine Brust.

„Wirst du nicht, versprochen!“, sagte sie liebevoll und nahm somit Tai ein Stück seiner Angst. Noch eine ganze Weile standen sie so da, ohne, dass einer von beiden etwas sagte.

Tai entschied sich an diesem Abend dazu, ihr noch nichts zu sagen. Er fühlte sich wie gefesselt, außer Stande, diesen wundervollen Moment zu zerstören. Er brachte es einfach nicht fertig…
 


 

Izzy war von Zweifeln geplagt. Die ganze Nacht hatte er kein Auge zugemacht und darüber nachgedacht, was gestern zwischen ihm und Tai passiert war.

Noch immer hatte er Probleme das Ganze zu realisieren. Das alles kam ihm wie ein schlechter Traum vor und auch die Worte, die aus seinem Mund kamen, fühlten sich nicht echt an.

War es richtig gewesen, Tai gestern so in die Enge zu treiben und ihm derart zu drohen?

War er wirklich in der Lage Mimi alles offen zu legen?

Er wusste es selbst nicht. Doch in dem Moment, als die Diskussion zu eskalieren drohte, überfuhr ihn eine derartige Welle aufschäumender Wut, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle und seinem Freund diese Sachen an den Kopf geknallt hatte.

Zunächst wich der Wut Genugtuung. Genugtuung darüber, dass er ihn voll in der Hand hatte.

Doch nüchtern betrachtet und nachdem er sich die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrochen hatte, wäre es doch eher eine Verzweiflungstat, die ihm mehr schaden, als helfen würde.

Izzy war generell eher der rational denkende Typ. Doch was gestern Abend in ihn gefahren war, konnte er nicht beschreiben.

Es war nicht nur Wut. Es war Enttäuschung, das Gefühl hintergangen worden zu sein und am meisten daran verletzte ihn, dass es Tai war, der daran schuld war. Nie im Leben hätte er sich ausgemalt, dass sich das Blatt ein mal so für ihn wenden würde. Er sah seine Fälle davon schwimmen und wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.

Er liebte sie doch genauso, wie er. Und das schon lange vorher.

Nein, er war sich sogar sicher, dass er viel mehr Gefühle für sie empfand, als es Tai je tun würde. Für ihn waren Frauen doch nur Zeitvertreib und das Letzte, was er sich vorstellen konnte war, dass Tai ernsthaftes Interesse an der gemeinsamen Freundin hatte.

Izzy fuhr sich nervös durch die zerzausten Haare.

Sie hatte ihm heute Morgen geschrieben. Ob alles in Ordnung sei und dass sie sich gewundert hatte, dass er so schnell verschwunden war.

Er hatte ihr lediglich kurz geantwortet, dass alles bestens wäre und sie sich keine Sorgen machen müsse.

Doch das war natürlich gelogen. Von ‚bestens‘ war er weit entfernt.
 

Es fiel ihm die nächsten Tage schwer sich auf die Schule und die anstehenden Prüfungen zu konzentrieren. All seine Gedanken kreisten darum, wie es nun weiter gehen sollte…

Konnte er Tai verzeihen? Wie sollte er Mimi gegenübertreten? Und was würde das Ganze für ihre Freundschaft bedeuten?

Er hatte sich die letzten Tage soweit es möglich war von Mimi ferngehalten. Er fühlte sich einfach nicht bereit, ihr gegenüber zu treten. Einmal schwänzte er sogar absichtlich den Unterricht, weil sie in dieser Stunde eine Kleingruppenarbeit durchführen sollten und wie immer Mimi seine Partnerin war.

Er schämte sich dafür, dass er sie hängen ließ, doch er konnte und wollte einfach nicht der Situation ausgesetzt sein, mit ihr allein sein zu müssen.

Völlig in Gedanken versunken verließ er das Schulgebäude und wollte sich gerade auf den Weg in sein Büro machen, als eine Stimme ihn hochschrecken ließ.

„Izzy! Wo warst du denn die ganze Zeit?“

Überrascht drehte er sich um und erkannte Mimi, die direkt auf ihn zukam.

Izzy hatte nicht damit gerechnet, sie jetzt noch in der Schule anzutreffen. Eigentlich sollte ihr Kurs lange vor seinem zu Ende sein.

„Mimi, was machst du denn noch hier?“, fragte er lustlos und hegte eigentlich keine Ambitionen sich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Er wollte einfach nur noch weg und für sich sein.

„Wir haben überzogen, weil wir noch was Wichtiges für die Prüfung klären mussten.“, erklärte sie knapp, bevor sie ihn besorgt ansah.

„Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, weil du neulich nicht zum Unterricht erschienen bist. Und durch unsere verschiedenen Kurse sehen wir uns kaum noch...“

Izzy seufzte leise auf und versuchte ihrem sorgenvollen Blick auszuweichen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ihr Mitleid.

„Nein, mir geht’s gut.“, winkte er ab und wollte sich von ihr abwenden. „Ich muss dann auch mal. Hab noch was zu erledigen.“

„Warte doch mal, Izzy.“, versuchte die Brünette ihn aufzuhalten und ging ihm hinterher.

„Was ist denn eigentlich mit unserem Kinoabend? Wir wollten doch diese Woche hingehen.“

Izzy blieb abrupt stehen und sah sie irritiert an.

Das hatte er völlig vergessen. Da er sich seit Tagen nur noch im Selbstmitleid suhlte und nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, war ihm glatt entfallen, dass er sich ja eigentlich mit Mimi verabredet hatte.

Erneut keimte unerwartet Hoffnung in ihm auf und ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen.

„Also, wenn du morgen noch nichts vor hast... Ich hätte Zeit!“, grinste er sie erwartungsvoll an und sein Herz machte einen Sprung, als er ihr zustimmendes Lächeln sah.

„Geht klar! Um acht bei dir?“

„Gut, dann um acht bei mir. Bis morgen.“, nickte Izzy und verabschiedete sich von ihr, während seine Laune immer besser zu werden schien.

„Ich freu mich!“, rief sie ihm noch hinterher, was das Kribbeln in seinem Bauch, dass er schon lang vergessen hatte, nur noch stärker werden ließ.

Er konnte gar nicht fassen, wie schnell sich das Blatt doch wieder wenden konnte.

War sie wirklich ernsthaft an Tai interessiert, wenn sie doch morgen ganz offensichtlich miteinander verabredet waren?

Schließlich war sie es, die ihn daran erinnert hatte. Das musste doch etwas bedeuten…

Gelegenheit macht Diebe

Aufgeregt ging er in seiner Wohnung auf und ab und wartete darauf, dass sie endlich kam. Er war schon viel zu früh fertig gewesen und schaute nun immer wieder unruhig zur Uhr. Ob sie Tai davon erzählt hatte, dass sie sich heute mit ihm treffen würde? Und wenn ja, wie würde er wohl darauf reagieren?

Bevor sich Izzy weiter Gedanken darüber machen konnte, klingelte es an der Tür. Auch Mimi war ein paar Minuten zu früh.

Entschuldigend lächelte sie ihn an, als er ihr öffnete. „Sorry, ich weiß, ich bin etwas zu früh.“

„Macht doch nichts.“, antwortete Izzy lachend und musterte sie von oben bis unten.

Sie sah wie immer umwerfend aus! Sie hatte eine schwarze Hose an und hohe Schuhe, die ihre Beine toll zur Geltung brachten. Außerdem trug sie eine weiße Bluse und eine knappe Jeansjacke, während ihr Haar locker über die Schulter fiel.

Izzy wurde sichtlich nervös bei ihrem Anblick, also versuchte er es zu verbergen, indem er sich wegdrehte und nach seiner Jacke griff. „Von mir aus können wir gleich los.“

„Sehr schön!“, antwortete Mimi und wartete darauf, dass er raustrat und hinter sich abschloss, bevor sie gemeinsam das Gebäude verließen.

„Und, wie weit bist du mit deinen Prüfungsvorbereitungen?“, eröffnete Izzy das Gespräch und sah sie von der Seite her an.

Mimi kicherte und zuckte mit den Schultern. „Nicht weiter, als letzte Woche, aber irgendwie werd ich es schon schaffen.“

„Oh man, ich wünschte, ich könnte das ein mal so locker nehmen, wie du!“, sagte Izzy bewundernd, was Mimi auflachen ließ. „Na ja, dafür wirst du definitiv die bessere Prüfung schreiben und im Nachhinein werde ich mir wahrscheinlich wünschen, ich hätte es so ernst genommen, wie du!“

„Ach Quatsch Mimi, du wirst ne super Prüfung hinlegen, da bin ich mir sicher.“, ermutigte der Rothaarige sie und lächelte sie aufmunternd an.

„Na, wenn du das sagst…“, grinste Mimi und legte den Kopf schief.

„Sag mal Izzy, was ist eigentlich mit der Katze? Du wolltest doch ein Haustier?“, fragte sie und sah ihn interessiert an.

Izzy grinste schief. „Ich weiß nicht, vielleicht bin ich doch eher der Goldfisch Typ. Die brauchen nicht so viel Aufmerksamkeit.“, versuchte er sie zu necken.

Mimi verzog das Gesicht und legte einen bedeutungsvollen Blick auf. „Ach komm schon, Izzy! Alle anderen habe ich schon an Nachbarn und Schuldfreunde versprochen. Soll ich die eine etwa auf der Straße aussetzen? Sie würde wahrscheinlich verhungern!“, sagte sie verheißungsvoll und hob beschwörend den Zeigefinger.

Izzy lachte auf und sah in ihr erwartungsvolles Gesicht. Wieso konnte er diesem Mädchen einfach nie etwas abschlagen?

„Okay, überredet.“, sagte er beiläufig und zuckte mit den Schultern.

Mimi’s Augen begannen zu strahlen.

„Sehr schön! Da wir das geklärt hätten… kommst du am Sonntag zu Tai’s Fußballspiel?“
 

Tai.
 

Wieso fing sie jetzt mit Tai an? Sie waren nicht mal fünf Minuten unterwegs und schon sprach sie von Tai. Jetzt drängte er sich schon zwischen sie, ohne, dass er überhaupt anwesend war.

„Weiß nicht, er hat mich nicht gefragt.“, entgegnete Izzy gekonnt lässig und zuckte mit den Schultern. Seine aufkeimende Wut wollte er sich ihr gegenüber nicht anmerken lassen.

„Er würde sich sicher freuen, wenn du kommst.“

Das bezweifelte Izzy doch stark!

„Außerdem habt ihr euch beide so merkwürdig neulich verhalten…“, lenkte sie das Thema plötzlich um und Izzy zog eine Augenbraue nach oben. „Was meinst du?“

„Na ja, neulich bei Matt… Du warst ziemlich aufgebracht, als Joe von dem…“

„Ich weiß, was du meinst.“, unterbrach er sie etwas zu schroff mitten im Satz, denn er wollte es nicht hören. Nicht von ihr.

Mimi schwieg und sah ihn nur irritiert an.

Oh nein, da war er wohl übers Ziel hinausgeschossen. Er musste etwas sagen…

„Tut mir leid, das sollte nicht so ernst klingen.“, entschuldigte er sich verlegen lächelnd und kratze sich am Hinterkopf. „Es ist alles gut und ich komme gerne am Sonntag zu Tai’s Spiel.“

Noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte, bereute er ihn auch schon.

Er hätte sich ohrfeigen können. Wie kam er bloß darauf, ihr zuzusichern zu kommen?

Eigentlich hätte er ihr die Wahrheit sagen sollen, anstatt sich einladen zu lassen, einen gemeinsamen Nachmittag mit den Beiden zu verbringen. Das war doch lächerlich!

Was Mimi natürlich nicht wusste und sich daher sichtlich über Izzy’s Zusage freute.

„Super! Die Anderen kommen auch, dann können wir ihn zusammen anfeuern.“, strahlte Mimi über beide Ohren und klatschte begeistert in die Hände.

Izzy beäugte die Brünette kritisch. Sie wirkte ja völlig euphorisch bei dem Gedanken daran, dass sie alle Tai Jubelrufe zu grölten. Ihm hingegen schauderte einfach nur bei der Vorstellung. Das war wirklich das Letzte, worauf er Lust hatte… seinen Rivalen auch noch anfeuern! Als hätte Tai nicht schon genug gewonnen!
 

Der Film zog sich Izzy’s Meinung nach ungewöhnlich lang hin und er rutschte entnervt seinen Sitz hinunter, als endlich der Abspann lief. Sie hatten sich eine neue Komödie angesehen, die gerade erst angelaufen war und während Mimi immer wieder mit der Menge los prustete und dabei das halbe Popcorn auf ihrem Schoß verteilte, musste sich Izzy zwingen, sich wenigstens ab und zu ein Lächeln abzuringen.

An einen entspannten Kinoabend war für ihn nun wirklich nicht mehr zu denken!

Seine Gedanken waren erfüllt von Enttäuschung und Argwohn. Wieso hatte er sich schon wieder so tief reingeritten? Vielleicht würde er sich einfach eine Ausrede einfallen lassen und nicht zu dem Fußballspiel gehen.

Allerdings…

Wenn er das tat, hatte Tai so gut wie gewonnen und Izzy signalisierte ihm quasi somit, dass er ihm freiwillig das Feld überließ.

Auf keinen Fall – schoss es ihm durch den Kopf, als Mimi sich erhob und ihn auffordernd ansah. „Bist du da festgewachsen? Der Film ist zu Ende.“, lachte sie, während die anderen Gäste schon von hinten drängelten und an ihr vorbei wollten.

„Oh äh, ach ja.“, gab Izzy überrascht zurück und stand auf. Ziemlich zügig verließen sie das Kino und Izzy ärgerte sich plötzlich doch darüber, dass der Film schon vorbei war und dass er seine Chancen nicht genutzt hatte.

Den ganzen Film über hatte er gegrummelt und nicht einen Versuch gestartet, Mimi näher zu kommen.

Wie dumm von ihm…! Wer weiß, wann er das nächste Mal so eine Gelegenheit bekam.

Er wollte den Abend noch nicht enden lassen. Nicht, ohne noch ein wenig Zeit mit ihr verbracht zu haben.

„Möchtest du noch ein bisschen spazieren gehen?“, fragte er sie kurzentschlossen und sah sie hoffnungsvoll an. Mimi lächelte und nickte zustimmend. „Klar, gerne!“

Sie gingen vom Kino aus an einigen Geschäften und Bars vorbei und da es Freitagabend war, herrschte reges Treiben auf den Straßen.

„Wie hat dir der Film gefallen?“, fragte Mimi interessiert und sah sich nebenbei ein paar Schaufenster an. Izzy verdrehte die Augen und überlegte angestrengt.

Worum ging es in dem Film gleich noch mal?

„Äh…“, brachte er nur hervor und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Mimi sah ihn amüsiert an und fing an zu lachen. „Du weißt nicht mal, wie der Film heißt oder?“

Izzy grinste verlegen und sah sie entschuldigend an. Mimi prustete los und hielt sich den Bauch vor lachen. „Na du hast vielleicht Nerven! Gehst mit einem Mädchen ins Kino und weißt nicht mal, welchen Film du dir angesehen hast.“

Ihr stiegen die Tränen in die Augen, als sie stehen blieb und Izzy mitfühlend eine Hand auf die Schulter legte. „Wenn du mal ein richtiges Date hast, darf dir das aber nicht passieren.“

Izzy lachte auf und sah sie erwartungsvoll an. Wie sehr er sich wünschte, dass das ein ‚richtiges Date‘ wäre…

„Aber du hast Glück – ich verzeihe dir! Allerdings musst du das auf jeden Fall wieder gut machen!“, grinste die Brünette ihn herausfordernd an.

Izzy wollte gerade etwas erwidern, als unmittelbar neben ihnen Musik ertönte.

Überrascht sah er zur Seite und erkannte ein paar Straßenmusiker, die gerade ein Lied aus den 80’ern anstimmten. Er glaubte, der Titel des Liedes war „Come on Eileen“, aber sicher war er sich nicht, da er nicht der große Musikkenner war.

„Ja und ich weiß auch schon, wie ich das wieder gut mache!“, grinste er seine Freundin an, packte sie bei der Hand und zog sie mit sich.

„Izzy, was hast du denn vor?“, lachte Mimi, die gar nicht wusste, wie ihr geschah, als Izzy direkt vor den Straßenmusikern stehen blieb. Er griff auch noch nach ihrer anderen Hand und zog sie zu sich heran, nur um sie dann wieder wegzudrücken und sich mit ihr im Kreis zu bewegen.

Mimi lachte auf, als sie begriff, dass er mit ihr tanzen wollte. Das letzte Mal, dass sie zusammen getanzt hatten, war zu Mimi’s Geburtstagsfeier gewesen und auch da schon hatte sich Izzy leicht tollpatschig angestellt.

Sein Tanzstil war seitdem nicht besser geworden, doch dank der lockeren Musik fiel es Mimi nicht sehr schwer, sich auf seine Schritte einzulassen. Er drehte sie einige Male unter seinen Arm hindurch, tanzte mit ihr klassisch ein paar Mal im Kreis und grinste, als er sah, wie viel Spaß Mimi hatte. Ausgelassen wirbelten sie umher und sogar einige Passanten blieben stehen, um die Beiden zu beobachten, doch das war Izzy egal. Er ließ sich ganz von seinen Gefühlen treiben und Mimi so fröhlich zu sehen, war alles, was jetzt zählte.

Die Musik wurde immer schneller und er drehte sich noch einmal mit ihr im Arm umher, bis sie schließlich langsam ausklang und die beiden zum Stehen kommen mussten.

Lachend ließ sich Mimi in seine Arme fallen, während die stehengebliebenen Menschen um sie herum pfiffen und klatschten.

„Izzy, du bist völlig verrückt!“, rang Mimi nach Luft. Ihre Haare waren leicht zerzaust und sie sah ihn breit lächelnd an… mit ihren großen, wunderschönen Augen.

Ehe Izzy realisierte, was geschah und ehe er eine Gelegenheit hatte darüber nachzudenken, beugte er sich zu ihr hinunter und legte seine Lippen auf ihre.
 


 

„Na Baby, wie war dein Tag?“, grinste Tai verschmitzt, als er lässig an ihrem Türrahmen lehnte. „Nicht besser, als gestern.“, lachte Mimi auf und trat zur Seite, damit er reinkommen konnte. „Wird das jetzt zur Gewohnheit mit dem ‚Baby‘?“

„Ja, bis ich dich endlich rumgekriegt habe.“, grinste Tai und hauchte ihr einen intensiven Kuss auf die Lippen.

„Hast du das nicht schon längst?“, fragte Mimi schmunzelnd, als sie sich wieder voneinander lösten. Sie wusste nicht wieso, aber Tai brachte sie jedes Mal völlig durcheinander, wenn er ihr so nah war. Kein Gefühl konnte momentan schöner für sie sein. In seiner Nähe fühlte sie sich einfach unheimlich wohl.

Sie blickte in seine warmen Augen und war einfach unglaublich glücklich darüber, ihn bei sich zu wissen. Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich ins Wohnzimmer.

„Gott, was ist denn hier passiert?“, fragte Tai leicht geschockt, als er die etlichen Bücher und Zettel sah, die quer über den gesamten Tisch und der Couch und sogar auf den Boden verteilt waren. „Ist Joe bei dir eingezogen und ich weiß nichts davon?“

„Ha ha, sehr witzig! Falls du es vergessen hast, in 4 Wochen stehen die Prüfungen an und ich habe mir vorgenommen sie auch zu bestehen.“, grinste sie ihn vielsagend an und räumte ein paar Bücher und Zettel von der Couch damit sie sich setzen konnten.

„Schade, ich dachte eigentlich, wir machen uns einen gemütlichen Abend.“, grinste Tai frech, so dass er sich von Mimi einen vorwurfsvollen Blick und einen leichten Klaps auf den Arm einfing. „Und ich dachte immer, du möchtest eine intelligente Freundin, die ihre Prüfungen auch besteht. Aber wenn es dir lieber ist, lass ich das Lernen sein und widme mich ganz deinem Vergnügen.“, neckte sie ihn und sah ihn bedeutungsvoll an. Tai beugte sich zu ihr rüber und zog eine Augenbraue nach oben. „Klingt schön, wie du dich meine ‚Freundin‘ nennst.“, grinste er verschmitzt.

Mimi lief augenblicklich rot an.

Und schon wieder brachte er sie völlig aus der Fassung.

Verlegen wich sie seinem Blick aus und traute sich beinahe gar nicht, die Frage zu stellen, die ihr schon so lang auf der Zunge brannte.

„Bin ich das denn? I-ich meine, deine Freundin?“, sagte sie kleinlaut, während sie all ihren Mut zusammennahm und ihm tief in seine braunen Augen sah, die sie zu fixieren schienen. Ein schiefes Lächeln umspielte seine Lippen und er nahm ihr Gesicht in seine Hände, als er ihre Lippen mit seinen versiegelte.

Es folgte ein intensiver und langer Kuss, der Mimi’s Herz höher schlagen ließ und ihr Blut in Wallung brachte. Nicht zum ersten Mal meldete sich ihre Libido und ein unaufhaltsames Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus.

„Reicht dir das als Antwort?“, flüsterte er, als sie sich schwerfällig wieder voneinander lösten.

Mimi nickte zufrieden, denn zu mehr war sie momentan nicht im Stande. Zu sehr war sie von dem Gefühl abgelenkt, welches sich zwischen ihren Beinen regte und was fast schon schmerzlich in ihre Bauchgegend hochzog.

Als könnte Tai ihre Gedanken lesen, legte er seine Lippen erneut auf ihre und verlangte mit seiner Zunge nach Einlass. Seine Hand glitt an ihrem Hals hinunter, über ihren Arm, wo er seinen Griff verfestigte. Mimi schlang die Arme um seinen Hals und erwiderte diesen leidenschaftlichen Kuss, der sie fast um den Verstand brachte. Sie fühlte sich so sehr zu ihm hingezogen, dass sie es kaum in Worte fassen konnte.

Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke und gerade, als Tai anfing ihren Hals mit Küssen zu benetzen, hielt sie inne und schob ihn sanft von sich.

Sie blinzelte ein paar mal nervös und fuhr sich mit der Hand durch ihre langen Haare. Tai sah sie entschuldigend an und grinste verlegen. „Tut mir leid, ich bin zu weit gegangen. Ich weiß, wir wollten noch warten.“, sagte er und hob beschwichtigend die Hände hoch.

Mimi schüttelte nur den Kopf, bevor sie ihn bedrückt ansah. „Nein, das ist es nicht. Ich will es ja auch, aber…“, begann sie unsicher und wich seinem Blick aus.

Tai stutzte und Mimi überlegte krampfhaft, wie sie es ihm erklären sollte. Sie biss sich fest auf die Unterlippe, als sie Tai’s fragenden Blick auf sich ruhen spürte. „Aber?“, hakte er nach und sah sie eindringlich an.

„Ich muss dir was sagen, Taichi.“, erwiderte sie ernst und straffte ihren Körper, während sie versuchte die richtigen Worte zu wählen. Doch hierfür gab es anscheinend keine. Jedenfalls wollten ihr keine einfallen. Sie seufzte aufgeregt und verdrehte leicht die Augen, als sie mit der Sprache rausrückte.

„Izzy, er… e-er hat mich geküsst.“, gestand sie ihm und sah, wie ihm augenblicklich jegliche Farbe aus dem Gesicht wich.

Spiel mit Folgen

Er drückte sie fest an sich und presste seine Lippen sehnsüchtig auf ihre.

So lange hatte er darauf gewartet und nichts wünschte er sich mehr in diesem Moment, als ihr nah zu sein. Ihre Lippen fühlten sich so unfassbar weich an und das Kribbeln in seinem Bauch brachte ihn regelrecht um den Verstand.

Gerade, als er dabei war, sich vollends in diesem Kuss zu verlieren, drückte sie ihn unsanft von sich.

Er öffnete die Augen und blickte in ihr aufgebrachtes Gesicht. In ihren Augen konnte er so viele Gefühle ablesen… nur nicht dieselben, die er empfand.

Es kam ihm vor, wie eine Ewigkeit, dass sie einfach nur dastanden und sich ansahen. Er sie voller Sehnsucht und sie ihn voller Entsetzen.

„Was tust du da?“, fragte sie ihren Freund tonlos, während sie die Augen nicht von ihn abwandte.

„Mimi, ich…“, begann er und machte einen Schritt auf sie zu. Mimi hob abwehrend die Hand, um ihn zu stoppen. „Nein!“, wies sie ihn mit einem ernsten Blick zurecht, wandte sich augenblicklich um und ging.

Erst stand er nur verdattert da, doch dann setzte auch er sich in Bewegung, um ihr schnell zu folgen, bevor er sie in der Menge verlor.

„Mimi, warte! Das war… Es tut mir leid, jetzt warte doch mal.“, rief Izzy ihr aufgebracht hinterher, doch die Brünette dachte nicht daran, stehen zu bleiben. Er hatte Probleme mit ihr Schritt zu halten, da sich immer wieder Leute zwischen sie schoben und er vielen Fußgängern ausweichen musste, die ihn verwirrt ansahen.

„Lass es mich dir erklären!“, versuchte er sie zu beschwichtigen und zum Stehen bleiben zu bewegen. „Mimi, jetzt warte!“, forderte er sie erneut mit etwas mehr Nachdruck auf und hielt sie grob am Arm fest, als er sie endlich eingeholt hatte.

Zornig wirbelte sie herum und sah ihn aufgewühlt an.

„Ich glaub einfach nicht, dass du… dass du… was ist nur los mit dir?“, fragte sie ihn fassungslos und gestikulierte wild mit ihren Händen in der Luft.

Izzy sah betreten zu Boden. Was sollte er nur auf so viel Zurückweisung erwidern?

Er schämte sich dafür, dass er sich so von seinen Gefühlen leiten ließ und sich damit absichtlich in diese peinliche Situation manövriert hatte. Was hatte er sich nur dabei gedacht?

Nur, weil sie den Abend zusammen verbrachten und gemeinsam Spaß hatten, hieß das doch noch lange nicht, dass da etwas zwischen ihnen war. Das wurde Izzy nur allzu schmerzlich bewusst, als sie ihn von sich geschoben hatte.

Nervös fuhr sie sich durch ihre langen Haare und stemmte die Arme an die Seite.

Eindringlich sah sie ihn an, als er ihr immer noch keine Antwort gab.

„Mimi, es tut mir leid, ich hab mich… hinreißen lassen.“, brachte der Schüler gerade so über die Lippen, während er ihrem Blick immer noch auswich.

„Hinreißen lassen? Wovon denn bitte?“, fragte sie ihn verständnislos und warf ihr langes Haar nach hinten. „Etwa von dem Tanz?“

Izzy’s Kehle wurde staubtrocken und er brachte einfach keinen weiteren Ton heraus.

Wie konnte er nur so dumm sein und glauben, sie würde mehr für ihn, als Freundschaft empfinden?

Plötzlich machte sie einen Schritt auf ihn zu und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter.

„Izzy, wir sind doch Freunde oder?“, sagte sie einfühlsam, woraufhin er sie irritiert ansah.

Freunde!

Freunde!!!

Er konnte dieses Wort nicht mehr hören!

„Und Freunde küsst man doch nicht oder?“ Mimi lächelte ihn zaghaft an und zog eine Augenbraue nach oben. Anscheinend war das ihre Art die angespannte Situation zu entschärfen, jedoch fachte sie sie mit diesem Satz unbewusst nur noch weiter an.

Unsanft schlug er ihre Hand von seiner Schulter und sah sie erbost an.

„Ach, aber Tai zu küssen ist in Ordnung oder was?“

Die Brünette zuckte leicht zusammen bei seiner schroffen Reaktion, während sich seine Augen zu Schlitzen verengten und sie mit einem argwöhnischen Blick fixierten.

„W-woher weißt du davon?“, fragte Mimi und schien sichtlich verwirrt.

„Ich bin nicht blöd, Mimi.“

Izzy wurde plötzlich unglaublich wütend! Wieso betrachtete sie ihn nur als einen Freund, während sie Tai mit ganz anderen Augen sah? Wieso konnte er nicht mehr für sie sein? Was hatte Tai, was er nicht hatte?

„Und ich denke du verrennst dich da in was!“, fuhr er barsch fort und steigerte sich immer weiter hinein. Die Brünette sah ihn empört an.

„Woher willst du das wissen?“, fragte sie gekränkt.

„Weil ich es eben weiß! Wenn Taichi eins nicht ist, dann ist es ein Beziehungstyp!“, zischte er herablassend und fing sich einen fassungslosen Blick von ihr ein, während er einen Schritt auf sie zu machte und sie eindringlich ansah.

Wütend stemmte sie die Hände an die Seite und baute sich vor ihm auf.

Doch das Computergenie ließ ihr keine Gelegenheit sich zu verteidigen und fuhr ihr direkt über den Mund, als sie etwas darauf erwidern wollte.

„Du kannst mir glauben, Mimi. Er verarscht dich doch nur!“

Mimi sah ihn aufgebracht an und man konnte erkennen, wie sie bereits leicht rot anlief vor Wut.

„Was soll der Scheiß? Hältst du meine Beziehung mit Tai etwa für einen Witz?“, schrie sie ihn wütend an und schubste ihn unsanft von sich.

„Einen Witz? Schön wär‘s! Es ist einfach nur traurig, wie du dich von ihm blenden lässt.“, schrie er zurück, bevor er erkannte, dass sie Tränen in den Augen hatte.

Augenblicklich tat ihm leid, was er gesagt hatte.

Er wollte ihr doch nur die Augen öffnen und ihr sagen, dass Tai ein falsches Spiel mit ihr spielte und er nicht gut für sie war. Doch die Wahrheit tat ihr anscheinend mehr weh, als er vermutet hatte. Waren ihre Gefühle für ihn schon so stark, dass sie nicht damit umgehen konnte?

Entsetzt und traurig zugleich sah sie ihn an und Izzy wurde klar, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Er wollte sie doch nicht verletzen!

„Mimi, es tut mir leid. Ich möchte doch nur nicht, dass er dir weh tut.“, versuchte er sich zu rechtfertigen.

„Du bist der Einzige, der mir weh tut!“, sagte sie und wandte sich enttäuscht von ihm ab. 

 

 

Tai war die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben…

Nachdem er immer wieder aufgeregt im Raum auf und abgegangen war und sich Mimi’s Geschichte über den gemeinsamen Abend mit Izzy und den Kuss angehört hatte, stand er nun reglos am Fenster und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er kehrte ihr den Rücken zu, was Mimi einen leichten Stich ins Herz versetzte.

Sie wollte ihm nur die Wahrheit sagen und jetzt hatte sie ihn verletzt. Das wollte sie nicht!

Tai hatte sie die ganze Zeit erzählen lassen, ab und zu verächtlich geschnauft, aber bis jetzt noch kein einziges Wort darüber verloren.

Mimi wusste nicht, woran sie war. War er wütend auf sie? War er enttäuscht?

Das Einzige, was sie wusste war, dass Tai alles andere als begeistert von dem Kuss war.

Aber das war wohl zu erwarten.

Doch sie musste es ihm einfach sagen. Unmöglich hätte sie es vor ihm verheimlichen und so tun können, als wäre nichts passiert. Das hätte sie ihm nicht antun können.

Also hatte sie sich dazu entschlossen, ihm die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie sich nicht sicher war, was das für die Freundschaft der beiden Jungs bedeuten würde. Oder was es für ihre Beziehung zu Tai bedeutete…

Unsicher ging sie einige Schritte auf ihn zu und berührte ihn zaghaft an der Schulter.

Tai regte sich kein Stück, sondern starrte einfach weiter aus dem Fenster hinaus.

„Bist du sauer auf mich?“, fragte sie kleinlaut und ließ ihre Hand wieder sinken.

Der Student antwortete nicht, sondern straffte lediglich seinen Körper und grub seine Finger in seine Arme.

Mimi ließ frustriert den Kopf sinken und ein bedrückendes Gefühl machte sich in ihrer Brust breit. Er musste ihr doch glauben, dass sie diesen Kuss nicht wollte, sondern dass es einfach passiert war, ehe sie etwas dagegen hätte tun können.

„Ich bin nicht sauer auf dich.“, sagte Tai plötzlich tonlos, was Mimi überrascht aufsehen ließ.

„Ich bin sauer auf Izzy! Wie kommt er auf den Gedanken dich einfach zu küssen?“

Langsam drehte er sich zu ihr um und sah sie enttäuscht und verärgert zugleich an.

„Und wie zum Teufel kommt er dazu meine Gefühle für dich in Frage zu stellen?“, schrie er sie beinahe an, was sie unvermittelt zusammenzucken ließ.

Seine Gesichtszüge entspannten sich jedoch, als er merkte, dass er ihr mit seiner Reaktion Angst machte. Er sah sie liebevoll an.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien, aber ich bin einfach so…“

„Ich weiß doch auch nicht, was plötzlich in ihn gefahren ist! Vielleicht habe ich ihm irgendwie falsche Signale gesendet, ich weiß es nicht…“, versuchte Mimi die Situation irgendwie zu erklären und fuhr sich dabei immer wieder nervös durch ihre Haare. Sie verstand es einfach nicht! Izzy und sie waren doch Freunde…

„Nein, du nicht!“, unterbrach sie Tai in ihren Gedanken, was Mimi interessiert aufsehen ließ.

„Wie meinst du das?“

Er wandte sich von ihr ab und fing wieder an in der Wohnung auf und ab zu gehen, während er angestrengt nachdachte und die Hände zu Fäusten geballt hatte.

Mimi sah ihm entgeistert dabei zu und wusste nicht, was sie sagen sollte.

Izzy brachte einfach alles durcheinander! Und Mimi war sich inzwischen nicht mehr sicher, ob Izzy tatsächlich nur Freundschaft für sie empfand und er sich wirklich nur hatte hinreißen lassen… Sicherlich dachte Tai gerade genau das Gleiche.

„Ich meine, was bildet er sich eigentlich ein? Erst küsst er dich und dann…“, fuhr Tai aufgebracht fort und schien wie weggedrehten. Als würde er gar nicht wirklich mit ihr reden, sondern eher mit sich selbst im Konflikt sein.

„Tai…“, versuchte Mimi ihn zu beschwichtigen und sah ihn eindringlich an, während er immer wieder hin und her lief und dabei wild gestikulierte. „Und außerdem: wenn er von uns gewusst hat, wieso macht er das dann? Was soll dieser Mist?“

„Taichi…“, begann Mimi erneut mit etwas mehr Nachdruck, doch der Student hörte sie gar nicht und redete sich immer weiter in Rage.

„Er soll seine Finger von dir lassen… sonst mach ich ihn fertig!“

„TAICHI!“, schrie sie ihn nun wütend an, so dass er abrupt stehen blieb und sie verwundert ansah. Ein beklemmendes Gefühl kroch ihre Kehle hoch und schnürte sie zu, so dass sie keinen Ton mehr herausbrachte. In ihren Augen hatten sich Tränen gebildet, doch sie wandte den Blick nicht von ihm ab. Merkte er denn gar nicht, wie schlecht es ihr damit ging? Mit dem Kuss? Mit seiner Reaktion? Mit allem?

Erschrocken über ihren Gefühlsausbruch ging er auf sie zu und zog sie augenblicklich in seine Arme. Mimi drückte ihr Gesicht in seine Brust und ließ sich von ihm trösten. Sie wollte das alles nicht! Sie wollte nicht, dass Izzy in sie verliebt war! Und sie wollte nicht, dass die Freundschaft der Beiden darunter litt!

Er drückte sie fest an sich, bevor er ihr einen Kuss auf die Haare drückte. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht traurig machen.“, sagte er einfühlsam. Auch er schien sich langsam wieder zu beruhigen.

Unschuldig sah sie zu ihm auf. „Bitte Tai, vergiss es einfach. Ich möchte nicht, dass ihr euch streitet!“

Tai’s Augen weiteten sich. „Du willst, dass ich einfach so tue, als wäre nichts passiert?“, fragte er ungläubig.

„Tai, bitte…“, flehte sie mit erstickender Stimme und wartete auf seine Reaktion.

Das musste er doch verstehen! Sie hatte sich gerade wieder mit Izzy vertragen und nun sollte ihre Freundschaft erneut auf dem Spiel stehen?

Und das Ganze wurde nicht einfacher, wenn Tai seinem Ärger auch noch Luft machen und ihn zur Rede stellen würde. Das würde sicher nicht gut ausgehen, so wie Tai sich eben schon reingesteigert hatte. Das durfte sie auf keinen Fall zulassen!

„Ach Mimi…“, sagte er mitleidig und zog sie wieder in seine Arme. „Du und dein gutes Herz.“

Sie lachte leicht auf und merkte, dass auch er etwas schmunzelte. Sie war wirklich erleichtert, dass sie ihn doch noch zur Vernunft bringen konnte. Vielleicht war es eben besser, die Sache einfach nur ruhen zu lassen. Und alles Weitere konnte sie mit Izzy unter vier Augen klären…

 

 

Unruhig saß sie auf der Tribüne und blickte immer wieder auf ihre Uhr.

Das Spiel würde gleich anfangen und bis jetzt war von dem Rothaarigen noch keine Spur.

Ob er überhaupt kommen würde?

„Hier, deine Cola.“, sagte Kari, die plötzlich neben ihr aufgetaucht war und sie freundlich anlächelte. „Danke!“, antwortete Mimi und nahm ihr das eiskalte Getränk ab, während sich Kari neben sie platzierte.

Außer Joe und Izzy waren alle gekommen, um Tai anzufeuern. Heute hatten sie ein bedeutendes Spiel gegen eine andere Unimannschaft und Mimi wusste, wie wichtig es Tai war zu gewinnen. Auch, wenn es ihm nach gestern Abend sicher schwerfallen würde, sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Er war nicht über Nacht geblieben. Er wollte ein wenig allein sein und darüber nachdenken, hatte er gesagt. Mimi verstand das nur all zu gut. Auch sie verbrachte fast den ganzen restlichen Abend damit über die Situation zwischen Izzy und ihr nachzudenken. Doch sie kam einfach zu keinem Ergebnis. Seine Worte über Tai hatten sie zwar sehr getroffen, doch was sie ganz sicher wusste war, dass sie Izzy als Freund nicht verlieren wollte. Nicht wegen eines unüberlegten Kusses, der für sie keinerlei Bedeutung hatte. Und noch weniger wollte sie, dass die Freundschaft der beiden Jungs darunter litt.

Irgendwie fühlte sie sich schuldig…

Hätte sie Tai nichts von dem Kuss erzählt, hätte sie die Sache mit Izzy allein im stillen Kämmerlein klären können und Tai wäre nicht so sauer auf ihn.

Bedrückt sah sie zu Boden, als die gegnerische Mannschaft zeitgleich mit Tai’s Mannschaft das Spielfeld betrat.

Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrem Bein. Sie sah auf und blickte in das besorgte Gesicht von Kari, während die anderen Tai und seine Mannschaft bereits wie wild anfeuerten.

„Alles okay mit dir? Du siehst etwas geknickt aus?“

Mimi rang sich ein Lächeln ab und schüttelte den Kopf. „Alles gut, Kari. Ich hoffe nur, dass Tai gewinnen wird.“

Kari sah nicht so aus, als würde sie ihr glauben, doch sie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und wandte sich wieder dem Spielfeld zu, als der Startpfiff fiel.

Auch Mimi wollte sich jetzt einfach nur auf das Spiel konzentrieren. Sie hatte doch versprochen ihn so gut es ging anzufeuern!

Gerade als sie ihre ersten Jubelrufe losschreien wollte, setzte sich jemand neben sie und hielt ihr eine Tüte mit Nachos hin. „Magst du welche?“, fragte er sie freundlich und lächelte sie an, während sie ihn nur überrascht ansehen konnte.

Er war tatsächlich gekommen!

Ihre Augen begannen zu strahlen und ein erleichterndes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. Nickend nahm sie die Tüte, die er ihr hinhielt und schenkte ihm ein dankendes Lächeln.

„Schön, dass du doch noch gekommen bist!“

Izzy grinste sie an und richtete seinen Blick auf das Spiel, das bereits im vollen Gange war.

Auch Mimi wandte sich begeistert dem Spielfeld zu und in ihr keimte die leise Hoffnung auf, dass ihre Freundschaft zu Izzy immer noch zu retten war und sich nichts zwischen ihnen geändert hatte…

 

 

Mimi sprang auf, als das entscheidende Tor fiel und somit in letzter Sekunde auch der entscheidende Punkt für Tai’s Mannschaft.

Sie hatten gewonnen!

Sora und Takeru, die mit Matt und Meiko vor ihr saßen, schrien sich die Kehle aus dem Hals, während Meiko begeistert in die Hände klatschte und Matt nur zufrieden lächelte. Auch, wenn er fast kein Spiel seines besten Freundes verpasste, war Fußball einfach nicht sein Ding. Auch Kari ließ sich von der jubelnden Menge mitreißen und sprang auf, als Tai’s Mannschaft sich erleichtert in die Arme fiel und vor Begeisterung wie wild auf dem Feld rumsprang.

Nur Izzy saß mehr oder weniger gelangweilt neben ihr und schien gar nicht wirklich zu verfolgen, was passiert war.

Sie hatten während des Spiels nicht viel gesprochen. Ab und zu warf Mimi ihm einen unsicheren Blick zu, den der Rothaarige schüchtern erwidert hatte. Wie gerne wollte sie mit ihm über Freitagabend reden und die Sache endlich aus der Welt schaffen.

Doch das mussten sie unter vier Augen klären. Sie wollte nicht, dass die anderen etwas davon mitbekamen, was zwischen ihnen vorgefallen war. Die Situation war ihr schon so unangenehm genug…

Nach etlichen Jubelrufen und nachdem die zwei Mannschaften sich höflich voneinander verabschiedet und sich für das Spiel gedankt hatten, verließen sie das Feld und auch die Freunde setzten sich in Bewegung, um die Tribüne zu verlassen. Was schwieriger war, als es aussah, denn von allen Seiten drängelten Leute, die es anscheinend kaum erwarten konnten, raus zu kommen. Die anderen hatte sie schon längst aus den Augen verloren.

Mimi stöhnte genervt auf, als plötzlich Kari von hinten gegen sie fiel und sie nach vorne stolperte und gegen Izzy’s Rücken gepresst wurde, der ebenfalls einen kleinen Satz nach vorne machte.

„Oh, tut mir leid.“, entschuldigte sie sich und versuchte sich wieder aufrecht hinzustellen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er sie mit einem Blick über die Schulter. Mimi nickte nur, nachdem sie sich versichert hatte, dass es auch Kari gut ging.

„Am besten ist, wir gehen zusammen.“, sagte Izzy und nahm unaufgefordert ihre Hand. Mimi stutzte zunächst, ließ sich dann jedoch von ihm durch die Massen führen.

 

Endlich draußen angekommen mussten sie sich erst einmal wieder sammeln. Sie hatten vereinbart, sich vor Tai’s Mannschaftskabine zu treffen, falls sie sich verlieren sollten.

Sora, Matt, Takeru und Meiko standen bereits davor und warteten auf sie.

„Na, habt ihr es heil raus geschafft?“, fragte Sora lachend, stutzte jedoch, als sie Izzy und Mimi genauer betrachtete.

Erst jetzt fiel Mimi auf, dass Izzy immer noch ihre Hand hielt, was ein komisches Bild ergeben musste. Schnell ließ sie seine Hand los, als Sora’s Gesichtsausdruck sich entspannte. Zum Glück war Tai noch nicht da und hatte somit keine Gelegenheit das in den falschen Hals zu kriegen. Wäre denkbar ungünstig, in Anbetracht der momentanen Lage.

„Meine Güte, die sind doch alle verrückt geworden!“, stöhnte Mimi auf und sah sich suchend nach Kari um. „Mmh, wo ist denn Kari? Sie war doch eben noch bei uns…“, fragte sie an Izzy gewandt, der nur nachdenklich mit den Schultern zuckte.

„Oh je, dann werde ich sie mal suchen gehen. Hoffentlich wurde sie nicht niedergetrampelt.“, lachte Takeru auf und setzte sich wieder in Bewegung, um in den Massen nach seiner Freundin zu suchen. „Warte, ich helfe dir!“, rief Meiko ihm hinterher und folgte ihm.

Sora trat unruhig von einer Stelle auf die andere, als Takeru und Meiko verschwunden waren. Mimi musterte sie schmunzelnd. „Was hast du denn für ein Problem?“

„Ich muss mal…“, nuschelte Sora und legte ein dringliches Gesicht auf.

„Oh man, ihr Frauen und eure Mädchenblase. Na komm mit, ich zeig dir, wo die Toilette ist.“, sagte Matt und verdrehte die Augen, während Sora ihn empört ansah. „Hey, vielleicht bin ich ja auch ein Mädchen.“

„Ach was?“, lachte Matt auf, nahm sie bei der Hand und ging mit ihr in die Mannschaftskabine.

Mimi schüttelte grinsend den Kopf. Manchmal waren die zwei wirklich süß zusammen.

Plötzlich räusperte sich Izzy auffallend laut und sah sie erwartungsvoll an.

Mimi zuckte unmerklich zusammen. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass sie ja jetzt mit ihm alleine war und sie endlich die Chance hatten ungestört miteinander zu reden.

Sie schluckte. Wo sollte sie nur anfangen?

Sie hatte sich so viel zurechtgelegt, was sie ihm sagen wollte, doch als es nun so weit war, wollte ihr keines dieser Worte mehr einfallen.

„Mimi, es tut mir so leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich wollte dich damit nicht verletzen!“, platzte es plötzlich aus Izzy heraus, noch ehe sie zu Ende gedacht hatte.

Etwas irritiert sah sie ihn an und wusste immer noch nicht, was sie erwidern sollte. Außer einer Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte.

„Wieso hast du das über Tai gesagt?“

Izzy wurde sichtlich nervös und begann ihren Blicken auszuweichen. „Mimi, ich weiß nicht, was gestern in mich gefahren ist. Wirklich, es tut mir leid.“

„Das war keine Antwort auf meine Frage.“, sagte die Brünette mit Nachdruck und sah ihn weiterhin eindringlich an. Sie wollte die Wahrheit wissen! Irgendetwas musste Izzy doch dazu bewegt haben, so etwas zu sagen.

Das Computergenie fuhr sich durch seine zerzausten Haare und schien außer Stande ihr eine Antwort zu geben.

Mimi seufzte und ließ die Schultern hängen. „Und der Kuss?“

Plötzlich hob Izzy überrascht den Kopf und legte eine ernste Miene auf.

„Der tut mir nicht leid.“, sagte er und griff zaghaft nach ihrer Hand.

Mimi zuckte kurz zurück und überlegte, ob sie sich seinem Griff entziehen sollte, doch dann ließ sie es doch zu. Sie wollte wissen, was er ihr zu sagen hatte.

Izzy verschränkte seine Finger mit ihren und wurde sichtlich nervöser, bis er sie schließlich eindringlich ansah und ansetzte etwas zu sagen, doch ziemlich schroff von jemanden unterbrochen wurde…

 

 

 

„Was genau soll das werden, wenn’s fertig ist?“

Tai’s wütende Stimme ließ sie zusammenzucken und sie zog schnell ihre Hand zurück, die bis eben noch in Izzy’s lag.

Erschrocken wandte sie sich um und erkannte Sora, Matt und Tai, die eben aus der Mannschaftskabine gekommen waren. Sora wirkte leicht verwirrt und ihre Augen huschten immer wieder zwischen Mimi und Izzy hin und her, während Matt eine Hand beschwichtigend auf Tai’s Arm legte und ihn eindringlich ansah. Anscheinend sah er das Unglück schon kommen, was gerade auf sie zusteuerte. Denn als Mimi in Tai’s Gesicht blickte, konnte sie nichts, außer Wut erkennen. Er sah aus wie eine tickende Zeitbombe.

„Was machst du da mit meiner Freundin, wenn ich fragen darf?“, fragte zähneknirschend und riss sich schwungvoll aus Matt’s Griff los. Er machte ein paar schnelle Schritte auf Izzy zu und Mimi rechnete schon mit dem Schlimmsten, während sie einige Schritte zurück wich.

Izzy lachte höhnisch auf, worauf Mimi ihn überrascht ansah. Mit dieser Reaktion des Rothaarigen hatte sie nicht gerechnet.

„Deine Freundin? Hab ich was verpasst?“

Tai baute sich vor Izzy auf und ballte die Hände zu Fäusten.

Mimi wurde sichtlich nervöser. Was geschah hier gerade? Hilfesuchend blickte sie zu Sora, die ebenfalls von der Situation überfordert zu sein schien.

Matt war der Einzige, der noch einen einigermaßen kühlen Kopf bewahrte und weiterhin versuchte, seinen besten Freund zu beschwichtigen. „Komm schon Tai, es ist doch nichts passiert. Lass einfach gut sein!“, sagte er ruhig. Doch Tai ließ sich nicht beirren und starrte Izzy weiterhin nieder, während der ihn nur herausfordernd ansah.

Mimi’s Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Luft war zum Zerschneiden dick.

„Na dann kann ich ja nur gratulieren. Wie hast du sie denn rumgekriegt?“, grinste Izzy teuflisch, während Mimi ihn immer noch erschrocken ansah. Warum tat er das nur? Was zum Teufel war hier los?

Tai‘s Miene verfinsterte sich und ehe sich Mimi versah, stürzte er sich auf ihn.

Mit voller Wucht riss er ihn zu Boden und schlug ihn mit der Faust heftig ins Gesicht.

Mimi stieß einen schrillen Schrei aus bei diesem Anblick und fühlte sich außer Stande sich zu rühren. 

Izzy wehrte sich mit Händen und Füßen und schaffte es sogar auch Tai einige gezielte Schläge zu verpassen. Ein wildes Gerangel entstand, während immer wieder Fäuste flogen und keiner von beiden daran dachte, aufzuhören.

„Was macht ihr denn da? Seid ihr völlig verrückt geworden?“, rief Matt und stürmte auf die Beiden zu, um Tai an der Schulter zu packen und ihn von Izzy runter zu reißen, was ihm nur schwerlich gelang.

„Lass mich!“, protestierte Tai und schlug immer noch wild um sich. Er schaffte es, sich aus Matt’s Griff zu befreien und Izzy einen weiteren Schlag zu verpassen, bevor sein Freund ihn erneut auf die Beine und von Izzy wegzerrte.

„Tai man, jetzt lass den Scheiß!“, forderte Matt ihn schroff auf und hielt ihn am Arm fest.

„Lass sie in Ruhe, hörst du? Fass sie nie wieder an!“, schrie Tai weiterhin auf den Rothaarigen ein, der immer noch am Boden lag und versuchte sich langsam aufzurichten.

Mimi konnte nicht glauben, was hier geschah.

Ihre Beine wurden weich und sie sank auf die Knie. Fassungslos starrte sie abwechselnd von Izzy zu Tai und wieder zurück.

Das hatte sie nicht gewollt…

Sora kam angerannt, kniete sich neben sie und legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter.

Mimi sah zu Izzy, der sich inzwischen aufgesetzt hatte und Tai feindselige Blicke zuwarf.

Seine Nase blutete und sein linkes Auge begann sich blau zu verfärben. Tai hatte ihm wirklich übel zugesetzt!

Sie kroch zu ihm rüber und wollte ihm aufhelfen, doch der Rothaarige drückte sie sanft von sich und sah sie entschuldigend an.

„Lass nur…“, sagte er und schaffte es unter Mühen aufzustehen, während ihm das Blut aus der Nase tropfte.

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und ging.

Mimi sah ihm entgeistert hinterher, bevor sie geschockt zu Tai blickte, dessen Lippe aufgeplatzt war und der sich gerade mit dem Ärmel seiner Trainingsjacke das Blut vom Mund wischte.

Noch nie hatte sie ihn so wütend gesehen… 

Verlangen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Entscheidungen

„Wie soll es jetzt eigentlich mit Izzy weitergehen?“, fragte sie ihn, bevor sie sich etwas von dem eingelegten Gemüse in den Mund schob, das vor ihr auf dem Tisch stand. Mit zerzausten Haaren saß er ihr gegenüber und nippte an seinem Kaffee, während er sie kritisch beäugte. „Müssen wir jetzt darüber reden?“, fragte er und verzog genervt das Gesicht.

„Willst du dich nicht wieder mit ihm vertragen?“, hakte Mimi nach und legte bedächtig den Kopf schief. Tai verdrehte die Augen, zuckte mit den Schultern und wich ihrem Blick aus. „Keine Ahnung“, gab er tonlos als Antwort, was Mimi vernichtend aufseufzen ließ. „Na gut, mach was du willst, aber ich gehe jedenfalls nachher mal bei ihm vorbei und betreibe Schadensbekämpfung“

„Du machst was?“, kam es prompt von Tai, der sie mit großen Augen ansah.

„Was denn? Ich muss doch schließlich mal sehen, wie es ihm geht, nachdem du ihm so zugesetzt hast. Das war wirklich nicht nett, Tai!“, tadelte sie ihn mit strenger Stimme und stand auf, um ihr Geschirr abzuräumen. Der Braunhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und grummelte vor sich hin. „Na toll“

Mimi musterte ihn und musste grinsen. Irgendwie war es ja auch ein bisschen süß, dass er so eifersüchtig war. Auch, wenn er gestern entschieden zu weit gegangen war. Außerdem musste er einfach verstehen, dass Izzy trotz allem noch ihr Freund war und sie wollte wissen, wie es ihm ging. Sie konnte sich schon ausmalen, wie schlecht er sich fühlen musste. Deswegen wollte sie unbedingt noch mal unter vier Augen mit ihm sprechen.

„Musst du heute gar nicht zur Uni?“, fragte sie ihn interessiert und versuchte so geschickt vom Thema abzulenken.

Tai beachtete sie gar nicht weiter und zuckte nur mit den Schultern. „Später“, antwortete er lediglich und schob seine leere Kaffeetasse zur Seite.

„Ach Tai…“, kicherte sie kopfschüttelnd und ging auf ihn zu.

„Du hast überhaupt keinen Grund eifersüchtig zu sein!“, grinste sie und schlang ihre Arme von hinten um ihn. „Oder hast du letzte Nacht schon vergessen?“, flüsterte sie ihm verführerisch ins Ohr. Tai packte augenblicklich ihr Handgelenk und zog sie zu sich herum auf seinen Schoß. Mit einem dringlichen Blick fixierte er sie und legte eine Hand um ihre Taille, während die andere auf ihrem nackten Bein ruhte.

Sie waren gerade erst aufgestanden und Mimi hatte sich lediglich ein T-Shirt und einen Slip übergezogen. „Du kannst mich ja noch mal daran erinnern“, hauchte er ihr zu, während er ihrem Gesicht immer näherkam und ihre Lippen sich beinahe berührten.

Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf seine Lippen, als er sie an den Hüften packte, sie hochhob und sie vorsichtig auf den Küchentisch platzierte. Mimi kicherte und schlang ihre Beine um ihn. „Hier?“, fragte sie skeptisch nach, während ihm nur ein schelmisches Grinsen entwich. „Wieso denn nicht?“

Er beugte sich zu ihr runter und drückte ihr einen sehnsüchtigen Kuss auf die Lippen, welcher sofort die Leidenschaft von letzter Nacht in ihr entfachte. Sie packte ihn am Kragen und zog ihn näher zu sich heran, während seine Hände langsam unter ihr Shirt glitten und ihren Rücken streichelten. Fordernd presste sie ihm ihre Hüften entgegen und konnte bereits deutlich seine Erregung spüren. Gerade als sie ihn jedoch von seinen störenden Kleidungsstücken befreien wollte, klingelte es an der Tür.

Tai ließ sich gar nicht beirren, sondern küsste sie einfach weiter. „Lass klingeln!“

Doch der ungebetene Gast ließ sich nicht abschrecken und klingelte in einer Tour weiter. Mimi wurde zusehends unruhig, da sie wusste, dass sie noch Post erwartete.

Beim fünften Klingeln ließ sie abrupt von ihm ab und sprang vom Tisch, was Tai genervt aufstöhnen ließ. „Oh, muss das jetzt sein?“

„Könnte wichtig sein“, erwiderte Mimi nur und machte sich eilig auf den Weg zur Tür.
 

Tai hörte, wie sie sich freundlich bei dem Postboten bedankte und schnurstracks wieder zu ihm in die Küche eilte.

„Oh mein Gott… das ist er!“, sagte Mimi und wirbelte aufgeregt herum.

„Was ist das?“, fragte Tai beiläufig. Er hatte gerade wirklich andere Dinge im Kopf…

Mimi beäugte den Brief kritisch und trat nervös von einem Bein auf’s andere. „Das ist vom New York Institute of Technology. Ich hatte mich dort für ein Stipendium beworben.“

Tai sah überrascht auf und seine Lust sank ins bodenlose. Jetzt verstand er, warum sie so nervös war.

Er presste die Lippen aufeinander und ein unangenehmes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit.

„Und? Was steht drin?“, fragte er tonlos und musterte die Brünette, die unruhig im Raum auf und abging, jedoch keine Anstalten machte den Brief zu öffnen.

Plötzlich blieb sie vor ihm stehen und hielt ihm das versiegelte Schriftstück unter die Nase.

„Hier, mach du ihn für mich auf! Ich kann es nicht!“, forderte sie ihn mit zittrigen Fingern auf.

Tai sah sie nur fragend an und als er nicht darauf reagierte, legte sie ihm den Brief einfach auf den Tisch, verschränkte die Arme vor der Brust und fing wieder an nervös auf und ab zu gehen. Tai seufzte und nahm ihn in die Hand. Er erkannte das Sigel der Universität darauf, was sofort einen sehr seriösen und wichtigen Eindruck auf ihn machte. Eigentlich wollte er gar nicht wissen, was darinstand. Denn egal, was es war: entweder würde Mimi todtraurig über den Inhalt sein oder er.

„Jetzt mach endlich auf!“, forderte die Brünette ihn mit Nachdruck auf und sah ihn eindringlich an. Tai schluckte noch ein Mal, als er wenig zimperlich den Umschlag aufriss und den Brief herausnahm. Er faltete ihn auf, während er sich innerlich dagegen sträubte den Inhalt zu lesen. Es würde alles verändern, wenn sie angenommen werden würde. Mit Sicherheit würde Mimi sich so eine einzigartige Chance nicht entgehen lassen und er könnte es ihr nicht mal verübeln. Ihm wurde augenblicklich schlecht, als er begann die ersten Zeilen laut vorzulesen…

„Sehr geehrte Frau Tachikawa, hiermit möchten wir Ihnen mit Freuden mitteilen…“

Tai schluckte und presste die Lippen aufeinander, um dieses aufkeimende Gefühl in seiner Magengegend so gut es ging zu unterdrücken. „…möchten wir Ihnen mit Freuden mitteilen, dass sie sich erfolgreich für ein Stipendium an unserer Universität beworben haben.“

Mimi stieß einen kleinen Freudenschrei aus und schlug die Hand vor den Mund, was Tai kurz aufsehen ließ. Natürlich freute sie sich, wie könnte sie auch nicht?!

Geknickt senkte er den Blick und las weiter. „Daher möchten wir sie ganz herzlich zu unserer Kennenlern-Woche für zukünftige Studenten und Studentinnen einladen. In der Zeit Ihres Aufenthaltes wird Ihnen sowohl eine Unterkunft in unserem Wohnheim, als auch Verpflegung zur Verfügung gestellt und Sie haben die Möglichkeit sich schon mal mit unserem Campusgelände, den Kursen und ihren Kommilitonen vertraut zu machen. Alle nötigen Daten und Unterlagen schicken wir Ihnen per E-Mail zu. Über eine Zusage Ihrerseits würden wir uns sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen, Institute of Technology – New York.“
 

Tai ließ den Brief sinken und starrte Mimi entgeistert an, während diese nur strahlend große Augen hatte und über beide Ohren grinste. Sie kam auf ihn zu gerannt und fiel ihm lachend um den Hals. „Oh mein Gott, ich kann es nicht glauben! Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich das Stipendium wirklich bekomme“, quiekte sie freudig und drückte Tai fast die Luft ab.

Der Student war wie erstarrt und wusste nicht, was er sagen sollte.

Ein guter Freund würde sich für sie freuen! Doch ein Freund, der in sie verliebt war und eigentlich nicht wollte, dass sie geht?

Langsam ließ sie ihn los und schaute ihn erstaunt an. „Was hast du? Freust du dich nicht für mich?“

Ihre Frage versetzt ihm einen Stich ins Herz und er spürte, wie sein Magen begann zu rebellieren. Er wich ihrem Blick aus und las sich ein weiteres Mal stillschweigend die Zeilen durch, die das Ende ihrer Beziehung besiegeln könnten.

„Taichi?“, fragte die Brünette unsicher und legte den Kopf schief.

„Ich freue mich für dich, aber…“, begann er kleinlaut und traute sich nicht, ihr in die Augen zu sehen. Er konnte ihr doch nicht einfach sagen, dass er nicht wollte, dass sie fortging. Schließlich ging es hier um ihre Zukunft und auf gar keinen Fall sollte sie Gewissensbisse wegen ihm haben. Das konnte er ihr nicht antun!

„Ach, vergiss es!“, sagte er betrübt, stand auf und ging zum Fenster. „Ich freue mich wirklich für dich, das ist eine einmalige Chance.“

Wie gerne würde er ihr sagen, dass es für ihn unvorstellbar war, dass sie sich trennen und nicht mehr sehen würden? Doch es wäre unfair gewesen seine eigenen Gefühle so in den Vordergrund zu stellen. Es wäre einfach egoistisch sie nicht gehen zu lassen. Auch, wenn ihm der Gedanke daran jegliche Luft zum Atmen nahm… er durfte ihr nicht dabei im Weg stehen! Plötzlich spürte er ihre Hand, die sie behutsam auf seinen Arm legte.

Er sah in ihr Gesicht und die Freude, die sie eben noch strahlen ließ, war verschwunden. Stattdessen spiegelten sich Unsicherheit und Trauer in ihr wieder. „Aber du willst nicht, dass ich gehe. Richtig?“, fragte sie mitfühlend und legte den Kopf schief.

Es half nichts. Sie verstand ihn einfach zu gut. So, wie sie ihn ansah, wusste sie genau, was er gerade fühlte. Er zog sie in eine feste Umarmung und wollte nicht mehr gegen seine Gefühle ankämpfen, denn der bloße Gedanke daran machte ihm Angst. „Mimi i-ich… ich will dich nur nicht verlieren“, gestand er ihr und drückte sein Gesicht in ihr offenes Haar.

Ein paar Minuten der Stille vergingen, in denen sie einfach nur schweigend dastanden und sich in den Armen lagen, während jeder seinen eigenen kläglichen Gedanken nachhing.

„Wirst du nicht!“, sagte Mimi plötzlich leise, was Tai verwundert aufsehen ließ. Fragend sah er sie an und runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“

„Ich meine damit, dass du mich nicht verlieren wirst!“, betonte sie noch ein Mal und löste sich von ihm. In ihren Augen lag auf ein mal so eine Entschlossenheit, als hätte sie ihre Entscheidung längst gefällt.

„Was redest du denn da? Willst du mir etwa sagen, dass du…“, sagte er und starrte sie fassungslos an. „Richtig, dass ich das Stipendium nicht annehmen werde.“, ergänzte sie seinen Satz bestimmend und ging zum Küchentisch, auf dem der Brief lag. Gedankenverloren nahm sie ihn in die Hand und las ihn zum ersten Mal selbst durch. Tai stand wie vom Donner gerührt am Fenster und fragte sich, ob er sich eben verhört hatte.

War das ihr Ernst?

„Mimi, das kannst du nicht machen!“, sprudelte es plötzlich aus ihm heraus und die Angst, über den kommenden Verlust, die er eben noch empfunden hatte, wich einem anderen Gefühl. Denn er fühlte sich schuldig. Schuldig, dass sie ernsthaft mit dem Gedanken spielte, das Stipendium auszuschlagen. „Das ist eine einmalige Gelegenheit für dich, du darfst nicht ablehnen! Überleg doch mal, wie dumm das wäre.“

Die Brünette sah nicht auf, sondern fixierte mit ihren Augen immer noch die Zeilen des Briefes, die alles verändern könnten. „Und dich zu verlassen und nach New York zu gehen wäre nicht dumm?“, erwiderte sie kleinlaut.

Tai ging einige Schritte auf sie zu und sah sie eindringlich an, auch, wenn sie ihm keine Beachtung schenkte.

„Mimi, jetzt hör mir mal zu! Du kannst nicht einfach so deine Zukunft wegwerfen, nur um bei mir zu bleiben. In den USA hast du viel bessere Möglichkeiten und kannst viel mehr aus deinem Leben machen, als hier.“

Betrübt ließ sie den Brief sinken und wandte sich ihm zu. „Aber ich will dich nicht verlassen müssen. Und wenn ich mich zwischen New York und dir entscheiden muss, dann…“, sagte sie unter erstickender Stimme und presste die Lippen aufeinander.

Tai ging auf sie zu und nahm ihre zierlichen Hände in seine. Nur zu gut konnte er verstehen, in was für einen Gewissenskonflikt sie sich gerade befand. Ihm ging es nicht anders. Auf der einen Seite konnte er sich ein Leben ohne sie inzwischen nicht mehr vorstellen und auf der anderen Seite wollte er ihr nicht bei ihrer Zukunft im Weg stehen.

„Mimi…“, setzte er noch ein mal einfühlsam an. „Ich kann dich verstehen, ich möchte auch nicht, dass du gehst! Aber sieh mal: du hast so hart dafür gelernt und ich kenne niemanden, der es so verdient hätte, wie du. Und du hast dich doch eben noch sehr über die Zusage gefreut. Also überleg es dir noch mal, bevor du das Angebot abschlägst.“

Mimi wich seinem Blick aus und legte die Stirn in Falten. „Aber als ich mich beworben habe, da war das mit uns noch nichts Ernstes. Aber jetzt… ich kann dich nicht einfach verlassen!“, sagte sie mit Nachdruck und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Und ich will es auch gar nicht!“

„Ach Mimi…“, seufzte Tai, als sich eine leise Träne löste und über ihre Wange kullerte.
 


 

Wenig später hatte sie sich mit einem kleinen Präsent auf den Weg zu Izzy gemacht.

Ihre Diskussion mit Tai und somit auch ihre Entscheidung hatte sie vertagt. Tai bestand darauf, dass sie sich noch mal ein paar Tage Bedenkzeit nahm, um genau abzuwägen, was sie wollte. Doch tief in ihrem Inneren war die Entscheidung längst gefallen. Natürlich hatte sie sich erst über die Zusage gefreut, doch als ihr klar wurde, was das für ihre Beziehung mit Tai bedeuten würde, stand für sie ziemlich schnell fest, dass sie diesen Schritt nicht gehen konnte.

Sie wollte ihn nicht verlassen! Und eine Fernbeziehung, bei der man sich auf Grund der weiten Entfernung nur 2 Mal im Jahr sah, kam für sie nicht in Frage.

Also welche Möglichkeiten hatte sie?

Entweder sie nahm das Stipendium an und musste Tai und Japan verlassen oder sie lehnte es ab und konnte bei ihm bleiben, auch, wenn sie sich damit zukünftig jegliche Chance auf eine ähnliche Möglichkeit verbauen würde.

Egal, welche Entscheidung sie treffen würde – sie musste endgültig sein!
 

Der Rothaarige saß gedankenverloren am Laptop und starrte seit geraumer Zeit den Bildschirm an, auf dem eigentlich schon längst ein Ergebnis stehen müsste. Er wollte ein neues Programm für seine Auftragsfirma erstellen, doch die kreativen Einfälle blieben aus. Sein Kopf war leer und wollte einfach keine guten Ideen zulassen. Gelangweilt stützte er sich auf seinen Handflächen ab und zuckte augenblicklich zusammen, als der Schmerz seinen Kopf durchfuhr. Sein Auge und seine Schläfe waren geschwollen, seine Nase sah nicht besser aus. Zum Glück waren seine Eltern gerade auf Urlaubsreise und bekamen nichts von alledem mit. Was hätte er ihnen auch sagen sollen? Dass sein Freund auf ihn losgegangen war und ihn verprügelt hatte, weil er mit seiner Freundin Händchengehalten hatte?

Seine Freundin.

Izzy’s Magen rebellierte einfach immer noch bei dieser Vorstellung, dass Tai und Mimi jetzt ein Paar sein sollten. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Tatsache. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Zurückweisung und unglücklich verliebt zu sein war schon schlimm genug, aber zu wissen, dass sein Freund das hatte, was er nicht haben konnte, war einfach ein furchtbares Gefühl! Und Izzy wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er wusste, dass er an Tai’s Ausraster nicht ganz unschuldig war, denn er hatte ihn wissentlich provoziert. Doch die Wut und die Enttäuschung, die ihn angetrieben hatte, war verschwunden. Er fühlte sich einfach nur noch leer!

Es klingelte an der Tür, was Izzy aus seinen Gedanken riss. Wer immer es auch war, er hatte keine Lust aufzumachen. Stirnrunzelnd starrte er auf seinen Bildschirm. Er musste endlich anfangen zu arbeiten, vielleicht würde ihn das etwas ablenken. Gerade, als er in die Tasten hauen wollte, klingelte es erneut an seiner Tür und ein energisches Klopfen folgte. Laut stöhnend stand er vom Schreibtisch auf und trottete genervt zur Tür. Wenn das Tai war konnte er sich gleich wieder verpissen!

Izzy lugte durch den Türspion und runzelte verwirrt die Stirn, als er die Hand auf die Türklinke legte. „Was zum…?“

Er öffnete die Tür und das Katzengesicht, welches ihn eben durch den Türspion angesehen hatte, miaute ihm entgegen.

„Sag ‚Hallo‘ zu deiner neuen Freundin!“, forderte Mimi ihn grinsend auf und drückte ihm das Kätzchen in die Hände. Izzy blickte verwundert zu dem kleinen Tier in seinen Händen hinab und fragte sich, was das sollte.

„Was guckst du so? Du wolltest doch eine haben…“, sagte die Brünette, als sie seine überraschte Miene sah.

„Ach ja“, gab er nur knapp zurück, während ihm das Kätzchen weiter an miaute.

„Lässt du mich rein?“, fragte Mimi, doch wartete nicht auf eine Antwort, sondern drückte sich einfach an Izzy vorbei in die Wohnung.

Was wollte sie nur hier? Izzy war sichtlich überfordert mit ihrem plötzlichen Besuch und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.

„Also…“, begann Mimi und drehte sich zu ihm um, während er die Tür schloss und die Katze auf dem Boden absetzte, die sofort anfing ihre neue Umgebung zu erkunden. „Wie geht es dir?“

Izzy wollte irritiert eine Augenbraue nach oben ziehen, doch der Schmerz hinderte ihn daran. „Siehst du doch!“, gab er stattdessen tonlos zur Antwort.

Mimi ließ betrübt die Schultern hängen und ging auf ihn zu, um ihm im Gesicht zu berühren. „Du siehst wirklich schlimm aus.“

Er schlug ihre Hand zur Seite, ehe sie sich seine Wunden genauer ansehen konnte und sah sie grimmig an. „Lass das lieber! Ich hab keine Lust noch mal Prügel von Tai einzustecken. Ein Mal hat mir gereicht!“

Er ging an ihr vorbei und kehrte ihr somit den Rücken, dass er sie nicht mehr ansehen musste. Oder vielmehr: damit sie ihn nicht mehr ansehen musste.

„Izzy, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie leid mir das tut. Ich fühle mich so schuldig!“, erwiderte die Brünette traurig.

„Wieso? Du hast mich doch nicht verprügelt“, gab Izzy gleichgültig zurück. Er hatte jetzt wirklich keine Lust mit ihr darüber zu reden. Sonst sagte er vielleicht noch Dinge, die er später bereuen würde…

„Jetzt tu bitte nicht so, als wäre es dir egal. Ich finde es schlimm, dass Tai so über reagiert hat und das habe ich ihm auch gesagt“, redete sie weiter auf den Rothaarigen ein.

„Mmh, tut mir leid, wenn ich euer neues Glück getrübt habe.“ Er wusste, dass der Sarkasmus aus ihm sprach und dass es unfair Mimi gegenüber war, doch er konnte es sich einfach nicht verkneifen.

„Darum geht es doch gar nicht! Es war falsch von Tai so zu reagieren, aber… aber verstehst du nicht, dass wir glücklich miteinander sind?“, fragte sie ihn verständnislos, während er ihr immer noch den Rücken zugekehrt hatte. „Glücklich?“, kam es leise über seine Lippen, als hätten diese Worte etwas Ehrfürchtiges an sich.

Was hier geschah, war einfach nicht fair! Sicher hatte er auch viele Fehler gemacht, aber musste er tatsächlich hier stehen und sich anhören, wie er auf ganzer Linie verloren hatte?

Er ballte seine Hände zu Fäusten, während das kleine Kätzchen sich gerade um seine Beine schmiegte und selig schnurrte.

Mimi kam näher und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. „Izzy, ich kann mir vorstellen, wie es dir jetzt geht, aber…“, begann sie einfühlsam, doch Izzy wirbelte herum und sah sie fassungslos an. „Du weißt gar nichts!“ Er schrie ihr die Worte förmlich entgegen, was Mimi unwillkürlich zusammenzucken ließ.

Die Wut und die Enttäuschung kehrten zurück und brachten sein Blut zum Kochen. Wenn er hätte einen klaren Gedanken fassen können, dann hätte er gewusst, dass es mehr als unfair war, jetzt auf Mimi loszugehen. Sie war die Letzte, die irgendetwas dafürkonnte. Doch sie war mit IHM zusammen und das konnte er nicht einfach so hinnehmen…

„Mimi sag mal, was weißt du eigentlich über Tai?“, fragte er sie unverblümt und Ärger schwang in seiner Stimme mit. Die Brünette sah ihn verständnislos an. „Was meinst du damit?“

„Was meinst du, wie ehrlich er bisher zu dir war? Kommt es dir nicht komisch vor, dass er wegen eines Kusses gleich so ausrastet?“

Mimi’s Augen weiteten sich und sie wusste offensichtlich nicht, was sie sagen sollte. Izzy stöhnte auf und verdrehte die Augen. „Er ist nicht der, für den du ihn hältst. Es wird Zeit, dass du das erkennst!“, sagte er mit Nachdruck, als Mimi empört das Gesicht verzog.

„Sag mal, wie kommst du dazu so einen Unsinn zu erzählen? Hörst du dir eigentlich mal zu? Ich kenne ihn besser, als du denkst!“, fauchte sie ihn an und gestikulierte wild mit ihren Händen.

„Und wenn DU mir was zu sagen hast, dann rede endlich Klartext, Izzy! Anstatt immer nur in Rätseln zu sprechen. Oder akzeptiere einfach, dass wir uns ineinander verliebt haben!“

Ihre Worte schmetterten gegen ihn und rissen ihm den Boden unter den Füßen weg. Sein Herz zog sich schmerzlich zusammen und seine Atmung wurde unruhig. Lieber hätte er sich noch mal von Tai verprügeln lassen, als diese Worte aus ihrem Mund zu hören.

Angestrengt presste er die Lippen aufeinander und wich ihrem Blick aus. Am liebsten würde er ihr einfach alles sagen, wie Tai sie von Anfang an manipuliert hatte… doch trotz, dass sie ihn so verletzt hatte, brachte er es noch nicht fertig, ihr ebenfalls so weh zu tun.

„Dachte ich mir“, gab Mimi patzig von sich, als von dem Computergenie keine Antwort mehr kam.

Sie stöhnte leise auf und wandte sich zum Gehen um. Kurz bevor sie zur Tür raus war, drehte sie sich jedoch noch ein Mal um und sah ihn vielsagend an. „Ich denke, es ist besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen und ich nächste Woche allein auf das Konzert gehe. Bis wir wissen, wie es um unsere Freundschaft steht“, sagte sie leise, woraufhin sein Herz ein weiteres Mal in tausend Stücke zerbrach. Sie schloss die Tür hinter sich und ließ ihn mit dem Kätzchen, was sich immer noch um seine Beine schmiegte zurück. Die Wut verblasste und die Leere, die er zuvor gespürt hatte, machte sich erneut in ihm breit. Sie hatte ihm sein Herz herausgerissen und genauso fühlte er sich auch. Wie eine leere Hülle, die von der Dunkelheit seiner Gedanken erfasst und ausgefüllt wurde.

Konzert mit Hindernissen

„Ich kann nicht glauben, dass ihr euch so verkracht habt!“, sagte Kari fassungslos und schüttelte energisch den Kopf. „Ihr seid doch alle Freunde! Ihr dürft euch nicht streiten!“

Mimi stöhnte und stützte ihr Kinn auf ihrem Handrücken ab, während sie Kari betrübt in die Augen sah. „Leider ist es so… seit zwei Wochen herrscht Funkstille zwischen Izzy und mir. Und Tai redet auch nicht mehr mit ihm.“

Die Freundinnen hatten sich alle bei Sora getroffen, um gemeinsam zu backen. Mimi brauchte unbedingt etwas Ablenkung und war daher mehr, als froh gewesen, als Sora sie anrief und zu sich einlud.

Die ganzen restlichen Tage, seit sie Izzy das letzte Mal gesehen hatte, waren sie sich aus den Weg gegangen. In der Schule sahen sie sich kaum noch und wenn sie doch mal eine Stunde zusammen hatten, ignorierten sich beide gekonnt. Mimi fiel es sichtlich schwer sich auf ihre bevorstehenden Prüfungen zu konzentrieren, die immer näher rückten. Diese Dreiecksgeschichte belastete sie immer mehr!

Und Tai… aus Tai war einfach kein Wort rauszukriegen. Er blockte alles ab, was auch nur im Entferntesten mit Izzy zu tun hatte.

Mimi hatte ihm erzählt, was Izzy zu ihr sagte, woraufhin Tai äußerst merkwürdig reagiert hatte. Er war wütend in der Wohnung auf und abgegangen und ließ sich kaum beruhigen. Seitdem wollte Mimi das Thema lieber nicht mehr anschneiden und wenn sie es doch ein Mal tat, wich er ihr aus.

„Wisst ihr, ich hab einfach das Gefühl, dass zwischen Izzy und Tai mehr vorgefallen ist, als sie zugeben“, sagte sie und sah nachdenklich in die Runde, während sie auf eine Antwort hoffte, die ihr irgendwie weiterhalf. Dieses Gefühl, dass etwas Unausgesprochenes sowohl zwischen Izzy und ihr, als auch zwischen Tai und ihr stand, ließ sie einfach nicht mehr los.

„Mmh, meinst du wirklich? Ich glaube, die Beiden sind einfach nur durch den Wind und verhalten sich deswegen so merkwürdig. Ist ja auch kein Wunder, nach allem was passiert ist“, gab Sora zu bedenken, während sie den Teig in die Muffinförmchen füllte.

Mimi hatte ihren Freundinnen inzwischen alles erzählt, auch Kari und Meiko. Dass sie mit Tai zusammen war, dass Izzy sie geküsst hatte, dass Tai ihn verprügelt hatte… Nur die Sache mit dem Stipendium behielt sie lieber vorerst für sich. Warum alle verrückt machen, wenn sie es am Ende doch ablehnen würde?

„Da hat sie recht, du bist auf jeden Fall nicht zu beneiden“, sagte Meiko schulterzuckend und wischte nebenbei die Arbeitsplatte ab.

„Jetzt mach es doch nicht noch schlimmer, als es ist!“, meinte Kari leicht vorwurfsvoll und schenkte Mimi einen aufmunternden Blick. „Es wird sich sicher alles wieder einrenken. Mein Bruder kann manchmal ein echter Sturkopf sein, aber früher oder später wird er sich wieder mit Izzy vertragen, ganz sicher.“

Mimi lächelte sie unsicher an, war jedoch dankbar für ihre aufmunternden Worte. Vielleicht machte sie sich wirklich zu viele Gedanken und alles würde sich irgendwann von selbst wieder einrenken.

„Kari hat recht, die beruhigen sich schon wieder!“, sagte Sora und schob die Muffins in den Ofen, bevor sie sich die Hände an ihrer Schürze abklopfte und Mimi vielsagend ansah. „Kommen wir nun zu den wichtigen Dingen des Lebens.“

Mimi legte den Kopf schief und sah sie fragend an. „Was meinst du?“

„Na ja… eure erste gemeinsame Nacht? Klingelt da was bei dir?“, grinste ihre beste Freundin sie frech an und nicht nur Mimi, sondern auch Kari lief augenblicklich rot an.

„Oh Gott, ich verschwinde dann mal!“, nuschelte Kari und wollte sich schon aus dem Staub machen, doch Meiko zerrte sie zurück in die Küche. „Ach komm schon, stell dich nicht so an. Wir wollen alle wissen, wie es war!“, lachte sie.

„Also ich nicht!“, sagte Kari und verzog das Gesicht, woraufhin Mimi kichern musste. Natürlich war es Kari unangenehm über die intimen Dinge ihres Bruders Bescheid zu wissen, das konnte sie ihr nicht verübeln. Tai reagierte ganz ähnlich, wenn es um sie und Takeru ging.

„Also ich weiß wirklich nicht, was ihr jetzt von mir hören wollt“, gab Mimi zur Antwort und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du weißt ganz genau, was wir von dir hören wollen!“, erwiderte Sora mit einem deutlichen Blick.

„Wie war er?“, sprudelte es aus Meiko heraus und sie sah Mimi auffordernd an, während Kari nur die Hände vors Gesicht schlug. „Oh bitte! Tut mir das nicht an!“

Die anderen lachten amüsiert auf, doch bevor Mimi, noch irgendwer anders etwas über das Thema sagen konnte, klingelte es an der Tür.

Mimi quiekte kurz auf vor Begeisterung und klatschte in die Hände. „Oh, das ist er sicher.“

Er wollte sie gegen Abend abholen, denn heute war das ‚Festival of Hearts‘, zu dem sie ursprünglich mit Izzy hingehen wollte. Doch da sich das ja nun erledigt hatte, gab es keine bessere Alternative für Mimi, als Tai mitzunehmen.

Sora ging zur Tür und kam mit dem Braunhaarigen im Schlepptau zurück in die Küche. Mimi musterte ihn kurz und musste feststellen, dass er einfach unheimlich gut aussah, in seinen Jeans und dem dunkelblauen Shirt.

Er begrüßte Meiko und seine Schwester kurz und ging geradewegs auf Mimi zu, nur um sie an sich zu ziehen und ihr einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

„Hallo Prinzessin.“

Mimi kicherte. „Was ist aus ‚hey Baby‘ geworden?“

„Mmh, das ist doch jetzt nicht mehr nötig…“, antwortete Tai verführerisch und gab ihr noch einen Kuss.

„Oh man, daran muss ich mich erst mal gewöhnen“, sagte Kari stirnrunzelnd und grinste die beiden frisch Verliebten an.

„Du kannst mal ganz ruhig sein, Schwesterchen. Oder wie oft musste ich mir Takerus und dein Geknutsche ansehen?“, erwiderte Tai keck, woraufhin alle in Gelächter ausbrachen.

„So, wir werden dann mal“, sagte Mimi, schnappte sich ihre Tasche und verabschiedete sich mit einer Umarmung von ihren Freundinnen.

„Viel Spaß, ihr zwei“, sagte Sora und warf Mimi noch einen flüchtigen Blick zum Abschied zu.
 

„Oh man, Mädchen…“, stöhnte Tai genervt auf, als sie die Wohnung verlassen hatten und sich auf den Weg zum Konzert machten. „Ihr habt doch sicher über uns gesprochen, als ich gekommen bin“, hakte er nach und warf Mimi einen vielsagenden Blick zu.

„Wie kommst du denn darauf?“, kicherte die Brünette.

Tai lachte auf und nahm ihre Hand. Es fühlte sich so gut an, mit ihr Händchenhaltend durch die Straßen zu gehen und sich nicht mehr verstecken zu müssen.

Die Katze war aus dem Sack! Ihre Freunde wussten Bescheid, Izzy wusste Bescheid… wenn auch mehr oder weniger unbeabsichtigt.

Doch wenn Tai ganz ehrlich zu sich war, tat ihm Izzy inzwischen kein Stück mehr leid. Er hatte so die Nase voll davon, wie selbstgefällig der Rothaarige war! Erst machte er ihm ein schlechtes Gewissen und dann machte er sich auch noch an seine Freundin ran, obwohl er wusste, dass der Zug für ihn abgefahren war. Ganz davon abgesehen, dass er wegen Izzy überhaupt erst in dem Schlamassel steckte.

Jedes Mal, wenn Tai daran dachte, hätte er ihm direkt wieder eine verpassen können. Doch da er ihm neuerdings nicht mehr sah, ergab sich zum Glück keine Gelegenheit dazu. Und selbst wenn, würde Mimi das nicht wollen.

Irgendwie war Tai erleichtert gewesen, dass die Schülerin zunächst erst mal keinen Kontakt zu Izzy wollte. Auch wenn es ihn innerlich schmerzte, sie so leiden zu sehen. Die Situation tat ihr nicht gut. Sie stand zwischen den Stühlen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.

Tai wusste selbst nicht, wie es weitergehen sollte. Er für seinen Teil wollte jedenfalls erst mal nichts mit Izzy zu tun haben. Vielleicht kam das Computergenie ja irgendwann zur Besinnung würde einsehen, dass es falsch war sich zwischen sie zu drängen.

Doch so lange das nicht der Fall war konnte er ihm gestohlen bleiben!

Und was Mimi betraf… sie brauchte dringend etwas Ablenkung, also kam das Konzert genau richtig. Außerdem hatte Tai sich dazu entschlossen, einfach die Zeit mit ihr zu genießen und sich nicht weiter von Izzy runter ziehen zu lassen. Schließlich wusste er nicht, wie viele gemeinsame Stunden ihnen noch bleiben würden… Bis jetzt hatten sie nicht wieder über das Stipendium gesprochen.

„Sag mal, ist alles in Ordnung bei dir? Du siehst so nachdenklich aus“, stellte Mimi fest und sah ihn fragend an.

„Mmh? Nein, alles in Ordnung. Ich freue mich auf das Konzert!“, sagte Tai lächelnd, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und legte einen Arm um sie.

Mimi grinste und schmiegte sich eng an ihn.

Sie waren einfach so glücklich miteinander. Tai wollte überhaupt nicht daran denken, dass das bald vorbei sein könnte. Und an Izzy wollte er auch nicht mehr denken!

Wen interessierte schon, warum er sich in Mimi verliebt hatte?

Endlich fühlte er sich komplett und dieses Gefühl wollte er um nichts in der Welt wieder verlieren!
 

„Verdammter Scheiß!“, fluchte Mimi laut vor sich hin, als sie vor dem Einlass standen. „So eine verfluchte Scheiße!“

„Du wiederholst dich“, sagte Tai nur und zog eine Augenbraue nach oben, während die Brünette wie verrückt in ihrer Tasche kramte.

„Ich weiß genau, dass ich sie eingesteckt habe!“

„Was ist denn nun? Haben Sie die Karten oder nicht?“, fragte der Mann genervt, der zwischen ihnen und dem Eingang stand.

Mimi funkelte ihn böse an, nahm Tai bei der Hand und zog ihn hinter sich her, weg vom Eingang und der Menschenmasse, die sich schon hinter ihnen aufdrängte.

„Das gibt es doch nicht!“, stöhnte Mimi, kniete sich hin und schüttelte den gesamten Inhalt ihrer Tasche auf den Boden aus. „Ich kann sie nicht finden!“

Tai musste schon langsam schmunzeln, weil sie sich so süß aufregte. Anscheinend hatte sie die Eintrittskarten tatsächlich vergessen. Und um jetzt noch mal zurück zu gehen und die Karten zu holen war es eindeutig schon zu spät.

„Ach komm Mimi, ist doch nicht so schlimm“, versuchte er sie zu beruhigen, kniete sich neben sie und half ihr dabei, ihre Sachen wieder einzuräumen.

„Nicht schlimm?“, fragte die Brünette schrill und sah ihn entgeistert an. „Aber ich hab mich seit Wochen auf das Konzert gefreut!“, jammerte sie übertrieben laut, so dass sie andere vorbeigehende Gäste schon skeptisch beäugten.

„Beruhig dich wieder, wir kommen schon irgendwie rein!“, sagte Tai und dachte angestrengt nach, während er die Gegend unter die Lupe nahm.

„Ach ja und wie sollen wir das anstellen?“, fragte sie unsicher nach und schluckte ihren Ärger hinunter.

Tai erblickte etwas und ihm kam ein Gedanke. Er grinste geheimnisvoll, nahm Mimi an die Hand und zog sie hoch. „Komm mit!“

So unauffällig wie möglich schlenderte er mit ihr in Richtung Hintereingang, vorbei an der langen Schlange, die sich vor dem Haupteingang aufreite und ungeduldig wartete.

„Tai, was hast du vor?“, fragte Mimi irritiert und sah sich unsicher um.

„Vertrau mir!“, forderte er sie auf und steuerte weiter zielstrebig den Hintereingang an, wovor ein Security Mann stand.

Mimi zog eine Augenbraue hoch und sah ihn skeptisch an. „Wieso hab ich das Gefühl, dass wir gleich schon wieder was Verbotenes tun?“
 

Als sie bei dem schwarzgekleideten Mann vor dem Hintereingang angekommen waren, baute dieser sich sogleich vor ihnen auf. „Hier ist kein Zutritt!“, wies er sie schroff zurecht.

Dieser Typ war ungefähr doppelt so breit, wie Tai und Mimi konnte sich nicht vorstellen, wie sie an ihn vorbei kommen wollten…

„Entschuldigen Sie bitte, Sie müssen uns helfen!“, begann Tai hektisch zu erzählen und legte ein ernstes Gesicht auf.

„Meine kleine Schwester ist verschwunden und ich kann sie nicht mehr finden!“

Der große Mann beäugte Tai kritisch von oben bis unten, als würde er seine Glaubhaftigkeit prüfen wollen. „Bitte, wir haben sie schon überall gesucht, aber sie ist wohl in der Masse verloren gegangen. Ach, ich hätte besser auf sie aufpassen müssen…“, dramatisierte Tai die Lage und fuhr sich aufgebracht mit der Hand durch die Haare.

„Was geht’s mich an? Dann musst du eben besser auf deine Schwester aufpassen!“, erwiderte der Mann kühl und Mimi sackte das Herz in die Hose. Niemals würde er ihnen das abkaufen, auch wenn Mimi ziemlich beeindruckt von Tai’s plötzlichen Schauspielkünsten war.

„Bitte…“, versuchte der Student es weiter und setzte eine mitleidige Miene auf. „…sie ist erst sieben.“

Die Augen des Mannes weiteten sich augenblicklich und er wurde nervös. „Was, erst sieben? Junge, bist du denn verrückt? Wie kannst du so ein kleines Mädchen unbeaufsichtigt lassen? Weißt du nicht, wie gefährlich das ist?“, schimpfte er ihn und setzte sich sofort in Bewegung, während er in sein Funkgerät sprach, was an seiner Brust befestigt war. „An alle Einheiten, ein kleines Mädchen wird vermisst! Sie ist sieben Jahre alt und ihr Bruder hat sie in der Menge verloren.“

„Danke, hoffentlich finden Sie meine Schwester“, rief Tai ihm noch sorgenvoll nach, als der Mann sich vom Hintereingang entfernte und um die nächste Ecke bog.

Mimi grinste den Braunhaarigen vielsagend an und stemmte die Hände gegen die Hüften.

„Ich wusste gar nicht, dass Kari noch so jung ist“, kicherte sie. Tai war einfach unmöglich!

„Sie werden‘s schon irgendwann merken“, grinste Tai triumphierend und zuckte mit den Schultern, als er sie an die Hand nahm und sie sich heimlich durch den Hintereingang schlichen.
 

Unauffällig mischten sie sich wieder unters Volk. Zum Glück hatte sie niemand gesehen und insgeheim grinste Mimi sich eins, dass ihr Freund so gerissen war und sie doch noch reingeschmuggelt hatte. Es war zwar nicht ganz legal, aber sie hatte sich schließlich seit Wochen auf das Konzert gefreut und wollte es um keinen Preis verpassen! Tai’s Methoden waren zwar gewöhnungsbedürftig, aber sie erfüllten ihren Zweck.

„Soll ich uns was zu trinken holen?“, fragte Tai sie, während sie sich mitten in der Menge platzierten und sich einen guten Blick auf die Bühne sicherten.

Mimi nickte und sah hoch in den Himmel. Sie hatten wirklich Glück mit dem Wetter. Die Sonne ging gerade unter und ihnen stand eine sternenklare Nacht bevor.

„Okay, bin gleich wieder da. Nicht weglaufen!“, witzelte Tai und verschwand kurz, um ihnen die Getränke zu besorgen.

Er war noch nicht zurückgekehrt, als der Frontsänger einer bekannten japanischen Band eine kurze Ansprache hielt und bereits den ersten Gig ankündigte. Die Menge begann zu toben, als die Bandmitglieder das Rampenlicht betraten und ihren ersten Track spielten.

Er war ziemlich rockig, so dass alle um sie herum sofort anfingen zu tanzen und rum zu springen. Gerade, als auch Mimi sich mitreißen ließ, tauchte Tai wieder neben ihr auf und hielt ihr ein kaltes Bier unter die Nase. Sie nahm ihm das Getränk ab und drückte ihn einen innigen Kuss auf die Lippen. Ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie das Konzert doch noch miterleben durfte. Er grinste sie verschmitzt an, bevor sich beide wieder der Musik widmeten und sich von der tobenden Masse mitreißen ließen.
 

Mimi war vom vielen Tanzen schon ziemlich durchgeschwitzt, als die gefühlt zwanzigste Band auf der Bühne eine kurze Pause verkündete. Es war inzwischen dunkel geworden und die Atmosphäre wurde trotz, dass sie sich unter freiem Himmel befanden immer hitziger. Auch Mimi hatte schon einiges getrunken und sich beim Tanzen völlig verausgabt, so dass sie eine kleine Pause gut gebrauchen konnte.

Tai, der lieber die Musik in vollen Zügen genoss, anstatt wie Mimi wild herum zu springen, fühlte sich weniger erschöpft. „Wollen wir ein Stück gehen?“, schlug er der Brünetten vor, die gerade dabei war, sich wieder zu sammeln.

„Gute Idee“, gab sie seufzend zurück.

Sie drängten sich an den vielen Leuten vorbei an eine Stelle, wo es weniger eng war und Mimi lehnte sich erschöpft gegen eine Wand. „Wow, das Konzert ist wirklich der Hammer!“, schwärmte sie und grinste Tai mit leuchtenden Augen an. Tai stand neben ihr und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während er sie mit einem schiefen Grinsen musterte.

„Gefällt es dir?“, fragte sie den Studenten lächelnd und legte den Kopf schief.

„Ja, schon… aber du gefällst mir besser“, erwiderte er und legte einen verführerischen Blick auf.

Mimi musste kichern und sah ihn irritiert an. Er machte einen Schritt auf sie zu und packte sie an den Hüften, nur um sie eng an sich zu drücken.

Mimi sah ihm in die Augen und wusste genau was er wollte. Sehnsüchtig presste sie sich ihm entgegen und legte ihre Lippen auf seine. Seine Hände begannen sofort ihren zierlichen Körper zu erforschen, während ihre Zungen begierig miteinander spielten. Dass sie gerade nicht alleine waren und immer wieder Leute an ihnen vorbeigingen, interessierte sie kein Stück, was vermutlich auch am Alkohol lag…

Doch als ihre Küsse immer fordernder wurden, löste Tai sich von ihr und sah sie vielsagend an. „Wollen wir uns in eine etwas ruhigere Ecke verziehen? Ich glaub ein bisschen Zeit haben wir noch bis zum nächsten Auftritt.“

Mimi zog eine Augenbraue nach oben und grinste ihn zustimmend an.

Gerade, als sie sich durch die Menge drängten und um die nächstbeste Ecke abbiegen wollten, riefen ihnen mehrere Leute aufgebracht hinterher.

„Da sind sie! Ich hab sie! Das ist der Kerl!“, rief ein Mann deutlich verärgert. Mimi drehte sich um und blickte in das Gesicht des Security Mannes, den sie reingelegt hatten, um auf das Konzert zu kommen.

Er wirkte sichtlich verärgert. Sein Kopf war knallrot und er hob ihnen drohend die Faust entgegen.

„Ach du Scheiße“, stöhnte Tai auf, der den Mann ebenfalls bemerkt hatte. „Ich glaube, wir sollten besser verschwinden“, grinste er Mimi gelassen an und zog sie eilig hinter sich her, während der Mann einige seiner Kollegen herbeirief und sich ihnen an die Fersen heftete. Mimi wusste nicht, wie viele Leute ihnen folgten, sie hörte nur die drohenden Rufe und sah, wie die Leute ihnen auswichen, als sie durch die Menge rannten.

„Bleibt sofort stehen!“, riefen sie immer wieder, doch das war zwecklos. Tai und Mimi waren einfach viel schneller, als die Männer und schon bald hatten sie sie abgehängt.

Sie drängten sich gerade noch durch den Ausgang, vorbei an einem weiteren Security, der gerade über Funk die Anweisung erhalten hatte, die zwei Flüchtigen aufzuhalten.

„Halt, stehen bleiben!“, rief er ihnen noch hinterher, machte sich jedoch gar nicht mehr die Mühe ihnen zu folgen.

„Ihr lahmen Schnecken!“, rief Tai ihnen noch lachend zu, während sie immer weiter rannten und die Security Leute weit hinter sich ließen.

Als sie um die nächste Ecke bogen, ließ Mimi sich keuchend und lachend zugleich auf den Boden fallen. Sie hielt sich die pochende Brust, während sie nach Luft rang. Auch Tai stützte sich leicht erschöpft auf den Knien ab und konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

„Man, die sind vielleicht blöd! Haben die ernsthaft geglaubt, dass sie uns kriegen?“

Mimi sah ihn gespielt vorwurfsvoll an. „Ich frage mich nur, warum unsere Dates immer damit enden, dass wir vor irgendwem weglaufen…“

Beide prusteten wieder los, als sie an den Vergnügungspark zurückdachten, wo sie ebenfalls vor einem Mann davon gelaufen waren.

„Na komm, ich helf dir hoch!“, sagte Tai, als er sich wieder gefangen hatte und Mimi seine Hand hinhielt. „Tut mir Leid, dass du jetzt die andere Hälfte des Konzerts verpasst“, entschuldigte er sich bei ihr.

„Wieso verpassen? Ich dachte, wir schmuggeln uns noch mal rein“, grinste Mimi ihn frech an.

„Weißt du was? Ich würde dir das sogar zutrauen, du bist so verrückt! Aber ich finde, wir sollten unser Glück nicht noch mehr herausfordern“, sagte Tai keck und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Ich finde, wir sollten lieber da weitermachen, wo wir vorhin aufgehört haben.“

Mimi sah ihn vielsagend an und ein verführerisches Lächeln huschte ihr über die Lippen. „Mmh, zu dir oder zu mir?“

Tanz auf dünnem Eis

„Autsch“, kicherte Mimi, als sie beide in ihre Wohnung stolperten und sie prompt über ihre Schuhe fiel. Tai umarmte sie von hinten und begann zärtlich ihren Nacken zu küssen, was Mimi sofort einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Ein sanftes Stöhnen kam über ihre Lippen, woraufhin Tai seine Küsse ihren Hals entlang fortsetzte, ihre Hand nahm und auch diese liebevoll küsste.

Die Brünette drehte sich zu ihm um, sah ihm tief in die Augen und hauchte ihn einen sehnsüchtigen Kuss auf die Lippen, der schnell immer intensiver wurde. Seine Zunge verlangte nach Einlass, während seine Hände weiter ihren Körper hinab wanderten und auf ihrem Hintern ruhen blieben. Er drückte sie weiter an sich, so dass sie seine Erregung deutlich spüren konnte. Den ganzen Weg über hatten sie sich immer wieder verliebte Blicke zugeworfen, die beiden ziemlich genau verrieten, was als nächstes geschehen würde. Kaum hatten sie das Gebäude betreten, waren sie förmlich übereinander hergefallen.

„Mimi, du machst mich wahnsinnig!“, flüsterte Tai, als sie sich kurz voneinander lösten und Mimi ein keckes Grinsen über die Lippen huschte. „Ich weiß…“

Sie fuhr vorsichtig mit der Hand in seine Hose und begann langsam seine Erregung zu massieren, was den Studenten tatsächlich in den Wahnsinn trieb, denn er presste sogleich wieder seine Lippen begierig auf ihre und drängte sie weiter in Richtung Schlafzimmer.

Er stieß die Tür förmlich auf und schubste sie rücklings auf’s Bett.

„Au!“, beschwerte sich Mimi, während Tai sich über sie beugte und sie entschuldigend ansah. „Oh, tut mir leid.“

„Nein, nicht wegen dir…“, sagte sie stirnrunzelnd und kramte etwas unter ihrem Rücken hervor. Sie hielt sie Tai unter die Nase. Sie waren geknickt und das steife Papier hatte ihr wohl in den Rücken gepikst. „Ach, da sind die Karten“, lachte Tai, doch Mimi verzog nur beleidigt das Gesicht. „Na toll!“, murrte sie und schmiss die Karten achtlos zur Seite.

Tai ließ sich jedoch gar nicht weiter beirren und machte sich daran ihre Hose zu öffnen, während er ihren Hals mit Küssen benetzte.

Mimi grinste und entspannte sich wieder, indem sie die Augen schloss und jeden seiner Küsse auf ihrer Haut genoss, während er langsam in ihre Hose fuhr und begann ihre empfindliche Mitte zu streicheln…
 


 

Das schrille Geräusch des Weckers dröhnte in ihren Ohren und riss sie somit ziemlich unsanft aus ihren Träumen. Die letzte Nacht war einfach viel zu schnell vorbeigegangen... Und viel Schlaf hatte sie auch nicht abbekommen.

Stöhnend drehte sie sich um und haute so stark auf den Knopf des Weckers, dass er vom Nachttisch fiel und auf den Boden landete. Der Aufprall weckte den Braunhaarigen, der neben ihr lag. Er drehte sich mit einem Murren zu Mimi um, legte einen Arm um sie und kuschelte sich in ihr offenes Haar.

„Guten Morgen, Prinzessin“, flüsterte er liebevoll und drückte ihr einen Kuss auf die Schulter.

Mimi lächelte zufrieden und schmiegte sich an ihn.

Die letzte Nacht war einfach unbeschreiblich schön gewesen! So, wie alle Nächte, die sie mit Tai verbrachte.

„Musst du heute gar nicht zur Schule?“, fragte er sie noch im Halbschlaf, was die Brünette augenblicklich hochschrecken ließ. „Ach du meine Güte“, quiekte sie und hob den Wecker vom Boden auf. „Schon so spät!“

Schwungvoll warf sie die Decke zurück und sprang aus dem Bett.

„Was ist denn?“, fragte Tai ziemlich verdattert und sah ihr dabei zu, wie sie sich schnell ihren Schulrock überstreifte.

„Ich muss zur Prüfung“, erklärte Mimi eilig und wühlte in ihrem Kleiderschrank nach einer frischen Bluse.

Tai war augenblicklich wach und seine Augen weiteten sich. „Du musst was?“

„Ich habe heute Prüfung“, erläuterte sie ihm noch mal beiläufig.

Tai setzte sich auf und sah sie verärgert an, während sie ihre Bluse zuknöpfte und sie hektisch in ihren Rock stopfte.

„Das hab ich schon verstanden. Warum hast du mir nicht gesagt, dass das heute ist?“

„Weil du sonst nicht mit mir zum Konzert gegangen wärst“, sagte sie zuckersüß und grinste ihn frech an.

Tai stand auf und zog sich seine Hose an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte Mimi nieder, die ihm den Rücken zugewandt hatte, um im Spiegel ihre Haare zu richten.

„Zumindest hätte ich dich nicht die halbe Nacht wachgehalten.“

„Ach was, ich bin gut vorbereitet. Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm“, kicherte die Schülerin, wobei Tai fast der Mund aufklappte.

„Sag mal, spielst du gerade darauf an durchzufallen?“, fragte er fassungslos. Mimi drehte sich schwungvoll zu ihm um und zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon…“, antwortete sie gleichgültig. „Dann widerhole ich eben noch mal.“

Tai fiel es wie Schuppen von den Augen und er sah sie enttäuscht an. „Aber dann wäre dein Stipendium abgeschrieben!“

Mimi antwortete ihm nicht, sondern suchte nur weiter ihre Schulsachen zusammen und stopfte sie in ihre Tasche.

Tai zog sich seine restlichen Sachen an, während er weiter auf sie einredete.

„Mimi, das kann doch nicht dein Ernst sein. Ich weiß genau, dass du intelligent genug bist, um selbst zu erkennen, wie dumm das ist, was du eben gesagt hast.“

Er konnte gar nicht glauben, was seine Freundin da eben von sich gegeben hatte.

„Aber dann könnten wir wenigstens zusammen bleiben“, erwiderte sie leise und sah ihn traurig an.

„Mimi…“, sagte Tai, nahm ihre Hand in seine und drückte sie fest. „Ich will, dass du diese Prüfung bestehst. Alles andere wäre kompletter Wahnsinn!“

Er sah sie eindringlich an. Jetzt konnte er nur noch an ihre Vernunft appellieren…
 


 

Nervös wartete er vor der Schule, in der gerade seine Freundin saß und ihre Prüfung schrieb. Er hatte sich extra den Nachmittag freigeschaufelt, um sie abzuholen. Denn ihr Gespräch am Morgen endete abrupt, als Mimi eilig die Wohnung verließ, um nicht zu spät zu kommen. Auf seinen Versuch hin, sie zur Vernunft zu bringen, war sie nicht weiter eingegangen. Sie hatte ihn einfach nur angesehen, mit ihren traurigen Augen.

Und Tai fühlte sich schlecht dabei. Er verstand sie so gut, wirklich! Doch sie sah ihn an, als würde er geradezu wollen, dass sie ihn verlässt. Dabei war das Einzige, was er wollte, dass sie das Richtige tat. Das Richtige für sie – nicht für ihn!

Die Schulklingel riss ihn aus seinen Gedanken und kündigte das Ende der Prüfung an.

Gespannt wartete er darauf, dass sie rauskam. Doch zunächst kamen nur einige andere Schüler aus dem Gebäude. Ein paar von ihnen grüßten Tai im Vorbeigehen, da sie sich noch aus Schulzeiten oder von Mimi’s Party kannten. Doch die Brünette konnte er nirgends entdecken.

Insgeheim fragte er sich schon, ob sie überhaupt zur Prüfung gegangen war, doch gerade in dem Moment kam sie ihm entgegen, mit gesenktem Blick und runterhängenden Schultern.

Sie schien ihn gar nicht zu bemerken, denn sie ging direkt an ihm vorbei. Sie war wie weggedrehten.

„Mimi?“, fragte Tai unsicher. Die Schülerin blieb stehen und sah ihn überrascht an. „Tai, was machst du denn hier?“

Tai rang sich ein Lächeln ab und ging einige Schritte auf sie zu.

„Ich wollte dich abholen und fragen… fragen, wie es gelaufen ist?“

Mimi senkte erneut den Blick. „Ganz gut“, sagte sie kleinlaut und klang wenig begeistert.

Tai schluckte. Was sollte er nur davon halten? Was sollte er zu ihr sagen? Er konnte einfach nicht verstehen, warum sie sich selbst solche Steine in den Weg legte…

Mimi sah auf und ihr Blick schweifte ab, vorbei an Tai. Der Student drehte sich um und erkannte Izzy, der geradewegs auf die Beiden zukam.

Ihre Blicke trafen sich, woraufhin Izzy’s Augen sich zu Schlitzen verengten. Tai wandte sich stolz ab und wollte ihm keine weitere Beachtung schenken, wäre da nicht seine Freundin gewesen, die den Rothaarigen eindringlich musterte.

„Izzy…“, sagte sie unsicher, als der Schüler an ihr vorbeiging. „Wie war deine Prüfung?“

Izzy blieb stehen, sah sie jedoch nicht an. „Ich weiß zwar nicht, was es dich angeht, aber – besser, als erwartet“, antwortete er schlichtweg und würdigte sie keines Blickes. Die Brünette senkte geknickt den Kopf und verfestigte den Griff um ihre Tasche.

Tai konnte das gar nicht mit ansehen. Wie kühl und abweisend er sie behandelte! Es war zwar Mimi, die Izzy gesagt hatte, es wäre besser, sie würden sich erst mal nicht mehr sehen… aber das Ganze war jetzt schon ein paar Wochen her und Tai sah jeden Tag, wie seine Freundin darunter litt, keinen Kontakt mehr zu Izzy zu haben.

Oft genug hatte sie ihn in letzter Zeit darauf angesprochen, ob was zwischen ihm und Izzy vorgefallen wäre… Das Thema beschäftigte sie sehr, doch Tai brachte es nach wie vor nicht fertig, es ihr zu sagen. Und er wollte es inzwischen auch gar nicht mehr.

Aber dennoch wusste er genau, dass es ihr um die Freundschaft leidtat und es war einfach nicht gerecht, dass Izzy sie so behandelte. Er hatte es sich schließlich selbst mit ihr verscherzt!

Doch Mimi wagte es gerade einen kleinen Schritt auf ihn zuzugehen und er ließ sie eiskalt im Regen stehen.

„Oh man, du bist so ein Idiot, Izzy!“, sagte Tai abwertend

Er konnte einfach nicht mehr an sich halten. In seiner Stimme klang eindeutig Ärger und Wut mit, doch das war ihm egal. Mimi sah ihn erschrocken an. „Taichi!“, tadelte sie ihn sofort.

„Was denn? Ist doch nicht fair, wie er dich behandelt!“

Izzy drehte sich um und sah ihn argwöhnisch an.

„Vielleicht sollte ich mir ein Beispiel an dir nehmen, denn du behandelt sie ja äußerst fair…“, sagte er ruhig, während seine Augen Tai fixierten.

Mimi’s Blick huschte nervös zwischen den Beiden hin und her, doch anscheinend wusste sie nicht, was sie sagen sollte.

Tai’s Gesichtsausdruck verhärtete sich und er starrte den Rothaarigen förmlich nieder.

„Verschwinde!“, presste er unter zusammengebissenen Zähne hervor.

Izzy ließ ein verächtliches Zischen los und kehrte den Beiden den Rücken zu.

Mimi sah Tai verärgert an, als sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte.

„Das war nicht nötig, Tai“, blaffte sie ihn an und stemmte die Arme an die Seite.

„Ach nein? Also findest du es gut, dass er so mit dir redet?“, fragte Tai sarkastisch.

Mimi presste die Lippen aufeinander. Tai wusste, dass sie jetzt sauer auf ihn war. Doch er konnte einfach nicht anders. Izzy durfte sie nicht so behandeln!

„Weißt du was? Ich hab’s echt satt mit euch!“, fauchte Mimi ihn an und baute sich vor ihm auf. „Ich halte das nicht mehr aus, diese Streiterei. Ich weiß ja nicht mal, um was es hierbei überhaupt geht!“

„Du weißt genau, worum es geht! Er hat dich geküsst!“, entgegnete Tai verbittert.

„Hör endlich auf mich für dumm zu verkaufen, Tai. Ich bin nicht blöd!“

Dieser Satz ließ Tai unwillkürlich zusammenzucken und verschlug ihm regelrecht die Sprache.

„Du willst mir doch nicht ernsthaft sagen, dass es einzig und allein darum geht?! Wieso sagt Izzy dann ständig so komische Sachen? Eben auch schon wieder… Was weiß Izzy, was ich nicht weiß?“, redete die Brünette weiter auf ihn ein, während Tai nur verdattert dastand und nicht wusste, was er ihr sagen sollte. Die Lage spitzte sich immer weiter zu und er wusste nicht, wie lange er sie noch mit Ausreden hinhalten konnte…

Mimi seufzte und senkte traurig ihren Blick. „Ich kann das nicht mehr…“

„Was meinst du damit?“, fragte Tai irritiert nach.

„Ich meine diesen blöden Streit. Ich will das nicht mehr, Tai! Ich will, dass wir drei wieder Freunde sind, so wie früher!“, erklärte sie ihm unter erstickender Stimme.

Tai ballte seine Hände zu Fäusten und schluckte. Dieses ganze Szenario ließ ihn erschreckend feststellen, wie sehr es ihr weh tat, dass alles so verfahren war. Doch was sollte er tun? Wenn er ihr jetzt die Wahrheit sagen würde, warum Izzy und er sich wirklich so zerstritten hatten, dann…

Dann wäre sie mit Sicherheit noch mehr verletzt, als sie es eh schon war. Und das wiederum wollte er ihr auch nicht antun.

„Das geht gerade einfach nicht, Mimi“, antwortete er schließlich mit zusammengepressten Zähnen.

Mimi wandte sich augenblicklich von ihm ab und setzte sich in Bewegung.

„Warte mal, wo willst du denn jetzt hin?“, fragte Tai sie verdattert.

Mimi blieb noch ein Mal kurz stehen, würdigte ihren Freund jedoch keines Blickes mehr.

„Ich muss nach Hause und lernen. Ich habe diese Woche noch mehrere Prüfungen und du willst doch, dass ich sie bestehe oder?“, erwiderte sie mit kühler Stimme und ließ Tai stehen.
 

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Es war inzwischen mehr als zwei Wochen her, dass sie Tai das letzte Mal gesehen hatte. Seit sie ihn vor der Schule stehen gelassen hatte, wich sie jeglichen Treffen aus. Auf SMS reagierte sie nur sporadisch, dass sie keine Zeit habe und lernen müsse, auf Anrufe reagierte sie gar nicht. Dabei waren ihre Prüfungen längst vorbei und sie hatte nun nichts mehr zu tun, außer sich zu Hause zu langweilen. Dass sie sich den lieben langen Tag über Izzy und Tai Gedanken machte, blieb dabei natürlich nicht aus. Und solange keiner von beiden ehrlich zu ihr sein wollte, konnten ihr beide gestohlen bleiben!

Sie hätte gut etwas Ablenkung gebrauchen können, doch das war leichter gesagt, als getan. Duzende Kekse lagen bereits in ihrer Küche rum, die keiner aß. Und so richtig lenkte sie das Backen diesmal auch nicht ab.

Mimi seufzte und schlug das Buch frustriert zu, welches sie versucht hatte zu lesen. Allerdings hatte sie schon die letzten drei Seiten nicht mehr richtig mitbekommen und so ergab das natürlichen keinen Sinn. Vielleicht brachte sie stumpfes Fernsehprogramm etwas auf andere Gedanken.

Ihr Handy klingelte und Mimi sah hoffnungsvoll auf das Display. Eine SMS von Sora.

„Tut mir leid, Mimi. Aber ich muss noch so viel für mein Projekt vorbereiten. Vielleicht ein ander mal – Sora“

Mimi schmiss das Handy zurück auf den Tisch. Sie hatte Sora gefragt, ob sie Zeit für Kino oder Shopping hätte, doch daraus wurde ja nun nichts…

Mimi war den Tränen nahe. Wieso schien gerade alles den Bach runter zu gehen? Ihre Freundschaft zu Izzy. Ihre Beziehung zu Tai. Ihr Stipendium… Alles schien zurzeit auf dünnem Eis gebaut zu sein. Und sie wusste nicht, wann das Eis unter ihnen endgültig zusammenbrechen würde.

Sie wischte sich eine stille Träne weg, die über ihre Wange rann, während sie ihren Kopf auf ein Sofakissen bettete. Wieso geriet ihr Leben gerade so aus dem Gleichgewicht, wo doch alles so perfekt begonnen hatte, als sie sich in Tai verliebte?!

Sie vermisste ihn… so sehr! Doch irgendetwas stand zwischen ihnen und Mimi wollte das nicht länger ignorieren. Ob es wirklich Izzy war oder etwas Anderes, das wusste wahrscheinlich nur Tai.

Sie krallte sich in ihr Kissen und wollte sich gerade ihren aufkommenden Tränen ergeben, als es unerwartet an der Tür klingelte. Mimi wischte sich schnell mit dem Ärmel über ihre feuchten Augen, stand auf und schlurfte zur Tür.

Ohne darüber nachzudenken, wer es sein könnte, öffnete sie und blickte in das Gesicht, dass sie so sehr vermisst hatte.

„Tai.“

„Mimi, kann ich reinkommen?“, fragte der Braunhaarige zaghaft und vergrub die Hände in den Hosentaschen.

Mimi überlegte kurz, trat jedoch dann zur Seite und ließ ihn rein. Was wollte er bei ihr?

„Tut mir leid, dass ich so unangemeldet hereinplatze, aber…“, begann Tai sich zu entschuldigen und folgte Mimi ins Wohnzimmer. „…aber du gehst ja nicht an dein Telefon.“

„Ich bin beschäftigt. Ich muss lernen“, gab die Brünette kurz zur Antwort, drehte sich zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mimi, deine Prüfungen sind lang vorbei, das weiß ich von Sora“, sagte der Student ruhig und sah sich in ihrer Wohnung um. Mimi folgte seinem Blick, der an dem Chaos auf dem Tisch und auf dem Sofa hängen blieb. Sie hatte sich in letzter Zeit wohl etwas zu sehr gehen lassen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass auch sie ziemlich unsortiert aussehen musste. Schnell versuchte sie ihr zerzaustes Haar zu verstecken, in dem sie es nach hinten band.

Tai sah sie mitleidig an, was Mimi erneut die Tränen in die Augen trieb.

„Hast du geweint?“, fragte er unverblümt und kam ihr ein Stück näher, um sie genauer zu betrachten.

„Nein!“, sagte sie schnell und drehte sich von ihm weg, damit er nicht sehen konnte, wie die Tränen ihre Augen füllten. So gerne würde sie sich in seine Arme stürzen und sich ausweinen. Sie wollte ihm liebend gern nah sein, doch ihr Stolz ließ es einfach nicht zu.

„Also? Warum bist du hier?“

„Ich wollte mit dir reden“, sagte Tai, während Mimi sich auf die Couch setzte und die Beine anzog. „Und worüber?“

Tai setzte sich neben sie und sah sie eindringlich an. „Über dich? Über uns? Über Izzy?“

Mimi versuchte seinem Blick Stand zu halten. Sie hoffte, dass Tai nicht gekommen war, um ihr wieder irgendwelche Ausflüchte aufzutischen. Davon hatte sie genug!

„Ich höre?“, sagte sie mit fester Stimme und war gespannt darauf, was er ihr zu sagen hatte.

Tai sah sich erneut unsicher um und beäugte sie dann skeptisch. „Wollen wir nicht ein bisschen rausgehen und in Ruhe reden? Irgendwie siehst du so aus, als könntest du mal etwas frische Luft vertragen.“

Mimi zog eine Augenbraue nach oben. „Was soll das denn heißen?“

Der Braunhaarige grinste schief und fuhr sich nervös durchs Haar. „Na ja, wann warst du denn das letzte Mal draußen? Wir könnten doch was Essen gehen, was hältst du davon?“, schlug er ihr vor und sah sie hoffnungsvoll an, während Mimi nur misstrauisch das Gesicht verzog. Tai seufzte. „Und ich verspreche dir, dass ich dir dann alles erzählen werde. Ich meine, was zwischen Izzy und mir vorgefallen ist.“

Mimi schluckte. Wenn das hier wirklich sein Ernst war, konnte sie unmöglich ablehnen. Sie wollte endlich wissen, warum Tai und Izzy sich wirklich so zerstritten hatten. Sie wollte es endlich verstehen…

„Gut“, nickte sie und stand auf. „Ich zieh mir nur schnell was Anderes an.“

Die Wahrheit?

„Weißt du was? Ich habe eine super Idee! Wieso gehen wir nicht in das Restaurant, von dem du noch einen Gutschein hast? Du weißt schon, was Kari dir zum Geburtstag geschenkt hat“, schlug Tai begeistert vor, als Mimi aus dem Schlafzimmer kam und ihn skeptisch ansah.

Sie hatte es tatsächlich geschafft, sich einigermaßen frisch zu machen. Ihre Jeans lag eng an und schmeichelte ihrer Figur, während ihr luftiges T-Shirt sich locker um ihren Oberkörper schmiegte. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr leicht über die Schulter fiel.

„Also wenn ich ehrlich bin, ist mir gerade eher nicht nach Candle Light Dinner“, antwortete Mimi abweisend, während sie sich ihre Schuhe anzog.

„Ach komm schon, Mimi. Das wird sicher schön!“, versuchte Tai sie weiter zu überreden und trat hinter sie. Er war ihr so nah, dass sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren konnte, was ihr sogleich einen wohligen Schauer über den Rücken jagte.

„Ich habe aber keine Lust mich noch mal umzuziehen und für so ein schickes Restaurant bin ich eindeutig nicht richtig gekleidet“, gab sie zu bedenken und hoffte insgeheim, dass er sich damit zufriedengeben würde.

„Ist doch völlig egal was du anhast, du siehst eh wunderschön aus!“

Tai trat noch ein Stück näher an sie ran und strich sachte über ihren Arm.

„Kannst du mir nicht einfach eine Chance geben?“, flüsterte er beinahe, während Mimi es kaum aushielt ihm so nah zu sein. Ihre Gefühle spielten völlig verrückt.

Vor zwei Wochen wäre sie wahrscheinlich über ihn hergefallen, doch das musste sie sich strengstens verkneifen. Das würde nun wirklich das falsche Signal setzen…

„Na gut“, stimmte sie schließlich zu, nur um dieser für sie hitzigen Situation zu entkommen. Als sie sich zu ihm umdrehte, stieg ihr sein unvergleichlicher Duft in die Nase, woraufhin sie ganz unwillkürlich die Augen schloss und ihn tief einatmete.

Sie spürte seine Hand an ihrer Wange. Allein diese winzig kleine Berührung brachte ihr Herz zum rasen. Sie hatte ihn zwei Wochen nicht gesehen, zwei lange Wochen nicht gespürt… Ihre Gefühle überschlugen sich sehnsuchtsvoll, doch sie musste sich zusammenreißen!

Mimi zwang sich dazu, sich von ihm abzuwenden und in einer Schublade im Flur nach dem Gutschein zu suchen.

„Muss man dort nicht schon Wochen im Voraus reservieren?“, fragte sie unsicher nach, als sie den Gutschein in die Tasche steckte.

„Kann schon sein, vielleicht haben wir Pech. Aber vielleicht haben wir auch Glück“, zuckte Tai mit den Schultern und grinste sie verschmitzt an. Anscheinend war ihm seine Wirkung auf Mimi nicht entgangen. Die Brünette merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und sie wich seinem Blick schnell aus. „Also, können wir dann?“, fragte sie ungeduldig und verließ eilig die Wohnung, während Tai ihr immer noch grinsend folgte.
 

„Wissen Sie, Sie haben Glück, dass das Pärchen vor Ihnen abgesagt hat. Ansonsten sind wir heute und die kommenden Wochen komplett ausgebucht“, erklärte ihnen der Kellner, während er sie zu ihrem Tisch führte.

Mimi sah sich mit großen Augen um.

Das Restaurant, was Kari ausgesucht hatte, war wirklich mehr als schick. Überall brannten Kerzen, im Hintergrund lief leise Musik und alle waren so vornehm gekleidet. Selbst das Personal schien völlig overdressed!

Mimi kam sich in ihrem legeren Outfit völlig fehl am Platze vor. Hätte sie gewusst, dass das so ein edler Laden war, hätte sie sich vielleicht doch noch mal die Mühe gemacht sich umzuziehen.

„Es ist alles gut, du siehst fantastisch aus!“, flüsterte Tai ihr ins Ohr, als hätte er ihre Gedanken lesen können, worauf Mimi schmollend den Mund verzog.

Na klar, er hatte leicht reden… in seinem weißen, faltenfreien Hemd, was ihn seriöser aussehen ließ, als er eigentlich war.

Gerade wollte der Kellner für Mimi den Stuhl zurückziehen, als Tai ihm zuvorkam. „Ich mach das schon, danke“, sagte er freundlich.

Diese ganze übertriebene Nettigkeit irritierte Mimi zusehends. Den ganzen Abend schon strotzte Tai nur so vor Höflichkeit und mimte den perfekten Gentlemen. Er hielt ihr die Tür auf, ließ sie vor gehen, half ihr aus der Jacke…

Wenn sie nicht gewusst hätte, dass es Tai war, hätte sie es nicht geglaubt!

Mit Argusaugen beobachtete sie, wie Tai ihnen eine Flasche Champagner bestellte und insgeheim fragte sie sich, was er wohl vorhatte.

Irgendwie war sein Verhalten ihr unheimlich. Sie hatten sich seit zwei Wochen nicht gesehen und diese unausgesprochene Sache stand immer noch zwischen ihnen. Doch auf Mimi wirkte es fast so, als würde Tai sich bereits in Sicherheit wiegen. Dabei war sie immer noch sauer auf ihn und das sollte er auch spüren! Nur, weil er ihr hier offensichtlich den Hof machte, brauchte er nicht zu glauben, dass alles wieder gut zwischen ihnen war.

„Dich soll mal einer verstehen…“, sprach sie ihre Gedanken laut aus und fixierte Tai mit einem argwöhnischen Blick, als der Kellner ihnen gerade ein Glas Champagner eingeschenkt hatte.

Tai zog eine Augenbraue hoch, entschied sich jedoch dazu diesen Kommentar von ihr unter den Tisch fallen zu lassen. Sicher wusste er genau, worauf sie anspielte.

„Also…“, räusperte er sich leicht und warf einen Blick in die Karte. „Wie sind deine Prüfungen gelaufen?“

„Gut. Aber ich bin nicht mit dir hier hergekommen, um über meine Prüfungen zu reden“, sagte sie beiläufig und überflog ebenfalls die Karte.

Eigentlich schade, dass sie dieses wunderschöne Candle Light Dinner nicht genießen konnte. Irgendwie hatte sie sich den Abend anders vorgestellt. Aber sie war tatsächlich nicht hier, um ein Schwätzchen mit ihm zu führen. Sie war hier, weil er ihr was versprochen hatte!

Mit einem prüfenden Blick sah sie ihn an und wartete auf eine Reaktion.

„Na gut“, begann Tai, klappte die Karte zusammen und legte sie zur Seite. „Du hast recht. Ich habe mich nicht nur wegen des Kusses mit Izzy zerstritten“, sagte er plötzlich ohne weitere Umschweife. Mimi war sichtlich überrascht, dass er so schnell auf den Punkt kam. Aber sie hörte ihm aufmerksam zu.

„Es ist alles etwas kompliziert, weißt du“, versuchte Tai zu erklären, fand anscheinend jedoch nicht die richtigen Worte. Mimi griff über den Tisch nach seiner Hand, um ihn zu beruhigen. „Tai, sag mir bitte, was zwischen euch vorgefallen ist. Sonst werde ich es nie verstehen…“, sagte sie so einfühlsam, wie es ging und sah ihm tief in die Augen.

„Ich wusste von seinen Gefühlen für dich“, platzte es plötzlich aus Tai heraus. „Na ja, was heißt, ich wusste es…? Ich meine, ich habe es geahnt… lange schon“, korrigierte er sich, als er sah wie Mimi’s Augen sich weiteten und sie ihn fassungslos ansah.

„W-was willst du mir damit sagen?“, fragte sie verblüfft und zog ihre Hand zurück.

Tai wich ihrem dringlichen Blick aus und Mimi konnte ihm förmlich ansehen, wie er am liebsten im Erdboden versunken wäre.

„Ich meine, dass ich es eben geahnt habe, dass er in dich verliebt ist. Lange bevor er dich geküsst hat.“

„Und du hast nichts gesagt?“, fragte sie den Studenten mit leiser Stimme und versuchte zu verstehen, was gerade in ihm vorging.

Tai ließ betrübt die Schultern hängen und sah sie entschuldigend an. „Und was hätte ich deiner Meinung nach sagen sollen?“

Mimi schluckte. Er hatte recht. Was hätte das daran geändert? Wahrscheinlich hätte es die ganze Sache nur noch mehr verkompliziert. Wie hätte sie sich Izzy gegenüber verhalten sollen, wenn sie es gewusst hätte? Hätte sie ihren Freund darauf angesprochen? Wäre sie ihm aus den Weg gegangen?

„Und warum hast du es geahnt?“, stellte sie die Gegenfrage, während Tai sichtlich nervöser wurde.

„Na ja, er hat mal so Andeutungen gemacht, als ihr euch gestritten hattet. Und als ich mich dann in dich verliebt hatte, wusste ich nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass ich mich geirrt habe.“

Mimi seufzte und sah den Braunhaarigen eindringlich an. „Also hast du dich mit Izzy gestritten, weil er dir nicht die Wahrheit über seine Gefühle für mich gesagt und mich stattdessen geküsst hat, als wir schon zusammen waren?“

Tai sah ihr nicht in die Augen, sondern blickte angestrengt auf die Karte vor ihm.

„Ach Tai…“, seufzte Mimi auf und griff erneut nach seiner Hand, was den Studenten aufsehen ließ. „Das hättest du mir doch viel eher sagen können. Jetzt verstehe ich, warum du so verletzt bist.“

Sie hatte ja keine Ahnung! Wie lange musste Tai das schon beschäftigen? Sie wäre auch enttäuscht gewesen, wenn Sora oder Meiko heimlich in Tai verliebt gewesen wären und es ihr nicht gesagt hätten. Oder ihn sogar noch hinter ihrem Rücken geküsst hätten.

Und für Tai musste es auch nicht einfach gewesen sein. Er hatte sich in sie verliebt, obwohl er die Vermutung hatte, dass einer seiner engsten Freunde in sie verliebt sein könnte.

„D-du bist nicht sauer?“, fragte Tai verblüfft nach und sah sie irritiert an.

„Wie könnte ich?“, erwiderte Mimi mit einem liebevollen Lächeln. Endlich verstand sie ansatzweise was in ihm vorzugehen schien. „Du warst sauer, dass er nicht früher etwas gesagt hat und das kann ich dir nicht verübeln. Ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert.“

Tai rang sich ein zaghaftes Lächeln ab, während er sie immer noch unsicher ansah.

„Ich denke trotzdem, dass ihr euch früher oder später wieder versöhnen solltet. Aber wahrscheinlich ist es sogar besser, zu warten, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist.“

„Ja…“, antwortete Tai lediglich.

„Und Tai?“, sagte sie lächelnd und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Keine Geheimnisse mehr, ja? Ich möchte nicht, dass so etwas noch mal zwischen uns steht!“

Tai sah betreten zu Boden, nickte jedoch, als endlich der Kellner kam und ihre Bestellung aufnahm.
 

„Wow, das war wirklich köstlich!“, schwärmte Mimi, als sie aufgegessen hatten und sich noch ein Glas Wein gönnten.

„Da hast du recht, es hat sich wirklich gelohnt herzukommen“, stimmte ihr Tai zu und nippte an seinem Rotwein.

Irgendwie hatten sie es geschafft, diese bedrückende Stimmung, die sich nach dem Gespräch über sie gelegt hatte, beiseite zu schieben und den Abend doch noch ein bisschen zu genießen. Tai schien das Thema immer noch zu beschäftigen und Mimi konnte das sehr gut verstehen. Wahrscheinlich machte er sich immer noch Vorwürfe, weil er es ihr nicht eher gesagt hatte.

Allerdings wäre sie nicht im Traum darauf gekommen, dass Tai über Izzy’s vermeintliche Gefühle für sie Bescheid wusste. Anscheinend war er sich wirklich nicht sicher gewesen, bis es zu dem Kuss gekommen war und Mimi wurde bewusst, dass nicht nur ihr, sondern noch mehr ihm das schmerzlich die Augen geöffnet haben musste.

„Tai, ich finde es wirklich schön mit dir hier zu sein!“, gestand sie ihm und sah ihn liebevoll an. Auch Tai schenkte ihr ein Lächeln, welches sie beinahe zum Schmelzen brachte.

Sie war so froh, dass das endlich zwischen ihnen geklärt war und sie sich wieder ganz ihren Gefühlen für ihn hingeben konnte.

„Und ich finde es schön, dass du wieder mit mir redest“, witzelte der Student und grinste neckisch. „Du kannst wirklich ein ganz schöner Sturkopf sein, weißt du das?“

„Das sagt der Richtige!“, lachte Mimi auf. Sie fand es schön, dass sie wieder ganz die Alten zu sein schienen. Ihre kleinen Neckereien hatten ihr gefehlt.

„Hey, hast du Lust zu tanzen?“, fragte Tai sie plötzlich und blickte in die Richtung des Klavierspielers, der es sich gerade an einem tiefschwarzen Flügel bequem gemacht hatte und begann, ein romantisches Stück zu spielen.

Mimi schüttelte lachend den Kopf und stellte ihr Glas Wein ab, welches schon fast geleert war. „Ooh nein, keine gute Idee! Um in so einem schicken Lokal zu tanzen, hab ich eindeutig schon zu viel getrunken.“

Tai ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, stand auf und hielt ihr auffordernd die Hand hin. „Ach komm, ich führe dich!“, schlug er ihr mit einem Grinsen vor, welches Mimi’s Herz augenblicklich zum höherschlagen brachte. Sie schluckte und blickte in seine erwartungsvollen Augen, bevor sie zaghaft ihre Hand in seine legte.

Wieso nur konnte sie ihm einfach nichts abschlagen, wenn er sie so ansah? Und wieso nur war er so unwiderstehlich?

Er führte sie in die Mitte des Raumes und legte seine Hand auf ihre Hüfte, während die andere ihre festhielt. Sie sah in seine braunen Augen und hätte sich in ihnen verlieren können, wären sie allein gewesen.

Tai führte sie sanft, aber bestimmend im Kreis herum, drehte sie ein paar Mal unter seinem Arm hindurch, nur um sie dann wieder an sich zu ziehen, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

„Woher kannst du das?“, fragte sie verblüfft, während er sie verschmitzt angrinste.

„Letztes Jahr, Abschlussball“, erklärte er ihr, bevor er sie ein weiteres Mal im Kreis drehte.

„Soweit ich mich erinnere, hattest du gar keine Begleitung“, überlegte Mimi laut, während der Braunhaarige nur grinste. „Wenn du wüsstest…“

„Was soll das heißen?“

„Ich hatte sogar zwei!“, erklärte ihr Tai mit einem breiten Grinsen und sah sie herausfordernd an.

„Quatsch! Du lügst doch!“, lachte Mimi auf, während der Student nur mit den Augen rollte und die Schultern zuckte.

„Mmh…“, grinste Mimi vielsagend und sah ihn verführerisch an. „Dann weiß ich ja, wer dieses Jahr meine Begleitung wird.“

„Dafür müsstest du erst mal die Prüfung bestehen!“, konterte Tai mit einem triumphierenden Lächeln.

Mimi musste lachen. Sie wusste genau, worauf er anspielte.

„Da mach dir mal keine Sorgen! Ich werde definitiv nicht durchfallen, falls du das meinst.“

„Ach nicht? Ich dachte, das wäre dein Plan gewesen…“, sagte Tai erstaunt und bewegte sich gleichzeitig mit ihr zum Takt der Musik.

„Nicht meine beste Idee, muss ich gestehen. Aber keine Angst…“, antwortete sie keck und sah ihn vielsagend an. „So schnell wirst du mich nicht los!“

Tai runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“

„Ich meine damit, dass ich genauso gut hier studieren kann. Und ich habe mich auch schon beworben“, erklärte sie ihm mit einem entschlossenen Blick und wartete auf seine Reaktion. Sie hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, das Stipendium tatsächlich sausen zu lassen und bei Tai in Japan zu bleiben. Aber erst, als sie sich eben wieder versöhnt hatte, war ihr bewusst geworden, dass das die einzig richtige Entscheidung für sie war. Und Universitäten gab es schließlich überall.

„Ist das dein Ernst?“, fragte Tai überrascht nach und blieb abrupt stehen.

„Mein voller Ernst! Ich möchte bei dir bleiben, Taichi. Ich möchte mit dir zusammen sein. Und das ist alles, was ich will!“, gestand sie ihm aufrichtig und sah wie ein glückliches Lächeln seine Lippen umspielte, bevor er sie in eine innige Umarmung zog.

Der Abschlussball

Hi Leute :) Ich versuche mal mit dem Stand der anderen Seite gleichzuziehen, deswegen kommt jetzt ein Kapitel nach dem anderen, denn ich würde gerne das Finale auf beiden Seiten gleichzeitig posten ;D Bis dann <3
 

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„Mimi, du siehst einfach umwerfend aus!“, schwärmte Sora, als sie ein letztes Mal Mimi’s lange Mähne mit Haarspray einsprühte und dann ihr Werk begutachtete.

Mimi saß sichtlich nervös vor ihrem Schminktisch und begann letzten Schliff an ihr Make-Up zu legen, indem sie roten Lippenstift auftrug.

Sie trug das weiße Kleid, welches Sora ihr geschneidert hatte. Außerdem hatte ihre beste Freundin ihr Locken gezaubert, die sie aussehen ließen, wie ein Engel.

„Oh Mimi…“, begann Sora mit zitternder Stimme, als Mimi den Lippenstift beiseitelegte und aufstand.

„Jetzt werd bitte nicht sentimental, Mami“, witzelte Mimi und sah die Rothaarige amüsiert an.

„Was soll ich denn machen? Ich weiß schließlich noch wie aufgeregt ich letztes Jahr bei meinem Abschlussball war. Und du siehst so wunderschön aus… Du wirst bestimmt Ballkönigin“, sagte Sora ehrfürchtig und wischte sich schnell eine aufkommende Träne weg.

„Ach Sora…“, wisperte Mimi und zog ihre Freundin in eine innige Umarmung. „Versprich mir, dass wir uns nie trennen und für immer beste Freundinnen bleiben, ja?“

„Jetzt wirst DU aber sentimental“, kicherte Sora, als Mimi sie wieder losließ und ihr Blick auf Mimi’s Spiegel fiel, neben dem zwei Dokumente geheftet waren.

Die Brünette folgte ihrem Blick und lächelte.

Sie hatte die Prüfung mit Bravur bestanden und seitdem zierten ihre überragenden Prüfungsergebnisse ihre Wand. Daneben hing die Zusage der University of Tokyo und ein Foto von ihr und Tai, was sie immer daran erinnern sollte, warum sie diesen Schritt gegangen war.

„Nein, wir trennen uns nicht!“, sagte Sora schließlich, als sie den Blick von den Dokumenten und dem Foto abwandte und Mimi liebevoll ansah.

Mimi nickte und war so erleichtert und froh, dass sie ihre Freunde nicht verlassen musste. Sicher wäre New York eine einzigartige Chance gewesen, aber der Preis war einfach zu hoch. Sie hätte Tai und ihre Freunde zurücklassen müssen. Und das hätte ihr das Herz gebrochen…

Mimi seufzte zufrieden. „So, wie sieht’s eigentlich mit dir aus? Das Taxi kommt bald und du willst doch sicher nicht in Jeanshose zum Ball gehen?“, fragte sie ihre Freundin neckisch. Denn es war so üblich, dass die Abschlussklassen des letzten Jahres den Ball der diesjährigen Abschlussklassen mit organisierten.

Außerdem war Sora in ihrem Abschlussjahr Schulsprecherin gewesen, so dass sie ebenfalls dazu berufen wurde, noch ein paar Worte an die jetzigen Schulabgänger zu richten.

Mimi hob das dunkelgrüne Kleid hoch, was auf ihrem Bett lag und hielt es Sora an.

„Du wirst fantastisch aussehen…!“
 


 

„Wo bleiben sie nur?“, fragte Matt ungeduldig, während er mit Tai vorm Eingang der Schulturnhalle wartete, wo der große Ball stattfand.

„Bleib locker!“, forderte ihn Tai auf, der ganz gelassen die Hände in den Hosentaschen vergraben hatte und die vielen Leute beobachtete, die an ihnen vorbeigingen. „Du tust ja fast so, als wär’s dein Abschlussball“, lachte der Student auf, woraufhin sein Freund verwundert eine Augenbraue hochzog und ihn schräg von der Seite her ansah.

„Sag mal, bist du gar nicht nervös?“

Tai zuckte mit den Schultern. „Wieso sollte ich?“

„Na ja…“, begann Matt unsicher. „Izzy wird auch da sein.“

„Und? Ich habe Mimi doch gesagt, was sie hören wollte. Also sollte die Sache mit Izzy keine Rolle mehr spielen.“

„Richtig, du hast ihr gesagt, was sie hören wollte, nicht was sie hören sollte“, erklärte der Musiker seinem Freund und sah ihn skeptisch an, als von Tai keine Antwort mehr kam.

„Na ja, du wirst schon wissen, was du tust“, sagte Matt schulterzuckend und richtete den Blick auf das Fahrzeug, welches direkt vor ihnen hielt.

Die Hintertür des Fahrzeuges öffnete sich und Sora stieg aus, die ihren Begleiter sogleich verliebt anblickte.

Matt grinste und ging auf sie zu, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Du hast dich ja rausgeputzt! Willst du etwa Ballkönigin werden?“, grinste er verschmitzt und musterte sie.

„Hör auf, du weißt genau, dass das nicht geht“, kicherte Sora und schenkte ihrem Freund einen vielsagenden Blick. „Aber Mimi hat definitiv Chancen darauf!“

Dieser Satz ließ Tai aufhorchen und er wandte den Blick ab von Sora und Matt auf das Mädchen, welches hinter der Rothaarigen aus dem Auto stieg.

Tai schluckte und er sah sie mit großen Augen an. Noch nie hatte er so etwas Schönes gesehen…! Sie sah aus wie ein Engel!

„Mmh, hast recht“, gab Matt grinsend zu, als er Mimi sah. „Komm, wir gehen schon mal rein“, forderte er seine Freundin auf, nahm ihre Hand und zog sie mit sich.

„Wir sehen uns dann drin“, sagte Mimi lächelnd und ging auf Tai zu.

Tai suchte währenddessen nach den richtigen Worten, doch keine davon wurden ihr auch nur annähernd gerecht.

„Wow, womit hab ich das nur verdient?“, grinste er schließlich und gab Mimi einen liebevollen Kuss.

„Was denn?“, kicherte Mimi und sah ihn fragend an.

„Du bist einfach zu gut für diese Welt!“

„Hör auf, du bringst mich ja ganz in Verlegenheit!“, lachte Mimi, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Komm, lass uns rein gehen!“, forderte sie ihn auf und wollte los gehen, als Tai sie am Handgelenk festhielt, so dass sie sich noch mal umdrehen musste.

„Warte…“, sagte er und sah sie erwartungsvoll an. „Ich habe noch etwas für dich.“

Die Brünette sah ihn überrascht an. „So? Was denn?“

Tai kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor und hielt es Mimi unter die Nase.

„Taichi... das ist…“, begann sie zaghaft, während das glitzernde Ding vor ihren Augen baumelte. Es war eine silberne Kette mit einem kleinen Stern daran und während sie sich drehte, konnte Mimi die Initialen „T“ und „M“ erkennen, die filigran eingraviert waren.

„Ein kleines Geschenk für die zukünftige Studentin der Tokyo University“, erklärte Tai und ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er begann Mimi die Kette anzulegen.

Mimi hob ihre Haare an, damit Tai sie hinter ihrem Nacken verschließen konnte.

„Ich bin froh, dass du bleibst!“, sagte er, als Mimi erst die Kette um ihren Hals und dann Tai liebevoll ansah. „Sie ist wunderschön, danke!“

„Genau, wie du!“

Eigentlich wollte er ihr mit dieser Kette etwas ganz Anderes sagen, doch sein Herz schlug so schnell gegen seine Brust, dass er es nicht über die Lippen brachte. Diese Frau raubte ihm einfach den Atem. Aber er würde es definitiv noch tun, heute Abend.

Heute Abend würde er ihr sagen, dass er sie liebte.

Sie sahen sich noch ein Mal tief in die Augen, bevor Tai seine Finger mit ihren verschränkte und sie gemeinsam die Halle betraten.
 

„Mimi, wie hübsch du bist!“, schwärmte Meiko, als Mimi und Tai sich zu der kleinen Runde gesellten und Meiko sie stürmisch umarmte.

Die Party war schon voll im Gange und es herrschte eine ausgelassene Stimmung.

Die ganze Halle war geschmückt und eine riesen Diskokugel zierte die Decke. Mimi sah sich mit großen Augen um, bevor sie ihre Freunde anstrahlte. „Ihr seht alle so toll aus! Schade, dass Kari, Takeru und Joe nicht dabei sein können.“

„Wo ist eigentlich Matt?“, fragte Tai in die Runde, als er ihn nicht wie gewöhnlich an Sora’s Seite entdecken konnte.

„Der macht sich schon mal für seinen Auftritt bereit“, erklärte Sora.

„Seine Band tritt heute hier auf?“, staunte Mimi und sah direkt zur Bühne, ob sie schon jemanden erkennen konnte.

„Ja, aber psst. Das soll eine Überraschung werden“, zwinkerte die Rothaarige und hielt geheimnisvoll den Finger vor ihre Lippen.

Mimi nickte und erst jetzt fiel ihr auf, dass eine weitere Person in der Runde fehlte.

Izzy.

„Er ist nicht gekommen“, erwiderte Sora mit einem mitleidigen Blick auf ihre unausgesprochenen Gedanken.

Mimi zuckte zusammen.

Die Erkenntnis über seine Abwesenheit versetzte ihr einen Stich in die Magengegend. Sie konnte zwar verstehen, dass er sicher keine große Lust hatte mit ihnen zu feiern, aber gleich den ganzen Abschlussball sausen lassen…?

Mimi fühlte sich schuldig. Es lag doch auf der Hand, dass er wegen ihr und Tai nicht gekommen war. Irgendwie tat er ihr leid… Vermutlich hockte er alleine zu Hause vor seinem PC und versank in Selbstmitleid.

Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und sah zu Tai auf, der sie mitfühlend ansah.

„Das liegt nicht an dir. Er ist selbst schuld, wenn er nicht kommt“, versuchte er sie zu beruhigen, da auch ihm nicht entgangen war, wie sehr es Mimi traf, dass er nicht hier war und diesen besonderen Abend mit ihnen teilte.

„Wollen wir tanzen?“, lenkte er schnell vom Thema ab und lächelte sie auffordernd an.

Mimi grinste. Es war ihr Abschlussball und sie war mit dem Jungen hier, in den sie bis über beide Ohren verliebt war. Warum also sollte sie sich diesen Abend kaputt machen lassen?

„Klar, wieso hab ich dich sonst mitgenommen?“, neckte sie ihn und zog ihn mit sich auf die Tanzfläche.
 

Sie waren mitten im Tanzen, als sich plötzlich alle nach vorne drängten.

Die Schüler, vor allem die Mädchen schrien förmlich ihre Begeisterung heraus, als Matt und seine Band die Bühne betraten. Auch Sora und Meiko kämpften sich zu Tai und Mimi nach vorne, um den Auftritt zu sehen.

„Wow, ich wünschte, die Mädels würden nur ein einziges Mal so für mich kreischen“, nörgelte Tai mit gespielt theatralischer Miene und mimte die Drama-Queen.

Mimi musste lachen und hätte sich beinahe an ihrem Drink verschluckt, den ihr Sora eben in die Hand gedrückt hatte.

Sora zuckte nur mit den Schultern. „Ach, sollen sie doch kreischen. Ich hab mich längst dran gewöhnt. Ich weiß doch, dass ich seine Nummer eins bin!“, zwitscherte sie vergnügt und grinste.

„Ja genau… gleich nach mir!“, neckte sie Tai mit einem frechen Grinsen, woraufhin Sora ihm die Zunge rausstreckte.

Mimi hielt sich den Bauch vor Lachen. Wie sehr hätte sie das alles vermisst, wenn sie nach New York gegangen wäre…

Das Kreischen der Menge wurde noch ein mal größer, als Matt die Schüler begrüßte, ihnen einen unvergesslichen Abend wünschte und endlich mit seiner Gitarre den ersten Ton anstimmte.
 

„I'm falling in

I'm falling down

I wanna begin but I don't know how…“

Tai, der hinter Mimi stand, schloss seine Arme um sie und gemeinsam bewegten sie sich zum Takt der Musik. Sie kuschelte sich an ihn und versuchte das Gefühl dieses Moments einzufangen und festzuhalten. Sie fühlte sich so unendlich wohl bei ihm. Es war einfach die richtige Entscheidung gewesen, sich gegen das Stipendium zu entscheiden und bei ihm zu bleiben, daran gab es keinen Zweifel.
 

„…And I won't let you go

Now you know

I've been crazy for you all this time…“

Mimi sah zu Sora rüber und lächelte zufrieden, als sie ihre strahlenden Augen sah. Sie himmelte ihn an. Aber nicht auf diese Art und Weise, wie es seine weiblichen Fans für gewöhnlich taten. Sondern auf eine Art, die jeden wissen ließ, wie sehr sie ihn liebte, wenn er sie nur ansah.
 

„…Hand in hand

Sparkling eyes

The days are bright

And so are the nights…“

Mimi war so froh, dass endlich alles gut war. Sie und Tai waren sich näher, als je zuvor. Sie konnte weiter bei ihren Freunden bleiben, bald würde sie sogar studieren. Alles war perfekt!

Bis auf die Sache mit Izzy. Aber Mimi war voller Hoffnung, dass auch das sich früher oder später wieder einrenken würde. Sie waren jetzt schon so lang befreundet und Mimi konnte es sich nicht vorstellen, dass Izzy das einfach so hinschmeißen würde.

Sie wollte sich wieder mit ihm versöhnen. Doch vorher würde sie ihm Zeit geben in Ruhe über alles nachzudenken und wer weiß… vielleicht würde er ja auch auf sie zukommen, wenn er soweit war.
 

„…I've kept it close

Always hoping

With a heart on fire

A heart on fire…“
 

„Das war einmalig, Matt! Danke, dass du aufgetreten bist“, bedankte sich Mimi freudestrahlend bei dem Musiker, als sein Auftritt vorbei war und er sich wieder zu seinen Freunden gesellte.

„Kein Thema, hat Spaß gemacht!“, sagte Matt und zuckte mit den Schultern. „Tja, das war dann offiziell mein letzter Auftritt an unserer alten High-School.“

„Ooh sei nicht traurig, mein Süßer. Ich bleibe deinem Fanclub trotzdem treu“, scherzte Tai und wuschelte seinem Freund durch’s Haar.

„Hey, lass das du Spinner!“, beschwerte sich der Blonde und schlug Tai’s Hand unsanft weg, als alle anderen auflachen mussten.

„Hey Leute, habt ihr schon eure Stimme abgegeben?“, fragte plötzlich ein Mädchen, dass neben ihnen aufgetaucht war und eine große Box in der Hand hielt.

„Der Ballkönig und die Königin werden bald gekrönt und es wäre nett, wenn ihr eure Stimme abgeben würdet“, erklärte sie den Freunden höflich und hielt ihnen die Box hin.

Mimi kannte das Mädchen, sie war die diesjährige Schulsprecherin und hatte unter anderem die Party mitorganisiert.

„Hier hast du meine“, sagte Sora und kramte einen kleinen Zettel aus ihrer Handtasche hervor, den sie in die Box steckte. Danach warf sie Mimi einen vielsagenden Blick zu, den die Brünette auch gleich zu deuten wusste. Natürlich hatte ihre beste Freundin für sie gestimmt!

Meiko und Matt warfen ebenfalls einen Zettel hinein, doch Mimi lehnte dankend ab. Sie wollte sich der Stimme enthalten und das Schicksal entscheiden lassen.

Das Mädchen wandte sich an Tai und lächelte ihn auffordernd an, jedoch winkte er schnell ab. „Hab schon!“

„Okay, dann danke und bis später“, verabschiedete sie sich und ging zur nächsten Gruppe, um auch sie um ihre Stimmzettel zu bitten.

„Ich glaube, ich muss mich langsam auf meine Rede vorbereiten“, sagte Sora nachdenklich und sah auf die Uhr.

„Bist du aufgeregt?“, fragte Mimi und sah ihre Freundin aufmunternd an.

„Etwas“, gestand Sora und trat nervös von einem Bein auf’s andere.

„Ach was, du wirst das toll machen. Wie immer!“, ermutigte sie Matt und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Wenn ihr meint… Ich muss jetzt hinter die Bühne. Bis später“, verabschiedete Sora sich mit einem zaghaften Lächeln und verschwand.

Tai schlang seine Arme um Mimi und drückte sie an sich.

„Vielleicht sollten wir auch noch mal kurz hinter die Bühne gehen“, flüsterte er ihr verführerisch ins Ohr, was Mimi sogleich eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Mimi grinste nur verschmitzt. Er war einfach unmöglich…
 

„Hey ihr!“, rief plötzlich das Mädchen, welches eben noch mit der Stimmzettelbox bei ihnen war und kam zu ihnen rüber gerannt.

Schnaufend blieb sie vor ihnen stehen und sah die Vier entsetzt an. „Ihr seid doch mit diesem Izzy aus dem Informatikkurs befreundet oder?“

Mimi zuckte leicht zusammen. Was ging hier vor? Wieso fragte sie nach Izzy?

Die Schulsprecherin verstand ihr Schweigen offenbar als Zustimmung und erzählte hektisch weiter, während sie mit ausgestrecktem Arm in die andere Richtung zeigte.

„Er ist da draußen. Sturzbetrunken! Und er prügelt sich!“

„Was?“, platzte es zeitgleich aus Matt und Mimi heraus und ihre Augen weiteten sich.

Matt setzte sich sofort in Bewegung, um nach draußen zu eilen, während Meiko nur wie versteinert dastand und versuchte die Situation zu begreifen.

Mimi wollte sich direkt an seine Fersen heften, doch Tai hielt sie am Arm fest.

„Lass mich los, Tai. Izzy prügelt sich gerade da draußen!“, schrie sie ihn beinahe schon an, als er sie nicht loslassen wollte und stattdessen seinen Griff um ihren Arm weiter verfestigte.

„Und was willst du dagegen tun?“, fragte er sie mit fester Stimme, woraufhin Mimi nur den Mund verzog. Ihr war selbst klar, dass sie wahrscheinlich eh nichts ausrichten konnte.

Aber sie konnte doch nicht einfach zulassen, dass ihr Freund sich vor der Tür mit irgendwem prügelte!

Irgendetwas musste sie doch tun! Vielleicht konnte sie ihn ja mit Worten zu Vernunft bringen…

„Tai, bitte. Lass uns nachsehen, ob alles in Ordnung ist“, sagte sie mit flehender Stimme und hoffte, dass Tai wenigstens ein Mal seine Sturheit hinten anstellen würde.

„Ich finde auch, wir sollten nachsehen“, unterstützte sie Meiko und sah die Beiden abwechselnd an.

Mimi warf noch mal einen dringlichen Blick zu Tai, dessen Miene immer noch versteinert war. Doch dann ließ er sie los und Mimi eilte, so schnell sie nur konnte in Richtung Ausgang.
 

Der Anblick, der sich ihr bot war angsteinflößend.

Izzy saß auf einer am Boden liegenden Person und schlug wie wild auf ihn ein.

Matt stürzte sich auf ihn und riss ihm von dem Jungen weg, dem Izzy so übel zugesetzt hatte.

Am liebsten hätte Mimi die Hände vor die Augen geschlagen, um diesen Anblick nicht mehr ertragen zu müssen. Es war einfach entsetzlich!

Izzy schäumte vor Wut und schrie immer wieder laut auf, dass Matt ihn loslassen solle.

Die anderen Schüler, die von dem Lärm angelockt wurden, kümmerten sich währenddessen um den Jungen, der immer noch am Boden lag und dem Unmengen an Blut aus der Nase lief. Sie halfen ihm hoch und schleppten ihn in Richtung Halle und Meiko, die ihnen gefolgt war, bot sich sofort an, seine Wunden zu verarzten.

„Lass mich los! Ich mach den Typen fertig!“, schrie Izzy immer noch und kämpfte gegen Matt’s festen Griff an.

„Man Izzy, bist du völlig verrückt geworden? Was ist nur mit dir los?“, schnauzte Matt ihn an, als der Junge endlich aus Izzy’s Reichweite war und er ihn loslassen konnte.

Izzy taumelte zurück und wäre beinahe gestürzt. Er hatte eindeutig Probleme das Gleichgewicht zu halten und jetzt erkannte auch Mimi, dass er viel zu viel getrunken haben musste.

Wütend sah er sich um und sein Blick fiel auf die Brünette im weißen Kleid, die immer noch wie versteinert dastand und den Blick nicht von ihm abwenden konnte. Was zum Teufel war nur in ihn gefahren?

„Mimi, wie schön, dich zu sehen“, lallte der Rothaarige und ging einige Schritte auf sie zu, bevor er wankend stehen blieb und die Person ansah, die hinter Mimi aufgetaucht war.

„Taichi… wie schön, dass du zu meiner Party gekommen bist“, sagte Izzy mit schwerer Zunge, machte eine schwunghafte Bewegung und hob die Flasche Wodka auf, die schon halbgeleert neben ihm lag. Mimi sah ihm entsetzt dabei zu, wie er die Flasche aufschraubte und einen großen Schluck daraus nahm, bevor er sie absetzte und begeistert in die Runde sah.

„Sehr schön, jetzt sind wir alle zusammen! Und, wie ist mein Abschlussball so?“

Mimi zog eine Augenbraue nach oben und konnte nicht glauben, was hier eben geschah. Er schien völlig den Verstand verloren zu haben…!

„Izzy, meinst du nicht, du hast für heute genug?“, redete Matt auf ihn ein und versuchte ihm die Flasche abzunehmen.

„Ach komm, verpiss dich!“, motzte Izzy ihn an und drehte sich weg. „Du steckst doch mit denen unter einer Decke!“, sagte er vorwurfsvoll und machte eine Kopfbewegung in Tai und Mimi’s Richtung.

„Ihr habt euch doch sowieso alle gegen mich verschworen!“

Izzy nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und wischte sich danach mit dem Ärmel seines Hemdes den Mund ab.

„Das ist doch nicht wahr, Izzy“, versuchte Mimi auf ihn einzureden und wollte auf den Rothaarigen zugehen, doch Tai hielt sie am Handgelenk fest.

„Komm, Mimi. Das musst du dir nicht antun!“, sagte er bestimmend und fixierte das Computergenie mit einem argwöhnischen Blick.

Izzy lachte laut auf, während Mimi im Hintergrund Sora’s Stimme hören konnte. Anscheinend sprach sie bereits ihre Rede auf der Bühne.

Doch Mimi konnte das nicht einfach so stehen lassen. Sie befreite sich aus Tai’s Griff und ging einige Schritte auf Izzy zu, der immer noch rumtaumelte.

„Izzy, ich kann gut verstehen, dass du verletzt bist, weil ich mit Tai zusammen bin, aber…“, begann sie zaghaft, was Izzy aufhorchen ließ.

„Aber du kannst nicht einfach her kommen und jemanden verprügeln, der nichts mit der Sache zu tun hat“, sagte sie so einfühlsam, wie möglich und hoffte, dass ihre Worte ihn erreichten.

„Außerdem hat Tai mir alles erzählt und du kannst ihm nicht die Schuld dafür geben, dass du nicht ehrlich zu ihm warst. Wie hätte er wissen können, dass du etwas für mich empfindest?“

Izzy’s Augen verengten sich zu Schlitzen und er ließ seinen Blick von Mimi zu Tai wandern.
 

„Das hast du ihr erzählt?“

Mimi legte den Kopf schief und sah Izzy irritiert an, während der jedoch weiterhin Tai fixierte.

„Ja, das hat er mir erzählt. Und ich denke, du solltest darüber hinweg kommen. Er wollte dich schließlich nicht verletzen!“, erwiderte Mimi an Tai’s Stelle. Izzy lachte plötzlich erneut auf und klatschte begeistert in die Hände.

„Wow, ich muss schon sagen. Das hast du dir gut ausgedacht, Yagami. Respekt!“

Mimi runzelte die Stirn und sah dem Rothaarigen verwirrt dabei zu, wie er nicht mehr aus dem Lachen rauskam. So langsam wurde ihr Izzy’s Verhalten zu bunt. Es war schon dreist genug gewesen, hier aufzutauchen und wahllos auf jemanden einzuprügeln, doch die Show, die er jetzt abzog, überstieg wirklich sämtliche Grenzen.

Hilfesuchend sah sie zu Matt, der anscheinend auch nicht wusste, was er tun sollte. Also richtete sie das Wort selbst wieder an Izzy.

„Sag mal, was bildest du dir eigentlich ein?“, schnauzte sie ihn wütend an.

„Mimi, lass gut sein…“, versuchte Tai sie zu beruhigen und ergriff erneut ihre Hand, um sie wieder mit nach drinnen zu ziehen.

„Was ich mir einbilde?“, fragte Izzy entgeistert und deutete danach mit einer Kopfbewegung auf Tai. „Was bildet er sich ein? Er erzählt dir eine Lügengeschichte nach der anderen und glaubt, er kommt damit durch!“

Mimi stockte der Atem. Was hatte das zu bedeuten?

Tai hatte ihr doch alles erzählt. Also wieso machte Izzy immer noch so komische Anspielungen?

Verwirrt sah sie zu ihrem Freund auf. „Tai, was meint er damit?“

Dieser wich ihrem Blick aus und sah abwechselnd von Izzy zu Matt. Doch sein bester Freund war ihm anscheinend jetzt auch keine große Hilfe mehr.

„Ja, Tai… was meint er damit?“, erwiderte Izzy höhnisch und sah Tai herausfordernd an.

Mimi’s Blick verfinsterte sich. Was war das für ein bescheuertes Spiel, was die beiden hier spielten? Sie hatte keine Lust mehr darauf! Sie wollte einfach nur wissen, was hier los war.

„Tai?“, hakte sie noch ein mal nach und sah den Studenten eindringlich an, der jedoch weiterhin schwieg und Izzy finster musterte.

„Mimi, mach endlich die Augen auf! Seine Liebe zu dir ist nicht aufrichtig!“, sagte Izzy mit Nachdruck und brachte Mimi somit dazu, sich von Tai abzuwenden und ihn fassungslos anzusehen.

„Wieso sagst du so etwas?“, flüsterte sie voller Entsetzen und konnte nicht fassen, was sie da gerade hörte.

Tai drückte ihre Hand. „Mimi… bitte nicht…“, sagte er flehend und wollte sie zurück ziehen, doch Mimi befreite sich aus seinem Griff.

„Nein, lass mich! Ich will wissen, was er damit meint!“, sagte sie energisch, ging einige Schritte auf Izzy zu und sah ihn mit großen Augen an.

„Was ich damit meine, ist…“, setzte Izzy lallend an und warf einen letzten Blick zu Tai, der außer Stande schien noch irgendetwas zu erwidern.

Mimi schluckte. Wollte sie es wirklich wissen? Doch es war zu spät für einen Rückzieher.

Und somit brach die Wahrheit gnadenlos auf sie ein.

„Die Wahrheit ist, dass Tai nur mit dir zusammen war, weil ich es so wollte.“
 

Es war, als würde ihr Herz einen Schlag aussetzen. Sie hielt die Luft an und wartete darauf, dass ihre Füße nachgaben und ihre Beine sie nicht mehr trugen, doch das geschah nicht.

Immer noch drang aus der Halle hinter ihr erheblicher Lärm und immer noch konnte sie Sora’s Stimme hören, die freudig eine Rede über ihrer aller Zukunft hielt. Nichts hätte sie sich in dem Moment mehr gewünscht, als einer der vielen Schüler in der Halle zu sein.

„Er hat sich nicht mit dir getroffen, weil er dich so toll fand oder weil er so gerne Zeit mit dir verbracht hat“, erläuterte Izzy ihr ohne Umschweife weiter, während jedes seiner Worte ihr einen Stich ins Herz versetzte.

„Er wusste ganz genau, dass ich in dich verliebt war! Und es war seine Idee, dich ein wenig für mich auszuhorchen, damit ich besser bei dir landen kann. Oder was meinst du, woher ich den Tipp mit den Konzertkarten habe? Oder wusste, dass du auf Vergnügungsparks stehst? Ich meine…“, lachte Izzy auf und schlug sich die Hand vors Gesicht. „Ich hab sogar gesagt, dass ich ne Katze haben will.“

„Das ist nicht wahr!“, brach es plötzlich aus Tai heraus. Mimi sah ihn entgeistert an und erkannte, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Sein Gesicht war wutverzerrt. „So war das nicht, Izzy und das weißt du!“

„Du bleib mal ganz ruhig. Du hattest eine verdammte Aufgabe, Yagami. Eine verdammte Aufgabe und du hast sie verbockt!“, schrie der Rothaarige ihn auf ein mal an. Dann nahm er einen weiteren Schluck aus seiner Flasche, taumelte leicht zurück und hob beschwichtigend die Hände vor die Brust.

„Aber, was soll’s…? Scheiß drauf! Ist eh alles nach hinten los gegangen! Denn was hast du gemacht? Anstatt sie für mich klar zu machen, wie wir es abgesprochen hatten, hast du die Gelegenheit genutzt und dich selbst an sie ran gemacht. Bravo!“

Mimi wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Das konnte doch alles nicht wahr sein…!

Immer wieder sah sie entsetzt zwischen den Jungs hin und her und wartete nur darauf, dass einer von den Beiden den anderen zu Boden riss und ihm eine verpasste.

Das Ganze glich einer Freak-Show und Mimi war mitten drin, statt nur dabei. Am liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, damit sie kein einziges Wort mehr hören musste, was aus Izzy’s Mund kam.

„Du hast sie doch nicht mehr alle! Noch ein Wort von dir und ich…“, drohte Tai ihm und machte einige Schritte auf Izzy zu, ehe Mimi es einfach nicht mehr aushielt.

„Aufhören! Hört endlich auf damit!“, schrie sie und krallte die Finger in ihr Kleid.

Ihre Atmung wurde immer schwerer und sie fühlte sich, als würde sich direkt unter ihr ein tiefes Loch auftun, welches sie in die Tiefe riss.

Izzy’s Worte hallten in ihrem Kopf nach und machten ihr Herz schwer, wie Blei.

Übelkeit stieg in ihr hoch und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche, als sie Sora’s Stimme von innen hörte, die gerade den Ballkönig krönte.

„Mimi, bitte lass es mich erklären…“, begann Tai und griff zaghaft nach ihrer Hand. Mimi wich zurück und sah ihn mit feuchten Augen an.

Ihre ganze Welt brach gerade zusammen und sie fiel einfach immer weiter, außer Stande irgendetwas dagegen zu tun.

Tai wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, als lautes Gegröle aus der Halle nach draußen drang und Sora’s Stimme, die Mimi Tachikawa zur Ballkönigin aufrief.

Mimi stockte der Atem. Das war alles wie ein furchtbarere Albtraum und sie wollte nur noch weg von hier!

Weg von Izzy. Weg von Tai. Weg von diesem blöden Ball, der plötzlich so bedeutungslos für sie geworden war, wie sie es zuvor nie erwartet hätte.

Mit großen, braunen Augen sah er sie an und flehte sie förmlich an, ihm zuzuhören.

Doch sie hatte genug gehört!

Sie wollte das nicht mehr!

Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte so schnell sie nur konnte weg von der Halle. Weg von dem Ball. Weg von Izzy. Weg von ihm!

Gewissensbisse


 

„Die Wahrheit ist in diesen Zeiten so verdunkelt,

und die Lüge hat sich so sehr durchgesetzt,

dass man die Wahrheit nicht finden wird,

es sei denn man liebt sie“

Blaise Pascal
 

Sie rannte einfach immer weiter und es fühlte sich so an, als würde mit jedem Schritt, den sie ging, ein weiterer Riss in ihrem Herzen entstehen. Das Herz, das so plötzlich, so unheimlich weh tat, dass es kaum auszuhalten war. Und dennoch schlug es immer weiter heftig und schmerzvoll gegen ihre Brust, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie verletzt hatte.
 

„Mimi, jetzt warte doch mal. Ich kann dir das erklären!“

Doch sie dachte nicht daran stehen zu bleiben. Sie hatte genug gehört. Was gab es da noch zu erklären?

„Mimi, bitte, lass es mich erklären!“, forderte er sie ein weiteres Mal auf und hielt sie schließlich am Arm fest, als er sie eingeholt hatte.

Sie drehte sich schwungvoll zu ihm um und funkelte ihn wütend an, mit ihren verheulten Augen, die sich schon längst mit Tränen gefüllt hatten.

„Ich scheiß auf deine Erklärungen!“, schrie sie ihn an, woraufhin er zusammenzuckte und sie erschrocken ansah.

„Mimi, du glaubst gar nicht, wie leid mir das tut. Ich wollte es dir schon längst sagen“, versuchte er hektisch anzusetzen, doch die Brünette fuhr ihm über den Mund.

„Was längst sagen, Tai? WAS? Dass du mich die ganze Zeit angelogen hast oder dass du gar nicht so viel Zeit mit mir verbracht hast, weil du es wolltest oder dass du mich für Izzy ‚klar machen‘ wolltest? Was davon wolltest du mir sagen?“

„So war das nicht…“, wollte er sie beschwichtigen, doch Mimi schüttelte nur den Kopf.

„Nein, natürlich nicht. Wie war es denn dann? Ich jedenfalls kann mich noch gut daran erinnern, als du mir gesagt hast, du wüsstest nichts von Izzy’s Gefühlen mir gegenüber. Aber klar, jetzt ergibt alles einen Sinn!“

Sie versuchte sich ein paar Tränen wegzuwischen, die unaufhaltsam über ihre Wange rannen, während sie ihn weiterhin wütend ansah.

„Dass du urplötzlich so viel Zeit mit mir verbracht hast, dass du ihn verprügelt hast, als er mich geküsst hat und diese ganzen Ausflüchte, jedes Mal, wenn ich dich darauf angesprochen habe! Und wahrscheinlich ist das mit dem Backkurs auch auf deinen Mist gewachsen!“, beschimpfte sie ihn weiter und wartete auf eine Reaktion des Braunhaarigen.

Dieser blickte beschämt zu Boden und brachte es kaum über die Lippen.

„Die Karten kamen von Izzy. Ich sollte dich dort hinlocken, damit er sich wieder mit dir vertragen kann“, gestand er ihr schließlich, was Mimi ein weiteres Mal den Boden unter den Füßen wegriss.

Alles war gelogen! Einfach alles!

Sie ballte die Hände zu Fäusten und krallte ihre Fingernägel schmerzlich in das Innenfleisch ihrer Hand, während sich die nächste Flutwelle an Tränen ankündigte.

„Super! Wie konnte ich nur so dumm sein und glauben, er wäre mir dort zufällig über den Weg gelaufen? Das war alles von vorn bis hinten geplant“, brachte sie unter tränenerstickender Stimme hervor.

„Nein, nicht alles. Es war zum Beispiel nicht geplant, dass ich mich in dich verliebe und…“, begann Tai zaghaft und machte einen Schritt auf Mimi zu, die jedoch sofort zurückwich, damit er ihr nicht näher kam. „…und dass das alles so kompliziert wird“, beendete er seinen Satz und sah traurig zu Boden.

„Warum hast du das gemacht, Tai? Warum hast du mich die ganze Zeit angelogen?“, fragte Mimi plötzlich unverblümt und sah ihn erwartungsvoll an.

Er musste etwas sagen! Irgendetwas, dass ihr zeigen würde, dass er nicht der Mensch war, für den sie ihn jetzt hielt.

Aber er tat es nicht.

Er sah sie nur mit großen, traurigen Augen an, während ihr Blick immer kühler wurde und sie die Worte aussprach, von denen sie glaubte, sie nie auszusprechen. Und hätte man ihr vor ein paar Stunden gesagt, dass sie ihm gelten würden, hätte sie es nicht geglaubt.

„Ich hasse dich, Tai!“
 


 

„Mimi, mach die Tür auf, bitte!“, flehte Sora und hämmerte erneut verzweifelt an ihre Wohnungstür.

Schon seit einer halben Stunde versuchte ihre beste Freundin sie zum Aufmachen zu bewegen, doch Mimi war nicht im Stande dazu ihr jetzt unter die Augen zu treten.

Völlig verheult und immer noch in ihrem weißen Kleid, lag sie bäuchlings auf ihrem Bett und weinte sich die Augen aus. Ihre Schminke war verlaufen und ihre wundervolle Frisur völlig zerstört. Von dem perfekten Outfit und dem unbesorgten Mädchen, das am Abend die Wohnung verlassen hatte und sich voller Vorfreude auf den Weg zu ihrem Abschlussball gemacht hatte, war nicht mehr viel übriggeblieben.

Sie drückte ihr Gesicht ins Kissen, als Sora erneut gegen ihre Tür klopfte und Mimi schließlich schwerfällig aufstand.

Sie ging langsam in den Flur und legte eine Hand auf die Tür und während sie immer noch überlegte, ob sie aufmachen sollte, hörte sie Matt’s beruhigende Stimme, die auf die Rothaarige einzureden schien.

„Lass gut sein, Sora. Das hat keinen Sinn.“

„Aber…“, begann Sora, doch brach ihren Satz ab, als Matt wieder das Wort ergriff.

„Lass sie einfach ein bisschen allein“, schlug er ihr leise vor und kurze Zeit später konnte Mimi hören, wie sie sich von der Tür entfernten.

Sie atmete schwermütig aus und öffnete vorsichtig die Tür, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich gegangen waren.

Doch das Erste, was sie sah, war das glitzernde Diadem, welches zu ihren Füßen lag.

Mimi hob es auf und betrachtete dieses wunderschöne Teil, das jetzt eigentlich ihren Kopf zieren sollte.

Sie hätte es tragen sollen und während sie es getragen hätte, hätte sie eng umschlungen mit Tai getanzt und diesen Abend in vollen Zügen genossen.

Ihre Lippen begannen zu beben und sie schlug sich die Hand vor den Mund, um ein erneutes Schluchzen zu unterdrücken.

Doch es wollte ihr nicht gelingen. Erneut rannen ihr Tränen übers Gesicht, als sie sich ihren Gefühlen hingab und sich am Türrahmen hinab gleiten ließ, das Diadem auf ihrem Schoß ruhend.
 


 

Völlig benommen und verkatert schleppte er sich aus dem Bad. Inzwischen hatte er sich schon das fünfte Mal übergeben und immer noch nicht das Gefühl, dass es besser werden würde. Die Übelkeit wollte einfach nicht von ihm ablassen.

Vielleicht war das ja seine Strafe.

Die Strafe dafür, was er gestern Abend getan hatte. Dass er diesen Jungen verprügelt hatte. Dass er auf seine Freunde losgegangen war. Dass er Mimi verletzt hatte.

Allein beim Gedanken daran drehte ihm sich erneut der Magen um.

Schnaufend stützte er sich an der Wand ab. Zum Glück waren seine Eltern nicht zu Hause und mussten sich das Elend nicht mit ansehen, wie ihr einziger Sohn das erste Mal sturzbetrunken war.

Er hatte wortwörtlich die Kontrolle über sich verloren. Und alles nur, weil er zugelassen hatte, dass der Schmerz ihn übermannte. Der Verlust über die Freundschaft zu Mimi hatte ihn so gepackt und gnadenlos zu Boden gerissen, dass er außer Stande war sich dagegen zu wehren. Wie von Sinnen war er an den Schrank seines Vaters gegangen und hatte sämtliche angefangene Flaschen geleert, bevor er auf die wahnwitzige Idee kam, dem Abschlussball, an dem er nicht teilnehmen wollte einen Besuch abzustatten.

Der schlimmste Fehler überhaupt, wie er sich jetzt eingestehen musste.

Doch er war nicht er selbst gewesen. Der Alkohol hatte ihm die Sinne vernebelt und ließ ihn keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles woran er noch denken konnte, war Mimi…

Mimi und Tai.

Die beiden zusammen. Das konnte er einfach nicht ertragen.

Doch er hätte es ertragen müssen. Um Mimi’s Willen.

Er hätte ihr nicht so weh tun dürfen. Das war nie seine Absicht!

Hat es ihn gestört, dass die beiden plötzlich zusammen waren und er sich von Tai hintergangen gefühlt hat? Ja! Aber wollte er Mimi damit weh tun? Nein, das auf keinen Fall.

Stöhnend ließ er sich an der Wand hinab gleiten und stützte seinen pochenden Kopf auf seine Hände ab.

Um seine Beine schmiegte sich das kleine Kätzchen, welches er von Mimi geschenkt bekommen hatte und miaute glückselig. Jedes Mal, wenn er es ansah, erinnerte es ihn an sie. Wie viel Spaß sie beim Backen hatten oder auf dem Vergnügungspark oder als sie miteinander getanzt hatten…

Er hätte sich damit zufriedengeben sollen. Er hätte die Freundschaft zu ihr mehr schätzen müssen, als zwanghaft mehr zu fordern. Viel früher hätte er einsehen müssen, dass sie nun mal Gefühle für Tai empfand und nicht für ihn. Wieso konnte er sich nicht einfach damit abfinden, dass es so war?

Stattdessen hatte er die größte Katastrophe heraufbeschworen, die ihre Freundschaft je erleben sollte.

Wie konnte er das nur wieder gut machen?
 


 

„Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht erreichbar.“

Zum zehnten Mal an diesem Tag hörte er diesen Satz und legte frustriert auf.

Ein weiterer Tag, an dem sie nicht abhob. An dem er ihr nicht erklären konnte, was wirklich passiert war. Ein weiterer Tag, an dem er nicht ihre Stimme hörte und ihr nicht sagen konnte, was er für sie empfand.

Vielleicht würde er nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen, schoss es ihn durch den Kopf und ohne weiter darüber nachzudenken, wählte er erneut ihre Nummer.

Doch das Freizeichen wurde schnell im Keim erstickt.

„Der gewünschte Gesprächspartner ist zur Zeit nicht erreichbar.“

Er hatte sie verloren und es war seine eigene Schuld.

Diese Erkenntnis schmerzte so tief, dass er sie kaum in Worte fassen konnte.

Seit dem Abschlussball hatte er nichts mehr von ihr gehört.

Matt versuchte gelegentlich ihn anzurufen, doch Tai hatte keine Lust dazu, mit ihm zu reden. Auch Sora hatte versucht ihn zu erreichen. Doch er hätte ihr nicht unter die Augen treten können. Zu sehr schämte er sich dafür, was passiert war. Am liebsten hätte er sich selbst dafür geohrfeigt, dass er jedes Mal so feige gewesen ist. Dass er ihr einfach nicht die Wahrheit sagen konnte, aus purem Egoismus. Zu groß war die Angst davor gewesen, dass sie ihn dafür hassen könnte.

Und jetzt? Jetzt war genau das passiert. Sie hasste ihn!

Nie hätte er es so weit kommen lassen dürfen, dass sie die Wahrheit von Izzy erfuhr. Wo war nur sein Mut geblieben, als er ihn brauchte? Er hatte sich in Feigheit verwandelt und ihn von einer in die nächste Lüge getrieben.

Tai ballte seine Hände zu Fäusten, griff nach seinem Handy, das vor ihm auf dem Tisch lag und schmiss es mit voller Wucht gegen die Wand. Es zersprang in seine Einzelteile, wie sein Herz, dass er ebenfalls selbst gegen die Wand geworfen hatte. Er stützte seinen Kopf auf seine Hände ab und fuhr sich unruhig durchs Haar.

Wie konnte er je wieder gut machen, was er ihr angetan hatte?
 


 

„Mimi, du musst etwas essen!“, forderte ihre beste Freundin sie mit einem besorgten Unterton auf und schob ihr den Teller rüber.

Mimi blickte auf das leckere Essen, das Sora extra für sie gekocht hatte und verzog murrend das Gesicht.

„Ich will nicht“, nörgelte sie und schob den Teller von sich.

Sora stöhnte und stützte sich auf die Küchenzeile auf, während sie Mimi fürsorglich, wie eine Mutter musterte.

„Du siehst aber nicht gut aus, wenn du nichts ist.“

„Das ist mir egal.“

„Mimi, so geht das nicht weiter!“, sagte Sora eindringlich, gab sich jedoch geschlagen und nahm ihr den Teller weg, um ihn im Backofen warm zu halten.

„Seit Wochen quälst du dich selbst, isst kaum noch was, gehst nicht vor die Tür und…“

Sora warf einen kurzen Blick auf Mimi’s Haare, die ihr glanzlos und völlig zerzaust über die Schulter fielen. „…und lässt dich ziemlich gehen.“

Doch Mimi hatte nichts, außer einen gelangweilten Seufzer für sie übrig, während sie ihr Gesicht schwerfällig auf ihre Hand aufstützte, als würde es ihr ohne sie entgleiten.

Doch so schnell wollte die Rothaarige nicht aufgeben. Seit Tagen versuchte sie krampfhaft Mimi aus dem Haus zu locken, um ihr ein wenig Ablenkung zu verschaffen. Allerdings schmetterte die Brünette jeden ihrer Versuche mit Demotivation nieder. Jedes Mal, wenn Sora mit einer Idee um die Ecke kam, erstickte sie Mimi im Keim, indem sie vorgab krank zu sein oder einfach nicht ans Telefon ging.

Sora verstand ihre Lage nur zu gut – sie hatte Liebeskummer! Und dagegen gab es kein Heilmittel. Aber so langsam musste doch mal Schluss sein mit Trübsal blasen…

„Was hältst du davon, wenn wir heute Abend weggehen? Nur wir beide… einen richtigen Mädelsabend“, strahlte die Rothaarige ihre beste Freundin an, doch Mimi ließ sich nicht von ihrer Euphorie anstecken.

„Kann’s kaum erwarten“, nuschelte sie betrübt in ihre Handfläche.

„Ach komm schon, Mimi. Die Welt spielt sich da draußen vor der Tür ab. Nicht hier drin und nicht in deiner Jogginghose und dem weiten Sweater. Das bist doch nicht du, Mimi.“

Die Brünette schloss die Augen und seufzte schwermütig.

„Hat er sich denn noch mal gemeldet?“, fragte Sora plötzlich, was ihre Freundin aufsehen ließ.

Sie griff nach ihrem Handy und durchforstete es nach den letzten Anrufen, die bereits ein paar Tage zurück lagen.

„Ich denke, er hat es aufgegeben“, antwortete sie tonlos und legte das Handy wieder beiseite.

Keinen einzigen seiner Anrufe hatte sie beantwortet. Sie wollte seine Stimme nicht hören. Sie wollte nicht hören, wie leid es ihm tat. Denn sie tat sich selbst schon genug leid. Dass sie so blöd war und sich, naiv wie sie war in ihn verliebt hatte. Das würde sie sich nie verzeihen…

„Willst du denn nicht wissen, was er dir zu sagen hat?“, fragte Sora und sah ihre Freundin eindringlich an, als sie ihren nachdenklichen Blick bemerkte.

Mimi zuckte mit den Schultern.

„Ich denke nicht, dass das was ändern würde.“

„Aber Mimi, er liebt dich.“

Dieser Satz ließ die Brünette unwillkürlich zusammenzucken und sie sackte geknickt auf ihrem Stuhl zusammen. Sie konnte es nicht verhindern, aber die ersten Tränen stiegen ihr in die Augen.

Eigentlich weinte sie immer noch jeden Tag. Auch, wenn es inzwischen weniger geworden war. Es tat immer noch weh…

„Tut mir leid, das wollte ich nicht. Lass uns nicht mehr über Tai reden, okay?“, entschuldigte ihre Freundin sich, als sie Mimi’s traurigen Blick sah.

„Lass uns lieber tanzen gehen! Ich denke, du könntest ein bisschen Musik und ein paar Cocktails gut vertragen. Und vor allem würdest du mal wieder andere Gesichter sehen, als jeden Tag nur dein eigenes im Spiegel“, versuchte Sora sie weiter zu überreden, während Mimi über ihre Worte nachdachte.

Es war schon recht erbärmlich, sich jeden Tag im Spiegel zu betrachten und sich nicht mehr wieder zu erkennen. Wie sie immer ausgelaugter und dünner aussah und wie die Augenringe, die sich unter ihren glanzlosen Augen gebildet hatten, einfach nicht mehr verschwinden wollten. Sie spielte mit einer ihrer Haarsträhnen und besah sich betrübt den Spliss, der sich bereits durch die Spitzen zog.

„Vielleicht hast du recht. Das hier bin nicht ich!“

„Na endlich!“, jubelte die Rothaarige begeistert und klatschte in die Hände.

„Wir machen dich so richtig frisch und dann ziehen wir los. Nur wir beide! Das wird ein Spaß!“

Mimi schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln und nickte.

„Ich glaub, ich gehe vorher noch etwas joggen“, überlegte sie und legte den Kopf schief, als sie auch schon vom Stuhl sprang und sich ihre Sportschuhe aus dem Schrank kramte.

„Ja, sehr gut!“, bestärkte sie Sora völlig euphorisch. Anscheinend hatte sie schon gar nicht mehr damit gerechnet, Mimi doch noch rum zu kriegen.

„Geh joggen. Krieg mal richtig den Kopf frei. Und danach machen wir uns schick und gehen auf die Piste.“

Sora hatte recht!

Es reichte! Sie musste endlich den Kopf frei kriegen!

Schon zu lang versteckte sie sich in ihrer Wohnung und wartete darauf, dass ein Wunder geschah. Doch das geschah nicht und es würde auch nicht passieren. Die Hoffnung, dass das alles nur ein Albtraum war und sie irgendwann friedlich in Tai’s Armen aufwachen würde, hatte sie aufgegeben. Denn das würde nie geschehen!

Wozu also sich länger unter der Bettdecke verstecken?
 


 

Sie stand vor ihrem Wohngebäude und fing an sich zu dehnen. Es tat so gut, endlich mal wieder etwas frische Luft zu schnappen und das Laufen würde ihr sicher auch gleich richtig guttun und ihr neue Kraft geben. Mimi war froh, dass sie sich endlich wieder zu etwas aufrappeln konnte und dass Sora so hartnäckig geblieben war.

Sie dehnte ihre Waden, bis es leicht in ihren Muskeln zog. Dann steckte sie sich die Kopfhörer ihres I-Pods in die Ohren, drehte die Musik auf und lief los.

Sie bog um die nächste Ecke ab und noch ehe sie hätte reagieren können, rannte sie in jemanden hinein, der sogleich etwas nach hinten stolperte, während auch sie leicht das Gleichgewicht verlor und rückwärts taumelte.

Sie kniff die Augen zusammen und rieb sich die schmerzende Schläfe, denn sie war unsanft gegen die Schulter der Person gestoßen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte eine Stimme und Mimi zuckte zusammen.

Mit großen Augen sah sie ihn an und konnte nicht fassen, dass sie ausgerechnet in ihn gelaufen war.

Was zum Teufel machte er hier?

Sein Name kam ihr nur leise über die Lippen, während er sie entschuldigend ansah.

„Izzy.“

Freundschaft ist wie Liebe… nur anders

„Izzy, was machst du hier?“, fragte sie, während sie sich immer noch die Schläfe rieb und ihn irritiert ansah.

„Ich ähm…“, begann Izzy kleinlaut und vergrub verlegen die Hände in den Hosentaschen.

„Ich wollte dich sehen und mit dir reden.“

Mimi’s Augen verengten sich zu Schlitzen und sie beäugte den Rothaarigen misstrauisch.

„Wozu?“, fragte sie mit fester Stimme. „Gibt’s noch etwas über Tai zu erzählen, dass ich nicht weiß?“

Izzy schluckte und wusste anscheinend nicht so recht, was er sagen sollte.

Mimi verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue nach oben, was ihre Schläfe erneut zum Pochen brachte.

„Oder etwas von dir, dass ich noch nicht weiß?“, fragte sie zynisch und musterte ihn von oben bis unten.

Izzy setzte an, etwas zu sagen, doch Mimi unterbrach ihn barsch. „Ich habe keine Zeit für noch mehr Lügen!“, sagte sie und ging an ihm vorbei, um los zu joggen.

„Nein, ich muss wirklich mit dir reden“, rief Izzy ihr hinterher und fing an, ihr nachzulaufen. Schnell hatte er sie eingeholt, woraufhin Mimi ihr Tempo noch etwas erhöhte.

Er sollte sich einfach verziehen!

„Mimi, mir tut das alles leid… was da auf dem Abschlussball passiert ist“, setzte Izzy an, was Mimi jedoch nicht zum Anhalten bewegte, also lief der Rothaarige weiter neben ihr her.

„Das war so nicht geplant.“

„Ach nein? Es gehörte also nicht zu eurem Plan, dass du dich betrinkst und eure ganzen Lügen auffliegen?“, zischte Mimi verächtlich und legte noch mal einen Zahn zu. „Tja, Pech für euch, nicht?!“

Izzy stöhnte auf und hatte inzwischen wirklich Probleme mit ihr Schritt zu halten.

„Okay, das war blöd formuliert und wahrscheinlich hab ich es verdient, dass du mich jetzt…“, doch Izzy konnte nicht weiter sprechen. Stattdessen schnappte er nach Luft und wischte sich die ersten Schweißtropfen von der Stirn. Mimi drehte sich kurz zu ihm um und bemerkte, dass er immer langsamer wurde.

„Du verschwendest deinen Atem“, sagte sie und wollte ihr Tempo weiter erhöhen, um ihm endgültig davon zu laufen, doch ihre pochende Schläfe meldete sich wieder zu Wort und bescherte ihr plötzliche Schmerzen, die ihren Kopf durchzogen.

Sie verlangsamte ihre Schritte, bis sie schließlich stehen blieb und sich keuchend auf ihre Knie abstützte. Ihr Kopf hämmerte plötzlich so sehr, dass sie sich an die nächstgelegene Wand setzen musste und die Stirn auf ihre Arme bettete.

Izzy, der sie inzwischen wieder eingeholt hatte, setzte sich neben sie.

„Verschwinde endlich!“, hauchte sie in ihre Armbeuge. Ihr Kopf schmerzte so sehr… Anscheinend war der Zusammenstoß mit Izzy doch nicht so spurlos an ihr vorübergegangen. „Nein, das mach ich nicht!“, sagte der Rothaarige ernst, was Mimi aufsehen ließ.

„Nicht, bevor du mir zugehört hast.“

Mimi stöhnte genervt auf. Am liebsten würde sie aufstehen und weglaufen, wie sie es auf dem Abschlussball getan hatte. Sie hatte keine Lust sich wieder mit diesem Thema auseinander zu setzen! Sich wieder an Tai erinnern zu müssen und daran, was er getan hatte.

Doch aufstehen und weglaufen ließ ihr Kopf nicht zu.

„Geht’s dir nicht gut?“, fragte Izzy plötzlich mitfühlend, woraufhin Mimi mit den Schultern zuckte, sich zurücklehnte und die Augen schloss.

„Nur ein bisschen Kopfschmerzen, das geht gleich wieder“, flüsterte sie mehr zu sich selbst, als zu dem Rothaarigen, doch dieser stand sofort auf.

„Ich besorg dir was zum Kühlen, warte hier“, meinte er und verschwand.

Mimi sah aus dem Augenwinkel, wie er um die nächste Ecke abbog.

Das war ihre Chance! Ihr Chance, nach Hause zu gehen, sich wieder einzuschließen und somit diesem ungewollten Gespräch aus dem Weg zu gehen.

Das Letzte, was sie wollte, war Izzy zu sehen und sich seine scheinheiligen Entschuldigungen anzuhören.

Kurz überlegte sie, ob sie sich zwingen sollte aufzustehen, um sich davon zu stehlen.

Wie feige – schoss es ihr durch den Kopf. Dann wäre sie nicht besser, als Tai, der so feige war und ihr nicht die Wahrheit sagen konnte.

Nein, sie wollte nicht länger vor der Wahrheit davonlaufen! Auch, wenn es schmerzte, sie musste sich dem Ganzen früher oder später stellen, um damit abschließen zu können. Denn Abschließen war die einzige Option, die sie noch hatte.

„Komm Mimi, du packst das!“, ermutigte sie sich selbst und als sie die Augen wieder öffnete, stand Izzy mit einer Tüte Tiefkühlerbsen vor ihr und hielt sie ihr hin.

„Sorry, im Supermarkt hatten sie nichts Anderes.“

Kurz zögernd griff sie nach den Erbsen und hauchte ihm ein leises „Danke“ entgegen, bevor sie die eiskalte Tüte gegen ihre Stirn drückte. Zuerst verschlimmerte sich der Schmerz, doch nach einer Weile atmete sie erleichtert aus, da das Pochen endlich nachließ.

Izzy hatte sich neben sie gesetzt und sie mit einem sorgenvollen Blick beobachtet.

„Geht’s besser?“, fragte er einfühlsam, was Mimi mit einem leichten Nicken bestätigte.

Das Informatikgenie legte ein nachdenkliches Gesicht auf und überlegte anscheinend, was er sagen sollte, bis er schließlich seufzte und Mimi traurig ansah.

„Weißt du, was das Schlimmste an der ganzen Sache ist?“

Die Brünette sah überrascht auf und wartete auf eine Antwort.

„Das Schlimmste für mich ist…“, sagte Izzy und richtete den Blick betrübt zu Boden.

„Dass ich dich so sehr vermisse, als Freundin.“

Mimi schluckte und überlegte, wie sie darauf reagieren sollte, während die erste Wut in ihr hochkroch.

Was sollte das? Wollte er die Mitleidsschiene fahren und darauf spekulieren, dass es ihr ebenso ging? Dass sie ihn auch vermisste?

Am liebsten hätte sie ihn angeschrien und ihm sämtliche Schimpfwörter um die Ohren gehauen…

Doch das konnte sie nicht.

Denn, wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, ging es ihr tatsächlich nicht anders. Natürlich vermisste sie ihren Freund! Aber nicht den Izzy, der er jetzt war. Nicht diesen egoistischen, abgebrühten, hinterhältigen Izzy, der er in ihren Augen nun war, sondern den alten Izzy. Mit dem sie immer über alles reden konnte, mit dem sie Spaß haben konnte und den sie schon seit ihrer Kindheit kannte und nie missen wollte in ihrem Leben.

Mimi biss sich schmerzlich auf die Unterlippe, um das Beben ihrer Lippen zu unterdrücken und ihre aufkommenden Tränen zurück zu halten.

„Du hast alles kaputt gemacht!“, sagte sie mit erstickender Stimme und drückte die kalte Tüte noch fester gegen ihre Stirn.

Izzy seufzte gequält auf. „Ich weiß, ich hab deine Beziehung zu Tai kaputt gemacht und ich weiß, wie schlecht es dir damit geht“, sagte er, doch die Brünette schüttelte den Kopf.

„Das meine ich nicht. Unsere Beziehung hat er kaputt gemacht, nicht du.“

Der Rothaarige sah sie irritiert an, woraufhin Mimi das erste Mal seinen Blick erwiderte.

„Du hast unsere Freundschaft mit Füßen getreten“, sagte sie und senkte betrübt den Blick. „Und ich weiß nicht, ob ich dir das jemals verzeihen kann.“

Sie drückte ihm die inzwischen angetaute Tüte Erbsen in die Hand und stand auf.

„Warte!“, erwiderte Izzy hektisch und erhob sich ebenfalls, um sie am Gehen zu hindern. „Mimi, ich weiß, wie weh ich dir getan habe und es tut mir unendlich leid, das musst du mir glauben! Aber schmeiß nicht alles weg, was dir etwas bedeutet. Und damit meine ich nicht mich oder unsere Freundschaft. Ich weiß, dass ich das wahrscheinlich auf ewig verbockt habe. Aber schließ nicht die Menschen aus deinem Leben aus, die dich aufrichtig lieben.“

Mimi drehte sich zu ihm um und sah ihn verwirrt an. Was meinte er damit? Meinte er etwa…?

„Du hast selbst gesagt, dass seine Liebe nicht aufrichtig ist.“

In diesem Moment veränderte sich Izzy’s Gesichtsausdruck. Er sah sie eindringlich an, mit entschlossenem Blick. Dieser Blick, den sie schon früher oft bei ihm gesehen hatte, wenn ihm etwas wichtig war. Dieser Blick, der ihr verriet, dass es ihm ernst war, mit dem was er sagte…

„Das war gelogen, das weißt du! Du weißt, dass er dich liebt. Ich weiß, dass er dich liebt. Gib das nicht auf, weil ich so bescheuert war und das nicht wahrhaben wollte“, redete er weiter auf sie ein und durchbohrte sie förmlich mit seinem Blick.

Mimi schwirrte der Kopf. Damit, dass Izzy nicht gekommen war, um sich zu rechtfertigen, sondern weil er Partei für Tai ergreifen wollte, hatte sie nicht gerechnet. Sie dachte, er würde sie anflehen, ihm zu verzeihen oder die Schuld Tai in die Schuhe schieben oder… irgendwas! Aber nicht das!

„Hast du mal mit ihm gesprochen, seit dem Abschlussball?“, fragte Izzy plötzlich.

Mimi schüttelte den Kopf. „Nein“, brachte sie lediglich leise über die Lippen.

„Weißt du…“, setzte Izzy erneut an und ging einen Schritt auf sie zu. „Ich hab Tai ziemlich unfair behandelt. Genau, wie dich. Ich finde, du solltest mit ihm sprechen und dir anhören, was er zu sagen hat. Er vermisst dich sicher mindestens genauso sehr, wie ich es tue.“

Er ergriff ihre Hand und Mimi zuckte kurz zurück, hielt dann jedoch inne und sah ihn an. Er hielt ihre Hand genauso, wie er es schon mal getan hatte. Damals, nach dem Kuss. Doch diesmal war es anders…

„Freundschaft ist wie Liebe, oder? Nur anders…“

Zwei an einem Tag

„Voilá! Fertig! Wie findest du es?“, fragte Sora mit großen Augen, als sie ihr das Handtuch vom Kopf wickelte.

Mimi beäugte sich kritisch im Spiegel und betrachtete ihre nun schokobraunen Haare, bevor ein Grinsen ihre Lippen umspielte.

„Gefällt mir!“

„Yeah, mir auch!“, jubelte Sora und klatschte in die Hände. Es war ihre Idee gewesen Mimi eine neue Frisur zu verpassen. Sie meinte, das Beste, was man bei Liebeskummer machen kann, ist etwas an sich zu verändern. Da würde man sich gleich viel besser fühlen. Obwohl der Schuss bei ihr schon mal deutlich nach hinten losgegangen war.

Einmal, als sie sich furchtbar mit Matt verkracht hatte, war sie zum Frisör gegangen und hatte sich ihre Haare kurzerhand abschneiden lassen- radikal kurz!

Direkt danach bereute sie es zutiefst, weswegen Mimi anfangs auch sehr skeptisch gegenüber ihrer Idee war.

Doch auch Sora’s Haare waren inzwischen wieder auf Schulterlänge nachgewachsen und hätte es ihr nicht gefallen, hätte sie sich die Haare ja wieder umfärben können.

Dass sie sich jedoch so gut in dem dunkleren Braun gefallen würde, hätte sie nicht erwartet.

Grinsend lief sie zu ihrem Kleiderschrank, kramte einige Klamotten heraus und schmiss sie auf’s Bett.

Sora nahm eines der Teile in die Hand und warf einen prüfenden Blick darauf.

„Heute ganz in schwarz?“

„Jap, mir ist heute irgendwie danach“, bestätigte die Brünette und fing an, sich umzuziehen.

„Okay“, zuckte Sora mit den Schultern und reichte ihr das schwarze, rückenfreie Top.

Danach machten sich die beiden Mädchen daran, sich die Haare zu stylen und sich zu schminken.

Mimi band ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zurück und strahlte Sora dann mit großen Augen an.

„Du siehst toll aus! Danke, dass du mich überredet hast, mal wieder raus zu gehen. Ich denke, das wird mir guttun.“

Mimi stockte kurz und senkte betrübt den Blick. „Besonders nachdem ich Izzy heute getroffen habe.“

Sie setzte sich auf’s Bett und faltete die Hände im Schoß. „Er hat was Komisches gesagt.“

Die Rothaarige setzte sich neben sie und sah sie fragend an. „Was meinst du?“

„Er hat gesagt, Freundschaft wäre wie Liebe… nur anders“, seufzte Mimi. Immer noch konnte sie sich keinen Reim auf seine Worte machen… was er ihr damit sagen wollte.

Sora legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Mmh, das war schon was, dass er einfach so hier auftaucht. Aber…“, sagte sie und warf Mimi einen eindringlichen Blick zu. „Weißt du, was ich glaube?“

„Du wirst es mir bestimmt gleich sagen“, grinste Mimi und zog eine Augenbraue nach oben.

„Ich glaube, er hat dich aufgegeben und akzeptiert, dass du keine Gefühle für ihn hast, sondern für…“, doch Sora brach ab, als ihre Freundin eilig abwinkte. „Red nicht weiter Sora, bitte.“

„Ich meine ja nur“, sagte die Rothaarige, während sie anscheinend nach den richtigen Worten suchte. „Ich meine ja nur, dass er vielleicht eingesehen hat, dass er eure Freundschaft kaputt gemacht hat und dass sie ihm jetzt, wo er sie verloren hat, eigentlich wichtiger ist als die Gefühle, die er für dich hat.“

„Mmh“, machte Mimi nur und dachte über Sora’s Worte nach.

Nachdem sie Izzy getroffen hatte, war sie ganz verwirrt gewesen. Sie wusste nicht, was sie von seinem Auftritt zu halten hatte. Erst tauchte er sturzbetrunken bei ihrem Abschlussball auf und schmetterte ihr die Wahrheit über Tai an den Kopf und heute… Heute überfiel er sie einfach so und wollte von ihr, dass sie nicht IHM, sondern Tai noch eine Chance gab.

Mimi verstand das alles nicht, für sie ergab das alles keinen Sinn. Sie verstand nicht, was in ihm vorging. Und sie wusste nicht, ob sie ihm trauen konnte. Vielleicht verfolgte er ja damit wieder irgendeinen schrägen Plan, um ihr wieder näher zu kommen.

Aber vielleicht hatte ja Sora auch recht, mit dem, was sie sagte.

Mimi wusste es nicht. Und vielleicht würde sie es auch nie erfahren…

„Ach“, zischte sie plötzlich und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ich will heute nicht mehr darüber nachdenken. Ich will heute einfach einen schönen Abend mit meiner besten Freundin haben“, sagte Mimi und grinste Sora vielsagend an. Diese lächelte und schenkte ihr einen aufmunternden Blick.

„Akzeptiert.“
 

Im Club war es eng, stickig und laut. Genau die Art von Ablenkung, die Mimi nun brauchte.

Die beiden Freundinnen drängten sich vorbei an den vielen Leuten, bis vor zur Bar, wo Mimi für sich und Sora zwei Martini bestellte.

„Auf uns!“, grinste Mimi und prostete Sora zu, bevor sie sich den ganzen Martini auf einmal hinter kippte.

„Hey, mach mal langsam“, ermahnte Sora sie und nahm ihr das Glas ab. Doch davon ließ die Brünette sich gar nicht irritieren und bestellte sich gleich noch eins.

„So“, sagte sie, nippte an ihrem Drink und ließ den Blick durch die Menge schweifen.

„Wen von diesen Typen hältst du für geeignet?“

„Geeignet für was?“, fragte die Rothaarige und schielte ihre Freundin mit einem kritischen Blick von der Seite an.

Mimi sah sie nur vielsagend an und grinste, woraufhin Sora aufstöhnte und die Mundwinkel nach unten zog.

„Ich dachte, heute nur wir Mädchen.“

Mimi lachte auf und drehte sich wieder zur Bar um. „Keine Angst, war nur Spaß. Aber wenn heute Abend schon striktes Männerverbot gilt, werden wir uns anders vergnügen müssen“, säuselte sie und bestellte zwei Shots.

Sora beäugte das Schnapsglas unsicher, zuckte dann jedoch mit den Schultern, als sie Mimi’s auffordernden Blick sah und leerte es in einem Zug.

„Noch zwei!“, rief Mimi dem Barkeeper entgegen.
 

Sie ließ sich völlig von der Musik treiben, während der laute Bass ihren Körper durchfuhr und ihn zum Beben brachte. Lasziv hob sie die Arme in die Luft und schloss die Augen.

Beim Tanzen fühlte sie sich frei. Das erste Mal seit Tagen unbeschwert.

Als sie die Augen wieder öffnete, war alles ein wenig verschwommen.

Sie spürte, wie sie jemand berührte und von hinten die Arme um sie schloss.

Gleichmäßig bewegten sie sich zum Takt der Musik. Mimi griff nach seinen Händen und drehte sich zu dem Unbekannten um.

„Hallo, Schönheit“, säuselte ihr der junge Mann ins Ohr und drückte sich noch enger an sie.

Mimi sah sich ihn etwas genauer an, was bei dem gedämmten Licht nicht gerade einfach war. Sie stutzte, als sie seine braunen Haare und seine sportliche Figur sah. Und sein Grinsen, das seine Lippen umspielte. Nur die Augen… Es waren nicht seine Augen.

Die Brünette drückte den Unbekannten von sich und sah ihn irritiert an.

„Sorry, heute bin ich mit meiner Freundin hier“, entschuldigte sie sich halbherzig bei ihm, drehte sich um und ließ den Typen verdattert stehen.

Sie kämpfte sich durch die Menge vor zur Bar, wo Sora stand und ihr Treiben auf der Tanzfläche beobachtete. Die Rothaarige hatte schon vor einer ganzen Weile aufgehört zu trinken, da sie generell eher wenig Alkohol vertrug.

„Wer war das?“, fragte sie ihre Freundin, die sich direkt einen Shot bestellte.

„Keine Ahnung“, antwortete Mimi kurz angebunden und kippte sich den starken Drink nach hinten, woraufhin sie angewidert ihr Gesicht verzog.

„Meinst du nicht, du hast genug für heute?“, meinte Sora und sah ihre Freundin besorgt an.

„Weißt du, was ich nicht verstehe?“, erwiderte Mimi plötzlich mit lauter Stimme und knallte das Glas auf den Tresen, während sie den Barkeeper heranwinkte, der das Spiel schon kannte und ihr nachfüllte. „Wieso? Wieso krieg ich ihn nicht aus meinen Kopf?“

Sora, die Mimi kritisch dabei zusah, wie sie sich den nächsten Drink gönnte, zog argwöhnisch eine Augenbraue nach oben.

„Weißt du, ich hab mich echt angestrengt, wirklich“, fuhr Mimi unbeirrt fort, als der Barkeeper ihr erneut einschenkte.

„Aber es geht nicht. Ich kann ihn einfach nicht vergessen!“

Sie setzte das Glas an die Lippen und warf den Kopf in den Nacken. „Noch nicht mal, wenn ich mich betrinke.“

„Apropos betrinken“, hakte Sora ein und nahm ihr das Glas ab, da Mimi’s Blick schon deutlich verklärt war. „Du hast wirklich genug getrunken.“

Die Brünette sah sie mit einem vorwurfsvollen Blick an und versuchte einen Schritt auf sie zuzugehen, knickte jedoch um und stolperte in Sora’s Arme.

„Woah, du hast definitiv genug. Komm, ich bring dich nach Hause.“

„Aber ich will noch nicht nach Hause“, protestierte Mimi lallend, konnte sich jedoch nicht dagegen wehren, dass Sora sie bei der Hand nahm und hinter sich her schliff.

Sie drängten sich durch die Menge, bis hin zum Ausgang, bevor die kühle Nachtluft ihren Kopf vollends vernebelte.

Sie schloss die Augen und atmete tief ein, um der aufkommenden Übelkeit entgegen zu wirken, die sie plötzlich ergriff. Hatte sie wirklich so viel getrunken?

„Sora?“, sagte eine Stimme, woraufhin Mimi ihre Augen öffnete und vor Schreck beinahe wieder gestolpert wäre, doch Sora konnte sie gerade noch so festhalten.

„Ach du scheiße!“, brachte Mimi schwermütig über die Lippen, ehe sie die Übelkeit vollkommen übermannte, sie sich nach vorne beugte und sich übergab.

„Wow, hast du sie so abgefüllt?“, fragte er und ging einige Schritte auf sie zu.

„Nein, das hat sie ganz allein geschafft“, erwiderte Sora und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

Mimi wischte sich mit einem Taschentuch, was ihr Sora reichte über den Mund und stützte sich schwer atmend auf ihre Knie ab.

„Was macht er hier?“, fragte sie fassungslos und traute sich beinahe nicht, sich wieder aufrecht hinzustellen und ihn noch mal anzusehen.

Stattdessen drehte sie den Kopf und sah ihre beste Freundin auffordernd an. Diese jedoch zuckte nur mit den Schultern und schien ebenso verwirrt über seinen plötzlichen Auftritt zu sein.

„Was machst du hier?“, richtete Mimi nun das Wort an Tai, während sie sich langsam aufrichtete, ihn jedoch immer noch nicht ansah.

Tai wollte etwas erwidern, doch die Brünette fuhr ihm forsch über den Mund und winkte desinteressiert ab. „Ach, sei ruhig!“, schnauzte sie ihn an und torkelte an ihm vorbei.

Sora ging auf den Braunhaarigen zu und betrachtete ihn misstrauisch.

„Würde mich allerdings auch mal interessieren, was du hier zu suchen hast.“

Tai zischte und warf ihr einen vielsagenden Blick zu.

„Ich war bei Matt. Du hast ihm vorhin geschrieben, dass ihr tanzen seid und dass Mimi sich ziemlich voll laufen lässt.“

„Alte Plaudertasche. Na der kann was erleben!“, stöhnte die Rothaarige auf, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete Mimi dabei, wie sie am Straßenrand stand und vergebens versuchte ein Taxi anzuhalten.

„Allerdings beantwortet das noch nicht meine Frage, warum du hier bist.“

Tai sah sie schief von der Seite her an, beantwortete jedoch nicht ihre Frage.

Sora stöhnte genervt auf. „Na gut“, sagte sie und hob drohend den Finger. „Ich helfe dir. Nur dieses eine Mal. Also verbock es nicht!“

Tai sah sie verwirrt an und hatte anscheinend keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.

Doch Sora ging schnellen Schrittes auf Mimi zu, die immer noch erfolglos versuchte ein Taxi zu ergattern.

Die Brünette schimpfte laut über die vorbeifahrenden Taxen, die nicht anhielten und redete irgendetwas von, dann müsse sie eben zu härteren Mitteln greifen. Sie war gerade dabei, ihr Top hochzuziehen, als Sora ihre Arme ergriff und sie wieder nach unten drückte.

„Das lässt du schön bleiben!“

Mimi kicherte, während ihre Freundin es tatsächlich schaffte, das nächste Taxi anzuhalten, welches an ihnen vorbeifuhr.

„Hey, wieso klappt das bei dir und bei mir nicht?“, ärgerte sich Mimi und verzog schmollend den Mund.

Weiter nörgelnd stieg sie in das Taxi und machte es sich auf der Rückbank bequem.

„So eine Unverschämtheit!“, lallte sie vor sich hin.

Sora seufzte. Sie drehte sich kurz zu Tai um und wies ihn mit einer Kopfbewegung an, rüber zu kommen.

Dann beugte sie sich über die offene Tür und sah Mimi entschuldigend an.

„Tai wird dich nach Hause bringen. Ich muss dringend nach Hause zu Matt. Unser… äh… Abfluss ist verstopft.“

„WAS? NEIN!“, protestierte die Brünette lautstark und lehnte sich nach vorne.

Tai schenkte Sora einen dankenden Blick. „Du hast was gut bei mir“, sagte er leise zu ihr und wollte in das Taxi einsteigen. Was nicht so einfach war, da Mimi sich in die andere Ecke verzogen hatte und versuchte ihn mit den Füßen davon abzuhalten.

„Hau ab!“, keifte sie ihn an und trat gegen sein Bein.

„Au! Hör auf, mich zu treten!“

Tai schob ihre Füße zur Seite, nahm auf der Rückbank Platz und schloss die Tür.

Mimi, die immer noch tobte vor Wut, kroch auf die andere Seite, lehnte sich über Tai, kurbelte das Fenster herunter und funkelte ihre Freundin böse an, die bereits dabei war zu gehen.

„Der Abfluss ist verstopft! Sag mal, willst du mich verarschen?“

„Tut mir leid!“, rief Sora ihr zu und winkte ihr zum Abschied.

„SORA!“, schrie Mimi ihr noch hinterher, doch es war zwecklos. Ihre beste Freundin hatte sie verraten und verkauft. An den letzten Menschen, den sie gerade sehen wollte.

Wütend schnaufend ließ Mimi sich in ihren Sitz zurückfallen und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.

Kritisch beäugte sie ihren Sitznachbarn, der unsicher grinste.

„Das ist doch albern!“, meckerte Mimi zu sich selbst und schmollte weiter in sich hinein.

Was sollte dieser Unsinn? Was bezweckte Sora damit? Wenn sie dachte, sie würde auch nur ein Wort mit Tai reden, dann hatte sie sich geschnitten!

Willensschwäche

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Zurück zum Anfang Teil 1

„Gib mir nur einen Tag mit dir. Danach kannst du mich für immer in die Wüste schicken.“

„Was?“, zischte Mimi und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Das soll wohl ein schlechter Witz sein!“, sagte sie und ging an ihm vorbei. „Ein Tag mit mir? Was erhoffst du dir denn davon?“

Sie konnte sich nicht vorstellen, was er damit bezwecken wollte, doch auf so komische Spielchen hatte sie keine Lust. Ein Tag und dann durfte sie ihn in die Wüste schicken? Was für ein Unsinn!

Tai wollte ansetzen etwas zu sagen, doch Mimi unterbrach ihn. „Und dann darf ich dich in die Wüste schicken? Das hab ich schon längst getan, falls du es noch nicht bemerkt hast.“

Tai runzelte die Stirn und hielt ihrem Blick stand. „Das hat sich gestern Nacht aber anders angefühlt.“

Normalerweise war die Brünette nicht auf den Mund gefallen, doch dieser Satz verschlug ihr förmlich die Sprache. Er hatte sie eiskalt erwischt. Verärgert presste sie die Lippen aufeinander.

Natürlich hatte ihr diese gemeinsame Nacht mit ihm etwas bedeutet und es fühlte sich sogar so an, als wären ihre Gefühle für ihn stärker denn je. Doch das durfte und wollte sie sich nicht anmerken lassen!

„Und wenn schon“, antwortete sie kühl und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „So was kann vorkommen.“

„So was kann vorkommen?“, lachte Tai auf. „Hörst du dir eigentlich mal selbst zu?“

Er fixierte sie mit seinen Augen und sah sie entschlossen an. „So etwas kommt bei uns nicht einfach so vor! Nicht bei uns beiden!“

Mimi ballte ihre Hände zu Fäusten. Wieso konnte er nicht einfach gehen und sie in Ruhe lassen? Doch der Student dachte nicht einmal daran und redete stattdessen weiter energisch auf sie ein. „Mimi… Immer, wenn wir miteinander geschlafen haben, waren Gefühle im Spiel. Und das war gestern Nacht nicht anders!“

Wieso tat er das? Wieso tat er ihr so weh und führte ihr die schmerzliche Wahrheit vor Augen? Sie wollte das nicht hören!

„Also, hör endlich auf so zu tun, als würdest du nichts mehr für mich empfinden, denn du bist keine besonders gute Lügnerin.“

Wie bitte? Mimi verengte ihre Augen zu Schlitzen. Was bildete er sich ein, so mit ihr zu reden? Keine gute Lügnerin? Nicht so gut, wie er war?

„Das reicht!“, unterbrach sie ihn schließlich wütend, griff nach seiner Jacke, die auf dem Fußboden lag und schmiss sie ihm entgegen. „Verschwinde endlich!“

Der Braunhaarige überlegte kurz und sah Mimi eindringlich an, doch dann zog er sich widerwillig seine Jacke über und ging auf sie zu.

„So schnell wirst du mich nicht los!“, flüsterte er ihr entgegen, während Mimi seinem Blick auswich.

„Sei dir da mal nicht so sicher“, erwiderte sie barsch und wartete darauf, dass er endlich ging.
 

Langsam schloss er die Tür hinter sich und atmete schwermütig aus.

War er eben zu weit gegangen?

Betrübt verließ Tai das Gebäude und machte sich zu Fuß auf den Weg nach Hause, während seine Gedanken immer wieder um die letzte Nacht und um ihr letztes Gespräch kreisten.

Nein! Er musste ihr irgendwie klarmachen, dass sie zusammengehörten. Die letzte Nacht war ein guter Anfang gewesen. Auch, wenn es nicht geplant war und reden sicherlich die bessere Alternative gewesen wäre. Und doch hatte sie ihm ihre Gefühle offenbart und so sehr sie das auch abstritt… sie empfand immer noch etwas für ihn, da war er sich jetzt ganz sicher. Er hatte es in ihren Augen gesehen. Und sie in seinen.

Die letzten Tage hätte er fast gedacht, sie verloren zu haben. Doch das hatte er nicht, es gab immer noch Hoffnung. Mimi spielte zwar die Unnahbare, aber in ihrem Inneren war auch ihr klar, wie sehr sie sich gegenseitig brauchten und vermissten.

Er würde es ihr beweisen, dass er recht hatte mit dem, was er sagte. Er würde um sie kämpfen!
 

„Ich hasse dich, Sora Takenouchi!“

„Tut mir ja leid, aber…“, begann Sora sich zu rechtfertigen und seufzte am anderen Ende der Leitung. „Er hat mir leidgetan und er ist auch mein Freund. Was hätte ich denn tun sollen?“

Mimi schnaufte verächtlich ins Telefon.

„Na ja, geholfen hast du mir auf jeden Fall nicht damit. Jetzt hat er sich wieder Hoffnungen gemacht.“

„Hoffnungen?“, hakte die Rothaarige nach und klang sichtlich verwirrt. „Wieso macht er sich Hoffnungen, er hat dich doch nur nach Hause gebracht…“, überlegte sie laut, brach ihren Satz jedoch ab. Alles was kam, war ein leises „Ouh!“, als sie die Situation verstand.

„Ja genau – ouh! Sora, was mach ich denn jetzt?“, fragte Mimi ihre beste Freundin und war offensichtlich ziemlich überfordert mit dem, was letzte Nacht und heut Morgen geschehen war. Es hatte sie völlig aus der Bahn geworfen und nicht zuletzt deshalb, weil er recht hatte. Er hatte das erkannt, was sie so lange von sich geschoben hatte. Sie hatte sich selbst belogen, sich eingeredet sie würde ihn hassen für das, was er getan hatte. Doch sie konnte es nicht…

„Was hat er denn gesagt?“, fragte Sora nach einer längeren Pause nach.

Mimi seufzte, ging ans Fenster und sah gedankenverloren hinaus. „Er will, dass ich ihm noch eine Chance gebe“, erklärte sie ihr, bevor sie leise auflachte. „Einen Tag will er mit mir. Danach darf ich ihn aus meinem Leben verbannen, hat er gesagt.“

„Willst du das denn?“, antwortete Sora vorsichtig und wartete auf eine Reaktion ihrer Freundin, die jedoch ausblieb. Diese Frage hatte sich Mimi selbst schon oft genug gestellt und keine wirkliche Antwort darauf gefunden. Und das, obwohl sie die Konsequenz schon längst gezogen hatte…

„Und warum gibst du ihm dann nicht diesen einen Tag? Ich meine…“, setzte Sora an und Mimi runzelte die Stirn. „Was hast du schon zu verlieren?“

Die Brünette schluckte den Kloß in ihren Hals hinunter, denn genau so war es. Sora hatte recht. Sie hatte nichts, rein gar nichts mehr zu verlieren. Außerdem würde es eh nichts mehr ändern.

„Ich glaub, ich muss auflegen“, versuchte Mimi ihre Freundin abzuwimmeln, um weiteren unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Irgendwie musste sie selbst für sich herausfinden, was das Richtige war.

„Und danke noch mal, dass du mich ihm ausgeliefert hast. Das kriegst du definitiv irgendwann wieder“, drohte Mimi ihr, grinste jedoch. Zum Glück war Sora ihre beste Freundin und wusste, wie sie das zu verstehen hatte.

„Ha ha, sehr witzig! Ich wollte nur, dass er dich nach Hause bringt. Für alles Weitere seid ihr selbst verantwortlich“, protestierte Sora gespielt empört.

„Ja ja, ich hab dich auch lieb“, meinte Mimi und legte auf.

Was sollte sie jetzt nur tun?
 

Unruhig saß Tai vor seinem Laptop und versuchte sich zu konzentrieren. Viel zu lang hatte er die Uni schleifen lassen, er musste unbedingt ein bisschen Stoff nachholen. Doch es wollte ihm einfach nicht gelingen seine Gedanken zu ordnen. Alles kreiste um Mimi. Er vermisste sie so sehr…

Wie weggedrehten kaute er auf seinem Bleistift herum und starrte auf den Bildschirm. Es war, als könne er immer noch ihren Duft riechen, ihre Hände spüren, sie immer noch im Arm halten. Das alles hatte etwas zu bedeuten, da war sich Tai ganz sicher! Jetzt musste nur noch Mimi das erkennen.

Er zuckte leicht zusammen, als plötzlich sein Handy klingelte, welches neben ihm lag. Erwartungsvoll nahm er es in die Hand und öffnete die SMS.

Von Mimi.

„Einen Tag?“

Tai grinste und tippte eilig eine Antwort ein.

„Einen Tag!“

Ungeduldig wartete er darauf, dass es wieder klingelte, während er weiter nervös auf seinem Bleistift rum kaute.

Es klingelte, er öffnete die Nachricht.

„Okay.“
 

„Ich freue mich.“

Mimi seufzte, legte das Handy wieder zur Seite und kuschelte sich wieder in ihre Decke. Sie hatte sich einen Film angemacht, schaute jedoch gar nicht wirklich hin. Mehrere Stunden hatte sie darüber nachgedacht, was das Richtige war. Doch niemand konnte ihr diese Frage beantwortet, also entschied sie sich dazu einfach auf ihr Bauchgefühl zu hören. Auch sie wollte noch einen Tag mit ihm verbringen, auch wenn sie sich das nie laut eingestanden hätte.

Kurzentschlossen griff sie also ihr Handy und schrieb ihm. Alles andere lag nun bei ihm. Was auch immer er vorhatte… Wie auch immer dieser Tag enden sollte… Es würde definitiv nichts an ihrer Entscheidung ändern. Und doch wollte sie sich und ihm diesen einen Tag schenken…
 

Er parkte den Wagen direkt vor ihrem Haus. Seine Hände, die immer noch das Lenkrad umklammerten, fingen an zu schwitzen. Nervös betrachtete er sich ein letztes Mal im Rückspiegel, bevor er ausstieg und sich auf den Weg zum Eingang machte.

Schwermütig atmete er aus, straffte seine Schultern und drückte ihre Klingel.

„Tachikawa“, erklang ihre blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage.

„Ich bin’s, Tai.“

„Ich komme runter“, sagte sie schnell und legte auf.

Während er auf sie wartete schlug ihm das Herz bis zum Hals. Selten war er so nervös vor einer Verabredung gewesen. Aber das war ja auch nicht irgendeine Verabredung…

Er hatte nur diese eine Chance und er durfte sie auf keinen Fall verschwenden!
 

Sie schnappte sich ihre Tasche und ihre Schlüssel und schloss die Tür hinter sich ab. Irgendwie war es komisch…

Warum war sie so aufgeregt? Es war doch schließlich nicht ihre erste Verabredung.

Wahrscheinlich war ihr einfach so mulmig zumute, weil sie wusste, was an diesem einen Tag dranhing. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie sie ihm gegenübertreten sollte. Auf der einen Seite wollte sie diesen Tag mit ihm genießen, so wie sie früher ihre gemeinsame Zeit genossen hatten. Doch auf der anderen Seite sträubte sich alles in ihrem Inneren dagegen sich auch nur ansatzweise auf ihn einzulassen.

Was noch dazu kam war, dass Tai ihr einfach nicht sagen wollte, was sie vorhatten. Er wollte sie überraschen. Aber Mimi war sich nicht sicher, ob ihr in dieser Situation groß nach Überraschungen zumute war… Alles an der Sache hatte irgendwie einen faden Beigeschmack.

Sie atmete noch einmal tief ein und aus, als sie unten angekommen war und sah, wie er vor der Tür auf sie wartete. Die Kette, die sie um ihren Hals trug, versteckte sie unter ihrem Shirt.

Um ihre Unsicherheit zu verbergen ging sie schnellen Schrittes nach draußen.

„Können wir?“, drängte sie ihn und ging ohne eine weitere Begrüßung an ihm vorbei, stockte jedoch, als sie sah, was da vor ihr stand.

„Tai, das hatten wir doch schon“, meinte sie daraufhin leise und schloss die Augen, als ihr die Erinnerungen von ihrer Geburtstagsnacht wieder in den Sinn kamen.

„Ja, ich weiß“, antwortete Tai und trat neben sie. „Genau deswegen.“

Ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die Augen wieder öffnete und das rote Cabrio betrachtete, das vor ihr stand.

Genau, wie an ihrem 18. Geburtstag…

„Außerdem, Deal ist Deal. Also, darf ich bitten?“, witzelte Tai, ging zum Auto und hielt ihr die Tür auf.

Kurz überlegte Mimi, ob sie auf dem Absatz kehrtmachen und das Ganze abblasen sollte.

Ihre Gefühle schienen sich jetzt bereits zu überschlagen. Dass er hier mit diesem Cabrio auftauchen würde, damit hatte sie nicht gerechnet.

Doch machte es weglaufen wirklich besser?

Zögerlich ging sie auf Tai zu und stieg in das Auto ein.

Dieser lächelte sie dankend an, ging um den Wagen drum rum und setzte sich auf die Fahrerseite.

Ihr Herz klopfte stark gegen ihre Brust, als er den Motor startete und sie losfuhren. Der Fahrtwind ergriff ihr Haar und ließ es wild herumwirbeln.

Eine Weile fuhren sie stillschweigend durch die Stadt, bis sie bei der letzten Kreuzung abbogen und geradewegs auf die Brücke zusteuerten.

Das Kribbeln in ihrem Bauch wurde immer stärker. Es war alles, wie damals.

Die Situation war dieselbe… nur das Gefühl war ein anderes.

Ihren Blick richtete sie starr geradeaus, während Tai den Wagen immer weiter beschleunigte.

Sie konnte sich noch gut an diese Nacht erinnern. Nie zuvor hatte sie sich vorher so frei und unbeschwert gefühlt und nie zuvor hatte sie sich so gefangen gefühlt, wie jetzt.

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Tai sie beobachtete, doch sie wollte seinen Blick nicht erwidern und stierte weiter stur geradeaus, in der Hoffnung, dass ihre Gefühle sie nicht völlig übermannten.

Als sie das Ende der Brücke erreicht hatten, steuerte Tai zielgerichtet den Hafen an.

Mimi schluckte. Das hätte sie sich denken können.

Wieso tat er das?

Wollte er ihr damit weh tun?

Tai lenkte das Auto genau an die Stelle, die sie schon kannte, und hielt dort an.

Der Hafen sah bei Tag ein wenig anders aus, doch nicht weniger schön. Es war einfach ein romantischer Ort. Perfekt, um in Erinnerungen zu schwelgen… wenn man das denn wollte.

Doch Mimi wollte nicht!

„Was machen wir hier?“, fragte sie ihren Begleiter leicht angesäuert.

Tai überlegte und runzelte die Stirn. „Gefällt es dir hier nicht?“

„Wieso sollte es?“, entgegnete die Brünette und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

Tai sah sie verträumt an, was Mimi völlig irritierte.

„Hier haben wir uns das erste Mal geküsst“, klärte er sie auf, woraufhin Mimi zusammenzuckte. Abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht.

„Du meinst, hier hast du mich zurück in die `Friendzone` geschickt.“

Tai seufzte auf und ließ die Schultern hängen. „Das war so dumm von mir!“, gestand er ihr und wandte seinen Blick betrübt ab. „Ich hätte den Moment mit dir einfach genießen sollen, anstatt ihn kaputt zu machen. Aber mein schlechtes Gewissen Izzy gegenüber hat mich förmlich aufgefressen.“

Mimi hörte ihm aufmerksam zu, wusste jedoch nicht, was sie davon zu halten hatte. Hätte sie damals schon gewusst, was für ein falsches Spiel sich zwischen ihnen abspielte, hätte sie ihn doch nie geküsst.

„Du hattest tausend Möglichkeiten es mir zu sagen.“

„Ich weiß und das hätte ich auch tun sollen. Doch ich hatte einfach Angst dich zu verlieren.“

Er sah sie an, mit großen Augen und Mimi hätte schwören können, dass dieser Blick aufrichtig war. Er sah so traurig aus…

„Und jetzt hast du mich nicht verloren?“

Tai zuckte leicht mit den Schultern und ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen. „Das weiß ich noch nicht.“

Die Brünette wandte den Blick von ihm ab, während ihr Herz ihr bis zum Hals schlug. Insgeheim wusste sie es selbst nicht. Hatte er sie verloren? Endgültig?

Der startende Motor riss Mimi aus ihren Gedanken und sie sah Tai irritiert an.

„Fahren wir schon wieder?“

„Ja, es sei denn, du möchtest noch bleiben…“

„Nein“, antwortete Mimi ein wenig verbissen, woraufhin sie sich ein vielsagendes Grinsen von Tai einfing.

„Gut, dann fahren wir“, meinte dieser und fuhr los.

Zurück zum Anfang Teil 2

Mimi’s Erinnerungen kreisten immer noch um diese Nacht am Hafen und in Gedanken ließ sie alles noch einmal Revue geschehen, während der Wind durch ihre Haare wehte.

Dieser Kuss damals hatte sich so echt angefühlt, ein unbeschreibliches Kribbeln in ihr ausgelöst. Gefühle in ihr geweckt, die sie so noch nie für einen Jungen empfunden hatte. Und doch war etwas falsch daran gewesen. Nämlich die Tatsache, dass Tai sie nie hätte küssen dürfen, weil er diesen dämlichen Plan mit Izzy hatte.

Und doch hatte er es getan. Wieso?

Und wieso brachte er sie ausgerechnet zu diesem Moment zurück?

Sie atmete schwermütig aus und blinzelte ein paar Mal als Tai, anstatt in ihre Straße abzubiegen, einfach weiter geradeaus fuhr.

Unsicher sah sie zurück. „Hast du plötzlich die Orientierung verloren?“, hakte sie verwirrt nach.

„Nein?“, antwortete Tai mit einem breiten Grinsen. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich dich jetzt schon wieder nach Hause bringe? Das wäre ein bisschen schwach oder?“

„Mmh“, meinte Mimi nur und ließ sich nachdenklich in ihren Sitz zurückfallen. „Das hätte dir auch nicht ähnlichgesehen.“

„Siehst du“, bestätigte Tai und bog ein weiteres Mal ab, bevor er in einer Seitenstraße anhielt.

„Wir sind da. Kommst du?“

„Und wohin?“, fragte Mimi unsicher nach und sah ihn misstrauisch an. Irgendwie kam ihr die Sache spanisch vor…

„Erkennst du es denn nicht?“, erwiderte Tai lächelnd und stieg aus.

Mimi sah sich ein wenig genauer in der Gegend um. Erst mal war nichts Außergewöhnliches zu erkennen…

Zaghaft stieg sie aus und folgte Tai um die nächste Ecke. Abrupt blieb sie stehen und sah mit großen Augen auf das Eingangsschild.

Wieso hatte sie es nicht erkannt? War sie schon so lange nicht hier gewesen?

„Der Vergnügungspark.“

Tai grinste und hielt ihr auffordernd eine Hand entgegen. Etwas zögernd ergriff sie sie und ließ sich von ihm über eine Absperrung hinüberhelfen. Erst jetzt entdeckte sie das Schild, auf dem dick und fett „Geschlossen!“ stand.

„Was ist hier los?“, fragte sie und sah sich irritiert um. Alles schien plötzlich so verlassen und runtergekommen. Es war noch nie ein schöner Vergnügungspark gewesen, das musste sie sich eingestehen. Er war alt und schäbig, einfach abgenutzt. Aber jetzt schien es fast so, als hätte man ihm das letzte bisschen Leben ausgesaugt.

„Der Park hat leider geschlossen und wird demnächst abgerissen“, erklärte ihr Tai, während sie weiter an den verlassenen Fahrgeschäften vorbeigingen. „Die Einnahmen haben wohl nicht gereicht, um ihn aufrecht zu erhalten.“

„Schade“, meinte Mimi betrübt. „Für mich hatte er immer etwas Magisches an sich, so nostalgisch.“

„Ich weiß“, erwiderte Tai und führte sie weiter durch den kleinen Park, bis sie an dem Kettenkarrussel angekommen waren.

„Wenigstens müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen, von einem alten, kleinen, wütenden Parkwächter gejagt zu werden“, grinste er frech und ließ sich schwungvoll in einen der Sitze fallen.

Mimi musste unwillkürlich auflachen. „Mit `gejagt werden` kennen wir uns ja inzwischen bestens aus.“

„Tja, und welche Kleinkriminelle hat uns das eingebrockt?“, neckte Tai und grinste sie keck an, während Mimi sich ebenfalls auf einen der Sitze niederließ.

„Kleinkriminelle? Das musst gerade du sagen! Hier hat uns doch nur ein alter, kleiner Mann verfolgt. Das war nichts im Gegensatz zu den ganzen Security auf dem Konzert. Und in diese Lage hast ja wohl eindeutig DU uns gebracht!“, konterte sie und sah ihn herausfordernd an.

„Ich hätte uns nie in diese Lage bringen müssen, wenn DU nicht die Karten vergessen hättest.“

Beide mussten auflachen und Mimi stiegen sogar ein paar Tränen in die Augen, als sie an die Weg-lauf-Aktion auf dem Konzert zurückdachte.

„Das hat Spaß gemacht!“, meinte sie schließlich zu ihm, als sie sich etwas beruhigt hatte.

Tai lächelte sie liebevoll an. „Alles mit dir hat Spaß gemacht!“

Da war er wieder – der fade Beigeschmack. Mimi’s Lächeln wich einem ernsten Gesichtsausdruck. Es fühlte sich immer noch komisch an mit ihm hier zu sein. Damals, zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nicht gewusst, warum Tai so plötzliches Interesse an ihr zeigte. Hätte sie alles doch nur mehr hinterfragt…

„Mimi? Alles okay?“, fragte Tai, der ihren betrübten Gesichtsausdruck bemerkt hatte.

„Tai, warum sind wir hier?“, fragte Mimi frei heraus und sah ihn direkt in die Augen. Sie wollte es einfach wissen! „Ich meine, erst der Hafen… und jetzt ausgerechnet hier? Warum?“

Der Student überlegte kurz, während er sie eindringlich fixierte. Sein Blick machte sie so nervös, dass ihre Hände begannen zu schwitzen und hätte sie nicht gesessen, wären ihre Knie sicher weich geworden.

„Weil ich mich hier in dich verliebt habe.“
 

Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Sie wusste nicht, was sie auf dieses Geständnis erwidern sollte, es hatte ihr förmlich die Sprache verschlagen. Mit großen, überraschten Augen sah sie ihn an und er… er lächelte sie einfach nur an. So liebevoll, so aufrichtig, dass es ihr fast das Herz brach.

Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals und ihre Augen füllten sich, obwohl sie es versuchte zu unterdrücken, mit Tränen.

„Ich fand dich unglaublich. Wie du dich für diese Kätzchen aufgeopfert hast und mir so viel von dir erzählt hast… Du hast zugelassen, dass ich ein kleiner Teil deines Lebens werden durfte und das hat mich einfach berührt, weißt du?“

Mimi schluckte, doch der Kloß in ihrem Hals wollte nicht verschwinden. Sie spürte, wie ihr die erste Träne die Wange hinunter rann und sie sie eilig mit der Hand wegwischte.

„Und warum…“, sagte sie mit erstickender Stimme. „Warum hast du das ausgenutzt u-und weitergemacht?“ Sie schrie ihn beinahe an, so sehr hatten sie ihre Gefühle überwältigt. „Warum hast du Izzy nicht gesagt, dass… dass du es nicht mehr kannst?“

Sie verstand es nicht… sie verstand es einfach nicht! Wenn er sich wirklich hier in sie verliebt hatte, warum half er dann weiterhin Izzy?

Tai sah betrübt in den Himmel. Inzwischen schien die Sonne langsam unter zu gehen und tauchte alles in ein grelles rot.

„Ich bin ziemlich lang vor meinen Gefühlen davon gelaufen“, gestand er ihr mit ruhiger Stimme. „Irgendwie wollte ich wohl nicht wahrhaben, was ich wirklich für dich empfand. Und ich war mir nicht sicher, ob ich Izzy das antun konnte. Schließlich war er schon sehr viel länger in dich verliebt als ich.“

Jetzt sah er sie an, sah, dass sie weinte. Sah, wie sehr er sie verletzt hatte.

„Also, Mimi… was hättest du getan?“

Diese Frage riss Mimi den Boden unter den Füßen weg. Denn sie hatte sie sich nie gestellt.

Sie wusste nie wirklich, was in Tai vor sich gegangen war. Alles, was sie wusste war, dass er sie die ganze Zeit angelogen hatte. Doch dass auch er innerlich zerrissen war, wusste sie nicht. Er war hin und hergerissen zwischen seinen Gefühlen für sie und seiner Verpflichtung Izzy gegenüber als Freund.

Hatte sie sich jemals die Frage gestellt, was sie getan hätte? Wenn es umgekehrt gewesen wäre? Wäre sie ihrer Freundin eiskalt in den Rücken gefallen? Oder hätte sie versucht ihre Gefühle zurück zu halten?

„Und irgendwann war es einfach zu spät dir die Wahrheit zu sagen“, erzählte Tai weiter, während sie sich weitere Tränen von der Wange wischte. „Jetzt weiß ich, dass das ein Fehler war. Ich hätte es dir gleich sagen sollen, als ich gemerkt habe, dass da mehr zwischen uns ist.“

Sein Geständnis überraschte sie sehr, damit hatte sie nicht gerechnet. Auch nicht damit, dass sie sich plötzlich so gut in ihn hineinversetzen konnte. Auf einmal fiel es ihr schwer ihn zu verurteilen, obwohl sie das die ganze Zeit über getan hatte.

Geknickt sah sie zu Boden und klammerte sich verzweifelt an den Ketten des Sitzes.

„Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, aber das geht leider nicht“, sagte Tai und senkte ebenfalls den Blick.

„Na ja, du hast es zumindest versucht“, erwiderte Mimi mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen, was den Studenten aufsehen ließ. „Wir sind schließlich hier, oder?“
 

Als er ihr über die Absperrung nach draußen half, hielt sie seine Hand noch etwas länger als nötig. Irritiert sah er sie an.

„Danke, Tai“, sagte sie mit leiser Stimme. Tai runzelte die Stirn.

„Wofür?“

„Dafür, dass du mich hierhergebracht hast. Es war schön noch mal hier gewesen zu sein, bevor…“

„Bevor was?“, hakte Tai nach.

„Na bevor alles abgerissen wird“, erwiderte Mimi und sah traurig auf das Schild am Eingang, welches das Ende des Parks ankündigte.

Tai lächelte verlegen und drückte ihre Hand. „Gern geschehen!“

Sie gingen gemeinsam zurück zum Auto und Mimi setzte sich auf den Beifahrersitz, während Tai den Motor startete.

Die Sonne war inzwischen untergegangen und die ersten Straßenlaternen gingen bereits an.

Sie fuhren los und innerlich war Mimi schon jetzt froh darüber, dass sie sich auf dieses Treffen eingelassen hatte. Vielleicht konnte sie jetzt besser mit dieser Geschichte abschließen…

„Danke, für den Tag, Taichi. Du hast mich wirklich überrascht“, gestand sie ihm und musste lächeln. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, als er sie grinsend ansah.

„Das freut mich, aber noch musst du dich nicht bedanken.“

„Wie…?“ Mimi runzelte nachdenklich die Stirn.

Tai grinste breit und richtete den Blick wieder auf die Straße. „Eine Überraschung hab ich noch für dich!“

Mimi verschlug es erneut die Sprache. Was hatte er denn jetzt noch vor?

„Ich dachte, du würdest mich jetzt nach Hause fahren“, entgegnete sie verwirrt, während ihr Herz einen Sprung machte.

„Willst du denn nach Hause?“, fragte er sie und ein triumphierendes Lächeln huschte über seine Lippen, was Mimi nicht entging.

Sie musste grinsen und es reizte sie zu erfahren, was er noch geplant hatte.

„Nein!“
 

Tai lenkte den Wagen auf einen Parkplatz und Mimi sah sich verwundert um.

„Tai?“, fragte sie verwirrt, als sie ausstieg. „Warum stehen hier so viele Bonzen-Autos?“

Der Braunhaarige musste auflachen und sah sie dann vielsagend an.

„Du hast keine Ahnung, wo wir sind oder?“

Mimi zuckte mit den Schultern. Alles, was sie sah, waren teure Autos und ein riesiges Gebäude, was vermutlich ein Hotel war. Ein ziemlich nobles Hotel.

„Wieso sollte ich? Ich war noch nie vorher hier.“

„Doch“, erwiderte Tai grinsend und nahm sie bei der Hand. „Warst du.“

Er ging mit ihr in Richtung Eingang, wo ihnen sogleich von einem Mann in einem schicken Anzug die Tür aufgehalten wurde. Zu schick, für einen Angestellten – stellte Mimi grübelnd fest und betrat die große Eingangshalle.

Als sie sich umsah fühlte sie sich völlig fehl am Platze. Es waren nicht viele Leute da, doch die, die da waren, saßen in der großzügigen Lobby, tranken Champagner und schienen reicher zu sein, als es gesund für einen normalen Menschen war.

„Taichi…“, flüsterte Mimi ihm unauffällig zu, während die ersten Blicke auf sie fielen, was Mimi deutlich unangenehm war. „Was machen wir hier? Wir fallen hier auf, wie ein bunter Hund.“

Erneut musste Tai auflachen, ließ sich jedoch nicht beirren und schleppte sie weiter in Richtung Empfang.

„Tai, was immer du auch vor hast“, versuchte Mimi es weiter, doch Tai steuerte zielgerichtet auf einen Mitarbeiter am Empfang zu und begrüßte ihn nett.

„Hallo, Jotaro.“

„Hallo, Taichi. Ich hab schon auf dich gewartet“, entgegnete der Mann hinter dem Tresen und lächelte Tai freundlich an.

Mimi verstand nur Bahnhof. Woher kannten die Beiden sich? Und wieso hatte er auf ihn gewartet?

„Jaah, es war eine Weile nicht sicher, ob wir wirklich kommen würden“, meinte Tai und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Umso besser, dass ihr es geschafft habt“, sagte der Mann und hielt Tai einen Schlüssel entgegen, ehe er Mimi auffallend musterte. „Ich denke, es wird sich lohnen.“

„Danke, Jotaro. Bis später“, sagte Tai und nahm den Schlüssel entgegen.

Bevor Mimi ihren verwirrten Gesichtsausdruck unter Kontrolle gebracht hatte, zog er sie auch schon weiter zum Fahrstuhl. Das war alles sehr merkwürdig! Zu merkwürdig – um genau zu sein!

Der Student betätigte den Knopf des Fahrstuhls, doch Mimi befreite sich aus seiner Hand, woraufhin Tai sie irritiert ansah.

„Sag mal, was soll das hier? Was ist das für ein Schlüssel?“, fragte sie ihn leicht angesäuert. „Und was machen wir hier?“

„Das ist eine Überraschung!“

„Ich hab jetzt aber keine Lust mehr auf Überraschungen! Du hast doch nicht etwa…?“, meinte Mimi argwöhnisch und warf einen misstrauischen Blick auf den Schlüssel in Tai’s Hand.

Ein Hotel. Ein Schlüssel. Das konnte doch nur eins bedeuten!

Tai folgte ihrem Blick und prustete los, als der Groschen fiel.

„Mimi, denkst du etwa…?“

Die Brünette stemmte sauer die Arme an die Seite.

„Na, was würdest du denn denken?“

„Keine Angst“, erwiderte Tai grinsend, als der Fahrstuhl kam und er eintrat. „Ich habe nicht vor dich zu verführen!“

Mimi beobachtete ihn mit Argusaugen, wie er den Knopf betätigte und war sich nicht sicher, ob sie wirklich einsteigen sollte.

„Was ist? Kommst du jetzt?“, fragte Tai mit einem vielsagenden Blick. Sie beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und huschte kurzentschlossen in den Fahrstuhl, ehe die Türen sich schlossen.

Auf der Anzeige konnte sie erkennen, wie sie immer höher fuhren. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Auf den Hafen und den Vergnügungspark konnte sie sich ja wenigstens noch einen Reim machen, … aber was zum Teufel wollten sie in diesem noblen Hotel?

„Sag mal, wer war der Mann da unten am Empfang?“, fragte sie neugierig, während sie höher und höher fuhren.

„Mein Onkel“, erklärte ihr Tai. „Ansonsten wären wir wohl, glaub ich, nicht hier reingekommen.“

„Das denke ich auch“, bestätigte Mimi, als sich ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend breitmachte. Sie musste an die letzte Situation denken, die sie mit Tai in einem Fahrstuhl hatte. Damals hatte sie ihn erst angeschrien und dann waren sie förmlich übereinander hergefallen.

Auch Tai entging nicht, dass sie allmählich sichtlich unruhiger wurde und immer wieder verstohlen zu ihm rüber schielte.

Er rückte ein kleines Stück näher an sie heran, so dass ihr Herz unwillkürlich anfing gegen ihre Brust zu pochen.

„Was haben diese Aufzüge nur an sich?“, flüsterte er beinahe verführerisch, als könnte er ihre Gedanken lesen. Mimi musste sich arg zusammenreißen sich nicht umzudrehen und ihn zu küssen. Ihr Herz schrie förmlich danach, doch das ungute Gefühl in ihrer Magengegend riet ihr das Gegenteil.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ertönte das Signal, dass sie angekommen waren. Sie stiegen aus und Mimi sah sich verwundert um.

Alles war dunkel. Nach Hotel sah diese Etage nun ganz und gar nicht mehr aus…

„Komm, wir müssen noch eine Treppe hoch“, sagte Tai und zog sie mit sich.

„Irgendwie kommt mir das bekannt vor“, überlegte Mimi laut und runzelte die Stirn.

„Ich sag doch, du warst schon hier.“

Als sie die letzten Stufen hinaufgestiegen waren und vor einer eiserenen Tür standen, dämmerte es Mimi endlich.

Ihre erste Verabredung.

Tai öffnete die Tür und sie traten hinaus. Alles war wie damals! Die vielen Lichter der Stadt boten ihr ein zweites Mal einen traumhaften Anblick und Mimi musste schlucken, als sie sich sofort in der Zeit zurückversetzt fühlte. Als sie das erste Mal mit Tai hier oben war, war sie genauso verzaubert von diesem Ort gewesen, wie jetzt.

Das war nicht fair! Das war einfach nicht fair! Wieso tat er das?

Damals war noch alles in Ordnung gewesen. Und jetzt…?

Inzwischen war so viel passiert. Doch dieser Ort hier oben über den Dächern der Stadt war immer noch derselbe geblieben.

Mimi trieb es die Tränen in die Augen und sie konnte ein leises Schluchzen nicht unterdrücken. Tai stand neben ihr und beobachtete ihre Reaktion. Als er sah, dass sie weinte, wollte er sie in den Arm nehmen, doch sie stieß ihn unsanft von sich.

„Nein!“, schrie sie ihn an. „Wie kannst du mir so was nur antun?“

Völlig vor den Kopf gestoßen sah er sie hilflos an und wusste anscheinend nicht, was er tun oder sagen sollte.

„Wie kannst du das nur tun, Tai? Wie?“, schrie sie ihn weiter an und fing an heftig gegen seine Brust zu schlagen, immer und immer wieder, während ihr die Tränen über’s Gesicht liefen. „Wie kannst du mich nur hier herschleppen? Was denkst du dir dabei?“

Sie schlug voller Verzweiflung weiter auf ihn ein. Das konnte er doch jetzt nicht machen! Nicht jetzt…

Ihr Herz schien zu zerbrechen, als ihr plötzlich klar wurde, dass sie ihn immer noch liebte und er es tatsächlich mit diesem einen Tag geschafft hatte ihre Entscheidung in Frage zu stellen.

„Du bist so ein Idiot, Tai. So ein Idiot!“, schrie sie weinend und hörte nicht auf gegen seine Brust zu schlagen, bis Tai plötzlich ihre Handgelenke festhielt und sie ihn erschrocken ansah. Sein Blick war völlig ruhig, er verzog keine Miene. Er war nicht mal sauer darüber, dass sie ihn geschlagen hatte!

„Warum, Tai? Warum ausgerechnet jetzt?“, schluchzte sie und versuchte seinem unerklärlichen Blick Stand zu halten. Plötzlich umspielte ein liebevolles Lächeln seine Lippen.

„Weil ich dich liebe.“
 

Dieser Satz riss Mimi förmlich den Boden unter den Füßen weg. Sie hatte es gewusst. Und doch hatte sie es ihn nie laut aussprechen hören. Bis jetzt…

„Ich liebe dich, Mimi Tachikawa“, sagte er noch einmal und erfüllte dabei ihr Herz mit Wärme. „Deswegen bin ich mit dir zu den ganzen Orten gefahren. Das sind alles Orte, die ich mit dir verbinde. Orte, die mich glücklich gemacht haben. Und egal, was zwischen uns passiert ist… das ändert nichts an meinen Gefühlen für dich.“

„Tai…“, brachte Mimi nur tonlos über die Lippen. Ihre Knie wurden weich und sie musste sich hinsetzen. Starr richtete sie den Blick zu Boden, traute sich nicht ihn anzusehen.

„Mimi, mir tut das alles so unendlich leid, was passiert ist. Aber ich liebe dich einfach und ich…“, sagte er und kniete sich vor ihr hin, um sie eindringlich anzusehen, doch Mimi unterbrach ihn. „Hör auf das zu sagen!“, forderte sie ihn mit fester Stimme auf.

„Was zu sagen?“, fragte Tai etwas verdutzt nach.

„Dass du mich liebst.“

Sie presste die Lippen aufeinander und versuchte ihm in die Augen zu sehen. Seine Miene wurde ernst und er straffte die Schultern.

„Nein, ich höre nicht auf das zu sagen! Weil es nämlich wahr ist und ich sage es noch tausend Mal, wenn…“

Weiter kam er nicht, denn Mimi legte behutsam eine Hand an seine Wange und kam seinem Gesicht immer näher.

Doch ehe sich ihre Lippen fanden, hielt Mimi die Luft an und überlegte, ob sie wirklich auf ihr Herz hören sollte, welches sich so sehr nach ihm sehnte…

Sein Atem wurde unruhig und er zog scharf die Luft ein, als ihre Lippen sich beinahe berührten.

„Liebst du mich denn nicht?“, hauchte er ihr entgegen und versetzte ihrem Herzen somit einen weiteren Stich.
 

Doch! Natürlich liebte sie ihn! Sie tat es die ganze Zeit über. Auch, als sie sich eingeredet hatte, sie würde ihn hassen. Doch sie liebte ihn, aufrichtig! Und war sich dennoch nicht sicher, ob das genug war…

Sie schmunzelte, als sie sich dazu entschied entgegen aller Wiedersprüche zu handeln und ihn einfach zu küssen. Sie presste ihre Lippen auf seine und schlang die Arme um seinen Hals, während er den Kuss erwiderte und sie an sich zog.

Das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend wurde völlig von dem lauten Pochen ihres Herzens übertönt, so dass sie nur noch an ihn denken konnte. Und an diesen Moment. Alles andere war unwichtig geworden. Sie wollte ihn einfach nur bei sich spüren.

Er zog sie noch enger an sich, während sie in einen leidenschaftlichen Kuss versanken.

Nach einer Weile richteten sie sich auf, hörten jedoch nicht auf, sich zu küssen. Er legte eine Hand in ihren Nacken und sie konnte deutlich spüren, wie sein Puls raste.

Schwerfällig löste er sich von ihr und sah sie verliebt an.

War er schon vorbei, der Moment? Mimi sah ihn traurig an, doch sein Blick verriet ihr, dass das noch nicht alles war.

„Schön, dass du es endlich zugibst“, grinste er sie an und Mimi zog eine Augenbraue hoch. „Was denn?“, stutzte sie.

„Dass du mich liebst.“

Die Brünette musste lächeln und sich schweren Herzens eingestehen, dass es so war. Und sie konnte nichts dagegen tun, gar nichts. Das Herz will eben, was es will…

Irgendwie fühlte sie sich merkwürdig in diesem Moment. Als würde sie ihren Gefühlen völlig erliegen und wäre ganz und gar machtlos dagegen. Es war nahezu zwecklos dagegen anzukämpfen. Ob sie es wollte oder nicht, sie liebte Tai.

„Ich habe ganz vergessen, dass ich ja noch eine Überraschung für dich hab“, sagte Tai plötzlich und fing sich einen irritierten Blick von ihr ein. Was sollte denn jetzt noch kommen?

„So, was denn noch? Du hast mich doch heute schon so oft überrascht.“
 

Er grinste, nahm sie an die Hand und zog sie mit sich um die nächste Ecke, da das Dach nicht von allen Seiten einsehbar war.

Mimi’s Augen weiteten sich, als sie sah, was seine Überraschung war. Und wieder einmal verschlug es ihr den Atem.

„Tai, das ist…“, begann sie und sah ihn begeistert an. „So romantisch!“

„Ich weiß“, erwiderte Tai mit einem schiefen, triumphierenden Grinsen. „Ich bin der Hammer!“

Mimi lachte auf und boxte ihn unsanft in die Seite, doch in Wahrheit war sie hin und weg! Tai hatte in einer Ecke des Daches mehrere Decken und Kissen hingelegt. Umringt von einer Lichterkette und in der Mitte der Decke standen zwei Gläser und eine Flasche Champagner.

Ein wenig unsicher setzte sich Mimi hin, während Tai begann die Flasche zu öffnen.

„Den hat mein Onkel uns spendiert. Der Teuerste, den sie hier haben“, erklärte er ihr stolz und schenkte ihnen ein.

„Ich bin beeindruckt“, grinste Mimi und nahm ihr Glas entgegen.

„Also“, begann Tai und sah sie mit einem vielsagenden Blick an. „Worauf sollen wir anstoßen?“

Mimi zog eine Augenbraue nach oben und überlegte, während sie den Blick über die Stadt und ihre Lichter schweifen ließ. „Auf die Zukunft?“, meinte er und lächelte süffisant.

„Lieber nicht“, antwortete Mimi ein wenig zu ernst. „Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird.“

Tai zuckte mit den Schultern und grinste. „Gut, dann aufs hier und jetzt!“, schlug er vor und hielt ihr sein Glas entgegen.

Etwas zögernd prostete Mimi ihm zu. „Aufs hier und jetzt.“

Sie nippte an ihrem Glas und prustete los.

„Igitt, wie eklig!“, platzte es aus ihr heraus, während sie angewidert das Gesicht verzog.

Tai sah sie fragend an und nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas, ehe auch er die Mundwinkel nach unten zog.

„Wow, das schmeckt echt…“

„Scheiße!“, beendete Mimi seinen Satz und beide lachten los.

„Irgendwie hätte ich mehr davon erwartet“, meinte Tai und nahm die teure Flasche skeptisch unter die Lupe. „Hätte ich das gewusst, hätte ich den Billigwein vom Kiosk um die Ecke besorgt.“

Mimi kicherte und sah ihn amüsiert an.

„Das wäre mir auch egal gewesen! Es ist einfach so wunderschön hier…“, gestand sie ihm und sah verträumt auf die Stadt.

„Du bist wunderschön!“, sagte Tai und rutschte näher an sie ran.

Mimi seufzte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, nachdem er eine Decke um sie gelegt hatte.

„Danke, Tai“, erwiderte sie aufrichtig, schloss die Augen und ließ die Bilder der letzten Stunden noch ein Mal an sich vorüberziehen. „Danke, für diesen wunderschönen Tag.“

Sie richtete sich auf und sah Tai in die Augen. Sie spiegelten so viel Wärme, Geborgenheit und Liebe wieder, dass es ihr förmlich die Sprache verschlug.

„Ich liebe dich, Mimi Tachikawa“, flüsterte er, bevor ihre Lippen sich erneut trafen und sie sich in diesem endlosen Kuss verloren…
 


 

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Hallo an alle fleißigen Leser! Dies war leider das letzte Kapitel :( Es folgt zwar noch der Epilog, aber ich möchte mich trotzdem schon mal für die tollen Reviews einiger Leser bedanken. Ich habe mich jedes mal aufs neue gefreut, wenn ich gelesen habe, wie sehr euch die Geschichte gefallen und berührt hat <3

An der Stelle kann ich auch schon mal verraten, dass es definitiv eine Fortsetzung dieser Geschichte geben wird - sie ist noch nicht zu Ende erzählt. Allerdings weiß ich noch nicht, ob ich sie überhaupt auf dieser Plattform hochladen werden, da das Feedback doch recht... mangelhaft ausgefallen ist. Momentan würde ich lediglich für 3 Leser hochladen, von denen ich weiß, dass sie eine Fortsetzung mit Sicherheit lesen würden. Von daher, an alle anderen, die eventuell die Geschichte verfolgt haben: lasst es mich wissen, wenn ihr an einer Fortsetzung interessiert seid.

Ansonsten, viel Spaß mit dem Epilog und danke für die Aufmerksamkeit :)

Eure Khaleesi26

Epilog

„Tie my heartstrings,

I tie my heartstrings off…“


 

Es war noch mitten in der Nacht, als sie aufwachte und sah, dass er neben ihr lag, den Arm um sie gelegt. Sie waren auf dem Dach eingeschlafen und er hielt sie so fest, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. Sie richtete den Blick zu den Sternen und dachte immer wieder an seine Worte.

„Ich liebe dich, Mimi Tachikawa.“


 

Warum musste er es ihr so schwermachen? Hatten sie nicht schon genug gelitten?

Vorsichtig schob sie seinen Arm von sich und richtete sich auf. Sie sah ihn an, wie er da lag… schlafend, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Nichtsahnend…

Dies war ihr letzter gemeinsamer Abend gewesen und Mimi wusste das.

Sie hatte es gewusst, von Anfang an. Sie wusste, dass es für sie kein Zurück gab, keinen Neubeginn. Auch, wenn sie sich das so sehr gewünscht hätte. Auch, wenn sie ihn über alles liebte.

Es war wie ein Spiel – Liebe gegen Vertrauen und die Würfel waren gefallen. Die Liebe hatte zwar gewonnen, doch das Vertrauen war verloren. Und was war Liebe ohne Vertrauen?

Sie hatten alles… und doch hatten sie nichts.

Deshalb hatte sie sich auch schon lange vorher dazu entschlossen nach New York zurück zu gehen. In eine Zukunft ohne ihn.

Vielleicht würden dann auch die Wunden in ihrem Herzen irgendwann heilen. Vielleicht konnte sie ihn so irgendwann vergessen und alles, was passiert war. Vielleicht konnte sie irgendwann wieder vertrauen.

So gerne hätte sie ihm verziehen… doch sie konnte es einfach nicht. Tief im Inneren wusste sie, dass es einfach nie mehr so werden würde wie früher. Das erste Mal in ihrem Leben hatte sie jemanden ihr Herz geschenkt. Das erste Mal in ihrem Leben war ihr Herz gebrochen wurden. Und das konnte keine Dachterrasse der Welt reparieren.

Zaghaft strich sie mit den Fingern über seine Wange und hauchte ihm einen letzten Kuss auf die Lippen. Ein Abschiedskuss – der für immer sein sollte…

Ihn verlassen zu müssen brach ihr das Herz erneut! Doch manchmal war Liebe einfach nicht genug…

Sie stand auf, ging zu der Tür, die ins Treppenhaus führte und schloss diese leise hinter sich, ehe sie ihr Handy rausholte und seine Nummer wählte. Es dauerte nicht lang, bis er abhob.

„Ja?“

„Hey, kannst du mich abholen?“
 

Was war hier los? Es fühlte sich plötzlich an, als wäre er aus einem Traum erwacht. Ein Traum, der mit ihr begann und ohne sie endete.

Denn als er aufwachte, war sie weg. Spurlos verschwunden. Mehrmals hatte er auf den Weg nach unten ihre Nummer gewählt, doch sie hob nicht ab. Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, als er ins Auto stieg und losfuhr. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er dachte, er hätte sie zurückgewonnen. Dass sie endlich erkannt hätte, was sie für ihn empfand und dass sie zusammengehörten. Doch dieser ganze gemeinsame Tag, den sie zusammen verbracht hatten… wie sie oben auf dem Dach Arm in Arm eingeschlafen waren… all das schien plötzlich wie ausradiert. Angst machte sich in ihm breit und er beschleunigte die Geschwindigkeit. Er musste zu ihr… Jetzt!
 

Es war inzwischen Morgen, als er an ihrer Wohnung ankam und hektisch gegen ihre Tür klopfte. „Mimi? Mimi, mach auf!“, schrie er und hoffte inständig, dass sein Gefühl ihn täuschen würde.

Zu seiner Verwunderung öffnete tatsächlich jemand die Tür, doch es war nicht die Person, die er erwartet hatte…

„Kari?“

Völlig überrascht sah er sie an, ehe er erkannte, dass seine Schwester Tränen in den Augen hatte.

„Kari, was machst du hier?“, fragte er sie, war sich jedoch nicht sicher, ob er die Antwort wirklich wissen wollte. Das ungute Gefühl in seiner Magengegend verschlechterte sich, als Kari begann los zu schluchzen.

„Sie ist weg.“
 

„Meinst du, sie wird kommen?“, fragte er sie, als sie ihre Wohnung betraten.

„Ich weiß es nicht“, gestand Mimi und schaute auf ihr Handy. 05.32 Uhr. Sie wusste nicht, ob Kari die Nachricht erhalten und sich so früh auf den Weg zu ihr machen würde, doch es war wichtig, dass sie sie noch ein letztes Mal sah, bevor sie ging.

Sie ging in ihr Schlafzimmer und ließ Izzy im Wohnzimmer stehen. Als sie wieder rauskam, zog sie einen großen Koffer hinter sich her. In der anderen Hand hatte sie einen Brief, den sie auf den Tisch legte.

„Für wen ist der?“, fragte Izzy verwundert.

„Für Sora“, antwortete Mimi leise. „Damit sie es versteht.“

„Willst du dich nicht persönlich von ihr verabschieden?“

„Sie würde nur versuchen, mich aufzuhalten“, erwiderte Mimi traurig, löste den Verschluss ihrer Kette, die sie um den Hals trug und legte sie zu dem Brief. Die Kette, die sie von Tai bekommen hatte.

„Was macht dich so sicher, dass ich nicht versuchen werde dich aufzuhalten?“, fragte Izzy und sah sie eindringlich an. Mimi lächelte müde. „Du schuldest mir noch was.“

Ihr Handy klingelte, eine SMS von Kari, dass sie auf dem Weg war.

Die Brünette seufzte schwermütig und kramte ihren Schlüsselbund aus der Tasche hervor. Sie fummelte daran rum, bis sie den Wohnungsschlüssel abbekommen hatte und ihn mit zu den Sachen auf den Tisch legte. Nachdenklich betrachtete sie sie.

Dies waren nicht irgendwelche Dinge. Dies waren Abschiedsgeschenke.

Eins für Sora, eins für Tai und eins für Kari.
 

„Was meinst du damit, sie ist weg?“

Tai trat an seiner Schwester vorbei in die Wohnung. Alles sah aus wie immer. Nichts deutete darauf hin, dass sie gegangen war.

„Sie ist heute Morgen abgereist“, erklärte ihm Kari traurig und folgte ihm.

„Abgereist? Wohin?“, stutzte Tai und sah sich weiter in der Wohnung um, suchte nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass das alles nur ein schlechter Scherz war.

Sein Blick fiel auf die Sachen, die auf dem Tisch lagen. Sofort erkannte er die Kette, die er ihr geschenkt hatte. Es war also wahr… sie war fort.

„Nach New York. Sie hat das Stipendium angenommen“, erzählte Kari weiter, während Tai die Kette in die Hand nahm. Er betrachtete den Brief und den Schlüssel, die danebenlagen.

„Kari, was ist das hier?“, fragte er geistesabwesend, als ihm klar wurde, dass das hier ganz und gar kein Scherz war. Sein Herz klopfte wie wild gegen seine Brust und er hatte Mühe seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Am liebsten hätte er geschrien! Wieso tat sie das? Wieso tat sie ihm das an? Wieso verschwand sie einfach ohne ein einziges Wort?

„Der Brief ist für Sora. Ich soll ihn ihr geben“, erklärte Kari und nahm den Schlüssel in die Hand. „Und der ist für mich.“

Tai sah sie irritiert an. Das konnte einfach nicht ihr Ernst sein!

„Sie hat gesagt, die Wohnung gehört ihren Eltern und ich kann sie haben, wenn ich möchte.“ Kari sah traurig zu Boden und eine leise Träne bahnte sich den Weg über ihre Wange.

Tai fühlte sich plötzlich wie erschlagen! Wie vom Donner gerührt stand er da und drückte die Kette in seiner Hand. Mimi… was tat sie da nur?

„Wieso hast du sie nicht aufgehalten?“, fragte er seine Schwester schließlich und wurde plötzlich von Wut ergriffen.

„Was?“, meinte Kari verdutzt, doch Tai griff nach ihren Schultern und packte sie fest.

„Warum hast du sie nicht aufgehalten?“

„Tai…“, sagte Kari leise und sah ihn erschrocken an.

Der Student ließ schnell von ihr ab und wandte sich hektisch um. „Komm, wir müssen zum Flughafen!“

„Tai…“, doch er hörte nicht auf sie. Er musste zu ihr! Sie aufhalten! Sie irgendwie davon überzeugen, dass es falsch war zu gehen! „Vielleicht erwischen wir sie noch!“

„Taichi, sie ist weg!“, schrie Kari ihn nun an, was den Braunhaarigen in seiner Bewegung erstarren ließ. „Sie ist weg, verstehst du das nicht?“

Doch ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, machte Tai auf dem Absatz kehrt und verließ die Wohnung.
 

„Letzter Aufruf für alle Passagiere des Fluges 108 von Tokyo nach New York, letzter Aufruf!“

Die blecherne Stimme, die durch den Flughafenhallen tönte versetzte ihm einen Stich ins Herz. Nun war es also soweit.

„Ich muss gehen“, sagte sie tonlos und stand auf. Izzy, der neben ihr gesessen und mit ihr gewartete hatte, erhob sich ebenfalls und sah sie noch ein Mal eindringlich an.

„Du musst nicht gehen, Mimi“, sagte er mitfühlend und hoffte, sie damit zum Bleiben bewegen zu können. Auch, wenn er bereits ahnte, dass es sinnlos war, es zu versuchen. Sie hatte diese Entscheidung für sich allein getroffen.

Ein trauriges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Doch, das muss ich.“

„Wirst du sie denn nicht vermissen?“, fragte er und wollte sich immer noch nicht eingestehen, dass es zwecklos war. „Ich meine, Sora, Kari, Matt, Tai…?“

„Doch, natürlich werde ich das“, erwiderte Mimi geknickt und sah zu Boden. „Die Vorstellung sie zu verlassen macht mir Angst. Aber nicht so sehr Angst, wie die Vorstellung bleiben zu müssen.“

Izzy nickte. Er wusste, dass es für Mimi in diesem Moment kein Zurück gab.

Ein letztes Mal nahm er sie in den Arm und drückte sie fest an sich. Er fühlte sich schuldig daran, dass sie ging. Dass es für ihre Freundschaft keine Zukunft gab. Alles, was er jetzt noch für sie tun konnte war, sie ziehen zu lassen…

Mimi erwiderte seine Umarmung, löste sich schließlich von ihm und nahm ihre Tasche. Ein letztes Mal wandte sie sich um und grinste den Rothaarigen an.

„Wie heißt sie eigentlich?“

„Wer?“, fragte Izzy und zog eine Augenbraue nach oben.

„Na das Kätzchen.“

„Achso“, sagte er und lächelte schief. „Ich denke, ich werde sie Mimi nennen.“

Die Brünette schenkte ihm ein vielsagendes Grinsen und zwinkerte ihm zu. „Das ist ein schöner Name.“

Dann wandte sie sich um und ging…
 

Tai war völlig außer Atem, als er am Flughafen ankam und sich durch die vielen Menschenmassen bis hin zum Gate gekämpft hatte.

„Letzter Aufruf für alle Passagiere des Fluges 108 von Tokyo nach New York, letzter Aufruf!“

Es war noch nicht zu spät! Das Flugzeug war noch nicht gestartet.

Hektisch ließ er den Blick über die Menge schweifen und versuchte sie ausfindig zu machen. Hoffentlich saß sie noch nicht im Flieger. Er wurde immer unruhiger und seine Hände begannen zu schwitzen. Was, wenn er sie nicht mehr rechtzeitig finden würde? Sie durfte nicht einfach aus seinem Leben verschwinden! Nicht so!

Er stutzte kurz, als er an einigen Reisenden vorbeisah und rote Haare erkannte. Erst konnte er sich keinen Reim darauf machen, doch plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen!

Izzy!

Schnell lief er zu ihm rüber und packte ihn an den Schultern. Der Rothaarige erschrak und wirbelte herum. Überrascht sah er ihn an. „Tai, was machst du hier?“

„Wo ist sie?“, schrie Tai ihn an.

„Was?“

„Wo ist sie? Wo ist Mimi?“

Er konnte nicht fassen, dass Izzy sie einfach hatte gehen lassen!

„Sie ist weg, Tai“, sagte Izzy betrübt und sah zu Boden. Diesen Satz hörte er nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag und zum zweiten Mal riss es ihm den Boden unter den Füßen weg. „Nein!“, schrie er und drängte sich an Izzy vorbei. Das durfte einfach alles nicht wahr sein!

Er suchte weiter nach ihr. Sie durfte einfach noch nicht weg sein!
 

Da war sie! Sie hatte gerade ihr Ticket eingelöst und war dabei aus seinem Leben zu verschwinden… einfach so!

„Mimi!“, rief Tai und wollte ihr hinterher, wurde jedoch vom Sicherheitsdienst aufgehalten. „Moment mal, junger Mann, haben sie überhaupt ein Ticket?“

Tai jedoch ignorierte die Bemerkung und befreite sich aus dem Griff des Mannes. Er ging weiter zu der Glasscheibe, die ihn von ihr trennte. „Mimi!“, rief er noch ein Mal und hämmerte mit der Faust dagegen.

Die Brünette zuckte zusammen und drehte sich um. Erschrocken sah sie in sein aufgebrachtes Gesicht, ehe ihr Blick traurig wurde und eine Träne ihre Wange entlanglief.

„Mimi, geh nicht!“, rief er ihr entgegen, doch sie konnte ihn durch das dicke Glas nicht hören.

Mimi ging einen Schritt zur Seite, da sich hinter ihr schon die Passagiere stauten. Mit flehendem Blick sah er sie an, betete dafür, dass sie sich um entscheiden und zu ihm zurückkommen würde. Doch ihre Augen verrieten ihm, dass das nicht passieren würde…

„Es tut mir leid“, formte sie mit ihren Lippen, was Tai das Herz brach. Nie hätte er gedacht, dass sie das wirklich tun würde… Dass sie ihn wirklich verlassen würde. Doch sie tat es und er konnte nichts dagegen tun. Er stand einfach nur da – völlig erstarrt.

Sie holte ihr Handy aus der Hosentasche und tippte etwas ein.

Kurze Zeit später klingelte es bei ihm und erst realisierte er gar nicht, dass es sein Handy war. Wie in Trance holte er es raus und öffnete die SMS.
 

„Ich liebe dich.“

Während ihm leise eine Träne über die Wange rann, las er den Satz immer und immer wieder durch. Je öfter er ihn las, desto mehr zog sich sein Herz zu einem schmerzvollen Knoten zusammen.

Und als er den Kopf hob und den Blick wieder auf sie richten wollte, um sie ein letztes Mal zu sehen…

War sie weg.
 


 

„Es gibt Momente im Leben, da stehen wir an einer Kreuzung.

Verängstigt, verwirrt, völlig planlos.

Der Weg, für den wir uns in solchen Momenten entscheiden kann unser restliches Leben bestimmen. Wenn wir mit etwas konfrontiert werden, was wir bisher nicht kannten, ziehen die meisten es von uns vor sich umzudrehen und einfach wegzulaufen.“

One Tree Hill


 


 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Wow, das war er... der Epilog...

Das Album der zauberhaften Leighton Meester hat mich wirklich sehr beim Schreiben dieses Epilogs inspiriert, aber ganz besonders "Heartstrings" (https://www.youtube.com/watch?v=i4qG2k4R3cA) und "Dreaming" (https://www.youtube.com/watch?v=v0cRKzff8i4). Ich liebe sie <3

Ich hoffe, ich hab euch nicht zu sehr geschockt! Das Ende stand schon lange fest und ich muss gestehen: auch mir hat es ein wenig das Herz gebrochen </3

Aber: "Everything will be okay in the end. If it's not okay, then it's not the end." ;)
 

Eure Khaleesi26


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hi ihr Lieben ;)
Nachdem ich diese FF bereits auf Fanfiktion.de veröffentlicht habe (zumindest die ersten 15 Kapitel), möchte ich sie gerne auch hier etwas publik machen :P
Sie besteht aus vielen liebenswerten Charakteren (möchte ich behaupten... :D), im Vordergrund Mimi / Taichi & Izzy und einer Menge Gefühlschaos! Also, ich will nicht zu viel verraten, aber wer Lust hat, kann gerne mal reinlesen und wenn es euch gefällt (oder auch nicht ;P) dürft ihr mir gern das ein oder andere Kommentar da lassen.
Ich freu mich drauf! bis bald <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :) Ich weiß nicht, ob ihr es schon alle mitbekommen habt, aber wenn ihr wissen möchtest, wie es mit Tai und Mimi weiter geht, dann schaut bei der Fortsetzung vorbei, die ich vor kurzem auch hier veröffentlicht habe, unter den Namen "People always leave". Ich würde mich freuen, wenn ihr mich wieder auf diese kleine (oder eher große) Achterbahnfahrt der Gefühle begleitet ;)
Eure Khaleesi26 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (66)
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Von:  Black-Starshine
2020-06-25T18:24:40+00:00 25.06.2020 20:24
Hallo liebe Khaleesi, 
 
noch haben wir nicht voneinander gelesen, doch das soll sich jetzt ändern. Leider fehlt mir dientest, all deine wunderbaren Kapitel einzeln zu kommentieren, weshalb ich all meine Gedanken hoffentlich in einem zusammenfassen kann. Damals war ich aktiver im FF-Fandom zu Michi drinnen,habe aber erst durch Corona zurückgefunden. Dabei bin ich auch über diese tolle Fanfiktion gestoßen, die mich schon mit dem ersten Kapitel beeindruckt hat. Ich tue mich immer etwas schwer damit, wenn bei Geschichten zu Michi die Vorgeschichte mit den Digimon fehlt, das das für mich stets dazugehört, doch bei dir habe ich mich recht schnell und erstaunlich einfach reingefunden.
 
Ich liebe die Thematik deiner Geschichte. Du nutzt Koushiros Gefühle als Auslöser für das Entwickeln von Mimis und Taichis Gefühlen. Dein Schreiben hat mir direkt imponiert. Bei dir kann man sich erstaunlich gut in die Charaktere hineinversetzen und du hast deine Idee wahnsinnig gut umgesetzt. Ich mag es, dass Koushiro Taichi mehr oder weniger ausnutzt, um an Mimi heranzukommen. Bei mir ist Koushiro auch oft heimlich in Mimi verliebt. Ich mag den etwas aktiveren Koushiro. Auch, wenn er sich nicht traut, wird er gewissermaßen aktiver als in vielen anderen Geschichten. Das macht Koushiro authentisch, denn auch im Alter entwickelt sich der Charakter weiter und ich denke auch ein Koushiro wird da selbstbewusster. 😍
 
In deiner Geschichte geht alles sehr langsam voran, was ich schön finde. Man kann so richtig mit den Charakteren mitfühlen und beobachten, wie sich die Gefühle entwickeln. Hoffentlich bekomme ich alles zusammen, da das Lesen dieser Geschichte schon ein bisschen zurückliegt und ich das Kommentieren etwas aufgeschoben habe. Die Dynamik zwischen den Charakteren ist toll beschrieben und du haucht ihnen wirklich Leben ein. Mit jedem Kapitel habe ich mitgefiebert, wie es nun ausgehen könnte und habe mich immer mit Mimi oder Taichi mitgefreut. Koushiro konnte wirklich ein Arsch sein. Aber in der Liebe handelt man eben nicht immer richtig und rational. Auf seine Art kämpft er ja auch um Mimi, auch wenn er die falschen Mittel nutzt. Er konnte zuvor ja nicht ahnen, dass sich Taichi auch verliebt und Mimi letztlich die Gefühle erwidert. Dahingehend hast du richtig toll auch die Gefühle von dem Izumi toll zur Schau gestellt. 
 
Aber natürlich gewinnt mein Michi-Herz immer, auch wenn ich Koumi nicht schlecht finde. Michi mag ich trotzdem mehr. Die gemeinsamen Momente der beiden beschreibst du einfach traumhaft schön. Du hast wirklich ein seltenes Talent in Sachen Schreiben. Man fühlt einfach mit allen mit. Auch die zwischenmenschlichen Momente, die auch das Alltagsleben der anderen Charaktere beschreiben, bringst du toll zu Geltung. Ich hatte einfach mega Spaß, deine Geschichte zu lesen. 
 
Klar war ich kein Fan vom Ende, aber du konntest diesen Ausgang gut begründen. So bekommt man Lust zum Lesen deiner Fortsetzung. Ich habe übrigens auf ff.de, bin da aber gar nicht angemeldet. (Glaube ich zumindest 😂), weshalb ich mich darüber freue, dass du die Geschichte hochgeladen hast. Ich kann deine Motivation zum Schreiben verstehen. Dass du hier nichts mehr hochladen möchtest. Aber ich denke, dass wir nicht nur für unsere Leser schreiben, sondern auch um unseren Ideenreichtum nach außen zu tragen. Feedbacks sind schön und für jeden einzelnen sollten wir dankbar sein. Damals habe ich mich irgendwann gar nicht mehr getraut, die Geschichten zu lesen. Viele der Autoren waren meine Freunde und hatten damit gleich doppelt Kommentare verdient. Aber mir fehlte einfach die Zeit, da ich immer versuche, konstruktive und ausführliche Kommentare zu schreiben. Mein Leben wandelte sich und ich habe mich nur noch unter Druck gesetzt gefühlt. Druck, den ich mir aber selbst gemacht habe. Viele deiner Leser, die stumm lesen, haben vielleicht gar nicht die Zeit zu kommentieren. Könnten sie dir hier eine Sprachmemo hinterlassen, hättest du sicher mehr Kommentare. Sowas beansprucht immer Zeit und ein gewisses Maß an Konzentration. Mit dem Alltag verliert man das aber.
 
Fühle sich nicht demotiviert im Schreiben, weil manche nicht aufschreiben, was sie denken. Manche Menschen honorieren dir stumm, dass du schreibst. Auch Autoren von Büchern bekommen nicht von jedem Leser ein Feedback. Doch du kannst in stiller Gewissheit leben, dass du einigen Herzen ein Weg aus dem grauen Alltag schenkst, indem deine Geschichten sie nochmal zurück in ihre Kindheit führen. ☺️ Du schreibst wirklich toll. Verliere diese Leidenschaft nicht. 
 
Danke für die schöne Geschichte, die mich aus dem grauen Alltag herausgetragen hat. 
liebe Geüße, Janine 
Von:  Desiree92
2019-08-12T15:37:14+00:00 12.08.2019 17:37
Was eine Ende... finde es total traurig, dass Mimi gegangen ist. 😔

War eine sehr schöne Geschichte und sich bei zweiten Mal lesen war es noch toll. 👍🏻
Gewisse Dinge hatte ich gar nicht mehr aufm Schirm.

Freue nich deine weiteren Geschichten nochmal zu lesen.
Antwort von:  Khaleesi26
12.08.2019 19:52
Wow 😍 du hast sie echt zwei Mal gelesen... das ist eine ziemliche Ehre, denn nicht mal ich habe sie seitdem ich sie geschrieben habe, noch mal gelesen ^^* und daher habe ich auch vieles nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Aber durch deine Kommentare konnte ich mich wieder gut daran erinnern, was passiert ist und wie es für mich war, diese Geschichte zu schreiben. Ich habe es wirklich geliebt hier Mimis, Izzys und Tais Geschichte zu erzählen ❤️ Und ich habe definitiv Lust auch noch meine Fortsetzung dazu zu beenden, das bin ich den Dreien einfach schuldig :)
Also, vielen lieben Dank, dass du sie (zwei Mal) gelesen hast und für deine Kommentare. Und dafür, dass du mich daran erinnert hast, wie sehr auch ich diese Geschichte liebe ❤️
Liebe Grüße
Khaleesi
Antwort von:  Desiree92
12.08.2019 20:32
Freue mich über deine Antwort, finde es so schön wenn man sich über die Kommentare so freut und sie nicht als selbstverständlich sieht. Gibt leider sehr viele, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie es nicht schätzen. Du gehörst definitiv NICHT dazu. 🤗

Ich bitte dich drum die Fortsetzung zu beenden, damit würdest du mir eine sehr große Freude machen. Denke aber auch anderen Leserinnen und Lesern 😉

Manchmal muss man einfach wieder angestupst werden und es freut mich, dass ich dir durch meine kleinen Kommentare, wieder Motivation geben konnte.

Ich bin nicht die Riesen Kommentiererin, meistens fallen sie etwas klein aus. Ich tu mir da irgendwie relativ schwer... weiß auch nicht wieso. Möchte mich auf jeden Fall bessern und ich denke, dass ich auf einen guten Weg bin 🤷🏻‍♀️😅

Von:  Desiree92
2019-08-12T15:00:31+00:00 12.08.2019 17:00
das Doppelkapitel war sehr schön. Tai ist in dieser FF einfach so süß und romantisch.

😍
Von:  Desiree92
2019-08-12T14:50:20+00:00 12.08.2019 16:50
Arme Mimi... sie hat bestimmt grad ein ziemliches Gefühlschaos. Auf der einen Seite liebt und vermisst sie ihn und genießt seine Nähe ... und auf der anderen Seite ist sie so von ihm verletzt worden und zweifelt an seinen Taten und Aussagen.

Wer wäre das, nach so einem Hin und her, nicht 😔😔
Von:  Desiree92
2019-08-12T12:20:23+00:00 12.08.2019 14:20
Hut ab für Izzy, ganz tolle Geste. Das er den Mut und Kurasche das er endlich Ehrlich zu Mimi ist. Und ich finde es toll, dass er auch ehrlich über Tai ist.
Von:  Desiree92
2019-08-12T12:13:04+00:00 12.08.2019 14:13
Ohjeeee... das ganze ist jetzt komplett eskaliert, was aber ja irgendwie abzusehen war.

Arme Mimi... will mir gar nicht ausmalen wie sie sich jetzt fühlen muss. Kann gut verstehen, dass sie momentan einen Hass auf Tai hat.

😔😔
Von:  Desiree92
2019-08-12T10:56:13+00:00 12.08.2019 12:56
Arme arme Mimi ... so hätte sie es wirklich nicht erfahren soll. Kann mir gut vorstellen wie mies sie sich jetzt fühlt.

Mal schauen ob dieser Bruch noch zu retten ist... einfach wird es jedenfalls nicht.
Von:  Desiree92
2019-08-12T10:48:28+00:00 12.08.2019 12:48
Mhhh ... die Aussprache war jetzt doch nicht so ehrlich wie ich erhofft habe. Tai kommt da nicht mehr so einfach raus... leider macht er es durch seine Lügen nur noch schlimmer.

🤦🏻‍♀️🤦🏻‍♀️
Von:  Desiree92
2019-08-12T10:44:02+00:00 12.08.2019 12:44
Finde es gut dass Tai endlich mit Mimi Klartext reden möchte und ihr alles erzählen möchte. Bin gespannt wie sie drauf reagiert... ich erahne leider nichts gutes.
Von:  Desiree92
2019-08-12T10:38:07+00:00 12.08.2019 12:38
Die zwei sind echt Grandios, schleichen sie sich einfach auf das Festival 😅
Eine gute Sache hat das ganze Drama ja und zwar dass Tai mit gehen konnte, mit Izzy wäre es nicht mal halb so schön geworden.




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