Da hinten im Garten von _Delacroix_ ================================================================================ Da hinten im Garten ------------------- Judar-chan!“, schallte es aufgeregt zu ihm hinauf in den Pfirsichbaum. „Judar-chan, wach auf!“, forderte die Stimme noch einmal, fast so als hätte er bei dem Gekrächze wirklich noch schlafen können. „Was willst du Vettel?“, rief er desinteressiert zu ihr hinab. Das Mädchen unter dem Baum stemmte die Hände in die Hüften. „Du sollst mich nicht Vettel nennen!“, forderte es, aber das war nicht neu. Die Vettel behauptete immer wieder aufs neue, dass sie keine Vettel war und das obwohl ihre Vettelhaftigkeit kaum zu übersehen war. „Hast du wieder eine Falte gefunden?“, lenkte er hilfsbereit ab. Eine Frage, die das Mädchen dazu brachte, ihn bitterböse anzustarren. „Sei nicht so gemein“, blaffte es, „Ich will dir etwas zeigen. Da hinten im Garten.“ Judar richtete sich auf. Das war neu. Normalerweise fing Kougyoku nur an sich aufzuregen, wenn er solche Sachen sagte. Neugierig blickte er in die von ihr gezeigte Richtung. Da war ein schiefer Busch, der schon immer dort gewesen war, eine dünne Schicht aus Schnee, noch unberührt, weil er die weiße Masse für seine Schneebälle vom Dach gekratzt hatte, aber sonst... „Da ist nichts“, rief er fast schon ein bisschen enttäuscht seinen Baum hinab. Kougyoku schüttelte den Kopf. „Doch, da ist etwas“, beharrte sie stur, „Du kannst es aus der Entfernung nur nicht sehen.“ Judar blickte zu ihr hinunter. „Bist du sicher, dass du nicht einfach nur ein bisschen spinnst?“, fragte er noch einmal nach. Die Prinzessin unter ihm wurde puterrot. „Judar-chan!“, entfuhr es ihr anklagend, aber ihre Entrüstung war ihm Antwort genug. Was auch immer dort hinten sein sollte, Kougyoku glaubte wirklich es gesehen zu haben. Und wenn sie es gesehen hatte, dann wollte er das natürlich auch. Eilig schwebte er seinen Baum hinab.   „Ja, ja, ja. Ich bin ja schon da“, kommentierte er das Ganze, bemüht so zu klingen als wäre es die langweiligste Forderung, die er je zu hören bekommen hatte. In Wahrheit war sie das natürlich nicht. Nichts war je langweiliger gewesen als die Bemühungen einiger besonders nerviger Idioten ihm Mathematik beizubringen. Aber man musste Kougyoku ja keine falschen Hoffnungen machen. Es reichte schon, dass sie ein ums andere Mal wieder ankam, um mit ihm ihre Zeit zu verbringen.   „Wo ist es nun?“, wollte er wissen, während er hinter dem Mädchen in Richtung Busch schwebte. Wenn er ehrlich war, konnte er immer noch nichts aufregendes erkennen. Da war nur Schnee, der Busch und die Haarnadel im Haarknoten der Prinzessin, die im schwachen Sonnenlicht glitzerte. „Hier“, eröffnete sie endlich und ließ sich trotz des Schnees auf die Knie sinken. Judar blickte sich um. „Wo?“, fragte er noch einmal, dann sah er wie Kougyokus Hände den Schnee zur Seite schoben um ein einziges, kleines, grünes Ding zu befreien. „Schau“, murmelte sie, die Augen strahlend vor Begeisterung.   Judar starrte den Krokus an. Das war es? Dafür war er von seinem Baum gestiegen? Für ein dummes Stückchen Pflanze, welches sich noch nicht einmal völlig vom Schnee befreit hatte? Er wollte Kougyoku eine Idiotin nennen, wollte über sie lachen und mit Schnee nach ihr werfen, bis sie um Gnade bettelte, doch da war etwas in ihrem Blick, was ihn davon abhielt. Irgendetwas an dem hässlichen, kleinen Ding war ihr wichtig und sie hatte es mit ihm teilen wollen. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was genau dieses Etwas war. „Nun“, zwang er sich zu einem Kommentar, „sieht so aus, als wäre bald wieder alles voll mit den Dingern.“ Kougyoku nickte eifrig. „Der Schnee schmilzt und bald blüht auch dein Pfirsichbaum.“ Judar spürte wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. „Bald“, echote er, doch der Gedanke zauberte ihm kein Lächeln ins Gesicht. Von unter dem Baum mochten die rosa Blüten schön anzusehen sein, doch zwischen ihnen sitzend, waren sie eine einzige stinkende, rosa Plage, die überall an ihm hängen blieb und ihm das Leben unnötig schwer machte. Kougyoku strahlte ihm entgegen. „Ich kann dir eine Blütenkrone flechten“, bot sie begeistert an und Judar machte angeekelt einen Satz zurück. „Vielleicht solltest du dir erst mal eine ordentliche Frisur flechten“, motzte er sie an. Die Prinzessin wurde zum zweiten Mal an diesem Morgen so rot wie ihre Haare, dann öffnete sie den Mund und begann zu schimpfen. Judar atmete tief durch. Das war so viel besser als ihr Geblubber über den Frühling, die Blumen und – bei seinem Glück – vermutlich auch noch rosa Rukh. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)