Words, Hands, Hearts von Miyu-sama (NezumixShion) ================================================================================ Kapitel 1: Sturm ---------------- Schweiß gebadet lag er da. Es regnete und ein stürmischer Wind wehte. Als würde das Wetter ihn verhöhnen wollen: Erinnerst du dich? Damals hat es genauso gestürmt. Damals, als du ihn das erste Mal getroffen hast. Erinnerst du dich? Als könnte er das jemals vergessen. Mittlerweile waren es fast fünf Jahre, doch die Erinnerung daran war noch genauso frisch wie am ersten Tag. Wie sehr er ihm fehlte. Shion hatte beschlossen, die Tage nicht zu zählen, bis er ihn wiedersehen würde. Es mussten nun schon etliche Wochen vergangen sein, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Tagsüber war es okay. Es gab so viel zu tun, die perfekte Ablenkung. Er musste sich nur in die Arbeit stürzen. Ja, er arbeitete hart, nicht allein der Ablenkung wegen, sondern auch, um aus dieser Stadt eine Stadt zu machen, auf die Nezumi stolz sein konnte. Natürlich konnte es sein, dass alle Bemühungen umsonst waren. Nezumi hatte die Stadt so gehasst und er konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Wahrscheinlich war das der Grund, wieso er nicht kam. Sein Hass auf No.6 überschattete vielleicht auch diese neue Stadt. Er konnte sich noch erinnern, was Nezumi damals gesagt hatte: „Ich oder No.6.“ War er vielleicht deswegen gegangen? Weil er es nicht in dieser Stadt ertrug, obwohl es nicht mal mehr No.6 war? Und kam er nicht zurück, weil er dachte, dass er sich für die Stadt entschieden hatte? Wenn dem so war, dann würde er vergebens warten. Erschöpft drehte Shion sich auf die Seite. Er war so müde. Müde von den Albträumen, die ihn seit der Besserungsanstalt, seit Nezumis Verschwinden, plagten. Müde vom Warten, müde vom Hoffen. Es zerfraß ihn von innen. „Nezumi.. wo bist du nur?“ Seine Finger berührten seine Lippen. Der Kuss sollte ein Versprechen sein. Würde Nezumi sich wirklich daran halten? Langsam setzte sich Shion auf und blickte auf die Uhr. In zwei Stunden würde sein Wecker gehen. Er könnte sich nochmal hinlegen, aber einen weiteren Albtraum würde er heute nicht mehr ertragen. Shion sah hinaus in den Regen. Würde er kommen, wenn er seinen Namen rief? Würde er da sein, wenn er seinen ganzen Kummer hinaus schreien würde? So wie damals? Er kam auf die Beine, ging zum Balkon hinüber und zögerte. Nezumi..Nezumi! Er riss die Balkontür auf, rannte zum Geländer und schrie. Schrie so laut er konnte, während der Regen in sein Gesicht prasselte und seinen Schlafanzug bis auf die Haut durchnässte. Er schrie weiter und weiter, seinen Schmerz hinaus, Nezumis Namen, bis seine Stimme versagte und seine Knie nachgaben. Shion sank zu Boden und während sein Körper vor Kälte zitterte, spürte er die heißen Tränen auf seinen Wangen.   Nezumi war nicht gekommen. Er war allein.     Es regnete noch immer. Seit gestern Nacht hatte es nicht aufgehört, aber zumindest war der Wind ruhiger geworden. Nezumi blickte in den Wolkenschweren Himmel. Es war viel Zeit vergangen und er war viel herumgekommen. Er wusste, dass er Shion damit verletzt hatte, aber in dem Moment war es das Richtige gewesen. Er hatte sich über vieles klar werden müssen. Und er hatte Angst gehabt. Sein Ziel hatte er erreicht, No.6 war zerstört, aber dann? Was sollte jetzt als nächstes kommen? In dieser verfluchten Stadt leben, als ob nichts gewesen wäre? Wie hätte er das tun sollen? Er wusste, dass Shion alles daran setzte, eine neue Stadt aufzubauen. Aber er konnte nicht. Der Hass gegen No.6 war noch nicht verebbt, die Wunden noch nicht verheilt, als das er dort leben könnte. Es war zu früh. Nezumi wusste nicht, was er mit seinem Leben anfangen sollte und ob es wirklich einen Platz in Shions Leben für ihn gab. Er hatte Shion eine andere Welt gezeigt, dieser war fasziniert gewesen, er hatte langsam begriffen, dass No.6 falsch war. Aber No.6 gab es nicht mehr. No.6 hatte sie zusammengeführt und er fragte sich, ob No.6 sie auch wieder trennen würde. Bei diesem Gedanken hatte es schmerzlich in seiner Brust gezogen. Ja, die ganzen Gefühle, die mit Shion zu tun hatten, machten ihm Angst. Er wollte Shion nicht verlieren, er vermisste ihn, seine Unbekümmertheit, das ruhige Atmen, wenn er nachts neben ihm schlief. Das Lächeln, das wie Sonne war, die warme Hand. Als er fortgegangen war, hatte er nicht geahnt, wie sehr Shion ihm fehlen würde. Er hatte Abstand von dieser Stadt, von seinen Gefühlen gebraucht, um Antworten zu finden; was er wirklich wollte, was er brauchte und welcher Weg der seine war. Er hatte sich einer Wanderschauspielgruppe angeschlossen und war mit ihnen durchs Land gezogen. Dabei hatte er gemerkt, wie Shion ihm keine Ruhe gelassen hatte. Er hatte einfach wissen müssen, wie es ihm ging und somit hatte er seine Ratten los geschickt, um ein Auge auf Shion zu haben. Sie erzählten ihm, was Shion trieb und was nach und nach aus dieser so verhassten Stadt wurde. Shion gab sich Mühe, er kämpfte hart für seine Ideale und das beruhigte ihn. Doch je mehr Zeit verstrichen war, desto öfter kamen Besorgnis erregende Nachrichten. Bis die Ratten ihn erreichten vergingen schon mal ein paar Tage, je nachdem, wo er sich gerade aufhielt. Die erste Nachricht hatte er erst einmal abgetan, wer träumte denn nicht mal schlecht? Doch es blieb nicht bei einem Albtraum. Es blieb nicht bei einer schlaflosen Nacht. Shion litt. Den genauen Grund dafür kannte er nicht, aber er litt. Vielleicht hätte Shion den Ratten etwas erzählt, doch er hatte sie angewiesen, sich ihm nie zu zeigen. Etwas Gutes hatte Shions Leiden jedoch. Es hatte ihm die Antwort auf die Frage gebracht, was er wollte. Was er wirklich wollte war, dass Shion glücklich war. Er wollte ihn beschützen, ihn festhalten, eine Welt erschaffen, die Shion zum Lächeln brachte. Danach hatte er sich auf den Weg gemacht. Mehrere Tage war er unterwegs gewesen und nun hatte er sein altes zu Hause erreicht. Der Westblock hatte sich verändert. Was die Menschenjagd zerstört hatte, war mittlerweile wieder aufgebaut worden. Glücklicherweise war hier bei ihm alles beim alten geblieben. Hier waren keine weiteren Häuser dazu gekommen, er lebte noch immer ein wenig abseits. Es würde ihn nicht wundern, wenn Inukashi ein Auge hierauf gehabt hatte, konnte er doch überall Abdrücke von Hundepfoten entdecken. Müde sah er Richtung Stadt. Er hatte sich beeilt. Da er jetzt wusste was er wollte, hatte er keine Zeit verlieren wollen. „Ich bin ein Idiot..“ murmelte er leise und schickte Hamlet vor, um nach Shion zu sehen. Nezumi seufzte schwer, es fühlte sich an, als hätte er einen Stein im Magen. Ihm gefiel es nicht, dass seine Gefühle eine gewisse Abhängigkeit zur Folge hatten. Er konnte Shion nicht vergessen, geschweige ihn töten, sollte er jemals sein Feind werden. Er hatte versucht, es sich einzureden, dass es ein leichtes war, ohne ihn zu leben, dass er frei war ohne ihn. Doch tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, dass es eine Lüge war. Ja, er hatte sich sehr gekonnt all die Wochen lang belogen. Und obwohl er das wusste, war es ihm dennoch so schwer gefallen, einfach auf sein Herz zu hören. Er war nicht nur ein Idiot, weil er sich verliebt hatte, er dazu auch noch feige. Ein feiger Idiot. Shion machte ihn angreifbar, verletzbar. Und da waren natürlich noch diese kleinen Zweifel, dass Shion ihn nicht mehr brauchte. Dass er sein Glück ohne ihn finden würde. Nezumi schüttelte leicht den Kopf. Vielleicht hatte er es sich eingebildet, aber ihm war, als hätte Shion nach ihm gerufen. „Denn steinerne Grenzen können Liebe nicht fernhalten, und was Liebe kann, das wagt Liebe zu versuchen.“ Zitierte er Shakespeare, um sich selber ein wenig Mut zu machen. Erneut sah Nezumi hoch in den Himmel, der Schal, der ihm als Kapuze diente, rutschte von seinem Kopf. Der Regen war kühl auf seiner Haut. Shion… Ein Fiepsen riss ihn aus seinen Gedanken. Hamlet war schon zurück und zu seiner Überraschung Shion auf den Weg hierher.   Kapitel 2: Ich halte meine Versprechen -------------------------------------- Sie hatten ihn nach Hause geschickt. Gerade wo er die meiste Ablenkung brauchte, schickten sie ihn einfach fort. Es war egal was er gesagt hatte. Ein Arbeitskollege hatte ihn sogar nach Hause gefahren, weil er so blass wäre. Er solle sich hinlegen, etwas schlafen. Wenn das nur so einfach wäre. Er wollte nicht schlafen, nicht wieder träumen. Er wollte nicht alleine sein mit seinem traurigen Rest an Hoffnung und dem Schmerz in seiner Brust. Seine Mutter war ganz besorgt gewesen, hatte ihm einen Tee gekocht und ihn ins Bett gesteckt. Sie dachte, er würde eine Erkältung ausbrüten. Wie falsch sie doch lag. Er war nicht krank, nur einsam und verzweifelt. Glücklicherweise musste sie zurück in den Laden, so dass keiner überprüfen konnte, ob er sich schlafen gelegt hatte. Shion starrte an die Decke. Ob es ihm besser gehen würde, wenn er in das Zimmer zurückkehren würde, mit all seinen Büchern und Erinnerungen. Würde es ihm besser gehen, wenn er eben in jenen Büchern lesen würde? So wie früher? Oder in seinem Bett schlafen? Vielleicht würden seine Albträume zu Träumen werden, wo sie wieder zusammen waren. „Ich vermisse dich so..“ flüsterte Shion und biss sich auf die Unterlippe, ehe er aufstand. Alles, alles war besser als hier rumzuliegen. Wenn Nezumi nicht hier war, dann wollte er wenigstens etwas von Nezumi bei sich haben. Leise verließ er sein Zimmer und schlich sich aus der Bäckerei. Als er auf die Straße trat und den Regen auf seinem Gesicht spürte, merkte er, dass er einen Schirm vergessen hatte. Aber das war nicht wichtig, dafür würde er sich nicht wieder reinschleichen, wo ihn seine Mutter eventuell erwischen konnte. Er rannte die Straße entlang, raus aus der Stadt. Erst als er bei den Resten der Mauern ankam, wurde er langsamer. Er war völlig außer Atem. Es schien, als würde sein ganzer Körper streiken, doch es war nicht mehr weit. Nur noch ein bisschen, nur noch ein Stückchen weiter. Dann würde er sich auf Nezumis Bett fallen lassen, die Bücher um sich, und dann würde es besser werden. Einfach irgendwie besser. Shion schleppte sich den Hügel hinauf, an dem sie sich damals verabschiedet hatten. Ihm war kalt und er zitterte. Obwohl er sich nicht wieder an den Abschied erinnern wollte, blieb er an der gleichen Stelle stehen. Ihm war, als hätte er Nezumis Stimme im Wind gehört, wie er seinen Namen rief. Er schloss die Augen. Shion.. Ja, wenn er die Augen schloss, konnte er Nezumis Stimme deutlich hören. Die Erinnerungen an Nezumi und ihre Zeit wurden immer deutlicher, als würden sie neu erwachen. Und er ließ sich einfach fallen. Hinfort zu schöneren Zeiten.     Nezumi musste zugeben, dass er damit nicht gerechnet hatte. Eigentlich hatte er sich nur zwei Möglichkeiten ausgemalt. Entweder würde Shion ihm eine verpassen, weil er solange weg war, oder er würde ihm um den Hals fallen und sich freuen ihn zu sehen. Das Shion ihn aber einfach ignorieren und dann zusammenbrechen würde war eine Option, die er nicht in Betracht gezogen hatte. Glücklicherweise war er schnell genug gewesen, um Shion aufzufangen, bevor dieser mit dem Kopf aufschlug. Besorgt blickte er auf Shion hinab. Er war ganz blass und durchnässt. Als er seine Wange berührte, war diese heiß. „Wieso kommst du her, wenn du krank bist? Du konntest doch gar nicht wissen, dass ich zurück bin…“ murmelte er und seufzte. Da Shion keine Anstalten machte, aufzuwachen, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn zu tragen. Er hob ihn hoch, ächzte etwas bei dem Gewicht und machte sich dann auf den Rückweg. Eigentlich hatte er ihn ganz Ritterhaft ins Bett bringen und ihm dann eine Suppe kochen wollen, bevor Shion wieder aufwachte. Doch Shion war schwerer als erwartet (und er nicht so Ritterhaft wie erhofft), sodass er für den Rückweg länger brauchte als gedacht und er völlig außer Atem war, als sie endlich ankamen. Er legte Shion auf die Couch und musste erst einmal wieder etwas zu Atem kommen, ehe er Handtücher und trockene Kleider holen konnte. Es war ein wenig mühselig und nicht ganz so spaßig wie er sich das vorgestellt hatte, Shion auszuziehen. Er war noch immer ohne Bewusstsein, was das ausziehen ein wenig erschwerte. Als er bei der Unterwäsche ankam, musste Nezumi grinsen. Shion würde hochrot anlaufen, wenn er diese auch ausziehen und er dessen Fehlen bemerken würde. Kurz spielte er mit dem Gedanken, doch dann ließ er es bleiben. Er würde eindeutig mehr Gefallen daran haben, ihm dieses Kleidungsstück auszuziehen, wenn Shion wach war. So erging es ihm auch, als er den anderen behutsam abtrocknete. Nezumi wollte sehen, wie Shion auf seine Berührungen reagierte, welche Reaktionen sein Körper zeigen würde. Aber Shion schien den Schlaf der Gerechten zu schlafen. Er seufzte leise und fuhr einmal einige Zentimeter seines Males entlang, ehe er den anderen in einen Pullover und eine Hose von ihm steckte. Dann hob er ihn ins Bett und breitete die Decke über ihn aus. Sein Körper war noch immer ein wenig unterkühlt, er musste dafür sorgen, dass Shion sich schnell aufwärmte. Nachdem sich Nezumi ebenfalls umgezogen hatte, schickte er Inukashi mit Hamlet eine Nachricht. Suppe kochen war schön und gut, doch ohne Zutaten kam man nicht weit. Er hoffte, dass Inukashi noch immer Aufträge annahm und für ihn einkaufen gehen würde, denn er wollte Shion ungerne alleine lassen. Als er zum Bett rüber sah, musste er lächeln. Hier mit Shion, das fühlte sich richtig an. Vorsichtig legte Nezumi sich zu ihm und rutschte nah an ihn ran, um ihn zusätzlich mit seinem Körper zu wärmen. Er gönnte sich den Moment und schloss die Augen. Shions Atem ging ruhig und langsam, seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Das hier war viel zu lange her, dieses beieinander liegen, der Austausch von Wärme. Damals war es genauso, als es hier kalt geworden war, waren sie immer so aneinander gerückt, um sich zu wärmen. Es hatte keinen von ihnen beiden gestört. Nezumi spürte, wie es in ihm ruhig wurde, die wochenlange Anspannung wich und er ankam, endlich ankam. Das hier fühlte sich wie zu Hause an. Hier gehörte er hin. An seine Seite. Er seufzte leise und schmiegte sich ein wenig mehr an ihn. Noch immer fragte er sich, wie das überhaupt hatte passieren können. Liebe war für ihn nie in Betracht gekommen.     Es dauerte eine ganze Weile, bis Shion wieder zu sich kam. In der Zwischenzeit hatte Nezumi seiner Mutter eine Nachricht zukommen lassen, damit sie sich nicht fragte, wo ihr Sohn sich rumtrieb. Und auch die Stirn des Weißhaarigen hatte er gekühlt, damit das Fieber nicht weiter anstieg. Nun saß er auf dem Rand des Bettes und sah zu, wie Shion langsam wach wurde. „Das Dornröschen erwacht ja endlich.“ Meinte er amüsiert und sah zu, wie Shion ein wenig blinzelte, wohl noch nicht ganz da. „Nezumi..lass mich weiter-NEZUMI?!“ Mit einem Ruck saß Shion kerzengerade im Bett, hellwach und mit weit geöffneten Augen. Bei dieser plötzlichen Hektik des anderen war selbst Nezumi leicht zusammengezuckt. Bevor er sich versah, war Shion ihm um den Hals gefallen, weswegen er das Gleichgewicht verlor und mit ihm zu Boden fiel. „Nezumi! Du bist es wirklich! Du bist zurück, endlich!“ „Hey hey.. ganz ruhig. Du zerdrückst mich.“ Meinte Nezumi und rieb sich den Hinterkopf, den er sich gestoßen hatte. Shion ignorierte seine Aussage gekonnt und klammerte sich weiter an ihn. „Du warst solange weg.. ich bin so froh, dass du zurück bist.. du hast mir so gefehlt!“ Nezumi spürte, wie einige Tropfen auf seinen Hals fielen und legte daraufhin die Arme um ihn. „Ich hab dir doch versprochen, dass ich zurückkomme. Kein Grund zu heulen.“ „Du Idiot! Du bist so ein Idiot!“ Bei diesen Worten musste er grinsen. Ausnahmsweise hatte Shion mal Recht. Behutsam fuhr er durch seine Haare. Der Weißhaarige hatte sich nicht verändert und die Angst, dass dieser ihn nicht mehr brauchte, war völlig unbegründet gewesen.     Er war so überglücklich. Nezumi war zurück, endlich war er zurück. Und es war kein Traum. Er konnte seine Wärme spüren und seinen Geruch wahrnehmen. Er konnte ihn richtig berühren. Am liebsten würde er ihn gar nicht mehr loslassen. Er drückte sein Gesicht in Nezumis Halsbeuge, mittlerweile weinte er vor Freude und Erleichterung. Natürlich musste Nezumi sich darüber lustig machen, aber das war ihm egal. Auch seine blöden Scherze hatte er vermisst. „Erklär mir lieber, was das sollte.“ „Was was sollte?“ „Warum du völlig durchnässt blöd in der Gegend rumstehst und dann einfach umkippst. Wenn du krank bist, dann bleib gefälligst zu Hause im Bett anstatt in der Gegend rumzulaufen.“ Überrascht löste er sich ein Stück von Nezumi, um ihn ansehen zu können. Einen Moment musterte er ihn, dann blickte er sich um und bemerkte erst jetzt, wo er überhaupt war. „Ich.. bin umgekippt?“ Nezumi seufzte und setzte sich gänzlich auf, drückt ihn von sich. „Ja, und ich durfte dich schleppen. Du schuldest mir was.“ „Ah.. tut mir leid..“ Etwas verlegen senkte er den Blick. „Es ist nur.. ich wollte..“ Er brach ab. Konnte er Nezumi sagen, dass seine Sehnsucht ihn fast umgebracht hätte? Das er nachts nicht schlafen konnte? Wollte Nezumi so etwas überhaupt hören? „Wo.. wo warst du die ganze Zeit? Was hast du gemacht? Wie geht es dir?“ Bevor er noch weitere Fragen stellen konnte, hatte Nezumi ihm schon die Hand auf den Mund gelegt und brachte ihn so zum Schweigen. „Wir reden später darüber. Du siehst erst mal zu, dass du wieder fit wirst. Du siehst nämlich ganz schön beschissen aus.“ Nezumi stand auf und zog ihn dabei mit auf die Beine, ehe er ihn zurück aufs Bett drückte. „Aber-“ „Nichts aber. Wenn du artig bist, kriegst du auch einen Gute-Nacht-Kuss.“ Über Nezumis Lippen huschte ein Grinsen, während er einen kühlen Lappen auf die Stirn gelegt bekam. „Nezumi..“ Er ergriff ihn am Ärmel. „Geh nicht wieder weg.. bitte.“ „Wer hat denn davon was gesagt?“ Shion presste die Lippen aneinander. Wahrscheinlich verstand Nezumi nicht, wie sehr er ihn vermisst hatte. „Hey, jetzt nicht wieder heulen.“ Nezumi beugte sich zu ihm runter, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen Platz war. „Ich habe deiner Mutter Bescheid gegeben. Schlaf etwas. Ich bin gerade erst angekommen und werde nicht sofort wieder verschwinden.“ Dann küsste Nezumi ihn. Shion spürte, wie eine Welle von Hitze ihn durchflutete. Nezumi.. Er schloss die Augen und erwiderte den Kuss behutsam.   Als Shion das nächste Mal erwachte, roch es nach Suppe. Er hörte Nezumi summen, was ihn zum Lächeln brachte. Er war also noch immer da. Trotz des Gute-Nacht-Kusses war es ihm schwer gefallen einzuschlafen. Er war unruhig, er hatte so viele Fragen, ihm war warm, dann kalt und er hatte Angst vor Albträumen und das Nezumi nicht da wäre, wenn er das nächste Mal aufwachen würde. Irgendwann hatte Nezumi angefangen zu singen und da musste er dann endlich eingeschlafen sein. Er hatte so fest geschlafen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, wie Inukashi ihnen Lebensmittel vorbei gebracht hatte. Shion schlug die Decke beiseite und stand auf. Erst jetzt bemerkte er, dass er Sachen von Nezumi trug und wurde ein wenig rot. Er hat sich gut um mich gekümmert.. dachte er und lächelte. „Was lächelst du so blöd vor dich hin?“ Nezumi stand plötzlich im Türrahmen und riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich lächle nicht blöd. Ich habe mich nur gefreut. Danke für alles Nezumi.“ „Ich hätte dich ja schlecht dort liegen lassen können, oder?“ „Dann danke ich dem Glück, dass du genau heute wieder gekommen bist und dich erbarmt hast.“ Nezumi musste Grinsen. „Komm essen, bevor du noch mehr abmagerst.“ Sagte er und setzte sich an den Tisch, auf dem zwei Teller und etwas Brot standen. Shion folgte ihm und setzte sich dazu. Ihm fiel es schwer, die Augen von ihm zu nehmen; sie hatten sich so lange nicht gesehen und es erschien ihm immer noch ein wenig wie ein Traum. Nezumi hatte sich kaum verändert. Sein Haar war vielleicht zwei drei Zentimeter länger geworden und er hatte einen, ihm unbekannten Zug um die Augen, doch ansonsten war er so geblieben, wie er ihn in Erinnerung hatte. „Shion du starrst. Und du sollst essen.“ „Ah, ja! Tut mir leid!“ Verlegen nahm er seinen Teller in die Hand und begann zu essen. „Du hast dich kaum verändert.. Sag Nezumi, wo warst du? Was hast du all die Zeit gemacht?“ Nezumi sprang auf. „Wie sorgsam barg ich jeden kleinen Tand, Als ich auf Reisen ging, in Kofferwände, Damit ich unberührt von falscher Hand Zu eignem Zweck ihn sicher wiederfände! Und du, dem Tand nur meine Perlen sind, Mein teurer Trost, und nun mein größter Gram auf Erden, Du einzig höchstes Gut, das meine Seele minnt, Kannst jedes schnöden Diebes Beute werden! Dich schließt kein Koffer mir noch Kasten ein, Als der, wo du nicht bist – und doch fühl ich dich drinnen – Hier in der Brust, dem trauten Kämmerlein, Wo du, nach freier Lust, kannst kommen und entrinnen: Und da noch, fürcht' ich, stiehlt man mir mein Lieb; Denn um so teuern Preis wird Treue selbst zum Dieb“   Trug Nezumi theatralisch vor und verbeugte sich, als er geendet hatte. Shion stellte, den mittlerweile halb leeren, Teller auf den Tisch und applaudierte. „Warte, sag nichts! Das war Shakespeare, oder?“ Nezumi lächelte. „Sonette 48, sehr gut.“ „Aber was hat es genau bedeutet?“ Anscheinend ein wenig frustriert, ließ Nezumi sich wieder auf die Couch fallen. „Was es bedeutet. Ich bin gereist, habe viel unnützes Zeug dabei entdeckt und ab und zu habe ich sogar an dich gedacht. Ich habe gehört, No.6 mausert sich allmählich.“ „Nezumi, es ist nicht mehr No.6. Aber.. ich habe auch an dich gedacht, sehr oft sogar.“ Der andere griff wieder nach seinem Teller und begann zu essen. „Nezumi? Wirst du bleiben? Oder gehst du bald wieder weg?“ Lässt du mich wieder alleine? „Ich weiß es noch nicht. Ich wüsste nicht viel, was mich an diesem Ort hier hält. Und jetzt iss auf.“ Bei diesen Worten spürte Shion einen Stich in der Brust. War er nicht Grund genug? Konnte er nicht wegen ihm hier bleiben? Damit sie zusammen sein konnten? „Wieso bist du dann überhaupt zurückgekommen?“ Nezumi sah zu ihm rüber. „Ich halte meine Versprechen.“ Kapitel 3: Sonette 10 - keine Grenzen mehr ------------------------------------------ „Ich halte meine Versprechen.“ Er blickte zu Shion, der aussah, als würde er gleich weinen. Hatte er Shion wirklich so sehr gefehlt? Vielleicht hätte er sich anders ausdrücken sollen. „Außerdem schien es mir, als würdest du mich brauchen. Ich hatte schon immer ein Gespür dafür, wann du in Schwierigkeiten steckst. Und ich lag auch dieses Mal richtig. Wer weiß, wie lange du dort sonst rumgelegen hättest.“ Sagte er etwas einsichtiger. Aber ihm viel es schwer, so ganz offen mit seinen Gefühlen umzugehen. Es war untypisch für ihn, normalerweise sagte er immer sofort was Sache war, aber es war auch untypisch für ihn, sich zu verlieben. Hatte er Shion vermisst? Und wie. War er nur wegen ihm zurückgekommen? Ja. Wollte er bei ihm bleiben? Verdammt ja, er wollte nicht mehr von seiner Seite weichen! Dies Shion einfach so sagen? Plötzliche Hemmschwelle. Dass es kindisch war, Shion so auf Abstand zu halten, das wusste er auch. Hatte er schon erwähnt, dass er ein Idiot war? „Also..“ begann er, als Shion nichts dazu sagte und schob sich ein Stück Brot in den Mund. „Was ist los?“ „Hm? Was meinst du?“ Er warf Shion einen strafenden Blick zu, was den anderen in seinen Teller blicken ließ. Gut, er wusste dank der Ratten grob, wie es Shion ergangen war, er hatte ihn dadurch immer irgendwie im Auge gehabt. Er gestand ein, dass das vielleicht nicht ganz fair war. Shion hatte nicht die Möglichkeit gehabt zu wissen, wie es ihm ging und was er tat. Und es war auch nicht ganz so fair, dies vor Shion zu verschweigen. Aber dann müsste er ja zugeben, wie sehr er all die Zeit an ihm gehangen hatte. Nicht nur Idiot, feiger Idiot. Dennoch wollte er es jetzt aus Shions Mund hören, die genauen Ursachen kennenlernen, wieso es ihm so schlecht ging. „Normalerweise läufst du nicht achtlos mit Fieber im Regen durch die Gegend. Außerdem siehst du ziemlich beschissen aus und du hast ganz schön abgenommen. Das muss ja irgendwo her kommen. Also, was ist los? Was macht dich so fertig?“ Shion presste kurz die Lippen aneinander. „Dein Gespür scheint wirklich gut zu sein..“ begann der Weißhaarige dann langsam, machte eine Pause, sprach dann aber weiter. „Ich.. ich habe oft Albträume. Albträume von der Besserungsanstalt. Von all den Leichen dort, wie sie mich mit in die Hölle ziehen wollen. Oder wie Safu stirbt.. oder du. Fast jede Nacht stirbst du in meinen Armen. Das ist so schrecklich.. Und dann wach ich auf und du bist nicht da und ich weiß nicht, was dann Traum oder Wirklichkeit war.. träume ich deinen Tod oder träume ich, dass du lebst und nur fortgegangen bist? Aber am Ende bleibt es das gleiche, du bist nicht da und ich bin alleine..“ Mittlerweile hatte Shion die Knie ran gezogen und starrte mit feuchten Augen auf den Boden. Nezumi spürte eine ungewohnte Schwere in seiner Brust und es fiel ihm nicht leicht, Shion so zu sehen. Shion sollte lachen, und glücklich sein. Er stellte seinen Teller weg und zog Shion behutsam in seine Arme. Dieser lehnte sich an ihn und schluchzte leise. „Ich bleibe, hörst du? Es ist schon okay. Jetzt wird alles gut.. ich bin hier.“ Flüsterte er ihm ins Ohr. „Nezumi.. ich.. ich hab dich so vermisst..!“ Shion krallte sich an ihn, was ihn dazu bewegte, ihn fester in seine Arme zu schließen. „Du hast mir auch gefehlt.. Shion..“   Es dauerte eine Weile, bis Shion sich wieder beruhigt hatte. Jetzt wo er wusste, wie sehr Shion ihn vermisst hatte und wovon er träumte, war er umso erleichterter, dass er zurückgekommen war. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Langsam löste sich Shion aus seiner Umarmung. „Und jetzt wird nicht mehr geheult, okay? Sonst bin ich gleich klitschnass.“ Über diese Worte musste Shion lachen. Ihm wurde warm in der Brust. „Ich dachte eigentlich, du würdest mich deswegen auslachen.“ „Ach, ich habe heute einen guten Tag, Glück gehabt.“ Er streckte sich und spürte die Erschöpfung der Reise und der Schlepperei Shions nun deutlich. „Es ist spät, wir sollten langsam ins Bett.“ Meinte er deswegen und sah zu Shion rüber, der sich die letzten Tränen weg wischte. „He, oder teilt sich mein König nicht mehr das Bett mit mir?“ Er grinste und erhob sich, ehe er Shion die Hand reichte. „Mach dich nicht lächerlich Nezumi. Als ob mich das jemals gestört hätte.“ Shion ergriff seine Hand und er zog ihn von der Couch. Lächelnd lehnte dieser sich gegen ihn. „Tanzen wir morgen?“ Nezumi hob überrascht eine Braue. „Du willst tanzen?“ „Ja, aber erst morgen. Heute bin ich zu müde.“ Er musste lachen. „Kannst du es denn noch?“ „Vielleicht habe ich geübt?“ „Hast du nicht.“ Shion lächelte. „Stimmt, aber du hast es mir schon einmal beigebracht.“     Als Nezumi aus dem Bad kam, schlief Shion schon. Er legte ihm die Hand auf die Stirn und stellte erleichtert fest, dass sein Fieber fast gänzlich verschwunden war. Schlaf blieb nun mal die beste Medizin. Vorsichtig legte er sich zu ihm und strich Shion einige Strähnen aus dem Gesicht. Noch schlief dieser ganz friedlich. Aber selbst wenn er schlecht träumen würde, dieses Mal würde er nicht alleine sein, wenn er daraus erwachte. Nezumi seufzte wohlig, er fühlte sich gut mit Shion neben sich und schloss die Augen. Er war froh, dass er so erschöpft war, denn momentan wollte er nicht darüber nachdenken, wie es weiter gehen sollte. In diesem Moment war er einfach da, bei Shion und mit diesem Gedanken schlief er ein. Erst Shions unruhiges Hin und Her wälzen holte ihn aus dem Schlaf, wo er sich gleich einen Schlag ins Gesicht einfing. Er rieb sich die Nase und setzte sich auf. „Shion! Hey!“ Er schüttelte den Kleineren, bis dieser die Augen öffnete. „Hn.. Nezumi..?“ fragte dieser und sah sich kurz um, ehe er sich wieder mehr in die Kissen sinken ließ. „Es ist nichts, du hast nur um dich geschlagen und ich wollte verhindern, dass du mir die Nase brichst.“ Müde sah Shion zu ihm. „Tut mir leid..“ „Ist schon gut..“ Nezumi ließ sich ebenfalls wieder zurück in die Kissen sinken und rutschte ein Stück näher an ihn. „Ist schon gut..“ Erneut murmelte Shion seinen Namen, während dieser seinen Arm um seine Hüfte legte und die Stirn gegen seine Brust lehnte. Nezumi betrachtete Shion einen Moment, der seine Augen wieder geschlossen hatte. Einmal fuhr er ihm tröstend über die Haare, dann ließ er seinen Arm um Shion ruhen. Mehr konnte er nicht für ihn tun. Gegen Albträume war auch er machtlos.     Shion lächelte. Nezumi schlief noch und er genoss es zu spüren, wie seine Brust sich hob und wieder senkte, sein Herz ruhig und gleichmäßig schlug. Gerade fühlte er sich unglaublich wohl und er war endlich wieder voller Energie. Die letzten Tage war er immer so kaputt gewesen, doch jetzt war es das Gegenteil. Er war ausgeschlafen und was noch viel entscheidender war, er wachte nicht mehr alleine auf. Sein Herz hatte einen Sprung gemacht, als er seine Augen geöffnet und als erstes Nezumi erblickt hatte. Er lauschte dem Herzschlag und fragte sich, ob er Nezumi mit einem Guten-Morgen-Kuss wecken sollte. Stören würde es ihn bestimmt nicht. Dennoch entschloss er sich, ihn lieber mit einem Frühstück zu überraschen. So behutsam wie er konnte stand er auf, um Nezumi nicht zu wecken und schlich zuerst ins Badezimmer, um sich eine ausgiebige Dusche zu gönnen. Nachdem er erneut in Kleidung von Nezumi geschlüpft war, zum Glück unterschieden sich ihre Größen kaum, widmete er sich dem Frühstück. Bevor er jedoch damit fertig war, stand Nezumi plötzlich hinter ihm und sah ihm über die Schulter. „Scheint, als wärst du wieder fit.“ Shion lächelte und drehte sich zu ihm um. „Ja, scheint so. Du bist ein wenig zu früh aufgestanden. Ich wollte dich eigentlich überraschen.“ Nezumi grinste kurz. „Da musst du noch früher aufstehen. Aber ich tu einfach so, als hätte ich nichts gesehen.“ Mit diesen Worten ließ er sich auf einen der Stühle fallen. Shion lachte leise und widmete sich erneut dem Frühstück. Er konnte Nezumis Blick spüren, wie er jeder seiner Bewegungen beobachtete. Ab und zu sah er rüber und ihre Blicke trafen sich kurz, doch Nezumi sagte nichts zu ihm und auch als er das Frühstück auf den Tisch stellte und sie zu essen begannen, blieb er schweigsam. Was Nezumi wohl durch den Kopf geht? Er schien in Gedanken zu sein, denn normalerweise liefen ihre Speisen nicht so schweigsam ab. Und gerade nach so langer Zeit müssten sie sich doch so viel zu erzählen haben. Nezumi hatte bestimmt unglaublich viel gesehen und erlebt, aber aus irgendeinem Grund schien er seine Reise lieber für sich behalten zu wollen. Ob ihm unterwegs etwas Schlimmes zugestoßen war? War er vielleicht deswegen zurückgekehrt? War es das, was irgendwie anders an ihm war? Shion überlegte, wie er am besten fragen sollte; er wollte Nezumi damit nicht zu nahe treten, doch er sollte wissen, dass er für ihn da war und dass er mit ihm reden konnte, egal worüber. Gerade als er sich seine Worte zurechtgelegt hatte und er den Mund öffnete, sprach Nezumi ihn an. „Und? Wie hast du dir das vorgestellt?“ Fragend blickte er Nezumi an. „Was meinst du?“ „Na was wohl?“ Aus irgendeinem Grund schien Nezumi gereizt. „Wie du dir das alles hier vorgestellt hast! Wie lange willst du bitte schön bleiben?“ „Nezumi..was..?“ Shion war überfordert mit dieser Heftigkeit, in der Nezumi ihm die Worte an den Kopf warf. „Das ist doch nicht so schwer zu kapieren! WANN-GEHST-DU? Zurück in dein geliebtes No.6!“ Seine Gedanken überschlugen sich, während er Nezumi fassungslos anstarrte. Was hatte er? Wollte er ihn loswerden? Hatte er ihm irgendetwas getan? Doch auch wenn Nezumis Worte harsch waren, wirkte es für ihn mehr, als wäre er verletzt. Hatte er ihm auf irgendeine Art und Weise wehgetan? Als Nezumi noch immer keine Antwort bekam, stand dieser auf und verließ den Raum. „Ne-Nezumi!“ Shion sah ihm nach, dann senkte er den Blick zu Boden und drückte beide Hände gegen die Brust; sein Herz war ihm so schwer geworden. „Nezumi.. was bedrückt dich denn so..?“   Shion deckte erst den Tisch ab, bevor er sich auf die Suche nach Nezumi machte. Vielleicht hatte dieser sich nach ein paar Minuten allein sein wieder etwas beruhigt, sodass sie nun in Ruhe reden konnten. Er fand Nezumi draußen, nicht unweit entfernt vom Eingang. Sein Blick ging Richtung Stadt, von hier konnte man die Überreste der Mauer sehen. „Nezumi, was ist los?“ Der andere sah ihn nicht an. „Ich will nur wissen wo ich stehe. Das ist alles. Du wirst dich entscheiden müssen, wenn es stimmt, dass du mich so sehr vermisst hast. Ich werde nicht in diese verdammte Stadt gehen, ich werde dir dorthin nicht folgen. No.6 oder ich, es ist deine Wahl.“ Shion betrachtete den Rücken, der bis jetzt so viel getragen hatte. Viel zu viel alleine getragen hatte. Dennoch hatte Shion gehofft, dass Nezumi mittlerweile begriffen hatte, dass es nicht nur schwarz oder weiß gab, dass es auch eine dritte, vielleicht sogar vierte Möglichkeit gab. Wann würde Nezumi das endlich begreifen? „O Schmach, daß du nicht liebst, gesteh es ein, Der du an dir nicht einmal Mitleid übst Dir mögen viele ihre Liebe weihn, Doch sonnenklar ist, daß du keinen liebst. Denn mörderische Feindschaft seh' ich walten In deiner Brust, die gegen dich sich kehrt, Das schöne Haus bedroht, das zu erhalten Wohl wäre deiner höchsten Wünsche wert. Oh, ändre dich, so ändr' ich meinen Sinn! Soll Haß denn besser als die Liebe wohnen? Wie hold dein Aussehn ist, so gib dich hin, Sei gnädig, um dich wenigstens zu schonen Dir schaff' ein andres Selbst zuliebe mir, Daß Schönheit dauernd lebt in ihm und dir.“ Als er Shakespeare zitierte, drehte Nezumi sich langsam um. „Sonette 10“ „Ja.. als ich diese Zeilen zum ersten Mal gelesen hatte, musste ich sofort an dich denken. Wie sehr dein Hass auf No.6 dein Leben beeinflusst hat, wie sehr dieses Leben dich dazu gebracht hat, dich zu verschließen. Und ich kann es verstehen. Nezumi, ich kann es verstehen.“ Er blickte ihm in die Augen. „Du hast allen Grund dazu, No.6 zu hassen. Aber diese Stadt ist nicht mehr No.6. Wir haben No.6 zu Fall gebracht.“ „Ich sehe die Mauern immer noch. So schnell ändern sich Menschen nicht.“ Shion sah ihn traurig an. „Aber wir arbeiten daran. Ich arbeite daran, dass dies eine Stadt wird, die du ertragen kannst.“ Er überbrückte die letzten Meter, die sie noch voneinander getrennt hatten und griff nach seiner Hand. „Ich wünsche mir so sehr, dass du den Hass loslassen kannst, bevor er dich ganz zerfrisst. Und das du lernst, mir zu vertrauen. Ich möchte eine Zukunft mit dir, Nezumi. Ich möchte an deiner Seite sein, dir den Rücken freihalten und dir die Welt zeigen, wie sie ohne Hass ist. Weißt du.. durch Liebe sieht sie nämlich anders aus. Hab keine Angst Nezumi.“ „Wovor soll ich bitte Angst haben?“ Shion musste lächeln und tippte gegen Nezumis Brust, dort, wo sein Herz ruhte. Er konnte ihm nichts vormachen. Shion wusste, dass Nezumi Angst davor hatte, sich jemanden ganz zu öffnen, jemandem zu vertrauen und Gefühle zu zulassen. Dies war vielleicht damals richtig gewesen, um hier zu überleben. Aber jetzt musste er nicht mehr kämpfen. Nicht gegen No.6 und auch nicht mehr gegen sich selber.     Nezumi wollte seine Hand wegziehen, doch Shion hielt sie nur umso fester. Natürlich hätte er sich ohne Probleme losreißen können. Wenn er gewollt hätte, konnte er Shion mit einem Schlag zu Boden bringen. Aber das war es nicht, was er wollte. Er wollte Shion nicht verletzen und er wollte ihn nicht von sich stoßen, ganz im Gegenteil. Er wollte für Shion ein Grund sein zu bleiben. Deswegen war er froh, dass Shion seine Hand umso fester hielt. Hätte er los gelassen, hätte er keines seiner Worte geglaubt. Aber so, so musste er sich geschlagen geben. Shion hatte recht mit dem, was er gesagt hatte. Aller Mühen zum Trotz hatte dieser ihn durchschaut. Er hatte Angst. Angst, angreifbar und verletzlich zu sein, sollte er sich öffnen. Angst, ein neues friedliches Leben zuzulassen, war es doch so viel einfacher etwas zu hassen und einen Sinn im Kampf zu finden. Sein ganzes Leben lang hatte er gekämpft, aber jetzt war nichts mehr da, wogegen er kämpfen konnte. Außer gegen sich selbst, gegen seine Gefühle, doch diesen Kampf schien er dank Shion zu verlieren. Ihm war es bewusst geworden, als er heute aufgewacht und allein im Bett war. Der Gedanke, dass er bald wieder ohne Shion an seiner Seite aufwachen würde, weil dieser zurück in die Stadt gekehrt war, hatte ihn regelrecht krank gemacht. Er wollte ihn nicht missen, nicht mehr. Nezumi wusste, dass es ihm jetzt nicht mehr möglich wäre, einfach zu gehen. Jetzt, wo er wieder mit Shion zusammen war, es wieder erlebte, ihn an seiner Seite zu haben, sein Lachen zu sehen, seine Stimme zu hören, war der Gedanke an Trennung beinahe unerträglich. Und er wusste nicht mehr, wie er sein Herz davor schützen sollte.   Er blickte erneut Richtung Stadt, noch immer nicht wissend, wie Shion sich die „Zukunft“ vorstellte, von der er sprach. Gab es denn wirklich eine Zukunft für sie? Sah die Welt in Liebe wirklich anders aus? Was hatte er zu verlieren? Alles und Nichts. „Denn steinerne Grenzen können Liebe nicht fernhalten, und was Liebe kann, das wagt Liebe zu versuchen.“ Erklang zum zweiten Mal Romeo aus seinem Mund, erneut, um sich Mut zu machen. Sollten diese alten Mauern wirklich seine Zukunft mit Shion verhindern? Und hatten es Romeo und Julia nicht bewiesen, dass es trotz aller Unterschiede, trotz Mauern einen Weg gab und sei es der gemeinsame Tod? Am Ende hatte die Liebe den Hass bezwungen. „Meine Freizügigkeit ist so grenzenlos wie das Meer, meine Liebe so tief. Je mehr ich dir gebe, desto mehr habe ich, denn beide sind unendlich.“ Erneut überraschte Shion ihn, als dieser Julias Part auf Romeos Text zitieren konnte. Shion lächelte ihn sanft an und zog ihn mehr zu sich. „Nezumi, keine Abschiedsküsse mehr. Und keine Küsse, die ein Wiedersehen versprechen. Küss mich richtig, so, wie Romeo Julia küssen würde.“ Nezumi musste ein wenig Grinsen. Eins musste er ihm wirklich lassen, so mutig wie Shion war er selbst bis jetzt nicht gewesen. Shion war stärker geworden, so viel stärker als damals. Er musste sich ranhalten, damit Shion ihn nicht überholen würde. Als er Shion in die Augen blickte wurde ihm klar, dass das ein Abenteuer war, auf das er sich einlassen wollte und so ergriff er ihn sanft am Kinn und küsste ihn, wie es nur Verliebte taten. Kapitel 4: Ganz offiziell ------------------------- Shions Körper durchzuckte es wie ein Blitz, als er Nezumis Lippen spürte, die sich verlangend auf seine pressten, seine Zunge, die den Weg in seine Mundhöhle fand und seine eigene Zunge umspielte. Sein Herz schlug wild und alles um ihn herum verschwand. Da war nur noch Nezumi, der die Hand in seinen Nacken gelegt hatte, die andere um seine Hüfte und ihn so an sich drückte. Er spürte den warmen Körper nur zu deutlich, er klammerte sich an diesen, weil er sich nicht sicher war, ob seine Beine ihn noch lange halten würden. Dieser leidenschaftliche Kuss raubte ihm regelrecht den Verstand. So hatte er Nezumi noch nie erlebt und auch die Reaktionen seines Körpers waren ihm fremd, hatte er vor Nezumi doch nie wirklich irgendein sexuelles Interesse gezeigt. Aber jetzt war ihm heiß, die Stellen, die Nezumi berührte, brannten regelrecht und wie sein Herz schlug, war einfach nicht mehr normal. Er versuchte, das Spiel von Nezumis Zunge so gut er konnte zu erwidern, aber er konnte nicht leugnen, dass er ein wenig überfordert war mit Nezumis Leidenschaft und seinem eigenen Körper. So fühlte es sich also an, wenn man jemand küsste, den man liebte. Langsam löste Nezumi den Kuss und während er wie betäubt dastand, mit roten Wangen, grinste der andere breit. „In solchen Dingen bist du noch genauso unschuldig wie damals.“ „I-Ich.. ich hab halt auf dich gewartet.. Idiot..“ meinte er verlegen, natürlich hatte Nezumi seine Unerfahrenheit bemerkt. Dieser grinste noch immer. „Kein Problem, Übung macht den Meister.“ Nezumi strich ihm mit seinem Daumen über die Unterlippe, während er ihm einen tiefen Blick zuwarf, der verdammt anzüglich war. Seine Knie gaben daraufhin doch nach und knickten ein, sodass er hochrot nun auf dem Boden saß. Nezumi lachte los, was die Sache für ihn noch ein wenig peinlicher machte. Shion war sich sicher, dass Nezumi genau wusste, was für eine Wirkung er auf andere hatte, wenn er so schaute. Nachdem Nezumi aufgehört hatte zu lachen, ging dieser vor ihm in die Hocke, das Grinsen war verschwunden, dafür lächelte er nun. Er streckte seine Hand aus und berührte ihn behutsam an der Wange. Nezumis Hand war warm. „Immer musst du mich ärgern.“ „Ich weiß, tut mir leid.“ Diese Worte ließen ihn lächeln, auch wenn sie ihn ein wenig überraschten. Nezumi entschuldigte sich selten. „Der werte König sollte nicht auf dem Boden rumsitzen.“ Mit diesen Worten hob Nezumi ihn plötzlich hoch und dieses Mal war es an ihm, zu lachen. „Das war alles nur Absicht, damit du mich jetzt trägst.“ Scherzte er und legte die Arme um seinen Hals. „Wusst ichs doch.“ Nezumi grinste wieder und brachte ihn daraufhin ins Innere. Behutsam wurde er abgesetzt; seine Beine streikten nicht mehr und hielten wieder sein Gewicht. „Danke, mein edler Ritter.“ Meinte er lächelnd und gab Nezumi einen Kuss auf die Wange. Verlegen kratzte sich Nezumi am Hinterkopf und sah etwas zur Seite. Shion lachte leise, anscheinend hatte auch er eine gewisse Wirkung bei Nezumi. „Um übrigens wieder auf dein Problem zurückzukommen..“ Nezumi sah wieder zu ihm und hob fragend eine Augenbraue. „Mein Problem?“ Shion lächelte und legte erneut die Arme um Nezumis Hals. „Weißt du, ganz normale Menschen machen das so. Sie suchen sich ein schönes zu Hause mit den Menschen die sie lieben und dann machen die das ganz geschickt. Die gehen dann einfach von da aus zu ihrer Arbeit. Sie müssen sich nicht zwischen zu Hause oder Arbeit entscheiden, das ist die dritte Möglichkeit Nezumi. Ich kann doch hier bleiben. Hier bei dir. Genau hier, außerhalb der Stadt. Und dann werde ich, nachdem wir zusammen gefrühstückt haben ganz einfach von hier aufbrechen, in die Stadt, um dort zu arbeiten. Und wenn ich fertig bin, dann komme ich zurück. Zurück zu dir. Immer und immer wieder. Jeden Tag.“ Nezumi sah ihn einige Momente schweigsam an und er war sich nicht sicher, was ihm genau durch den Kopf ging. Immerhin war das Thema Stadt ein empfindliches Thema bei Nezumi, aber er wollte ihm zeigen, dass gar keine Entscheidung notwendig war. Und dass er bleiben würde, bei ihm, solange er wollte, ohne dass er der Stadt dabei vollends den Rücken zukehren musste. „So einfach?“ fragte Nezumi und legte die Arme um seine Hüfte. „Ja, so einfach.“ Er lächelte etwas mehr. „Du hast mir doch mal gesagt, dass ich meine Ziele verfolgen soll. Und das werde ich tun. Ich werde eine Stadt erschaffen, die du ertragen kannst, aber dafür werde ich dich nicht aufgeben. Niemals.“ Nezumi seufzte leise und sah ein wenig zur Seite, er konnte ihm ansehen, dass ihm die ganze Sache unangenehm war. „Ist schon gut Nezumi.. Lass dir Zeit. Du musst nicht in die Stadt kommen, wenn du nicht willst. Ich erwarte nicht, dass du die Stadt von jetzt auf gleich zu mögen beginnst. Ich will nur.. geh einfach nicht wieder weg. Ich weiß nicht genau, was man hier außerhalb der Stadt machen kann, aber hier gibt es bestimmt auch eine Schauspielgruppe.. ich weiß nicht, aber es gibt hier sicher etwas, was dich erfüllen wird. Hab keine Angst, es wird funktionieren. Gemeinsam haben wir doch bis jetzt alles hinbekommen.“ „Ist ja gut, ist ja gut. Es reicht ja. Genug davon, okay? Was ich mache ist immer noch meine Sache. Aber ich habe nicht vor zu gehen. Hab ich dir das nicht schon mal gesagt? Gestern vielleicht?“ Shion betrachtete Nezumi. Dieser tat es schon wieder. Sobald es um seine Gefühle ging, winkte er alles ab oder wechselte das Thema, irgendetwas fand Nezumi immer, um nicht weiter darauf einzugehen. Nun war es an Shion zu seufzen, aber er wollte nicht zu viel verlangen. Heute hatte Nezumi schon mehr Gefühl gezeigt, als er es früher getan hatte. Er würde ihm nach und nach zeigen, dass er sich auf ihn verlassen konnte, dass er mit ihm über alles reden konnte und dass er es ernst nehmen würde. Er war nicht mehr allein und bald würde Nezumi das begreifen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. Bald würde Nezumi es ganz sicher begreifen.     Nezumi war dieses Gespräch unangenehm. War er wirklich so beschränkt gewesen? Er war nicht mal ansatzweise auf die Idee gekommen, dass Shion auch pendeln könnte. So weit war es von hier nicht zur Stadt. Aber ihm war es nicht in den Sinn gekommen. Normalerweise ging er all Optionen durch, doch hier war diese dritte Möglichkeit einfach untergegangen und stattdessen hatte er Shion angeblafft und ein riesen Theater veranstaltet. So langsam spürte er selber, wie sein Hass auf No.6, welches es eigentlich gar nicht mehr gab, seine Sicht vernebelte. War es das, was Shion die ganze Zeit versucht hatte ihm zu sagen? Sein Magen zog sich ein wenig zusammen. Es war nicht schön sich einzugestehen, dass man vor Hass teils blind gewesen war. Wahrscheinlich hätte er gar nicht gehen müssen. Es hätte so einfach sein können. Shion, bleib in der Stadt, ich lebe weiterhin außerhalb, aber wir können uns dennoch jeden Tag sehen. Es sind nur ein paar Kilometer die uns trennen. Und keine Mauer mehr. Ja, so einfach hätte es wahrscheinlich sein können. Aber er war einfach zu beschränkt, zu feige gewesen. „Ist schon gut Nezumi.. Lass dir Zeit. Du musst nicht in die Stadt kommen, wenn du nicht willst. Ich erwarte nicht, dass du die Stadt von jetzt auf gleich zu mögen beginnst. Ich will nur.. geh einfach nicht wieder weg. Ich weiß nicht genau, was man hier außerhalb der Stadt machen kann, aber hier gibt es bestimmt auch eine Schauspielgruppe.. ich weiß nicht, aber es gibt hier sicher etwas, was dich erfüllen wird. Hab keine Angst, es wird funktionieren. Gemeinsam haben wir doch bis jetzt alles hinbekommen.“ Es war erschreckend, dass Shion so viel begriff. Dass dieser verstand, was in ihm vorging, dass Shion überhaupt wusste (anscheinend besser als er selber), was in ihm vorhing. War er so ein offenes Buch geworden? „Ist ja gut, ist ja gut. Es reicht ja. Genug davon, okay? Was ich mache ist immer noch meine Sache. Aber ich habe nicht vor zu gehen. Hab ich dir das nicht schon mal gesagt? Gestern vielleicht?“ Statt einer Antwort bekam er einen liebevollen Kuss. Nun, damit konnte er sehr gut leben. Shions Lippen waren weich und ihm gefiel diese leicht schüchterne, aber liebevolle Art, die Shion beim Küssen an den Tag legte. Er war so süß unschuldig. So rein. Nezumi war froh, dass Shion auf ihn gewartet hatte. Als sie den Kuss lösten, lehnte er seine Stirn an Shions und ließ die Augen geschlossen. Er wollte ihn noch einen Moment bei sich wissen. „Nezumi weißt du, ich will, dass du glücklich bist.“ Sagte Shion leise und er konnte seine Finger spüren, wie sie seinen Nacken entlang strichen. „Habe ich je gesagt, dass ich unglücklich bin?“ „Nein, du hast aber auch noch nie gesagt, dass du glücklich bist.“ „Ist das denn so wichtig? Muss ich alles aussprechen, was ich fühle?“ „Nezumi..!“ Shions Ton war scharf und er löste sich von ihm. Er stemmte die Hände in die Hüften und schien irgendwie sauer zu sein. Nezumi hob eine Augenbraue. „Du tust gerade so, als wäre es was schlimmes, über seine Gefühle zu reden. Ich möchte wissen, was du fühlst. Egal was es ist. Wenn du sauer oder genervt bist, zeigst du mir das nur zu deutlich. Aber alles andere lässt du untergehen. Ich gehöre jetzt aber ganz offiziell zu deinem Leben und damit will ich auch ein Teil deiner Gefühle sein! Und du wirst schon sehen, ich werde es schaffen, dass du sagst, dass du glücklich bist!“ Shion schnaubte ein wenig, als er seine Standpauke beendet hatte. Nezumi erlebte diese Art von Gefühlsausbruch das erste Mal bei Shion; er fand es irgendwie gruselig, doch auf der anderen Seite brachte es ihn auch zum Lachen. Shion machte sich über so vieles Gedanken und es war süß, wie er darauf bestand, dass sie jetzt „ganz offiziell“ zusammen waren. Er grinste bei Shions mürrischen Gesichtsausdruck (dieser fand das wohl nicht so lustig wie er) und wuschelte ihm durch die Haare. „Na dann viel Spaß dabei.“ Vielleicht würde es ihm irgendwann wirklich leichter fallen, über seine Gefühle mit Shion zu reden. Immerhin hatte Shion ihn schon verändert, bei ihm schien alles möglich zu sein.   Mittlerweile war ein weiterer Tag vergangen, Shion war den gestrigen Tag und die Nacht über noch geblieben, wollte heute aber zurück, um nach seiner Mutter zu sehen und einige Sachen zu holen. Gerade hatten sie gefrühstückt und nun saß Shion zwischen seinen Beinen an ihn gelehnt. Seit gestern herrschte eine noch größere Vertrautheit zwischen ihnen und es gab nur wenige Momente, wo sie sich nicht berührten. Eine Hand hielt irgendwie immer die des anderen, oder sie saßen eng beisammen auf der Couch, standen beim Kochen dicht beieinander und Nezumi konnte nicht leugnen, dass ihn jedes Mal eine Welle der Freude durchflutete, wenn sich ihre Hände auch nur streiften. Er war zu einem schwer verliebten Idioten mutiert. Er schloss die Augen und atmete Shions Duft ein, genoss den Moment noch, bevor sie losgehen würden. „Also ist das wirklich okay? Ich wollte mich gestern nicht aufdrängen oder so. Ich kann auch einfach immer nach der Arbeit vorbeikommen und dann wieder gehen. Das ist kein Problem.“ Nezumi seufzte leise bei diesen Worten und drückte ihn dann etwas mehr an sich. „Ich sehe da kein Problem. Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht schon eine ganze Weile zusammen gewohnt. Mich stört es nicht. Falls du denkst, dass ich dann nicht genug Zeit habe für mich selbst; du bist ja eh arbeiten. Da werde ich meine Ruhe vor dir haben. Wenn es aber dir nicht passt, dann sag es frei heraus, das erspart uns eine Menge Ärger.“ Shion drehte sich so abrupt zu ihm um, dass er beinahe zusammen gezuckt wäre. „Nein! Ich möchte hier wohnen! Auf jeden Fall! Hier fühle ich mich mehr zu Hause als drüben bei meiner Mutter. Versteh mich nicht falsch, okay?“ Er lächelte leicht. „Das ist es, was ich gewollt habe, seitdem du fortgegangen bist.“ „Dann ist die Sache ja durch. Ich hoffe, du hast nicht zu viel Gepäck.“ Shion schüttelte leicht den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Das meiste was ich brauche ist eh hier.“ Nezumi lächelte, ergriff Shion sanft am Kinn und küsste ihn einmal. „Lass uns gehen, es wird Zeit.“ Sie standen von der Couch auf, zogen sich ihre Jacken über (Nezumi lieh Shion eine von seinen) und machten sich auf den Weg. Shion griff nach seiner Hand, was ihn kurz lächeln ließ und er sah zu ihm rüber, während sie sich der Stadt näherten. „Wirst du es eigentlich deiner Mutter sagen? Dass du ihr keine Enkelkinder schenken wirst?“ Der Weißhaarige blickte zu ihm auf und nickte. „Ich hatte nicht vor, dich zu verheimlichen, aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie sie reagieren wird. Aber was ist mir dir? Ist es okay für dich mit in die Stadt zu kommen? Ich kann meine Sachen auch alleine holen.“ „He.. das letzte Mal als du alleine unterwegs warst, hättest du beinahe den Boden geknutscht. Und hinterher hast du doch mehr Sachen als du mir weismachen willst und dann kommst du den Hügel nicht hinauf. Da komme ich lieber mit. Mich wird ein kleiner Besuch in der Stadt nicht umbringen. Außerdem will ich ein Stück von diesem Kirschkuchen, den deine Mutter immer backt.“ Shion schien mit dieser Antwort zufrieden, denn er lächelte. „Kirschkuchen klingt gut.“ Aber es stimmte, es würde ihn wirklich nicht umbringen, in die Stadt zu gehen, um seinem Geliebten beim Packen und Tragen zu helfen. Auf einer Seite war er auch gespannt zu sehen, wie das ehemalige No.6 sich entwickelt hatte. Er wollte dort nur nicht dauerhaft bleiben, dort nicht leben oder regelmäßig seine Zeit verbringen.   Das ehemalige No.6 sah jetzt schon anders aus, als Nezumi es in Erinnerung hatte. Das, was bei der Revolution zerstört worden war, war wieder aufgebaut worden. Shion ging einen kleinen Umweg, um ihm etwas von der Stadt zu zeigen. Er hatte ganz vorsichtig gefragt, ob dies für ihn okay wäre und er hatte zugestimmt, denn er wollte Shions Arbeit mit eigenen Augen sehen. Er zeigte ihm einen Friedhof, der neu angelegt worden war, um die Opfer des Kampfes zu begraben. Auch Safu hatte dort ein Grab, wo sie einige Minuten inne hielten und Shion betroffen zu Boden starrte. Er hatte seine Hand gedrückt und dann ein Lied gesungen, was Shion wieder etwas aufgemuntert hatte, dann waren sie weiter gezogen. Was Nezumi am meisten auffiel war, dass diese starken Abgrenzungen von Arm und Reich größtenteils verschwunden waren. Shion erklärte ihm, dass es dies hier nicht mehr gab. Keine Einstufungen mehr von Arm und Reich, jeder konnte werden, was er wollte, ohne einen extra Status dafür besitzen zu müssen. So wurde man nicht mehr in ein Schicksal hinein geboren, sondern hatte es selbst in der Hand, was man aus seinem Leben machen wollte. Viele der einst großen Villen waren zu öffentlichen Gebäuden umgebaut worden. Sei es zu Kindergärten oder Schulen, Arztpraxen oder Verwaltungsgebäuden. Shion zeigte ihm das Gebäude, in welchem er arbeitete und wo sie gerade dabei waren ein neues Prinzip zu entwickeln, wie man diese Stadt am besten verwalten konnte. Auf jeden Fall sollten die Bürger mit entscheiden dürfen, wie diese Stadt geführt werden sollte. Und jeder sollte die Möglichkeit haben, mitwirken zu können. Nezumi schaute Shion an, der sie nun endlich zu seiner Mutter führte, und musste lächeln. Er hatte viel geschafft und sich von seinen Zielen nicht abbringen lassen. „Das hast du gut gemacht.“ Überrascht schaute Shion zu ihm auf, dann lächelte er glücklich. „Es gibt noch viel zu tun. Aber wir werden es schaffen. Die Chance, die du uns gebracht hast, werden wir nicht aufs Spiel setzen. Wir werden nicht zulassen, dass es wie früher wird. Das kann ich dir versprechen.“ „So große Dinge solltest du nicht versprechen.“ „Vielleicht.. aber ich weiß genau, dass ich alles dafür tun würde, dass es kein neues No.6 gibt.“ Nezumi nickte daraufhin nur, was sollte er auch sagen? Shion war fest davon überzeugt und hatte Vertrauen in die Menschheit gefasst. Er hatte dies jedoch nicht getan. Er hatte nur Vertrauen in Shion und das musste erst einmal reichen.   Sie erreichten die Bäckerei von Shions Mutter. Nachdem sie eingetreten waren, wurden sie beide von Karen herzlich mit einer Umarmung begrüßt. „Shion, schön, dass du wieder da bist! Ich habe mir unglaubliche Sorgen gemacht, als du plötzlich nicht mehr in deinem Zimmer warst! Aber dir geht es besser wie ich sehe, ein Glück.“ Sie ließ sie beide los, drückte Shion einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich ihm zu wandte. „Und Nezumi.. ist das lange her. Du siehst gut aus. Ich freue mich, dass du wieder hier bist. Shion hat dich unglaublich vermisst. Er hat richtig Trübsal geblasen.“ „Ma!“ Nezumi lachte leise, ehe er Shion ansah. „Ich weiß. Aber er ist ja trotzdem gut klar kommen.“ „Er ist ja auch mein Sohn.“ Sagte Karen stolz, die anscheinend noch nicht bemerkt hatte, dass sie sich an den Händen hielten. „Kommt, setzt euch. Ich habe gerade frischen Kuchen gebacken.“ Sie folgten ihr in die Küche und setzten sich dort an den Tisch. Schon begann Karen Kaffee aufzusetzen und den Tisch zu decken, dabei summte sie vergnügt vor sich hin. Nezumi und Shion warfen sich beide einen Blick zu. Sie mussten ihr sagen, dass sie beide zusammen waren und Shion zu ihm ziehen würde. Selbst wenn ihre Beziehung Karen nicht störte, wäre sie sicher nicht so über den Auszug ihres Sohnes begeistert. Aber es half ja nichts und Nezumi war schon immer der Meinung, dass es besser war sofort zu wissen wo man stand und was Sache war. Nezumi nahm sich ein Stück Kirschkuchen, während Karen den Kaffee auf den Tisch stellte und sich dann zu ihnen setzte. „Ganz so viel Zeit habe ich nicht, ich muss den Laden gleich wieder aufmachen. Aber ein paar Minuten habe ich.“ Sie lächelte und nahm einen Schluck Kaffee. „Dann machen wir es am besten kurz, nicht wahr Shion?“ Shion wirkte ein wenig nervös, nickte aber. „Ja. Uhm.. Mama. Wir sind eigentlich her gekommen, weil ich dir zwei Dinge sagen wollte.“ Karen sah Shion fragend an, während dieser wohl abwog, welche der beiden Nachrichten er zuerst erwähnen sollte. „Also.. jetzt wo Nezumi wieder hier ist, möchte ich gerne bei ihm wohnen.“ „Bei Nezumi? Aber wieso? Von hier hast du es doch viel näher zur Arbeit. Oder ist dir dein Zimmer zu klein?“ Nezumi musste sich ein Lachen verkneifen, er konnte nicht leugnen, dass ihn das ganze amüsierte, vor allem, wie Shion langsam ins Schwitzen geriet. Das war der Vorteil, wenn man alleine war. Man musste vor nichts und niemanden Rechenschaft tragen. Er aß entspannt sein Stück Kuchen, während er Shion aufmunternd zuzwinkerte. Jetzt wurde es ja erst richtig spannend. „Nein, es liegt nicht an meinem Zimmer. Oder gar an dir oder so. Ich bin gerne hier, wirklich Ma. Es ist nur, ich möchte bei Nezumi sein, weißt du? Wir sind mehr als nur Freunde…wir sind-“ Weiter kam Shion nicht, denn seine Mutter verschluckte sich bei dieser Nachricht an ihrem Kaffee und begann zu husten. Mit so einer Nachricht hatte sie wohl nicht gerechnet. Erneut musste er sich das Lachen verkneifen. Er wusste, das war nicht gerade nett und Shion hing an seiner Mutter, aber er brauchte ihren Segen nicht, um mit Shion zusammen zu sein. Sie war eine nette Frau, aber besonders viel bedeutete sie ihm dann auch nicht. „Ah..Mum..alles okay?“ fragte Shion schüchtern und klopfte ihr vorsichtig auf den Rücken. „J-ja.. ja. Ich habe mich nur verschluckt. Ach je.. das sind ja Neuigkeiten. Entschuldige bitte, das kam jetzt etwas plötzlich.“ Sie sah zu ihm rüber, woraufhin er sie freundlich anlächelte. Etwas verlegen wandte sie den Blick ab und rang ein wenig nach Fassung. „Also.. ihr beide seid ein Paar. Habe ich das richtig verstanden?“ Shion nickte und lächelte etwas nervös. „Ja, deswegen möchte ich bei ihm wohnen.“ „Ist das nicht etwas schnell? Also ich weiß ja nicht, das ist doch so plötzlich?“ „Ma.. es ist gut so. Wirklich. Tut mir Leid, dass ich dir all die Zeit nichts von meinen Gefühlen erzählt habe, aber ich will es wirklich so. Ich bin glücklich bei ihm. Und wenn du es willst, komme ich in meiner Mittagspause vorbei oder besuche dich so. Wenn.. wenn du mich aber erst mal eine Weile nicht sehen willst, dann.. dann kann ich das auch verstehen.“ „Wie? Mach dich nicht lächerlich! Du bist noch immer mein Sohn. Und das wirst du auch immer bleiben, egal mit wem du zusammen bist.“ Shions Gesicht erhellte sich. „Danke Ma.“ Lächelnd blickte Shion zu ihm rüber und ergriff seine Hand. Nezumi erwiderte den Druck leicht. „Dann wirst du wohl heute schon deine Sachen packen, hm? Wisst ihr was? Ich werde euch eine Kleinigkeit zum Essen zusammenstellen. Ihr werdet nach dem packen und später ausräumen sicher hungrig sein und dann braucht ihr nicht mehr extra zu kochen.“ „Das ist sehr nett, danke Karen.“ Antwortete Nezumi, der Shion angesehen hatte, dass er Widerworte leisten wollte. Er hob leicht die Schultern. Wieso nicht? Karen backte gut und er kam nicht oft dazu, Kuchen oder dergleichen zu essen. „Gut. Dann fangt ruhig schon mal an mit dem Packen. Ich muss auch langsam wieder in den Laden.“ Kurz lächelte Karen, dann verschwand sie auch schon eiligen Schrittes. „So ganz hat sie das glaube ich nicht verdaut.“ Meinte Nezumi, der sich die Zeit nahm, seinen Kuchen noch aufzuessen. „Ja, ich glaube auch. Aber sie verkraftet es besser, als ich erwartet habe.“   Nachdem sie auch ihren Kaffee ausgetrunken hatten, gingen sie in Shions Zimmer rüber. Sie hatten es nicht eilig und somit machten sie sich keinen Stress mit dem Packen. Shion hatte damit nicht gelogen, dass er nicht viele Sachen hatte. Die paar Kleidungsstücke waren schnell eingepackt und neben ein paar Erinnerungsstücken, Büchern und Schuhen kam nicht mehr viel hinzu. Zwei mittelgroße Reisetaschen hatten genug Platz für Shions Sachen geboten. Nezumi nahm sich die schwerere von beiden und trug diese hinunter, während Shion die andere nahm. Karen verabschiedete gerade einen Kunden, als sie die Bäckerei betraten und wandte sich dann ihnen zu. „Ihr seid also fertig, ja? Du wirst mir fehlen Shion. Komm mich ganz oft besuchen.“ Meinte sie und drückte ihren Sohn eng an sich. „Passt auf euch auf und esst ordentlich, hört ihr? Du kannst natürlich auch jederzeit vorbeikommen Nezumi.“ Sie löste sich von Shion und drückte Nezumi dann eine Tasche in die Hand. „Hier ist euer Essen. Lasst es euch schmecken ihr zwei. Und meldet euch, wenn was ist.“ Nezumi schulterte die Reisetasche und bedankte sich, während Shion sich erneut verabschiedete und sie sich daraufhin auf den Rückweg machten. Er sah zu Shion rüber, ob diesem der Abschied schwerfiel, doch der Weißhaarige sah eher vergnügt aus. Lächelnd blickte dieser zu ihm. „Ich bin okay. Ich freu mich auf unsere gemeinsame Zeit. Das wird einfach toll.“ Nezumi lächelte, wechselte die Tüte mit dem Essen auf die Seite, wo er schon die Reisetasche trug und griff nach Shions Hand. Er blieb stehen, zog ihn ein Stück zu sich und küsste ihn. Er konnte sich schon vorstellen, dass er in diesem Moment wohl wirklich glücklich war. Kapitel 5: Wie versprochen --------------------------   Shion lächelte als er nach Hause kam. Es war noch immer ein wenig ungewohnt, diesen Ort hier zu Hause zu nennen und Nezumi anzutreffen. Nachdem Umzug war gerade mal eine Woche vergangen, seit drei Tagen ging er wieder arbeiten. Seine Sachen waren damals schnell ausgepackt gewesen und er hatte sich sogleich wohl und angekommen gefühlt. Dank dem Fresspaket seiner Mutter war ihm aufgefallen, wie gerne Nezumi eigentlich süße Dinge mochte. Sie hatten früher nur selten Kuchen gegessen, das war damals einfach Luxus, den man sich nicht ständig leisten konnte. Aber jetzt, wo er auch regelmäßig seine Mutter besuchen konnte, freute er sich darauf, Nezumi ab und zu eine Freude mit einem Stück Kuchen zu machen. In der letzten Woche hatten sie sich schnell wieder aufeinander abgestimmt. Es war eigentlich genauso wie früher, nur etwas zärtlicher und inniger. Nezumi war so ein guter Küsser, dass er von diesen eigentlich nicht genug kriegen konnte. Ihm war es schon ein wenig peinlich, dass er ständig daran dachte und lieber mit ihm rumknutschen wollte, als Hamlet aus einem der noch für ihn ungelesenen Bücher vorzulesen oder was anderes zu tun. Nezumi schob es immer auf das „üben“ von Küssen, aber Shion glaubte, dass auch er ständig daran dachte. Nun lag Nezumi da, auf der Couch, mit einem Skript in der Hand und anscheinend am Lernen. Er hatte sich an einem Theater nicht unweit von hier beworben und wurde sogleich genommen. Etwas, was Shion in keinster Weise wunderte. Nezumi streckte den Kopf etwas nach hinten, um ihn ansehen zu können und lächelte. „Da bist du ja.“ Shion nickte, stellte seine Tasche ab und ging zu Nezumi rüber, wo er sich vorbeugte und ihm einen Kuss gab. „Wie versprochen.“ Nezumi hatte es zwar nicht gesagt, aber Shion hatte es ihm angemerkt, dass er wohl noch nicht ganz sicher war, ob er wirklich jedes Mal hierher zurückkehren würde. Shion glaubte nicht, dass Nezumi ihm unbedingt misstraute, sondern eher seinem Glück an sich. Das es beinahe zu schön war, um wahr zu sein, was ihn so skeptisch machte. Und so hatte er sich angewöhnt „wie versprochen“ zu sagen, wenn Nezumi sein „Da bist du ja wieder“ sagte, was immer ganz beiläufig klingen sollte. Nezumi lächelte auf seine Worte hin nur und zog ihn in einen zweiten kleinen Kuss. „Ich geh eben duschen und dann kochen wir was, hm?“ fragte Shion, nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander gelöst hatten. „Was dagegen wenn ich mitkomme?“ Shion spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss. „Ah ge-gemeinsam duschen?“ Auf Nezumis Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Was ist, traust du dich nicht?“ neckte er sogleich und stand von der Couch auf. Er ergriff seine Hand und küsste diese einmal. „Mein König, Sie müssen sich nicht fürchten.“ „Ich.. ich hab keine Angst!“ „Brauchst du auch nicht, ich habe dich eh schon nackt gesehen.“ Shion wusste, dass er noch röter geworden war. „Wann?!“ Nezumi grinste nur noch mehr und ohne Vorwarnung hob dieser ihn einfach hoch und schleppte ihn ins Badezimmer. „Nezumi!“ „Shion, was ist los? Ich will nur mit dir duschen und hatte nicht vor, über dich herzufallen. Also, wo ist das Problem?“ Vorsichtig ließ Nezumi ihn runter und sah ihn prüfend an. Er musste wegsehen. „Ich weiß nicht.. vielleicht.. vielleicht gefällt dir nicht so sehr, was du zusehen bekommst. Das kann doch sein.“ Er spürte Nezumis bohrenden Blick noch immer auf sich. „Du bist ein Idiot.“ Kam es nach einer kleinen Pause, bevor Nezumi sein Gesicht in seine Hände nahm und ihn küsste. Auf seinen Wunsch hin ließ er Nezumis Zunge in seine Mundhöhle und erwiderte sein Spiel. Langsam drängte der andere ihn nach hinten und erst als er plötzlich das Wasser spürte, merkte er, dass sie unter der Dusche standen. Erschrocken japste er auf, doch Nezumi verschloss seinen Mund sogleich wieder und führte den Zungenkuss fort. Shion klammerte sich in das immer nasser werdende Shirt von Nezumi, dieser presste ihn so an sich, dass er den Kuss nicht lösen konnte. Erst als Nezumi es wollte, kam er von diesen Lippen frei. „Nezumi.. was.. was soll denn das?“ „Ich dachte, ich zeige dir, wie sehr ich dich will.“ Mit rasendem Herzen sah er Nezumi an, dessen Blick sanft war. Nezumi begann ihn auszuziehen, während das Wasser weiterhin aus dem Duschkopf tropfte. Sein Hemd landete achtlos auf den Boden der Duschkabine. „Ist es wegen deinem Mal? Meine Narbe am Rücken sieht dagegen doch viel schlimmer aus und die hat dich bis jetzt auch nicht gestört.“ Nezumis Finger fuhren sein Mal entlang und seine Haut begann da drunter zu kribbeln. „Es ist einfach nicht leicht, mit deiner Schönheit mitzuhalten. Okay?“ Verdutzt hörte Nezumi auf, ihn zu berühren. „Was?“ Dann lachte er leise. „Du bist wirklich ein Idiot. Wieso vergleichst du uns? Wir sehen doch komplett anders aus.“ Nezumi sah ihn an, dann beugte er sich zu seinem Ohr runter. „Shion.. für mich bist du wunderschön. Ich mag deine weißen Haare, dein Mal.. deine Augen, alles. Du solltest in den Spiegel schauen und stolz auf dein Aussehen sein.“ Shion schloss die Augen und legte die Arme um Nezumi. Dieser begann, seinen Hals behutsam zu küssen. Er bekam eine Gänsehaut davon. „Verstanden?“ kam es leise zwischen den Küssen. „Verstanden.“   Noch immer ein wenig schüchtern ließ er sich von Nezumi zu Ende ausziehen. Als Nezumi begann, sich nun auch seinen Klamotten zu entledigen, wurde ihm ganz warm in der Brust. Er wusste, dass er starrte, aber er konnte einfach nicht wegsehen. Nezumi schien es jedoch zu genießen und er beneidete ihn für dieses Selbstvertrauen. „Siehst du? Nichts passiert.“ sagte Nezumi grinsend und zog ihn an sich. Es war das erste Mal, dass er so viel nackte Haut von Nezumi an seiner spürte, was ein angenehmes Ziehen in seiner Lendengegend verursachte. Der andere küsste ihn und fuhr seinen Rücken entlang. Und verdammt, es machte ihn verrückt. Es waren nur kleine Berührungen, aber dennoch lösten sie eine Hitze in ihm aus, die er nicht kannte. Nezumi löste sich von seinen Lippen und liebkoste seinen Hals stattdessen. In der zwischen Zeit hatten sich seine eigenen Hände selbstständig gemacht, sie fuhren über Nezumis Seiten und seine Brust, über die Muskeln, die dieser hatte. Er wollte gar nicht mehr aufhören, ihn zu berühren. Nicht gut.. nicht gut.. dachte er und keuchte leise. Er war sich nicht sicher, was ihn erregte, ob es Nezumis Finger an seinem Rücken waren, seine Lippen oder ob es daran lag, dass Er Nezumi berührte. Aber Nezumi hielt Wort, er überfiel und drängte ihn nicht, keine seiner Berührungen war unsittlich. Seine Hände blieben die ganze Zeit am Rücken und wanderten nicht weiter. Nezumi hatte ihn schon so oft am Rücken berührt, ihn dort gestreichelt. Nein, das war es nicht. Das einzig wirklich unsittliche war dieser Körper vor ihm, so unglaublich sexy, so nah an seinem. Shion würde durchdrehen, wenn Nezumi diesen Körper irgendwem anderes zeigen würde. „Das ist jetzt aber nicht meine Schuld..“ hörte er Nezumi sagen, dem seine Erektion natürlich nicht entgangen war. „H-Halt die Klappe! Ist es wohl!“ murrte er und versuchte Nezumi wegzudrücken. Zeit, dass dieser aus der Dusche verschwand, damit er sich diesem peinlichen Problem widmen konnte. Nezumi ergriff ihn am Kinn und drehte seinen Kopf zu sich; er hatte verlegen weggesehen. „Du bist so verdammt süß, weißt du das? Aber du solltest mich doch mittlerweile kennen. Wenn ich an etwas Schuld bin, dann kümmere ich mich auch darum.“ Shions Herz setzte für einen Moment aus, als Nezumi ihn wieder so anzüglich ansah. Eigentlich sollte er protestieren und ihn endlich aus der Dusche schmeißen, aber verdammt, er wollte von ihm berührt werden, seine Stimme hören und in dieses schöne Gesicht sehen. In dem Moment, in dem ihm dies klar wurde, hatte Nezumi seine Chance schon ergriffen und ihn geküsst, ihn wieder eng an sich gedrückt und begonnen, seinen Unterleib an den seinen zu reiben. Ein Schauer durchlief ihn, während er in den Kuss keuchte und sich an Nezumis Schultern klammerte. Dieser rieb energischer, sodass er nun auch seine Härte spüren konnte. Nezumis Hände fuhren über seinen Hintern, erkundeten seinen Körper, bis sie an seiner Erregung ankamen. Er hatte mit dem reiben aufgehört und umschloss sein Glied nun mit der Hand. Shion sah zu ihm hoch und ihre Blicke trafen sich. Dann umschloss er Nezumis Glied ebenfalls.   Shion war es ein wenig peinlich, dass er früher als Nezumi gekommen war. Aber immerhin hatte dies auch einen Vorteil. Er hatte sich auf Nezumis erregtes Gesicht konzentrieren können, welches ihm den Atem geraubt hatte. Diesen Mann würde er nie wieder hergeben. Nachdem auch Nezumi gekommen war, hatten sie die Dusche nun auch wirklich zum Duschen genutzt, jedoch blieb Nezumi recht anhänglich, was ihn lächeln ließ. Sie stiegen gemeinsam aus der Dusche als sie mit waschen fertig waren und Nezumi hüllte ihn sogleich in ein Handtuch. „Alles gut?“ fragte dieser leise und küsste seine Schulter. „Jetzt hab ich dich ja doch irgendwie überfallen. Aber das war wirklich nicht geplant gewesen. Eigentlich wollte ich dir damit nur zeigen, wie sehr ich mich zu deinem Körper hingezogen fühle, damit du das auch mal kapierst und nicht mehr an dir zweifelst.“ Shion lachte leise und schmiegte sich an ihn. „Es ist alles gut. Hätte ich es nicht gewollt, hätte ich dir eine reingehauen. Ich will so etwas ja auch mit dir erleben, uhm.. ich bin da nur.. etwas schüchtern. Aber ich glaub, ich habs kapiert.“ Erneut küsste Nezumi seine Schulter. „Zweifle nicht an dir, niemals. Egal wobei.“ „Ich arbeite daran, versprochen.“ Behutsam fuhr er Nezumi durch die nassen Haare, glücklich, jemand so Starken an seiner Seite zu haben. Nezumi schaffte es immer, dass er das Beste aus sich rausholte und nie aufgab. Dass er stärker wurde und was er selber nicht tragen konnte, hatte Nezumi bis jetzt für ihn getragen, ohne sich zu beschweren oder selber aufzugeben. Nezumi, der selber niemals an sich zu zweifeln schien. Doch irgendwann wollte er selber stark genug sein, damit Nezumi seine Lasten nicht mehr mittragen musste. So stark, dass er Nezumi den Rücken frei halten konnte. Damit auch dieser Schwäche zeigen konnte. „Du bist sehr stark Nezumi..“ „He.. du stehst auf meine Muskeln, was?“ Nezumi richtete seinen Kopf wieder auf und sah ihn grinsend an. Er selber wurde ein wenig rot, diese Aussage konnte er nicht leugnen, auch wenn er dies nicht wirklich gemeint hatte. Kurz räusperte er sich. „Das wollte ich eigentlich nicht damit sagen..“ Der andere lachte und ließ nun ganz von ihm ab, um sich ein Handtuch zu nehmen und sich abzutrocknen. „Na los, zieh dich an, bevor du dich noch erkältest.“   Nezumi lag ganz nah an ihm. Er spürte an seinem Rücken, wie sich seine Brust hob und senkte, den Arm hatte Nezumi dabei um ihn gelegt, ihre Finger waren ineinander verhakt. Shion war sich nicht ganz sicher, ob der andere schlief. Er selber war vorhin eingeschlafen und gerade erst wieder wach geworden. Er wusste nicht wie spät es war, aber das war momentan sowieso bedeutungslos. Die Zeit war für ihn in diesem Augenblick grenzenlos. Es zählte nur Nezumi an seiner Seite, alles andere war unwichtig. Er ließ die Augen geschlossen und erinnerte sich an die Stunden davor. An Nezumis Zärtlichkeit, wie er ihn liebkost, ihn vorsichtig vorbereitet hatte. Er dachte an Nezumis Lippen, die Küsse, die er hatte spüren dürfen, die Hitze, die Lust, an Nezumis erregtes Gesicht, seine Stimme. Wie es war, ihn in sich zu spüren, dabei seine Hand zu halten, in seine Augen zu sehen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Diese Erinnerung würde er tief in seinem Herzen behalten und niemals vergessen. Shion liebte es, dass nur er wusste, wie sanft und zärtlich Nezumi sein konnte. Das war eine Seite an ihm, die er normalerweise keinem zeigte. Für andere war es vielleicht nicht ersichtlich, aber Nezumi behandelte ihn wie ein König, wie einen wertvollen Schatz. Kein einziges Mal hatte er etwas getan, was er nicht wollte, hatte gewartet, bis er für Sex bereit war ohne ihn zu drängen. Er war immer aufmerksam und liebevoll, war da, wenn er mal wieder schlecht geträumt hatte und blieb mit ihm wach, selbst wenn er am nächsten Tag früh raus musste. Nezumi war einfach ein wundervoller Mensch. Sicher wäre es diesem peinlich, wenn er ihm all das sagen würde, deswegen behielt Shion diese Gedanken für sich. Er seufzte wohlig. Mittlerweile waren sie gut einen Monat zusammen, doch es kam ihm vor, als wäre er schon sein ganzes Leben lang an seiner Seite gewesen. Nichts fühlte sich richtiger an als das und so sollte es auch den Rest seines Lebens sein. Shion spürte, wie Nezumi mit seinem Daumen über seinen Handrücken strich. Also war dieser doch wach. Lächelnd drückte er seine Hand ein wenig. „Ich liebe dich..“ flüsterte er in die Stille hinein. „Ich dich auch..Shion..“ Seine Stimme klang ein wenig müde und war genauso leise wie seine. „Nezumi.. was hält dich wach?“ Er schwieg einen Moment. Dann kam ein leises „Mhm“ von ihm. „Ich denke… das Gefühl, dass ich glücklich bin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)