Beloved Ghost von Kahori-Hirota ================================================================================ Kapitel 1: Beloved Ghost ------------------------ Gleich. Gleich müsste er da sein. Auf alle Fälle, müsste er eigentlich bald erscheinen. Jeden Moment. Lange dauerte es nicht mehr, das wusste Naruto, denn das hatte dieser seltsame Junge die letzten Male schließlich auch immer so gemacht. Einmal im Monat, immer zu Vollmond, würde dieser komische Junge hierher kommen. Er würde dann stur vor sich her sinnieren oder mit Hilfe einer Taschenlampe zeichnen und manchmal sogar etwas lesen. Oft saß er aber einfach nur da und spielte mit einem Grashalm herum, während er durch die Gegend schaute oder den Mond anstierte und offensichtlich grübelte. Worüber er hingegen nachdachte, interessierte Naruto nicht. Zumindest war das am Anfang so. Doch mit jedem Besuch, den dieser Kerl hier ablegte, stieg seine Neugier und nun merkte er wie ungeduldig und aufgeregt er mal hierhin, mal dorthin sprang und auf sein Erscheinen wartete. Eigentlich war es belustigend, denn Aufregung oder so etwas wie ein schnell schlagendes Herz, sollte es bei ihm gar nicht geben. Das musste wohl ein Nachhall seines vergangenen Lebens sein und wie lange das wiederum her war, wussten wohl nur die verrottenden Balken des Hauses und die japanischen Pinien und Sicheltannen in der Umgebung. Als er noch lebte waren sie kaum so groß wie er und nun überragten sie alle anderen Bäume. Er hatte ihnen dabei zusehen dürfen und beobachtet wie neues Leben entstand und altes verging. So wie seines. Widerstrebend schüttelte der blonde Junge seinen Kopf. Es brachte nichts darüber nachzudenken, schließlich änderte es nichts an seiner Situation. Und leider auch nichts an seinem Schicksal, dachte sich der Junge und lächelte etwas wehmütig, während er sich den Vollmond durch seine durchscheinende Hand ansah. Plötzlich raschelte es im Unterholz und der Kopf des Blonden wirbelte herum. Ein Lichtkegel schwirrte kurz nach rechts und links, fand aber schnell seinen Weg auf dem Waldboden und führte einen schwarzhaarigen Jungen in die kleine Lichtung. Narutos Aufmerksamkeit heftete sich augenblicklich auf ihn. Ruhigen Schrittes trat derselbe Kerl wie die letzten Male wieder in die Waldlichtung und sah sich mit Hilfe seiner Taschenlampe kurz um. Als er schließlich seinen Stammplatz, einen alten umgefallenen Baumstamm, entdeckt hatte, lief er zielstrebig darauf zu und ließ sich nieder. Kurz atmete er auf und schaute zum Mond empor. Die Taschenlampe richtete er nach unten. Neugierig kam ihm der Blonde näher und besah sich, was er diesen Abend mitgebracht hatte. Einen Block und einen Stift. Dieses Mal war es also wieder malen, ja? Irgendjemand müsste ihm mal dringend sagen, dass er sich so die Augen ruinieren würde. Nach einer Weile, atmete der Schwarzhaarige schon wieder tief auf (man musste der Kerl einen schweren Tag hinter sich haben) und richtete schließlich seinen Blick auf den Block in seinem Schoß. Neugierig beugte sich Naruto vor um einen Blick auf ein paar der Zeichnungen zu erhaschen, die sich bereits darin befanden. Manche waren ihm schon bekannt. Bei deren Entstehung war er schließlich dabei gewesen. Als der Schwarzkopf endlich eine leere Seite gefunden hatte, blickte er sich kurz um und suchte nach einem Motiv. Die Taschenlampe hatte er so neben sich gelegt, dass noch genug Licht auf das Blatt fiel und seine Umgebung dennoch ausreichend beschienen wurde. Nach einer Weile schien er sich für etwas entschieden zu haben und er begann zu zeichnen. Ein Strich nach dem nächsten folgte auf dem Papier und Naruto hockte sich neugierig vor ihn hin und beobachtete ihn dabei. Hochkonzentriert saß er da, den Kopf etwas gesenkt, das Gesicht recht entspannt. Es war eine Sommernacht und der Tag war sehr warm gewesen. Nun stieg ein warmer modriger Waldbodengeruch auf und hüllte alles Leben in sich ein. Doch diese stickige Luft, schien dem Schwarzhaarigen nichts auszumachen. Er schien nicht mal zu schwitzen. Stattdessen zeichnete er ruhig weiter. Hochkonzentriert und völlig in seiner Welt versunken. Wenn er mit etwas nicht ganz zufrieden war oder sich sehr konzentrieren musste, lugte seine Zungenspitze ab und an seitlich heraus. So war das immer. Genau einmal im Monat. Immer zu Vollmond. Immer würde er sich auf diesen Baumstamm setzen und immer saß der Blonde direkt vor diesem sonderlichen Jungen und beobachtete ihn in dem, was er tat. So wie immer. Doch dieses Mal geschah etwas Ungewöhnliches. Während dieser schwarzhaarige Junge vor dem Blonden saß und zeichnete, kam ein kleiner Windstoß auf und brachte die stille Wärmedecke auf dem Waldboden ins Schwanken. Frische Luft strich den beiden um die Nase und für einen kurzen Moment schloss Naruto seine Augen und versuchte sich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte den frischen Wind im Gesicht, in den Haaren zu spüren. Bis er ein leises Zischen vernahm. Überrascht öffnete er seine Augen und sah zum einzigen menschlichen Lebewesen auf dieser Lichtung. Dieser aber schaute mit herunter gezogenen Augenbrauen böse auf seinen Finger. Auf der Kuppe befand sich ein kleiner, feiner Schnitt. Blut quoll langsam heraus. Leise fluchte der Schwarzhaarige und sah irritiert auf das Blatt Papier in seinem Schoß herunter. Aha. Ein Tollpatsch konnte er also auch sein. Hatten wir mal was Neues dazu gelernt, dachte sich der Blonde amüsiert und grinste etwas. Doch das was seine Aufmerksamkeit mehr auf sich zog als die böse Miene, war der blutende Finger. Es war lange her, dass Naruto Blut gesehen hatte. Man könnte meinen, dass er genug tierisches Blut gesehen hatte, schließlich befand er sich rund um die Uhr im Wald und da herrschte auch nicht unbedingt immer Friede, Freude, Eierkuchen, aber Menschenblut war wiederum etwas anderes. Schließlich war er mal einer. Wie hypnotisiert starrte er auf diese rote Flüssigkeit und fragte sich, wie es sich nochmal anfühlte. War es völlig flüssig oder etwas fester? Wie warm war es? Hatte es Klümpchen? Ohne darüber nachzudenken und seiner Neugier völlig nachgebend, streckte er seine Hand aus und langte mit einem Finger ins Blut. Dass er es doch sowieso nicht berühren konnte, ignorierte der Blonde mal ausnahmsweise. Er hatte es satt sich daran zu erinnern, was er alles nicht mehr konnte. Nachdenklich hockte er also da und rieb das imaginäre Blut zwischen seinen Daumen und Zeigefinger, als würde er es verwischen wollen. Dass es in der Zwischenzeit plötzlich schepperte, bemerkte er erst verzögert. Als es dann endlich einsickerte, schaute er interessiert auf und bemerkte etwas Ungewöhnliches. Der schwarzhaarige Junge starrte genau in seine Richtung. Und das mit Augen so groß wie Untertassen. Naruto runzelte die Stirn und schaute hinter sich. Was war denn da so interessant? War da noch jemand? Doch außer der üblichen in Dunkelheit getauchten Vegetation, die vom Mondlicht beschienen wurde und dem Leuchten von ein paar Glühwürmchen, konnte er nichts Besonderes erkennen. Zumindest nichts, was die Reaktion seines Besuchers erklären würde, denn noch immer starrte dieser in seine Richtung. Sein Block und Stift lagen verstreut herum. Er hatte sie wohl vor Schreck im hohen Bogen von sich geschleudert und war zurück gestürzt, was das Scheppern erklären würde, welches Naruto aufschauen ließ. Was hatte ihn denn so erschreckt? Nachdenklich schaute er sich den Schwarzhaarigen genau an und bemerkte, dass dieser ihm zufällig genau in die Augen sah. Dann begann es langsam bei ihm zu dämmern. Konnte es sein, dass er - ach was, nein. Warum sollte er das ausgerechnet jetzt können? Das hatte er die letzten gefühlten 20 Mal, auch nicht geschafft! Dennoch konnte sich Naruto seiner Neugier nicht entziehen und streckte langsam einen seiner Arme seitlich heraus. Sofort sprang der Blick des Schwarzhaarigen zu dieser transparenten Hand und verfolgte sie auf ihren Weg, bis es nicht mehr weiter ging und der Blick wieder zu Narutos Gesicht zurückflackerte. Überrascht zog dieser die Augenbrauen hoch und ließ den Arm sinken. Nun streckte er den anderen Arm seitlich von sich aus und beobachtete die gleiche Reaktion. Aha! Er konnte ihn also sehen! Aber wie war das möglich?! Wäre Naruto in diesem Moment zu einer körperlichen Reaktion im Stande gewesen, so hätte er, das wusste er, eine Ganzkörpergänsehaut bekommen. Wie aufregend! Das war noch nie zuvor passiert! KEINER hatte ihn bisher sehen können. Nur die Tiere des Waldes spürten seine Anwesenheit, manche sahen ihn sogar direkt an, doch noch nie zuvor war es ein atmender, blutender Mensch! Naruto schluckte einmal schwer. Was sollte er denn jetzt sagen? Sollte er überhaupt etwas sagen? Und würde er überhaupt gehört werden? Plötzlich überkam ihn wieder die Neugier und Naruto konnte sich ihr nicht länger widersetzen. Kurz leckte er sich über die scheintrockenen Lippen und zeigte dann mit dem Zeigefinger auf die Hand des Schwarzhaarigen. „Du blutest.“ Der Angesprochene zuckte merklich zusammen und zog seine Beine noch etwas mehr an sich heran. Dann huschte sein Blick schnell zu seinem blutenden Finger und wieder zu der Erscheinung vor ihm. Er konnte ihn also tatsächlich hören! Oder? Oder war das nur eine Reaktion auf seine Geste? Sollte er es nochmal versuchen? Aber was sagte man da am besten? OHNE ihn zu verjagen? Es würde grässlich langweilig werden, wenn das die Folge sein sollte. Kurz grübelte Naruto noch und entschied sich für etwas Unverfängliches. „Hast du mich verstanden?“, fragte er langsam und deutlich. Sein Gegenüber starrte ihn nach wie vor noch an, doch nach einer kleinen Weile nickte er vorsichtig. Ein Nachhall von einem Gefühl, das Naruto zuletzt vor sehr langer Zeit verspürt hatte und von dem er glaubte, dass es Freude genannt wurde, durchströmte den Blonden. Ein breites Grinsen, das Grübchen in seinen Wangen hervor rief, stahl sich auf sein Gesicht und Naruto genoss dieses Gefühl…bis ihm auffiel, dass sein Gegenüber ihn immer noch anstarrte. Nun wirkte er mehr verwirrt als ängstlich. „Oh- und keine Angst, ich tue dir nichts!“, sagte er freundlich, winkte mit der Hand ab und hoffte so den Schwarzhaarigen zu beruhigen. Das schien zu funktionieren, denn nach einer Weile begann er tatsächlich die Stirn in Denkfalten zu legen und dann vorsichtig zu sprechen. „D-Du- was-“ „Aber wenn du mich jetzt mit Casper oder Hui Buh vergleichst, klebe ich dir eine! …oder ich versuche es zumindest! “ ~ ^__^ ~ Ausgehend von diesem Vorfall häufte sich nun die Anzahl der Besuche. Aus einem Abend pro Monat wurde bald ein Mal alle zwei Wochen und kurz darauf ein Mal pro Woche. Schließlich besuchte Sasuke Naruto fast drei Mal die Woche. Dieser Abend war wieder so ein Tag. Doch dieses Mal erschien der sonst so schick angezogene Schwarzhaarige in Sportklamotten. Belustigt hob Naruto eine Augenbraue an, wie er es oft genug beim Schwarzhaarigen beobachtet hatte, und musterte dessen Jogginghose. „Sind wir unter die Athleten gegangen?“ „Tse.“ „Nerv getroffen?“, grinste ihn der Blonde an. „Nein, das dient nur dem Zweck.“ Der Blonde blieb stumm und schaute Sasuke eindringlich an. Der würde das so nicht stehen lassen. Das wusste Naruto. Und Sasuke wusste das auch, wie sich zeigte. „Meine Eltern schöpfen schon langsam Verdacht, wohin ich jedes Mal gehe und jetzt glauben sie, dass ich jogge.“, erklärte er seinem durchsichtigen Gesprächspartner und dieser begann zu lachen. Darum hatte er also sonst nichts bei sich wie sonst. „Seeeehr geschickt. Aber jetzt musst du wohl auch ein paar Mal um einen Block rennen, damit man dir das auch abkauft.“ Schnaubend setzte sich der Schwarzhaarige neben den lachenden Blonden und sah zum aufsteigenden Sichelmond empor. Die Tage wurden kürzer und die Luft immer kühler. Noch war es abends aber noch warm genug. Zumindest warm genug um in Joggingsachen durch den Wald zu stiefeln. Stillschweigend saßen sie nebeneinander und betrachteten zusammen den blassen aufsteigenden Mond. Jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Irgendwann begann Sasuke Naruto aber aus den Augenwinkeln aus anzuschielen. Der Wind frischte auf und brachte damit nicht nur Sasukes, sondern auch Narutos Haare in Bewegung. Er hatte ihm mal erklärt, dass irdische Dinge keinen realen Einfluss auf ihn hätten, aber dem Wind könnte er sich nicht entziehen, weil er ohne Vorbehalt durch ihn hindurch ziehe. Nachdenklich sah sich Sasuke diese sich im Wind wiegenden blonden Strähnen an und kurz überkam ihn die Frage, wie sie sich wohl anfühlen mochten. Sasuke war kein Mensch, der gerne Körperkontakt suchte. Selbst in seiner Familie wusste er das zu verhindern, doch konnte er nicht leugnen, dass er ein neugieriger Mensch war. Und genau diese Neugier breitete sich in ihm aus und diese blonden Haare schienen ihn sowohl anzuziehen als auch auszulachen. Mit einem unnachgiebigen Kribbeln in den Fingern gab er schließlich diesem Drang nach und griff, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass es eventuell eine scheiß Idee sein könnte, schließlich nach diesen blonden Strähnen--- und fiel prompt mit seiner Hand in Narutos Kopf hinein. Seine Hand blieb direkt auf Höhe seiner himmelblauen Augen zum Stehen. Erschrocken zog Sasuke seine Hand zurück und schaute mit großen Augen zuerst Naruto und dann seine Hand an. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Naruto hingehen schnaubte nur einmal deutlich. „Vergiss es, du kannst mich nicht anfassen. Und bevor du auf dumme Ideen kommst: du kannst mich vielleicht nicht berühren, aber das heißt nicht, dass ich nichts spüren würde. Ein Tipp, angenehm ist was anderes oder gefällt dir etwa sowas?“, fragte Naruto und fuhr sofort mit seiner Hand durch Sasukes Gesicht. Seine Hand versank bis zum Handgelenk im Kopf des Schwarzhaarigen und kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein. Sasuke, der das nicht kommen sah, zuckte erst zu spät zurück und fasste sich an die Wange. Eine gewöhnliche Berührung hatte er tatsächlich nicht gespürt, aber dafür überzog sein Gesicht, seine Kopfhaut und seinen Rücken eine starke Gänsehaut. Der Waldboden roch für einen Moment viel intensiver, seine Ohren wurden kurz hypersensibel und vernahmen jeden Laut und sein Kopf fühlte sich etwas schummrig an. „Dachte ich mir.“, kommentierte Naruto und ließ mit einem tiefen Seufzen seinen Blick zur Seite gleiten. Sasuke betrachtete ihn kurz, während er sein Gesicht abtastete und schielte kurz in die Richtung, in welche auch sein Gegenüber sah. Er glaubte nicht, dass ein vermodertes Stück Holz, das zur Hälfte im Erdboden steckte und vom Laub vergangener Jahre fast völlig abgedeckt wurde, wirklich so interessant für ihn war. Also musste der blonde Geist sich gerade an etwas erinnern. „Bist du hier nicht einsam?“ Sofort schwang ein Bündel blonder Haare in seine Richtung zurück. Ein reumütiges Lächeln zierte nach wenigen Sekunden sein Gesicht. „Klar. Aber dazu muss man nicht tot sein. Oder bist du es etwa nicht?“ Mit schräg gelegtem Kopf wartete er auf eine Antwort. „Tod? Nein.“ Belustigt schnaubte Naruto auf und auch Sasuke zierte für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln. Dann verschwand es wieder genauso schnell wie es gekommen war. „Stell dich nicht blöd, ich weiß, dass du es nicht bist.“ Kurz blieb Sasuke noch still. Dann stieß er langsam die Luft über die Nase aus und begann zögerlich zu reden. „Was lässt dich das denn glauben? Ich meine, dass ich ‚einsam‘ wäre.“ „Hmm~… lass mich mal überlegen. Du sitzt hier mitten in der Nacht irgendwo im Nirgendwo und redest mit einem Geist. Und das mittlerweile mehrmals die Woche. Brauchst du noch einen Grund?“ „Tse.“ „Tses mich nicht an, sprich lieber! Ich verrate es auch niemandem~“, fügte Naruto schelmisch hinzu und zwinkerte ihm zu. Sasuke brummte nur amüsiert und verdrehte daraufhin die Augen. Für ein paar Sekunden blieb es zwischen beiden still. „Verrätst du mir dafür auch etwas über dich?“ Kurz grübelte Naruto noch und rutschte dabei etwas hin und her, als müsse er sich bequemer hinsetzen. „Okay. Aber du fängst an!“ „Hn.“ Erneut stieß der Schwarzhaarige die Luft langsam durch die Nase aus und stützte sich mit seinen Ellenbögen auf den Knien ab. Seine Hände rieb er nachdenklich aneinander, während er sich die passenden Worte zurecht legte. „Ich-… meine Familie besteht aus einer Reihe von Top-Anwälten. Es ist quasi eine Familientradition unter den Uchihas, wenn du es so haben willst. Jeder in unserer Familie ist das. Selbst meine Mutter hat Jura studiert. So hat sie meinen Vater kennen gelernt. Ich habe einen großen Bruder, Itachi. Der wird jetzt bald mit dem Studium beginnen. Dasselbe wird von mir erwartet, wenn ich älter werde. Aber auch jetzt schon, muss ich Topleistungen bringen. In der Schule. Im Sport. Nur das Beste ist gut genug.“, erzählte er und hielt dann kurz inne. Er leckte sich über die trockenen Lippen und sah erneut vor sich auf die glühenden Punkte im dunklen Gebüsch. „Das macht mir nichts aus, ich bin daran gewöhnt. Es ist etwas, das von allen anderen hoch angesehen wird, aber die wenigsten verstehen, was das tatsächlich bedeutet. Man konzentriert sich nur noch aufs Lernen und das Erbringen von Leistung. Sonst nichts. Darum habe ich auch nicht viele Freunde. Ein paar Klassenkameraden oder im Training eins zwei. Aber auch die sehe ich mehr als Konkurrenz, wenn überhaupt…“ Dann verstummte er erneut. Das Zirpen der Grillen füllte die Stille zwischen beiden aus. Keiner sagte etwas darauf. Sasuke war also einsam. Er hatte es nur eine sehr lange Zeit nicht bemerkt bzw. verdrängt. Und während Naruto überlegte, was nun eine passende Antwort darauf wäre, begann Sasuke von neuem an zu reden. „Wie bist du gestorben?“, fragte er mit leiser Stimme. Dabei schaute er auf seine Hände und knabberte an seiner Wange. Nun entließ Naruto seinen Atem. „Hmm--- Ich lebte zu einer Zeit, in der Landesherren inoffiziell Ninjas beschäftigten. Ich war so einer von denen. Ninja zu sein unterlag damals keiner Altersgrenze und da ich mich nicht so ungeschickt angestellt hatte, erhielt ich schnell auch größere Aufträge. Einer davon war mein letzter. Ich sollte Informationen von einem Fürsten sammeln, der meinen Auftraggeber eventuell hintergehen wollte. Nur wurde ich verpfiffen und sie haben mich erwischt. Sie brachten mich hierher und … verhörten mich. Ich schwieg und sie schnitten mir die Kehle durch.“ Langsam atmete Naruto durch die Nase aus und nagte etwas an seinen Lippen. Dann katschte er einmal in die Hände und strahlte Sasuke wieder etwas bedrückter an. „So bin ich hier gelandet.“ Sasuke war sprachlos. Damit hatte er nicht gerechnet. Wie sollte man auf so eine Enthüllung denn reagieren? Ob er etwas sagen sollte? Doch als der Schwarzhaarige sich den Kopf darüber zerbrach und dabei schwer schluckte, bemerkte er nicht wie Naruto ihn aufmerksam beobachtete und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. Nach wenigen Sekunden verlor er diesen Kampf. Er brach in schallendes Gelächter aus und zeigte mit dem Finger auf den nun verdutzt drein blickenden Jungen. „Glaubst du mir eigentlich jeden Scheiß?! Das ist so geil! Du solltest dein Gesicht sehen!“, brüllte er vor Lachen und schlug sich eine Hand aufs Bein. „Das war gelogen?!“ Doch statt einer Antwort, lachte der Blonde vor ihm sich nur scheckig. Wütend schlug Sasuke gegen Narutos Kopf oder besser gesagt hindurch. Das war keine gute Idee, denn sofort überzog Sasuke eine starke Gänsehaut. „Sei nicht eingeschnappt! Ich wollte mir nur einen kleinen Spaß erlauben.“, grinste ihn sein Gegenüber daraufhin an. „Die Stimmung war so trüb, da wollte ich einfach mal eine Bombe reinwerfen. Und siehste, sie hat ihren Effekt nicht verfehlt!“ Genervt tseste Sasuke auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich rede ehrlich mit dir und du lügst mich einfach an. Glaubst du, das ist witzig?!“, fauchte er ihn an. Naruto verstummte. „Ich habe nie gesagt, dass alles gelogen war. Ich war zum Beispiel tatsächlich ein Ninja… oder sollte es besser gesagt werden.“, erklärte Naruto und kratzte sich an einer Wange. Skeptisch sah ihn Sasuke aus den Augenwinkeln an. „Sowohl meine Mutter als auch mein Vater waren Meister darin. Ich sollte von ihnen lernen, aber dazu kam es nicht mehr. Im Laufe der Zeit hatten sie eine Menge Informationen gesammelt, die für viele Menschen gefährlich waren. Und wenn man damals nicht wollte, dass eine Information sich verbreitet…. Meine Eltern waren letztendlich zu gut in ihrem…Beruf. Wir lebten hier recht zurückgezogen und für uns, aber irgendjemand musste uns verraten haben, denn wir wurden nachts angegriffen. Ich bin durch das Geschrei meines Vaters aufgewacht, aber bevor ich auch nur etwas tun konnte, hatten sie mich bereits erwischt.“ Er hielt kurz inne und sah auf die letzten Reste des ehemaligen kleinen Hauses hinter ihnen. In seinem Blick spiegelten sich Melancholie und Trauer wider. „Ich bin also wirklich hier gestorben, aber ich wurde nicht hergebracht. Ich war schon da. Das hier war mein Zuhause.“, schloss Naruto ab und sah zu Boden. Unschlüssig sah ihn Sasuke an und suchte nach Anzeichen, die ihm einen weiteren Streich von Naruto verraten würden. Doch egal wie lange er ihn anstarrte, da war nichts. Dieses Mal musste es also die Wahrheit sein, dachte sich der Schwarzhaarige und sah ebenfalls auf das zerfallene Haus. Er konnte sich nur vorstellen, wie es ausgesehen haben mochte. Es war zwar klein und bot nicht viel Platz, aber in Sasukes Fantasie verbrachte Naruto mit seinen ihn liebenden Eltern hier glückliche Jahre. Nun lag es vermodert vor ihm. Die Bretter der Terrasse waren morsch und hatten zahlreiche Löcher. Die Balken drohten bei dem kleinsten Gewicht zu zerbrechen. Das Dach wurde schon vor langer Zeit von Mutter Natur zerstört und aus dem mittlerweile gut einsehbaren Innenraum und auf den Wänden rankten verschiedene Pflanzen empor und eroberten sich einst den Raum zurück, der ihnen genommen wurde. Grün und braun war es im Sonnenlicht. Im Schein des Mondes erschien es fast schwarz. Der Schatten eines vergangenen Lebens. So wie Naruto. Um sie herum hörte man die Geräusche des Waldes und in Sasukes Kopf drehte es sich. Auf seiner Zunge brannte noch eine Frage, doch wusste er nicht, ob es in Ordnung war, diese zu stellen. Grübelnd biss er sich auf die Lippen und vermied dabei in die Richtung des Blonden zu sehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der keiner etwas sagte, hielt es Sasuke nicht mehr aus. Er wollte es wissen. „Wenn du hier gestorben bist, bist du dann auch hier… ich meine liegt hier dein…“ „Meine Leiche?“, half ihm Naruto aus und hob amüsiert eine Augenbraue. Sasuke nickte. Naruto drehte seinen Kopf in eine Richtung etwas abseits des Hauses. Sein Blick fiel auf eine große Sicheltanne. Dann richtete er einen Finger auf dessen Wurzelwerk. „Als die Ermordung meiner Familie bekannt wurde, hatten manche Bewohner der umliegenden Dörfer Angst, dass wir wieder kommen könnten und uns rächen oder sie verfluchen. Mein Vater hatte nämlich dieses richtig krasse Blond“, sagte Naruto lächelnd und fasste sich in die eigenen Haare. „Und meine Mutter hatte langes, feuerrotes Haar. Beides nicht gerade typische Farben in Japan. Vor allem damals. Also dachten die Leute, dass zumindest meine Mutter mit Dämonen im Bunde stand. Dann waren wir auch noch Ninja, also sowieso keine normalen Menschen. Darum haben sie unsere Körper neben dem Haus beerdigt. Im Laufe der Jahre wuchs dann dieser Baum neben meinem Grab und hob mein Skelett an. Man kann es auch so sehen, ohne wirklich graben zu müssen. Oder besser gesagt, das, was dank dem Baum davon übrig ist. Die Gebeine meiner Eltern haben sich vor längerer Zeit schon aufgelöst.“ Gebannt sah Sasuke zur Basis des Baumes und schluckte schwer. Er wollte aufstehen und sich das ansehen. Er hatte noch nie eine Leiche, geschweige denn ein Skelett gesehen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Statt seiner Neugier nachzugeben, blieb er sitzen und versuchte das alles zu verarbeiten. Viel Zeit blieb ihm dafür aber nicht, denn schon bald begann Naruto wieder zu sprechen. Undzwar von etwas völlig anderem. „Kann es sein, dass du gar kein Anwalt werden willst?“, fragte der Geist neben ihm unverblümt. Der Angesprochene zog die Augenbrauen runter. Was war das denn für ein rapider Themenwechsel?! „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Naruto zuckte mit einer Schulter. „Als ich dich vorhin darüber habe reden hören, kam es mir so vor, als würdest du diese Pläne akzeptieren, aber eigentlich nicht wollen. Darum dachte ich, dass du vielleicht gar kein Anwalt sein willst.“ Sasuke sah ihn forschend an. „Es geht nicht darum, was ich will oder nicht. Es steht fest und das war’s.“ „Bullshit.“, entfuhr es Naruto und Sasuke drehte sich erstaunt zum Blonden um. Dieser sah nun etwas angesäuert aus. „Es steht überhaupt nichts fest oder willst du dein Leben einfach so wegwerfen?“, fragte er den Schwarzhaarigen und sah ihn scharf an. „Ich werfe es nicht weg!“ „Du entscheidest nicht selbst, gehst keine eigenen Wege und machst keine eigenen Fehler, Erfolge und Erfahrungen, auf die du stolz zurück blicken kannst. Sag mir Sasuke, wenn du mit 65 Jahren aufwachst und feststellt, dass du alles, was von dir verlangt wurde getan hast, aber alles was du eigentlich tun wolltest nicht getan hast und du dir nur noch ausmalen kannst, wie es sich angefühlt hätte, das alles zu tun, hat es sich dann für dich gelohnt zu leben? Wenn so deine Pläne aussehen, dann wirst du die nächsten Jahrzehnte nicht leben, sondern nur existieren.“ Stumm sah ihn der Schwarzhaarige an. Diesen Ton kannte er an seinem Freund nicht. „Du bist nicht der erste Mensch, dem ich hier begegnet bin. Im Laufe der Jahre sind viele hier gewesen. Manche sind nur vorbeigezogen und andere etwas länger geblieben. Aber alle waren unglücklich. Sie hatten sich vom Leben mehr versprochen, als sie tatsächlich hatten und der Grund dafür lag oft bei ihnen. Sie haben sich nicht getraut dieses eine Leben, das sie besitzen, selbst zu bestimmen und zu gestalten und als sie das endlich einsahen, war es meistens schon zu spät für sie.“ Er drehte seinen Kopf in Sasukes Richtung und sah ihn eindringlich an. Dann lächelte er leicht und blickte zum Mond am klaren Sternenhimmel. Er seufzte tief. „Ich will nicht, dass dir dasselbe passiert. Das hast du nicht verdient. Darum, egal was du tust, tu es nicht, weil andere es dir sagen. Mache es, weil DU es für richtig hältst und willst. Sonst wirst auch du so ein Getriebener des Lebens.“, murmelte der Blonde in die Nacht hinein. Sasuke sah ihn erstaunt an. Das klang ja richtig erwachsen! „Geht’s dir gut? Wie kommt es, dass du so etwas Weises von dir geben kannst? Du dürftest doch nicht älter sein als ich, oder?“ „Körperlich gesehen, hast du Recht. Da bin ich über die 12 nie hinaus gekommen“, lachte Naruto auf und rieb sich mit dem Finger unter der Nase. „Zumindest ALS ich noch lebte. Aber weißt du, ein Geist kann sich auch ohne Körper weiter entwickeln und ich hatte viel Zeit zu…reifen.“ Schweigend sah Sasuke Naruto an und wartete auf weitere Erläuterungen. Doch erst als er schon fast glaubte, dass nichts mehr käme, begann Naruto erneut zu sprechen. Dieses Mal ruhiger und bedächtiger mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. „Du solltest dich nicht von anderen Menschen in eine Schublade stecken lassen. Wenn du kein Anwalt werden willst, obwohl es alle in deiner Familie bereits sind, dann darfst du auch kein Anwalt werden. Wenn du 12 Jahre alt bist, darfst du dich auch wie ein 20- oder 9-jähriger verhalten und wenn du als guter und gehorsamer Sohn giltst, darfst du trotzdem rebellisch sein und selbst entscheiden, welcher Weg richtig für dich ist.“ Kurz wurde es wieder still zwischen beiden, in welcher Naruto zum Mond hinauf sah und Sasuke ihn. „Das hört sich alles so leicht an…aber die Realität sieht leider anders aus.“, murmelte Sasuke irgendwann fast unhörbar. Es war jedoch laut genug, dass es Naruto mitbekam und sich daraufhin zu ihm umdrehte. Er schaute ihn einmal mit herunter gezogenen Mundwinkeln an und schnaubte. Dann holte er aus und zielte mit seiner Hand auf Sasukes Hinterkopf. Doch gerade im letzten Moment sah dieser das kommen und bückte sich hastig darunter hinweg. Naruto brach in Lachen aus. „Wovor zuckst du denn zurück?! Ich kann dich doch sowieso nicht treffen!“, lachte der Blonde laut auf. Bei Sasuke zuckte eine Augenbraue. „Trotzdem hätte ich etwas gespürt und ich will mich nicht wieder wie ein Igel fühlen!“, keifte er zurück, doch Naruto kümmerte das wenig. Er amüsierte sich köstlich. „Wofür war das überhaupt?“, fragte Sasuke schließlich grummelnd, als sich Naruto etwas beruhigt hatte. „Für deine beschränkte Ansichtsweise! Man, du lebst nicht im Mittelalter! Wir sind im 21. Jahrhundert! Wenn es eine Zeit gibt, in welcher Kinder ihr eigenes Leben bestimmen dürfen und sich auch mal gegen den Wunsch der Eltern stellen können ohne gleich dem Tod geweiht zu sein, dann JETZT! Aber du hast Schiss!“ „Hab ich nicht!“ „Hast du doch! Denn wenn du mal genau darüber nachdenkst, ist der einzige, der dich gerade am Erreichen DEINER Ziele hindert, du selbst! Weil du deine Fresse nicht aufmachst!“ „Was würde das denn ändern?! Sie würden ihre Meinung nicht ändern!“ „Wissen sie, dass du so denkst?!“ „Nein! Woher denn?“ „Dann hör auf den Leuten etwas zu unterstellen! Selbst wenn sie sich in ihrem Standpunkt nicht ändern sollten, dann wissen sie zumindest DEINEN.“ „Und was bringt mir das?!!“ „Einiges!!!“, brüllten sich beide an und schnauften bald deutlich. Von Ruhe im Wald konnte man schon lange nicht mehr sprechen. „Man Sasuke, du bist doch nicht bescheuert! Denk mal nach! Wenn DU den Mund aufmachst, erleichtert es dich und nimmt dir einen Teil des Drucks, den du in dich rein frisst. Und überhaupt wissen sie dann wie du über das alles denkst! Vielleicht werden sie dir sogar etwas entgegen kommen, aber das alles wirst du nie erfahren, wenn du die Schnauze hälst und düster vor dich her grummelst! Woher sollen die anderen wissen, was du denkst und fühlst?! Ich kann durch dich HINDURCHGREIFEN, verdammt, und ich weiß es AUCH NICHT!“ Das saß. Ohne ein Wort auszusprechen, klappte Sasuke wieder den Mund zu, den er geöffnet hatte. Eine Antwort wollte ihm darauf nicht einfallen. Er hatte Recht. Es kotzte Sasuke an. Undzwar gewaltig! Am liebsten hätte er Naruto angegriffen und sich mit ihm auf dem Waldboden geprügelt, aber das funktionierte ja leider nicht. Stattdessen tsete er nur und drehte frustriert den Kopf weg. „Tses mich nicht an! Du weißt, dass ich recht habe!“, meckerte Naruto weiter und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust. „Teme!“, grummelte er unter seinem Atem. „Dobe!“, fauchte Sasuke leise zurück. So wurde es erneut still zwischen ihnen. Jeder kochte innerlich vor sich hin. Lautlos flog eine Eule über ihnen hinweg und die Grillen sangen ihr Lied. … Dann vernahm Sasuke plötzlich ein Kichern hinter sich und drehte sich stirnrunzelnd um. Dort saß Naruto, der versuchte sich erfolglos ein Lachen zu verkneifen. Er hatte sich schon vornüber gebeugt, sodass ihm seine Haare ins Gesicht fielen und biss sich auf die Lippen. Der Ärger, den Sasuke noch vor wenigen Sekunden im Bauch hatte, verschwand nun zunehmend. Zurück blieb ein völlig unschlüssiger Schwarzhaariger, der seinen Gegenüber mit immer größerer Verwunderung ansah. Das Fragezeichen rotierte schon fast sichtbar über seinem Kopf. „Was ist denn so witzig?“, fragte er schließlich. Und Naruto brach in Lachen aus. „Weißt du eigentlich wie sich das für andere angehört haben muss?! Ein Junge, der mitten im Wald einen Baum anbrüllt! Gott, muss das scheiße ausgesehen haben!“, japste Naruto zwischen einigen Lachern hervor und lag bald, sich den Bauch haltend, lachend auf dem Rücken. Verdattert sah ihn Sasuke an. „D-dafür gebe ich DIR die Schuld!“, erwiderte er etwas angesäuert und beschämt. Dennoch zuckten auch seine Mundwinkel. Er wusste nicht, wann er sich das letzte Mal so unerzogen, so laut, so … kindisch verhalten hatte. Aber es hatte gut getan, seinen Frust rauszuschreien. Auch wenn man ihn nun für etwas seltsam abstempelte, sollte ihn jemand gehört haben. Er bereute nichts davon. Geschlagen ließ er seinen Kopf hängen und lachte kurz auf. Nach einem kurzen Moment legte dann auch er sich auf ins Laub neben den immer noch kichernden Blonden und atmete tief durch. Ein zögerliches Lächeln zierte sein Gesicht. In diesem einen Moment fühlte er etwas, das er bisher nicht kannte. Er fühlte sich frei. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so gelacht habe“, kicherte plötzlich Naruto neben ihm. „Oder so gebrüllt! Sasuke, du bist ein schlechter Einfluss!“. Und wieder lachte er, doch Sasuke schnaubte nur einmal amüsiert. „ICH bin der schlechte Einfluss? WER hat mir denn vor nicht mal 5 Minuten geraten eine Meuterei in meiner Familie anzuzetteln?“, parierte er mit einem Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue. „Meuterei! Das ist gut! Ich bin doch kein Pirat!“, grinste ihn der Blonde an und richtete seinen Blick dann wieder gen Himmel. Gemeinsam sahen sie sich den Sichelmond an und lauschten dem Nachtleben des Waldes. Jeder hatte ein Lächeln auf den Lippen. „Mal ehrlich Sasuke“, setzte Naruto bald in einem sehr ruhigen und leichten Ton an. „Ich habe nicht gesagt, dass du dich mit deiner Familie entzweien sollst. Du bist erst 12! Aber schluck‘ nicht alles herunter und akzeptiere es ohne zu kämpfen. Du darfst das und du solltest das sogar! Wenn du nicht für dein Leben einstehst, macht es keiner.“ „… und wenn sie sagen, dass ich mich in meinem Weg irre?“, fragte Sasuke nach einigen Augenblicken leise nach. Naruto atmete tief ein und langsam wieder aus. Seine Augen schlossen sich und ein Lächeln zierte sein Gesicht. Kleine Lachgrübchen waren zu sehen. Dann murmelte er seine Antwort darauf. So leise, ruhig und voller Zuversicht, dass es sich in Sasukes Kopf eingrub. „Eines der dümmsten Dinge, die du dir antun kannst, ist auf das Geschwätz anderer Menschen zu hören und irgendwann ihrer Meinung mehr Beachtung zu schenken als deiner eigenen.“ Sasuke dachte noch die restliche Nacht darüber nach. ~ ^__^ ~ In den darauffolgenden Wochen wurde die Sonne immer rarer und die Tage zusehends kürzer. Die Blätter verfärbten sich golden, rot und braun und segelten einem nach dem anderen zu Boden. Schon bald ragten dem Vollmond nackte Äste entgegen und Dampfwölkchen bildeten sich vor den Mündern der Menschen. Auch an so einem Abend trafen sich die beiden Jungen. Eingepackt in eine warme Herbstjacke und bereits mit Schal und warmen Schuhen ausgestattet, stiefelte Sasuke den vertrauten Pfad entlang und traf bald in der Lichtung ein. Naruto wartete bereits auf ihn und begrüßte ihn mit seinem charakteristisch breiten Grinsen. Doch dieses Mal schien ein Schleier darüber zu hängen. Sasuke zog die Augenbrauen herunter und die Stirn kraus. Irgendwas stimmte nicht. Langsam bahnte er sich seinen Weg zu seinem angestammten Platz auf dem Baumstamm und schloss beim Vorbeigehen an der Ruine kurz die Augen und nickte. Er hatte im Laufe der Zeit neuen Respekt davor gewonnen. Als er schließlich neben dem Blonden saß, betrachtete er ihn eine Weile. Eine Augenbraue wurde in die Höhe gezogen. Sein Blick schwankte nicht. Naruto sollte reden und das wusste er. Schief lächelte dieser und sah dann zu seinen transzendenten Händen herab. „Ha ~~… ich weiß gar nicht genau wie ich das erklären soll. Es sieht wohl so aus, als müsste ich demnächst gehen.“ Sasuke zog die Augenbrauen zusammen. „Gehen? Ich dachte, du bist an diesen Ort gebunden. Wohin willst du denn?“ „Es hat weniger mit wollen zu tun. Es ist eher so, als ob mich etwas zieht.“, versuchte er zu erklären und rieb sich wie aufs Stichwort das Brustbein. „Es ist als würde mich irgendetwas rufen und mich langsam aber sicher von hier wegziehen.“ „Was? Was soll das heißen? Verschwindest du dann ganz?!“, fragte Sasuke und spürte wie leichte Panik in ihm aufstieg. Er wollte nicht, dass Naruto verschwand! Er sollte hier bleiben! Genau hier, wo er ihn immer finden konnte und mit ihm sprechen konnte und albern sein konnte und…ihn einfach sehen konnte. Naruto zuckte seine Schultern. „Keine Ahnung, aber…ich glaube nicht, dass ich verschwinden werde. Ich glaube eher ich werde…wiedergeboren? Oder sowas in der Art.“ Noch immer lächelte der Blonde, doch Sasuke sah ihm an, dass er selbst nicht überzeugt davon zu sein schien. Er war definitiv nicht begeistert. „Woher willst du das wissen?“ „Das hat mir mal ein anderer Geist erzählt. Das ist Ewigkeiten her. Er meinte, dass alles in einem Kreislauf steht und wir zum ‚richtigen Zeitpunkt‘ wieder Teil dieses Kreislaufs werden. Ich habe mich damals mit ihm lange unterhalten, aber viel mehr wusste er auch nicht.“, erzählte Naruto und rieb sich wieder unbewusst die Brust. „Richtiger Zeitpunkt? Was soll das sein? Was soll das überhaupt heißen? Wirst du dann wiedergeboren und weißt nicht mehr, wer du mal warst?“ „Kann sein? Keine Ahnung oder erinnerst du dich daran wiedergeboren worden zu sein?“, erwiderte Naruto. Sasuke biss sich auf die Zunge. Was sollte er tun um das zu verhindern? Er hatte das Gefühl, als würde die Erde unter ihm drohen aufzureißen und er stand auf wackeligen Beinen darüber und konnte nur hilflos zusehen, bis er in die Tiefe stürzte. Naruto betrachtete den Schwarzhaarigen genau und atmete schwer auf. „Ich glaube nicht, dass ich dich vergessen werde.“ „Das kannst du nicht wissen.“ „Stimmt, aber ich habe keinen Bock mich fremdsteuern zu lassen.“, erwidere Naruto und zog die Lippen spitz. Sasuke schnaubte auf. Das war klar, dass das kommen würde. „Warum gerade jetzt? Du warst so lange hier…warum gerade jetzt?“, fragte er leise in den Wind. Er wollte nicht loslassen müssen. Und er wollte keinen Abschied. „Ich glaube daran bist du schuld“, erwiderte Naruto amüsiert und Sasuke sah ihn irritiert an. „Was?“ „Na… es stimmt, dass ich schon sehr lange hier bin, aber ich war nie so …glücklich wie jetzt. Ich glaube, das liegt an dir. Vielleicht ist das ja dieser ‚richtige Moment‘, von dem dieser andere Geist mir damals erzählt hat. Und wenn das stimmt,“ und hier drehte sich Naruto grinsend zu Sasuke um, „dann werden wir uns definitiv wieder sehen!“ Nachdenklich sah der Schwarzhaarige den Blonden an. Er wünschte, er könnte ihm glauben, dann würde er sich in diesem Moment nicht so elend fühlen. Aber die Angst, ihn schon bald nie wieder zu sehen, traf ihn härter, als er je gedacht hätte. Allein, dass er Angst hatte, war etwas Neues. Denn er war ein Uchiha und die hatten keine Angst. Wehmütig richtete Sasuke seinen Blick auf den Boden. Sein Herz zog sich zusammen. Er musste sich am Riemen reißen. Es musste irgendetwas geben, dass er tun konnte! Und wenn Naruto Recht hatte und sie sich in seinem neuen Leben wieder sehen würden? Wäre es dann so wie jetzt? Würde sich Naruto noch an ihn erinnern? Und würde Sasuke ihn überhaupt erkennen? Tausend Fragen schwirrten in seinem Kopf und verlangten nach einer Antwort. Gestresst presste Sasuke seine Lippen aufeinander. Sie bildeten eine schmale Linie. Für ihn unbemerkt beobachtete ihn Naruto und lächelte etwas wehmütig. Er sah zum zerfallenen Haus und wusste, dass er es bald nicht mehr sehen würde. Er wusste nicht, wohin er käme, aber er wusste, dass es nicht schlimm werden würde. Wenn er das nur auch Sasuke klar machen könnte. Aber auch ihn schmerzte der Gedanke an einen Abschied. Nachdenklich wanderte sein Blick zu einer großen Sicheltanne. Dann hatte er eine Idee. Entschlossen drehte er sich zu Sasuke um. „Sasuke, du musst etwas für mich machen!“ Der Angesprochene zuckte merklich zusammen. Er war völlig in seine Welt abgedriftet. „Was denn?“, fragte er holprig und Naruto zeigte voller Elan auf sein Grab. „Geh mal da hin und schein mit deiner Taschenlampe drauf.“ Sasuke verstand zwar nicht, was Naruto vorhatte, doch als er sich zur besagten Tanne umdrehte, musste er schwer schlucken. Da war Narutos Grab. Bisher hatte Sasuke es nicht gewagt dort hinzugehen und es sich genauer anzusehen. Doch nun sollte er genau das tun. Etwas nervös stand er auf und lief vorsichtig hin. Mit jedem Schritt schwand auch die nächtliche Geräuschkulisse um ihn herum, bis er schließlich in völlige Stille getaucht wurde. „Schein mal da hin!“, hörte er plötzlich direkt neben sich. Vor Schreck sprang Sasuke zur Seite und riss die Taschenlampe herum. Sein Herz schlug ihm schmerzhaft bis zum Hals. Im Schein des künstlichen Lichts sah er Narutos durchscheinende Gestalt, die ein paar Zentimeter über dem Boden schwebte und ihn belustigt ansah. „Hör auf damit!“ „Nee, dafür mag ich die Reaktion zu sehr!“, lachte ihn der Blonde frech an. „Hab doch keinen Schiss. Ich beiße nicht… oder besser gesagt er beißt nicht mehr.“, sagte er und zeigte mit dem Finger zu Boden. Zögerlich schwang der Schwarzhaarige das Licht in dieselbe Richtung. Zum Vorschein kam ein Gewirr aus Wurzeln, Laub vieler Jahre, Pilzen, Kletterpflanzen und einigen Knochen. Wie eingebettet lag in einer Wurzelgabelung ein Schädel, dessen leere Augenhöhlen zum Mond zu starren schienen. Der Kiefer stand offen und zeigte eine Reihe von kleinen Zähnen. Ein Teil der Wirbelsäule samt Rippen, sowie ein Arm und die Schultern waren zu sehen. Einige Knochen waren gebrochen, die meisten gelbbraun angelaufen und alle zeigten deutliche Witterungsspuren und Tierfraß. Der Rest befand sich unter einer Schicht Erde oder war nicht mehr zu finden. Mutter Natur war fleißig dabei auch dieses Skelett vollständig in sich aufzunehmen. „Hmm… also lebend sah ich besser aus.“, murmelte Naruto plötzlich. Dieses Mal stand er direkt neben Sasuke und hatte seine Arme hinter seinem Rücken verschränkt. Nervös und auch etwas skeptisch sah er ihn an. „Ey, zweifelst du mich etwa an?!“. Sasuke hob nur eine Augenbraue. „Mach weiter so und ich zeige dir gar nichts mehr!“, entgegnete Naruto entrüstet und schob schmollend die Unterlippe vor. Sasuke bemühte sich ein Grinsen zu verkneifen. Irgendwie fühlte er sich unwohl in Anwesenheit eines Skeletts zu grinsen. „Was genau soll ich jetzt eigentlich machen?“ Im nächsten Moment war Naruto verschwunden und erschien kniend neben dem Schädel wieder. Er besah ihn sich aus verschiedenen Winkeln und zeigte schließlich mit dem Finger auf eine Stelle am Hals. Der Schädel war vorgerutscht und verdeckte ihn teilweise. „Siehst du das hier?“ Tief atmete Sasuke ein und beugte sich dann vor. Das Licht der Lampe zitterte etwas und brachte eine dünne Kette zum Vorschein. „Du meinst das hier?“, fragte er vorsichtig nach. Er war einem Toten noch nie so nahe gekommen. „Jup, nimm sie mir bitte ab.“ Sofort schwang Sasukes Kopf zum Geist. „Spinnst du?! Das ist Grabraub und Leichenschändung!“ Naruto prustete lediglich auf. „Hallo? Ich hocke direkt neben dir und gebe dir die ausdrückliche Erlaubnis dazu. Oder hast du etwa Angst?“, grinste er den Schwarzhaarigen an. Er wusste welche Knöpfe er zu drücken hatte um Sasuke anzustacheln. Und er sollte Recht behalten. Kaum verließen die Worte seinen Mund, trat auf das Gesicht des jungen Uchihas ein trotziger Ausdruck. Er tseste ihn an und straffte dann seine Schultern. Zuerst zögerlich, dann immer bestimmter ertastete er die feine Kette und versuchte sie unter dem Unterkiefer hervorzuziehen. Doch sie klemmte fest und so musste er die Taschenlampe ablegen und mit beiden Händen den Schädel anheben. Auf seinen Unterarmen bildete sich eine Gänsehaut und sein Magen fühlte sich etwas flau an. Als es beim Anheben plötzlich knackste und der Unterkiefer vom Schädel herunter fiel, erstarrte Sasuke in seiner Bewegung und sah mit Augen so große wie Untertassen auf die Knochen in seinen Händen. Naruto beobachtete das alles amüsiert. „Mach dir nicht ins Höschen. Du kannst mir nicht wehtun. Schon vergessen? Geist und so.“, sagte er und wedelte mit seiner Hand durch den Schädel in den Händen des Schwarzhaarigen. Dieser sah ihn genervt an. „Du hast leicht reden!“ Belustigt lachte der Blonde auf. „Du hast es gleich geschafft.“, versuchte er ihn zu ermutigen. Schwer schluckte er und legte den Schädel vorsichtig auf einer Wurzel ab. Dann besah er sich die Halswirbel. Dort, etwas verknotet und rotbraun angelaufen lag eine dünne Kette mit einem ovalen Anhänger daran. Es sah aus wie ein Medaillon. Bedächtig nahm er den Anhänger in eine Hand und löste nach und nach die gerosteten und steifen Glieder der Kette von den Knochen und dem Wurzelwerk. Erde klebte daran und dennoch konnte man erkennen, dass es damals ein kleines Kunstwerk gewesen sein musste. Man konnte es sogar öffnen. Das Scharnier war etwas eingerostet, aber der Künstler hatte damals reife Arbeit geleistet. Es gab ein leises Quietschen von sich und offenbarte in seinem Inneren ein paar Locken feuerroter Haare. Eigentlich hätten sie schon längst verrottet sein müssen, aber sowohl das Medaillon als auch der Baum müssen sie vor den schlimmsten Einflüssen geschützt haben. Stirnrunzelnd besah sich Sasuke dieses kleine Objekt in seinen Händen und überlegte, warum Naruto ihm das gezeigt hatte. „Das ist von meiner Mutter. Die Haare auch.“, murmelte der Blonde wie aufs Stichwort. Überrascht sah der Schwarzhaarige auf. Das Kinn auf einer Hand abgestützt, hockte Naruto auf einer starken hervorstehenden Wurzel und betrachtete sich die im Schein der Taschenlampe leuchtenden Haare. Es war lange her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Über ein Jahrhundert. Sasuke blieb stumm. Er hatte das Gefühl diesen Moment nicht stören zu dürfen. Nach einigen Sekunden räusperte sich Naruto, atmete auf und sah dann Sasuke lächelnd an. „Behalte sie.“ „Was?“. Der junge Uchiha war mehr als nur überrascht. „Oder besser gesagt, bewahre sie für mich auf!“, grinste ihn der Blonde an. Sasuke verstand immer noch nicht. Was genau sollte er jetzt tun und warum grinste ihn Naruto mit diesem Glitzern in den Augen an? „Pass auf Teme“, begann er und beobachtete mit einer Genugtuung wie eine Augenbraue seines Freundes zuckte. Es machte einfach zu viel Spaß ihn zu triezen. „Es sieht vielleicht nicht mehr besonders schön aus, aber mir bedeutet es viel. Und da ich es nicht mitnehmen kann, geschweige denn anfassen, gebe ich es dir. Lass es dein Talisman sein, der dich immer daran erinnert in DEINEM Leben den Weg zu gehen, den DU für richtig hältst. Und wenn wir uns wiedersehen, gibst du es mir wieder. Also pass gut darauf auf!“, grinste er den Schwarzhaarigen breit an. Sasuke starrte ihn eine Weile an und schluckte dann schwer. „D-das hört sich …ekelhaft schnulzig an.“ Dennoch konnte er sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. „Pff! Vielleicht, ABER irgendjemand muss dir doch den Kopf immer wieder gerade rücken! Und wenn ich es nicht kann, wird dich dieses Ding hier daran erinnern.“, erwiderte Naruto verschmitzt. „Du weißt schon… dass das ein Versprechen ist? Dass du wieder kommst.“ „Sasuke, ich bin-- war vielleicht blond, aber ich bin nicht blöd. Klar, weiß ich das!“, schnaubte Naruto. „Aber dafür will ich auch etwas!“ Interessiert sah Sasuke auf. Was sollte das wohl sein? „Wenn wir uns wiedersehen, werde ich dich fragen, was du alles gemacht hast und du solltest zusehen, dass du mir eine MENGE zu erzählen hast. Aber wenn du mir lauter Schwachsinn erzählst, werde ich dir in den Hintern treten! Und du weißt, ich werde das dann können und auch machen!“ Verdutzt sah Sasuke in Narutos frech grinsendes Gesicht, das ihn für einen Moment ernst anschaute. Dann schlich sich langsam ein Lächeln in seine Mundwinkel und er begann zu kichern. „Abgemacht.“ Zufrieden nickte der Blonde und stimmte ins Lachen seines einzigen Freundes ein. Sie sollten sich noch zwei Mal treffen, bis Sasuke eines Abends in die Lichtung trat und niemand mehr auf ihn wartete und lächelnd begrüßte. In dieser Nacht im frühen Winter, saß Sasuke für Stunden alleine auf dem Baumstamm und schaute einsam zum Mond und tausenden von Sternen empor. Ein kleines, verrostetes Stück Metall in seiner Hand war sein einziger Begleiter. Die ganze Zeit hatte er sich zusammen gerissen. Doch nun ließ er es zu. Im Angesicht der Nacht fiel im Mondschein eine einzelne Träne. Es sollte für lange Zeit die letzte sein. ~ ^__^ ~ Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit, blühte nicht nur die Natur auf, sondern auch die Menschen wurden zunehmend munterer. Die Sonnenbrillen wurden geputzt, die leichteren Jacken wieder hervorgekramt und in den Cafés der Stadt tummelten sich die Menschen auf den Bänken und Stühlen und genossen im Sonnenschein sitzend und in Kuscheldecken gewickelt ihre heißen Getränke. Sasuke war da anders. Er bevorzugte es abgeschieden vom Trubel der Außenwelt in dem nun ruhigeren Lokalinneren seinen Kaffee zu trinken und ein Buch zu lesen. 18 Jahre waren nun verstrichen und aus dem einstigen Jungen war ein Mann geworden. In einigen Monaten würde er seinen 30. Geburtstag feiern, aber das kümmerte den Schwarzhaarigen wenig. Mit seinem Schulabschluss zog er von zu Hause aus und schrieb sich an einer Universität ein. Jedoch nicht in Jura, wie es sein Vater gewollt hatte, sondern in Literaturwissenschaften. Die japanische Kultur und Literatur hatte ihn schon immer interessiert und so beschloss er dem Ganzen eine Chance zu geben. Nun gehörte er als aufstrebender Wissenschaftler der Geisteswissenschaften und angehender Jungprofessor der Universität Tokio in Bunkyo zum großen Stolz der Fakultät. Spätestens zu diesem Zeitpunkt söhnte er sich auch mit seiner Familie aus und insbesondere sein Vater vermied seitdem jegliche Art von Kritik. Sasukes Mutter musste in dem Ganzen wohl nach Jahren des Zwists ein Machtwort gesprochen haben. Das einzige, was jedoch auch seiner geliebten Mutter missfiel und ihr unverständlich blieb, war sein Beziehungsstatus. Zwar hatte er im Laufe der Jahre immer wieder Beziehungen, doch keine von ihnen hielt sonderlich lange und auf eine Ehe hatte er sich nie einlassen wollen. So kam es nun, dass er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte an den Wochenenden Spaziergänge zu unternehmen und sich danach in ein Café zu setzen und in Ruhe zu lesen. Zu Hause erwartete ihn sowieso niemand. Doch dieses Mal sollte es etwas anders laufen als gewohnt. An diesem Tag setzte sich nämlich jemand zu ihm an den Tisch. Das war an und für sich nun nichts Ungewöhnliches. Es kam tatsächlich öfter vor, dass sich andere Gäste, insbesondere weibliche Gäste, zu ihm setzten, in der Hoffnung er würde ein Gespräch mit ihnen anfangen. Doch Sasuke war stets unverschämt gut darin sie allesamt zu ignorieren, sodass schon bald jede Unglückliche beleidigt davon zog. Bei dieser jungen Frau, war das jedoch anders. In dem Moment, in dem sie sich mit ihrem Getränk still an Sasukes Tisch setzte, beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Er blickte nicht auf und die junge Frau begann bald selbst in ihrer Zeitschrift zu blättern, wobei sie ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen trug. In Sasuke jedoch wurde mit jeder Minute aus dem eigenartigen Gefühl eine innere Unruhe, die ihn schon bald nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschen ließ. Kurze Zeit später sah er sich bereits nicht mehr im Stande sich diesem Druck länger zu widersetzten, gab zögerlich nach und schielte aus den Augenwinkeln und über den Rand seines Buches hinweg zu seiner Tischnachbarin. Die junge Frau, die vor ihm saß und ihre Zeitschrift anlächelte, hatte langes, blondes Haar, das sie auf einer Seite etwas hochgesteckt hatte und eine leichte sonnengeküsste Haut. Sasuke erstarrt für einen Augenblick und ihm war, als kenne er dieses Mädchen, doch egal wie lange er in seinem Kopf grub, ihm wollte nicht einfallen, woher. Als hätte die junge Blondine seinen Blick gespürt, verzog sich ihr kleines Lächeln langsam zu einem verkniffenen Grinsen und Lachgrübchen zierten ihre vollen Wangen. Etwas regte sich in den Tiefen von Sasukes Gehirn und sein Herz begann unversehens schneller zu schlagen. Als sie schließlich ihre himmelblauen Augen auf ihn richtete und ihn verschmitzt angrinste, fiel es Sasuke wie Schuppen von den Augen. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, ließ er sein Buch sinken und starrte sie mit einem leicht offen stehenden Mund an. Die Blondine ließ ebenfalls ihre Zeitschrift sinken und faltete ihre Hände auf dem Magazin elegant übereinander. Auf seinen verdutzten Gesichtsausdruck, kicherte sie mit aufeinander gepressten Lippen und legte mit blitzenden Augen ihren Kopf etwas schief. „Ich glaube, du hast etwas, das mir gehört.“, vernahm Sasuke nach einem kurzen Moment ihre melodische Stimme und schreckte kurz auf. Blinzelnd schaute er sie an und beobachtete wie sich ihr Lächeln zu einem immer größeren werdenden, amüsierten Grinsen verzog. Ihr Gesicht schien ihn anzustrahlen und Sasukes Mund wurde trocken. Langsam griff er sich an den Kragen seines Hemds und löste die ersten beiden Knöpfe. Dann zog er eine lange Kette zum Vorschein, an deren Ende ein kleines, goldfarbenes Medaillon hing. Die Kette von damals war nicht mehr zu retten gewesen, aber den Anhänger hatte er aufwendig reparieren lassen. Seitdem trug er es seit Jahren stets an einer neuen langen Kette um seinen Hals. In der Mittagssonne blitzte und glänzte es und als er es ihr hinhielt, griff sie nach dem Medaillon und ließ das warme Stück Metall in ihrer Handfläche ruhen. Mit einem liebevollen Gesichtsausdruck, schloss sie ihre langen, dünnen Finger um das kleine Objekt und lächelte Sasuke an. Dieser erwiderte ihr Lächeln. Es war seit Jahren das erste aufrichtige. Sein Herz fühlte sich warm an. „Danke Sasuke.“, vernahm er ihre warme Stimme und eine leichte Gänsehaut durchfuhr seinen Körper. Mit grazilen Fingern löste sie den Verschluss der Kette und legte sie sich um ihren schlanken Hals. Mit lachenden Augen sah sie ihn an und kurz betrachteten sie sich gegenseitig intensiv. Die Außenwelt existierte in diesem Moment nicht mehr. „Und nun erzähl mal Sasuke, was hast du in den letzten 18 Jahren so alles ohne mich getrieben?“, fügte sie schließlich mit einem schelmischen Grinsen und Lachgrübchen in den Wangen hinzu und lehnte sich mit ihrer heißen Schokolade in ihren Stuhl zurück. „Und du wirst mir auch nicht in den Hintern treten?“, fragte Sasuke mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Die Blondine brach in schallendes Gelächter aus, so dass sich die Köpfe sämtlicher Café-Gäste zu ihr herumdrehten. So saßen sie und redeten stundenlang miteinander, bis der Himmel rosarot wurde, die Sonne langsam hinter den Hochhäusern und Bergen verschwand und ein hell scheinender Vollmond ihren Platz am Himmel einnahm. ~ ^__^ ~ ~ ^__^ ~ ~ ^__^ ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)