Ratschläge einer Therapeutin von Lunatik (..."Was soll das?!") ================================================================================ Kapitel 3: Ein verwirrter Seto ------------------------------ Seto blickte von dem Bildschirm seines Computers auf, als die Tür zu seinem Büro aufging. Die ersten wütenden Worte formten in seinen Gedanken und brannten auf der Zunge, doch wurden vor dem Schock erstickt, als er erkannte wer da hinein stolzierte. Ein gelassenes Selbstbewusstsein ausstrahlend, das seinem eigenen Konkurrenz machte, marschierte ein weißhaariger Mann mit einer Kreuznarbe auf seiner rechten Wange auf ihn zu. Seto schluckte und suchte in seinem Gedächtnis nach dem Namen. „Bakura“, sagte er schließlich. Sofort blieb der Mann stehen und bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. „Nein. Kura. Bakura ist der böse Geist.“ Seto nickte automatisch, überrumpelt von der Stimme, die er zum ersten Mal hörte. Sie klang weniger tief, als er es erwartet hatte. Doch trotzdem rau und harsch.   Nun, ‚böse‘ war wohl eine Definitionssache. Er erinnerte sich an seine einzige Begegnung mit diesem Kura, als Ryou die gefälschten Ausweise abholen gekommen war – mit der ganzen Horde im Schlepptau. Da hatte dieser Kura ohne Vorwarnung einen gläsernen Aschenbecher an die Wand geworfen. Seto hatte dem Aschenbecher nicht nachgeweint, war nur ein unnötiges Geschenk eines Firmenpartners gewesen, aber das Bild dieser völlig grundlosen Attacke gegen sein Eigentum brannte immer noch in seinem Gedächtnis.   Kura starrte ihn nun unverwandt an, als würde er auf etwas warten. Seto gewann seine Gelassenheit wieder und fragte ihn in einem kühlen Ton: „Was willst du hier?“ Höflichkeit sparte er sich für Anlässe auf, die es auch Wert waren. Nicht für ungebetene Eindringlinge. Ein Grinsen legte sich auf Kuras Lippen. „Ich soll Sport machen und Sex haben. Da du auch schwul bist, dachte ich, es lohnt sich dich zu fragen, wo ich letzteres legal auftreiben kann.“ Seto hatte eine sehr gute Selbstbeherrschung, was ihn vor der Blamage rettete auf die Aussage hin die Kinnlade herunter hängen zu lassen oder die Augen zu weiten. Stattdessen bedachte er Kura mit einem stechenden Blick, der schon viele andere vor ihm in die Flucht geschlagen hatte, und sah dann zur offenen Tür. Nicht mal so viel Anstand hatte der Mann. Er sah die Sekretärin, die neugierig hineinlinste. Doch als sie seinen Blick auf sich fing, vergrub sie sich sogleich hinter ihren eigenen Bildschirm. Genauso sollte der Blick ja auch funktionieren. Kura zeigte sich jedoch völlig unbeeindruckt. Zumindest schritt er aber zur Tür, um diese zu schließen. Für eine kurze Sekunde hatte Seto gehofft, er würde einfach gehen. Doch er schmiss diesen Gedanken sofort weg, als der Weißhaarige sich wieder ihm zuwandte. Der Firmenchef lehnte sich in seinem Stuhl zurück in einer seiner gut eingeübten ‚Ich-bin-hier-der-Boss‘-Posen. „Zuallererst, wie bist du hier rein gekommen?“   Seto hatte ganze drei Sekunden lang mit sich selbst debattiert, ob er die Frage stellen wollte. Schließlich wäre sie der Beweis, dass er es nicht wusste, was dem Zugeben einer Schwäche gleichkam. Doch die Tatsache, dass Kura einfach so in sein Büro herein marschiert war, wo er doch schon am Empfang im Erdgeschoss hätte scheitern müssen, offenbarte Seto eine mögliche Lücke in seinem Sicherheitssystem. Was eine viel größere Gefahr darstellte.   Kura nickte, als wäre dies eine Verhandlung und er den Preis akzeptieren würde. „Für mich gibt es keine verschlossenen Türen. Ich habe besondere Talente.“ Was keine Antwort war. „Aber dein Gebäude ist gut gesichert. Ich denke, außer mir würde hier niemand so einfach rein kommen können.“ Dir und dem blöden Hund, schoss es Seto durch den Kopf. Er ignorierte den Gedanken und konzentrierte sich auf sein Gegenüber. Kura stand einen Meter entfernt vom Tisch. Seine Arme hingen lässig an den Seiten. Doch sie sahen nicht nutzlos dabei aus, als würde er nicht wissen wohin damit, sondern sie zeigten Stil und Sicherheit. Das war jemand, der eine gute Körperbeherrschung hatte. Seto verspürte für einen Augenblick Anerkennen. Wenn der andere sich doch nun auch gewählter ausdrücken würde. Ein angebrachtes Verhalten wäre auch begrüßenswert.   Als hätte er Setos Gedanken gelesen, setzte sich Kura mit einem leicht amüsierten Lächeln auf den Stuhl gegenüber dem Brünetten und unterbreitete ihm einen Vorschlag. „Ich kann dir helfen die Lücken in der Sicherheit hier“ – er machte eine Geste, die wohl auf den Raum oder auch das ganze Gebäude deuten sollte – „zu finden und dein System zu verbessern.“ Seto wartete auf die Weiterführung, während er innerlich die Empörung bekämpfte. Sein System war tadellos! Oder auch nicht, wie man an dem Eindringling sieht, erinnerte ihn seine Vernunft sogleich.   Kura schwieg ihn an, während dessen Mundwinkel weiterhin dezent nach oben gezogen waren, um eine Spur Erheiterung zu zeigen. Genau die richtige Mischung aus Spott und Ernst, so dass es nicht wie eine Beleidigung wirkte, aber die Überlegenheit Kuras zeigte. Außerdem versuchte er nicht seine Forderungen durchzupressen, was der häufigste Fehler unerfahrener Verhandlungspartner war. Stattdessen wartete er die Reaktion Setos auf das Angebot ab. Seto ließ es zu, dass seine Augenbraue sich nach oben bewegte – schließlich war dies auch angebracht für die Situation – als ihm klar wurde, dass dies tatsächlich eine Verhandlung war und sein Gegenüber gewiss kein ungeübter Jüngling.   „Das wäre eine willkommene Geste“, antwortete er schließlich in einem gewählt kühlen Ton. Er wusste, dass seine Stimmlage das gleiche Image projizierte wie Kuras Lächeln. Sie beide schwiegen in einem stillen Duell darüber, wer die Oberhand gewinnen würde. Würde Seto zuerst sprechen, so würde er zugeben, dass ihm das Angebot tatsächlich gefiel. Würde Kura reden, so würde er die Dringlichkeit seines Begehrens offenbaren. Einige Momente verstrichen, während sie ihren Starrwettbewerb ausfochten. Schließlich war es Kura, der weitersprach. „Ich möchte Kontakte zu potenziellen sexuellen Partnern oder wahlweise die Kontakte von Locations, an denen ich diese Partner selbstständig kennenlernen kann. Gleichzeitig bin ich an einer Empfehlung für eine Örtlichkeit für andere sportliche Aktivitäten interessiert.“   Das war keine Niederlage, sondern ein taktischer Rückzug gewesen, realisierte Seto schnell, was ihm die Freude über seinen Sieg kostete. Es war in Kuras Interesse Seto die Zügel in die Hand zu reichen. Erstmal. Er nickte und öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches. Es dauerte nicht lange, bis er einige Flyer und Karten herausholte und diese auf dem Tisch ausbreitete. „Dies ist ein gutes Sportstudio zum Trainieren. Sie haben einen großen Geräteraum, eine Anlage mit Boxsäcken, einen Boxring, ein traditionelles Zimmer mit Tatamimatten für asiatische Kampfsportarten, eine große Auswahl an Sportgruppen, viele private Trainingsräume und Trainer. Es ist ein großer Komplex am Rande der Stadt. Dazu gehört auch ein Thermalbad. Es ist ein geschlossener Club für Mitglieder. Größtenteils für Damen und Herren aus der oberen Schicht der Gesellschaft. Doch ich gebe dir diese Karte mit. Dies fungiert als meine persönliche Empfehlung. Ich habe eine Mitgliedschaft, die es mir erlaubt Gäste völlig ohne zusätzliche Kosten einzuladen.“ Kura hörte während der Erklärung aufmerksam zu und nahm die Karte und die Broschüre nickend entgegen. „Dies hier wiederrum ist ein Sportstudio für andere Aktivitäten.“ Seto betonte das Wort, während er auf einen anderen Flyer mit seinem Finger tippte. Auf diesem dominierten die Farbe hellblau im Hintergrund und ein grelles Neongrün beim Schriftzug. „Das ist ein Studio ausschließlich für Männer. Einige gehen wirklich zum Trainieren hin, auch wenn die Anlagen eher spärlich sind. Die meisten Besucher halten Ausschau nach Partnern aus. Am häufigsten wird zwangsloser Geschlechtsverkehr erwünscht, manchmal direkt in der großen Sauna vor Ort. In seltenen Fällen trifft man dort auch auf Suchende nach etwas Längerfristigem.“ Seto reichte den Flyer weiter und widmete sich dem Stapel freier Eintrittskarten, der noch übrig blieb. „Dies sind alles Nachtclubs oder Bars. Sie unterscheiden sich alle in Atmosphäre und Klientel. Da ist alles von schrillen Discos bis ruhigen Männergesellschaften dabei. Es ist sinnvoll, sie auszuprobieren, bis du die für dich geeignete Umgebung findest. Dies sind alles Freikarten, mit denen du ebenfalls kostenfrei eintreten kannst.“   Vor nur zehn Minuten, hätte Seto die Hälfte der Lokalitäten nicht einmal erwähnt vor dem Weißhaarigen. Doch die Verhandlung hatte ihn überzeugt, dass der junge Mann einen Sinn für Stil und Benehmen hatte, der ihm die Türen der exklusiveren Clubs und Bars öffnete. Die Erinnerung an den Wutausbruch vor einigen Monaten verblasste langsam und wurde von der frischen Erfahrung mit dem Geschäftsmann vor ihm ersetzt. „Ich danke für diese ausführliche Auskunft.“ Kura nickte ein weiteres Mal und inzwischen war auch der amüsierte Gesichtsausdruck einer entspannten Gelassenheit gewichen. „Wann soll ich wegen dem Sicherheitssystem kommen?“ Seto warf einen kurzen Blick auf den Kalender – eher aus Gewohnheit, schließlich hatte er seinen Terminplan vollständig in seinem Gedächtnis eingeprägt. Schließlich entschied er sich, dass seine Anwesenheit voraussichtlich nicht notwendig sein würde. Kura konnte das mit den Verantwortlichen direkt klären. „Was schätzt du, wie lange du brauchen wirst?“, fragte er während er die Liste der Zuständigen für Sicherheit im Kopf durchging. Kura überlegte kurz ehe er antwortete. „Ein bis zwei Tage für eine eingehende Analyse. Einige Tage für die genaue Identifizierung und Überprüfung der Lücken. Die Zeit für die Umsetzung der Ausbesserungen und allgemeinen Verbessrungen am System hängen von der Analyse ab.“ Seto tippte mit einem Finger leicht an sein Kinn, während er in seinen Gedanken den möglichen Zeitplan optimierte. „Ich denke es ist das Beste, wenn wir feste Arbeitstage für die nächsten drei Wochen einplanen. Ich werde dir den Koordinator für die Sicherheit zur Verfügung stellen. Gemeinsam könnt ihr die unterschiedlichen Abteilungen untersuchen. Danach reden wir weiter, sobald konkrete Pläne für die Umsetzung aufgestellt sind.“ Kura neigte zustimmend seinen Kopf. „Montag, Mittwoch und Donnerstag von zehn bis sechzehn Uhr halte ich für angebracht.“ „Das geht in Ordnung“, erwiderte Kura ohne zu überlegen. Seto drückte den Knopf am Telefon und gab seiner Sekretärin die entsprechenden Anweisungen. „Morgen ist Mittwoch, also erwarte ich dich zehn in meinem Büro. Dann werde ich dich Watari vorstellen, dem Koordinator.“ Beide erhoben sich und schüttelten sich die Hand. Kuras Handgriff war fest, während die Haut sich weich anfühlte, merkte Seto. Danach drehte sich Kura – mit all den Eintrittskarten, Flyern und Broschüren in den Händen – zur Tür. Doch eher hinaustreten konnte, gewann in Seto die Neugier den inneren Kampf, den diese schon während ihres Gesprächs in seinem Hinterkopf gegen die Vernunft geführt hatte. „Wie kommt dieser Sinneswandel zu Aktivität und Offenheit?“, fragte er in einem neutralen Ton. Er meinte sich vage daran zu erinnern, dass Katsuya irgendwas von Problemen im Haus der durchgeknallten Horde erzählt hatte. Er war sich sicher die Worte Apathie und Desinteresse waren darin vorgekommen. Kura schaute über seine Schulter zu Seto und ein spitzbübisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Ryou hat Bakura und mich zu einer Therapeutin geschickt. Wir hatten ein interessantes Gespräch und sie hat mir diese Arten von Stressabbau geraten. Ich fand die Empfehlung ansprechend, also heißt es jetzt schwitzen. Elise Kawasaki heißt die Frau.“ Mit den Worten verschwand Kura und schloss sogar die Tür hinter sich. Seto schüttelte missbilligend den Kopf. Kura war zum Ende hin wieder in ein lockeres Verhaltensmuster gefallen. Er war sogar ohne Abschiedsworte gegangen. Es war also eine Therapeutin, die Kura zu diesem – Seto suchte nach einem passenden Wort und gab es schließlich auf  – Wandel verholfen hatte. Hmmmm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)