Words, Hands, Hearts von Miyu-sama (NezumixShion) ================================================================================ Kapitel 2: Ich halte meine Versprechen -------------------------------------- Sie hatten ihn nach Hause geschickt. Gerade wo er die meiste Ablenkung brauchte, schickten sie ihn einfach fort. Es war egal was er gesagt hatte. Ein Arbeitskollege hatte ihn sogar nach Hause gefahren, weil er so blass wäre. Er solle sich hinlegen, etwas schlafen. Wenn das nur so einfach wäre. Er wollte nicht schlafen, nicht wieder träumen. Er wollte nicht alleine sein mit seinem traurigen Rest an Hoffnung und dem Schmerz in seiner Brust. Seine Mutter war ganz besorgt gewesen, hatte ihm einen Tee gekocht und ihn ins Bett gesteckt. Sie dachte, er würde eine Erkältung ausbrüten. Wie falsch sie doch lag. Er war nicht krank, nur einsam und verzweifelt. Glücklicherweise musste sie zurück in den Laden, so dass keiner überprüfen konnte, ob er sich schlafen gelegt hatte. Shion starrte an die Decke. Ob es ihm besser gehen würde, wenn er in das Zimmer zurückkehren würde, mit all seinen Büchern und Erinnerungen. Würde es ihm besser gehen, wenn er eben in jenen Büchern lesen würde? So wie früher? Oder in seinem Bett schlafen? Vielleicht würden seine Albträume zu Träumen werden, wo sie wieder zusammen waren. „Ich vermisse dich so..“ flüsterte Shion und biss sich auf die Unterlippe, ehe er aufstand. Alles, alles war besser als hier rumzuliegen. Wenn Nezumi nicht hier war, dann wollte er wenigstens etwas von Nezumi bei sich haben. Leise verließ er sein Zimmer und schlich sich aus der Bäckerei. Als er auf die Straße trat und den Regen auf seinem Gesicht spürte, merkte er, dass er einen Schirm vergessen hatte. Aber das war nicht wichtig, dafür würde er sich nicht wieder reinschleichen, wo ihn seine Mutter eventuell erwischen konnte. Er rannte die Straße entlang, raus aus der Stadt. Erst als er bei den Resten der Mauern ankam, wurde er langsamer. Er war völlig außer Atem. Es schien, als würde sein ganzer Körper streiken, doch es war nicht mehr weit. Nur noch ein bisschen, nur noch ein Stückchen weiter. Dann würde er sich auf Nezumis Bett fallen lassen, die Bücher um sich, und dann würde es besser werden. Einfach irgendwie besser. Shion schleppte sich den Hügel hinauf, an dem sie sich damals verabschiedet hatten. Ihm war kalt und er zitterte. Obwohl er sich nicht wieder an den Abschied erinnern wollte, blieb er an der gleichen Stelle stehen. Ihm war, als hätte er Nezumis Stimme im Wind gehört, wie er seinen Namen rief. Er schloss die Augen. Shion.. Ja, wenn er die Augen schloss, konnte er Nezumis Stimme deutlich hören. Die Erinnerungen an Nezumi und ihre Zeit wurden immer deutlicher, als würden sie neu erwachen. Und er ließ sich einfach fallen. Hinfort zu schöneren Zeiten.     Nezumi musste zugeben, dass er damit nicht gerechnet hatte. Eigentlich hatte er sich nur zwei Möglichkeiten ausgemalt. Entweder würde Shion ihm eine verpassen, weil er solange weg war, oder er würde ihm um den Hals fallen und sich freuen ihn zu sehen. Das Shion ihn aber einfach ignorieren und dann zusammenbrechen würde war eine Option, die er nicht in Betracht gezogen hatte. Glücklicherweise war er schnell genug gewesen, um Shion aufzufangen, bevor dieser mit dem Kopf aufschlug. Besorgt blickte er auf Shion hinab. Er war ganz blass und durchnässt. Als er seine Wange berührte, war diese heiß. „Wieso kommst du her, wenn du krank bist? Du konntest doch gar nicht wissen, dass ich zurück bin…“ murmelte er und seufzte. Da Shion keine Anstalten machte, aufzuwachen, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn zu tragen. Er hob ihn hoch, ächzte etwas bei dem Gewicht und machte sich dann auf den Rückweg. Eigentlich hatte er ihn ganz Ritterhaft ins Bett bringen und ihm dann eine Suppe kochen wollen, bevor Shion wieder aufwachte. Doch Shion war schwerer als erwartet (und er nicht so Ritterhaft wie erhofft), sodass er für den Rückweg länger brauchte als gedacht und er völlig außer Atem war, als sie endlich ankamen. Er legte Shion auf die Couch und musste erst einmal wieder etwas zu Atem kommen, ehe er Handtücher und trockene Kleider holen konnte. Es war ein wenig mühselig und nicht ganz so spaßig wie er sich das vorgestellt hatte, Shion auszuziehen. Er war noch immer ohne Bewusstsein, was das ausziehen ein wenig erschwerte. Als er bei der Unterwäsche ankam, musste Nezumi grinsen. Shion würde hochrot anlaufen, wenn er diese auch ausziehen und er dessen Fehlen bemerken würde. Kurz spielte er mit dem Gedanken, doch dann ließ er es bleiben. Er würde eindeutig mehr Gefallen daran haben, ihm dieses Kleidungsstück auszuziehen, wenn Shion wach war. So erging es ihm auch, als er den anderen behutsam abtrocknete. Nezumi wollte sehen, wie Shion auf seine Berührungen reagierte, welche Reaktionen sein Körper zeigen würde. Aber Shion schien den Schlaf der Gerechten zu schlafen. Er seufzte leise und fuhr einmal einige Zentimeter seines Males entlang, ehe er den anderen in einen Pullover und eine Hose von ihm steckte. Dann hob er ihn ins Bett und breitete die Decke über ihn aus. Sein Körper war noch immer ein wenig unterkühlt, er musste dafür sorgen, dass Shion sich schnell aufwärmte. Nachdem sich Nezumi ebenfalls umgezogen hatte, schickte er Inukashi mit Hamlet eine Nachricht. Suppe kochen war schön und gut, doch ohne Zutaten kam man nicht weit. Er hoffte, dass Inukashi noch immer Aufträge annahm und für ihn einkaufen gehen würde, denn er wollte Shion ungerne alleine lassen. Als er zum Bett rüber sah, musste er lächeln. Hier mit Shion, das fühlte sich richtig an. Vorsichtig legte Nezumi sich zu ihm und rutschte nah an ihn ran, um ihn zusätzlich mit seinem Körper zu wärmen. Er gönnte sich den Moment und schloss die Augen. Shions Atem ging ruhig und langsam, seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Das hier war viel zu lange her, dieses beieinander liegen, der Austausch von Wärme. Damals war es genauso, als es hier kalt geworden war, waren sie immer so aneinander gerückt, um sich zu wärmen. Es hatte keinen von ihnen beiden gestört. Nezumi spürte, wie es in ihm ruhig wurde, die wochenlange Anspannung wich und er ankam, endlich ankam. Das hier fühlte sich wie zu Hause an. Hier gehörte er hin. An seine Seite. Er seufzte leise und schmiegte sich ein wenig mehr an ihn. Noch immer fragte er sich, wie das überhaupt hatte passieren können. Liebe war für ihn nie in Betracht gekommen.     Es dauerte eine ganze Weile, bis Shion wieder zu sich kam. In der Zwischenzeit hatte Nezumi seiner Mutter eine Nachricht zukommen lassen, damit sie sich nicht fragte, wo ihr Sohn sich rumtrieb. Und auch die Stirn des Weißhaarigen hatte er gekühlt, damit das Fieber nicht weiter anstieg. Nun saß er auf dem Rand des Bettes und sah zu, wie Shion langsam wach wurde. „Das Dornröschen erwacht ja endlich.“ Meinte er amüsiert und sah zu, wie Shion ein wenig blinzelte, wohl noch nicht ganz da. „Nezumi..lass mich weiter-NEZUMI?!“ Mit einem Ruck saß Shion kerzengerade im Bett, hellwach und mit weit geöffneten Augen. Bei dieser plötzlichen Hektik des anderen war selbst Nezumi leicht zusammengezuckt. Bevor er sich versah, war Shion ihm um den Hals gefallen, weswegen er das Gleichgewicht verlor und mit ihm zu Boden fiel. „Nezumi! Du bist es wirklich! Du bist zurück, endlich!“ „Hey hey.. ganz ruhig. Du zerdrückst mich.“ Meinte Nezumi und rieb sich den Hinterkopf, den er sich gestoßen hatte. Shion ignorierte seine Aussage gekonnt und klammerte sich weiter an ihn. „Du warst solange weg.. ich bin so froh, dass du zurück bist.. du hast mir so gefehlt!“ Nezumi spürte, wie einige Tropfen auf seinen Hals fielen und legte daraufhin die Arme um ihn. „Ich hab dir doch versprochen, dass ich zurückkomme. Kein Grund zu heulen.“ „Du Idiot! Du bist so ein Idiot!“ Bei diesen Worten musste er grinsen. Ausnahmsweise hatte Shion mal Recht. Behutsam fuhr er durch seine Haare. Der Weißhaarige hatte sich nicht verändert und die Angst, dass dieser ihn nicht mehr brauchte, war völlig unbegründet gewesen.     Er war so überglücklich. Nezumi war zurück, endlich war er zurück. Und es war kein Traum. Er konnte seine Wärme spüren und seinen Geruch wahrnehmen. Er konnte ihn richtig berühren. Am liebsten würde er ihn gar nicht mehr loslassen. Er drückte sein Gesicht in Nezumis Halsbeuge, mittlerweile weinte er vor Freude und Erleichterung. Natürlich musste Nezumi sich darüber lustig machen, aber das war ihm egal. Auch seine blöden Scherze hatte er vermisst. „Erklär mir lieber, was das sollte.“ „Was was sollte?“ „Warum du völlig durchnässt blöd in der Gegend rumstehst und dann einfach umkippst. Wenn du krank bist, dann bleib gefälligst zu Hause im Bett anstatt in der Gegend rumzulaufen.“ Überrascht löste er sich ein Stück von Nezumi, um ihn ansehen zu können. Einen Moment musterte er ihn, dann blickte er sich um und bemerkte erst jetzt, wo er überhaupt war. „Ich.. bin umgekippt?“ Nezumi seufzte und setzte sich gänzlich auf, drückt ihn von sich. „Ja, und ich durfte dich schleppen. Du schuldest mir was.“ „Ah.. tut mir leid..“ Etwas verlegen senkte er den Blick. „Es ist nur.. ich wollte..“ Er brach ab. Konnte er Nezumi sagen, dass seine Sehnsucht ihn fast umgebracht hätte? Das er nachts nicht schlafen konnte? Wollte Nezumi so etwas überhaupt hören? „Wo.. wo warst du die ganze Zeit? Was hast du gemacht? Wie geht es dir?“ Bevor er noch weitere Fragen stellen konnte, hatte Nezumi ihm schon die Hand auf den Mund gelegt und brachte ihn so zum Schweigen. „Wir reden später darüber. Du siehst erst mal zu, dass du wieder fit wirst. Du siehst nämlich ganz schön beschissen aus.“ Nezumi stand auf und zog ihn dabei mit auf die Beine, ehe er ihn zurück aufs Bett drückte. „Aber-“ „Nichts aber. Wenn du artig bist, kriegst du auch einen Gute-Nacht-Kuss.“ Über Nezumis Lippen huschte ein Grinsen, während er einen kühlen Lappen auf die Stirn gelegt bekam. „Nezumi..“ Er ergriff ihn am Ärmel. „Geh nicht wieder weg.. bitte.“ „Wer hat denn davon was gesagt?“ Shion presste die Lippen aneinander. Wahrscheinlich verstand Nezumi nicht, wie sehr er ihn vermisst hatte. „Hey, jetzt nicht wieder heulen.“ Nezumi beugte sich zu ihm runter, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen Platz war. „Ich habe deiner Mutter Bescheid gegeben. Schlaf etwas. Ich bin gerade erst angekommen und werde nicht sofort wieder verschwinden.“ Dann küsste Nezumi ihn. Shion spürte, wie eine Welle von Hitze ihn durchflutete. Nezumi.. Er schloss die Augen und erwiderte den Kuss behutsam.   Als Shion das nächste Mal erwachte, roch es nach Suppe. Er hörte Nezumi summen, was ihn zum Lächeln brachte. Er war also noch immer da. Trotz des Gute-Nacht-Kusses war es ihm schwer gefallen einzuschlafen. Er war unruhig, er hatte so viele Fragen, ihm war warm, dann kalt und er hatte Angst vor Albträumen und das Nezumi nicht da wäre, wenn er das nächste Mal aufwachen würde. Irgendwann hatte Nezumi angefangen zu singen und da musste er dann endlich eingeschlafen sein. Er hatte so fest geschlafen, dass er nicht einmal mitbekommen hatte, wie Inukashi ihnen Lebensmittel vorbei gebracht hatte. Shion schlug die Decke beiseite und stand auf. Erst jetzt bemerkte er, dass er Sachen von Nezumi trug und wurde ein wenig rot. Er hat sich gut um mich gekümmert.. dachte er und lächelte. „Was lächelst du so blöd vor dich hin?“ Nezumi stand plötzlich im Türrahmen und riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich lächle nicht blöd. Ich habe mich nur gefreut. Danke für alles Nezumi.“ „Ich hätte dich ja schlecht dort liegen lassen können, oder?“ „Dann danke ich dem Glück, dass du genau heute wieder gekommen bist und dich erbarmt hast.“ Nezumi musste Grinsen. „Komm essen, bevor du noch mehr abmagerst.“ Sagte er und setzte sich an den Tisch, auf dem zwei Teller und etwas Brot standen. Shion folgte ihm und setzte sich dazu. Ihm fiel es schwer, die Augen von ihm zu nehmen; sie hatten sich so lange nicht gesehen und es erschien ihm immer noch ein wenig wie ein Traum. Nezumi hatte sich kaum verändert. Sein Haar war vielleicht zwei drei Zentimeter länger geworden und er hatte einen, ihm unbekannten Zug um die Augen, doch ansonsten war er so geblieben, wie er ihn in Erinnerung hatte. „Shion du starrst. Und du sollst essen.“ „Ah, ja! Tut mir leid!“ Verlegen nahm er seinen Teller in die Hand und begann zu essen. „Du hast dich kaum verändert.. Sag Nezumi, wo warst du? Was hast du all die Zeit gemacht?“ Nezumi sprang auf. „Wie sorgsam barg ich jeden kleinen Tand, Als ich auf Reisen ging, in Kofferwände, Damit ich unberührt von falscher Hand Zu eignem Zweck ihn sicher wiederfände! Und du, dem Tand nur meine Perlen sind, Mein teurer Trost, und nun mein größter Gram auf Erden, Du einzig höchstes Gut, das meine Seele minnt, Kannst jedes schnöden Diebes Beute werden! Dich schließt kein Koffer mir noch Kasten ein, Als der, wo du nicht bist – und doch fühl ich dich drinnen – Hier in der Brust, dem trauten Kämmerlein, Wo du, nach freier Lust, kannst kommen und entrinnen: Und da noch, fürcht' ich, stiehlt man mir mein Lieb; Denn um so teuern Preis wird Treue selbst zum Dieb“   Trug Nezumi theatralisch vor und verbeugte sich, als er geendet hatte. Shion stellte, den mittlerweile halb leeren, Teller auf den Tisch und applaudierte. „Warte, sag nichts! Das war Shakespeare, oder?“ Nezumi lächelte. „Sonette 48, sehr gut.“ „Aber was hat es genau bedeutet?“ Anscheinend ein wenig frustriert, ließ Nezumi sich wieder auf die Couch fallen. „Was es bedeutet. Ich bin gereist, habe viel unnützes Zeug dabei entdeckt und ab und zu habe ich sogar an dich gedacht. Ich habe gehört, No.6 mausert sich allmählich.“ „Nezumi, es ist nicht mehr No.6. Aber.. ich habe auch an dich gedacht, sehr oft sogar.“ Der andere griff wieder nach seinem Teller und begann zu essen. „Nezumi? Wirst du bleiben? Oder gehst du bald wieder weg?“ Lässt du mich wieder alleine? „Ich weiß es noch nicht. Ich wüsste nicht viel, was mich an diesem Ort hier hält. Und jetzt iss auf.“ Bei diesen Worten spürte Shion einen Stich in der Brust. War er nicht Grund genug? Konnte er nicht wegen ihm hier bleiben? Damit sie zusammen sein konnten? „Wieso bist du dann überhaupt zurückgekommen?“ Nezumi sah zu ihm rüber. „Ich halte meine Versprechen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)