Sturm & Drang von die-in-darkness ================================================================================ Kapitel 79: Erinnerungen ------------------------ Kapitel 79 ~~~~ Nach der Partynacht bei Tyson erwachten langsam die ersten Bladebreaker aus ihrem komatösen Zustand und krochen aus ihren Betten. Kenny, Ray und Max waren die ersten die sich in der Küche am Tisch einfanden. Dizzy war schon hellwach. Sie konnte sich einen Vortrag über den gestrigen Abend nicht verkneifen und wetterte was das Zeug hielt. Kenny fiel ein Brief auf der unter Dizzy lag. Er schaute nur ein kleines Stück hervor, sodass der fast übersehen wurde. „Was ist das für ein Umschlag, Dizzy?“, erkundigte sich der Brillenträger bei seiner elektronischen Freundin. Und auch die anderen zwei interessierten Gesichter wollten eine Antwort. „Der ist von Kai. Er hat ihn heute morgen hier gelassen.“, verkündete Dizzy und die Jungs waren urplötzlich hellwach. „Aber Kai sagte doch gestern, dass sein Flug erst am Mittag geht!“, sagte Max traurig. „Typisch Kai. Habt ihr was anderes erwartet? Er hat noch nie lange Abschiede gemocht.“, erinnerte Kenny seine Teamkameraden. „Ja...“, stimmte auch Ray zu und öffnete den Umschlag. „Dass er einen Brief schreibt, ist auch nicht gerade 'normal' für ihn.“, er faltete den Zettel auseinander. „Und was schreibt er?“, wollte Dizzy ungeduldig wissen. Sie hatte mitbekommen, dass er am Tisch neben ihr saß und diesen Brief schrieb. Doch antwortete er ihr auf keine Frage. Ray begann die ersten Zeilen zu lesen: Hey Leute, ich habe einen früheren Flieger nach Moskau genommen. Wenn ihr das also lest, weil ihr sicher erst vor dem Mittag aus dem Bett kommt, bin ich schon fast angekommen. Ihr wisst, dass ich es hasse mich zu verabschieden, deshalb der Brief. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Kai< „Mehr hat er nicht geschrieben?!“, überrascht fuhren die drei Augenpaare zu Tür herum in der Hilary und Tyson standen. Tyson war rasend vor Wut. „Wie kann er es wagen einfach abzuhauen! Mit dem hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen! AAAAARRRRGHHHH!!“, er zog die Ärmel seiner Jacke hoch und schnaufte erzürnt. „Beruhig dich doch, Tyson! Du kennst doch Kai.“, versuchte Max ihn zu beschwichtigen. Hilary dagegen ging an ihm vorbei und nahm Ray den Brief aus der Hand. War das wirklich alles was er schrieb? Kein Wort an sie? Die brünette las die Zeilen erneut. Darauf nochmal. Das konnte doch nicht sein! Hilary zerdrückte den Zettel in ihrer Hand. „Wie kann er nur...Wieso...“, sie war wütend auf sich. Auf ihn. Auf alle! Warum ging er einfach ohne sich bei ihr zu verabschieden?! „Ist alles in Ordnung, Hil?“, wollte Ray wissen der sah, dass ihr die Tränen in den Augen standen. Sie zog die Nase hoch und schluckte ihre Enttäuschung herunter. Ein Nicken folgte. Die Worte ihres Freundes waren dennoch nicht sehr hilfreich. „Wir wissen was du für Kai empfindest...Aber Kai ist nun mal Kai...und er wird auch immer der Eisklotz bleiben, der er ist...du kennst ihn doch auch... Du weißt wie er ist...“, sprach Ray behutsam weiter, doch aufbauen konnte er sie damit nicht. Sie ließ sich in den Stuhl sinken und ihre Tränen bahnten sich den Weg. Die anderen wussten nicht warum sie weinte. Sie konnten es sich vielleicht denken. Hätten sie es gewusst...würden sie nicht diese Worte wählen... Tyson konnte das nicht weiter mit ansehen. Er schlug kräftig mit der Faust auf den Tisch und brachte Dizzy damit zum Beben. „Der Typ soll bleiben wo der Pfeffer wächst! Und seinen Brief kann er sich auch in die Haare schmieren!!“, schrie Tyson drauf los, denn auch er wusste wie Hilary von Kai dachte. Und dass er sie zum weinen brachte machte ihn noch wütender. Die Küchentür flog mit einem lauten Knall zu und kurz darauf auch seine Zimmertür. „Oh man...“ „Wann ist er denn bei dir gewesen, Dizzy?“, wollte der Amerikaner wissen. „Hmmmm, lasst mich überlegen... Er kam gegen 03:00 Uhr in die Küche und saß fast eine Stunde hier. Viel gesagt hat er nicht.“ „Kai braucht doch keine Stunde um die paar Zeilen zu schreiben.“, stutzte Kenny. Kai war ein Ass, auch in der Schule. Da würde ihm das Schreiben der Zeilen keine Probleme bereiten. Die anderen gaben Kenny recht. Ray entdeckte daraufhin unter Dizzy eine Auffälligkeit. Er zog an dem Stück unter ihr und ein weiterer Umschlag kam zum Vorschein. Anders als beim ersten Brief, war dieser zugeklebt und es stand ein Name darauf. „>Hilary<“, las er vor. „Deshalb hat er also eine geschlagene Stunde hier gesessen.“, grinste Max vor sich hin. „Mach schon auf!“, drängte er die Japanerin die Ray den Brief abnahm. „Sei doch still, Max!“, mahnte Ray den blonden. Hilary kämpfte erneut um ihre Fassung. Er hinterließ ihr doch ein paar persönliche Worte. Sie war glücklich aber zugleich voller Angst. Max reichte ihr ein Messer zum Öffnen. „Los~ mach~ schon~“ „Hm...“, vorsichtig zerschnitt sie das Papier des Umschlags und zog den linierten Zettel hervor. Nacheinander schaute sie ihren Freunden in die Augen. „Kommt, wir gehen.“, Ray griff Kenny und Max unter die Schultern und zog sie hinter sich heraus aus der Küche. Um diesen Brief zu lesen würde Hilary wohl Zeit ohne ihre Freunde brauchen. Sie schaute erneut auf den Brief. Hey Hilary. Nachdem ich diesen Brief zum vierten Mal angefangen habe, bin ich trotzdem nicht zufrieden damit. Aber wie du sicher erfahren hast, werden wir uns heute nicht mehr sehen. Es fällt mir scheinbar leichter diesen Brief zu schreiben, als dir nach der Nacht in die Augen zu sehen. Vielleicht verstehst du das. Vielleicht auch nicht. Sollten wir uns irgendwann wiedersehen hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst. Bis bald. Kai< Die junge Frau las erneut. Ihr kullerten unendlich viele Tränen über die Wangen. Sie wollte einfach nicht verstehen warum er gegangen war, dabei hatte er ihr erzählt, dass er zurück nach Russland gehen würde. Seine Heimat. Aber es tat ihr so unendlich weh. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz nach einer glücklichen Nacht in tausend Teile zerspringen. Dizzy versuchte nichts um die Japanerin zu trösten, denn all ihre Worte konnten ihr nicht helfen bei dem Schmerz den sie empfand. Stumm blieben beide in der Küche bis Dizzy etwas einfiel. „Ich habe noch eine Nachricht für dich.“ Hilary wischte die Tränen mit den Ärmeln von den Augen und sah Dizzy unwissend an. „Das sollte ich dir noch ausrichten in einer ruhigen Minute.“, Dizzy öffnete ein anderes Programm, der Bildschirm veränderte sich und auf dem Bildschirm tauchten einige Wörter auf. ES TUT MIR LEID < „Ist das...?“, schluchzte sie wieder. Dizzy bejahte ihre Frage und wechselte wieder zu ihrem normalen Bildschirm. „Er sah bedrückt aus. Was hat er denn getan, dass er sich bei dir entschuldigt?“, wollte Dizzy genauer wissen, doch die Antwort verwehrte ihr die brünette. Nein, das könnte sie ihren Freunden nicht antun. Sie sollten nicht in die Sache mit ihm hineingezogen werden. Etwas später klopfte es an der Küchentür. Die braunhaarige zuckte zusammen. Schnell faltete sie den Brief in ihrer Hand und ließ ihn in ihrer Hosentasche verschwinden. „Ja?“, sie stand auf und richtete ihr Haar. Schwungvoll schlug die Tür auf und Tyson brach herein. „AAAAH Hil! Ich hab hunger!!!“, Tyson stürzte zum Kühlschrank um dort festzustellen, dass nur noch alkoholische Reste darin lagerten. Mit weinenden Augen drehte er sich zu seiner Freundin um. Die vorangegangene Wut war wie weggeblasen. „Kannst du mir was zu essen kochen, Hil?“, fragte er kleinlaut, mit dem Gedanken, dass es Hilary vorhin schlecht ging. „Tut mir leid... Ihr habt gestern Abend alles aufgegessen. Vielleicht hat Max noch was versteckt.“, lächelte sie gezwungen. Tyson ließ die Schultern hängen und taumelte Richtung Tür. „Ich...hab...hunger... Wo...ist...Max...?“, spielte er übertrieben. Hilary konnte nicht anders, als sich ein Lachen zu unterdrücken. Dieser Kerl würde sich wohl nie ändern egal wie alt er war. „Lass sie uns zusammen suchen.“, versuchte sie nun ihren Freund aufzumuntern. Somit gingen die Pläne beider auf, den jeweils anderen wieder aufzumuntern. Auf dem Granger Anwesen suchten die beiden nach ihren Freunden. In den Zimmern wurden sie nicht fündig und auch nicht im Dojo wo sie sonst immer saßen. „Wo sind sie denn alle hin?“, fragte die Japanerin mehr sich selbst als ihren Begleiter. Der schien in Gedanken versunken. „Sag mal...Hil?“, begann er zögernd als sie den überdachten Bereich im Innengarten betraten. „Hm?“, sie blieb darauf stehen und sah auf ihn zurück. „Was findest du an Kai?“ „Wie- Wie meinst du das?“ „Na, warum magst du ihn?“ „Naja...“ „Er sieht gut aus und hat Talent aber das haben die anderen auch! Also was ist es?“ „Ich weiß es nicht...seitdem ich ihn das erste Mal sah, war er-“ „Nur, weil er gut aussieht?! Er hat einen miesen Charakter! Quält sein Team und ist Mister Eisblock in Person! Was kannst du an ihm mögen? Gut, dass er endlich weg ist... Jetzt kann er dich wenigstens nicht mehr zum Weinen bringen!“ „Was ist denn mit dir los, Tyson?“, Hilary verstand nicht worauf er hinaus wollte. Es hatte ihn sonst auch nicht interessiert, was sie an ihrem Teamchef fand. Jetzt wo er weg war machte er so einen Aufstand. Tyson ballte beide Fäuste. „Ich habe immer gesehen wie du ihn angeschaut hast... Ich habe jedes Mal unendliche Wut empfunden, als er dich ignoriert hat... Ich habe mitbekommen, dass du jedes Mal wegen ihm geweint hast...“ „Tyson...“, sie schlug die Hand vor den Mund. „...Hil! Versteh doch endlich, dass du nur eine von vielen gewesen wärst! Ich weiß was du für ihn empfindest...“, seine Hände entspannten sich für einen Moment. „...aber es hat ihn nie interessiert... Hilary...“, er stand vor ihr und legte seine Hände zart auf ihre. Die braunhaarige stand wie angewurzelt vor ihm. Was sollte das werden? „...ich würde dich nie zum Weinen bringen...“, er schloss sie fest in die Arme. „Weil ich dich schon seit dem ersten Tag liebe!“ Hilary konnte es nicht glauben. Tyson war ihr bester Kumpel und jetzt haute er ihr das an den Kopf. Er würde sie lieben? Nein, was war überhaupt Liebe? Tyson verhielt sich immer wie ein Kleinkind, machte Spaß mit jedem und verstand sich mit allen. Wieso auf einmal? „Warum erzählst du mir das...“ All die Jahre konnte er es für sich behalten, doch jetzt wo Kai nicht mehr da war, versuchte er es? Tyson umschloss seine Freundin. Seine Arme hielten ihren zarten Körper fest an sich.Er wollte sie nicht mehr loslassen. Niemand sollte sie je mehr zum Weinen bringen. Schon gar nicht dieser Nichtsnutz von Kai, der einfach ging ohne sich zu verabschieden. „Hil, es war mir nie richtig klar, aber du bist das Beste was mir je passiert ist! Kai hätte dich nie glücklich machen können... Er hätte dich mit der nächsten Frau betrogen!“, redete Tyson weiter und wollte Hilary mehr und mehr für sich gewinnen. Sie sollte sich nicht nur körperlich von dem Halbrussen entfernen, sondern auch ihre Gefühle für ihn begraben. Seine Worte dröhnte in ihren Ohren, der Griff um ihren Körper war so fest, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Mit aller Kraft befreite sich Hilary aus seinem Griff und schubste Tyson zurück. Was dann folgte war ein ohrenbetäubender Knall. Tyson ging zu Boden. Die braunhaarige verpasste ihrem langjährigen Freund eine Ohrfeige, die sich auch noch kurze Zeit danach auf seinem Gesicht abzeichnete. Verdutzt hielt er die schmerzende Wange. „Nein!“, schrie Hilary ihn aus vollem Hals an. Niemals würde sie sich auf ihn einlassen. Er war noch immer ein kleines Kind, dass gefangen war in dem Körper eines Erwachsenen. Nein, das wollte sie nicht! Sie würde auf Kai warten und wenn sie ihr restliches Leben warten würde! „Du weißt gar nichts, Tyson...“, sie kniff die Augen fest zusammen, denn ihre Tränen wollten nicht zurückbleiben. „Ich werde ihn immer lieben!!“, schrie die Japanerin so laut es ihre Stimme zu ließ, denn schon darauf versagte sie. Von dem aufgebrachten Schrei wurden auch die restlichen Bladebreaker aufmerksam und eilten aus dem Garten zum Haus zurück. Das Bild was sich ihnen bot war für alle Beteiligten eine große Überraschung. Tyson saß auf dem Boden, in seinem Gesicht eine Stelle die dunkelrot verfärbt war. Ihm gegenüber die Brünette deren Tränen über die Wangen liefen und schließlich auf den Holzboden tropften. Als sie ihre Freunde sah, ergriff Hilary die Flucht. Nein, niemand sollte sie jetzt sehen. Es war ihr peinlich, sie schämte sich so sehr. Alles wurde immer komplizierter! So schnell sie konnte rannte sie die Straßen entlang. Zurück im Dojo blieben drei verwirrte Freunde und Tyson, der seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte... ~~~~ Mit einem Schreck fuhr die junge Frau aus ihrem Bett auf, ihr Blick fiel sofort auf die andere Bettseite. Neben ihr schlief ihr Mann mit dem Gesicht zu ihr gewandt. „...ein Glück...“, lächelte sie außer Atem von ihrem aufregenden Traum. Sie brauchte doch Ruhe, warum träumte sie dennoch so etwas? Auf der anderen Bettseite blieb dem Russen mit seinem leichten Schlaf nicht verborgen, dass seine Frau im Bett saß. Er zog sie im Halbschlaf zu sich heran. „Schlaf weiter...aber...tritt nicht wieder...“, murmelte er und umfasste sie sicher. Nah bei Kai wurde ihre Aufregung weniger. Bei ihm konnte sie sich entspannen, egal was vorher war. Hatte der Traum mit ihrem Treffen zu tun? Hilary schaute eine Weile in das schlafende Gesicht des blau-haarigen ohne an irgendetwas zu denken. Es brachte nichts, sich verrückt zu machen. „...nur...ein Traum...“, murmelte die schwangere ehe sie wieder eingeschlafen war. Die Sonne stand schon am frühen Morgen in ihrer vollen Pracht am Himmel. Es war schon unerträglich heiß und die Sonnenstrahlen brannten auf der Haut. Hilary fuhr sich mit einem kühlen Tuch über das Gesicht. Sie schwitzte unerträglich. Dazu kam das schwüle Wetter und die Schwangerschaft tat ihr übriges. Sicher würde es noch ein Unwetter geben, dachte sie. Emilia und Kai schienen mit den Temperaturen keinerlei Probleme zu haben. Die Kleine tobte vergnügt über den Spielplatz und ließ ihrem Vater keine Minute zum Verschnaufen. Er schnappte sich Emilia, worauf sie laut quietschte und lachte. „Komm, wir gehen was trinken.“, er trug sie auf der Schulter in den Schatten zu Hilary. Die hatte schon zwei Wasserflaschen aus der Tasche geholt. „Es wird immer wärmer...Vielleicht sollten wir zurück zum Hotel?“ „Ich habe gleich noch einen Termin mit Mister Dickenson, das dauert nicht sehr lang... Willst du mitkommen oder vorher ins Hotel?“ „Gerne, ich komme mit. Dann kann ich mich gleich dafür entschuldigen, dass du den Termin meinetwegen verpasst hast.“ „Das lässt du schön bleiben. Es ist alles geklärt.“, bremste er sie aus. Die Besichtigung der neuen Trainingshalle lief relativ gut und Ideen hatte er auch schon was die räumliche Verteilung anging. „Es geht heute nur um ein paar vertragliche Änderungen.“ „Wieso das denn?“ „Mister Dickenson wollte die BBA als Eigentümer der neuen Halle haben, doch nun wird es wohl doch eine Außenstelle des Moskauer Zentrums, wie das was wir schon in New York haben. Die BBA wird lediglich Förderer und Sponsor bleiben.“ „Wow...dass du knallhart mit Mister Dickenson verhandelt hast... Dann wirst du wohl in Zukunft häufiger nach Tokio reisen deswegen?“, die Japanerin befürchtete das Schlimmste. „Das kann hin und wieder vorkommen...allerdings wird es hier wie auch bei Max in den USA eine separate Leitung geben, die hier die Stellung hält.“ „Und wer soll das machen? Ray kannst du nicht fragen.“ „Nein, das hatte ich mir anders erhofft. Ich habe aber schon jemanden im Hinterkopf...aber ob das klappt...“, er schloss das Auto auf und verstaute den Buggy im Kofferraum. „...ist fraglich...“, murmelte er zu sich und ging nach vorn. „Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen, da bin ich mir sicher!“, wurde er sogleich von Hilary aufgemuntert. Ein stummes Nicken seinerseits folgte. Während der Fahrt herrschte eine seltsame Atmosphäre zwischen dem Paar. Hilary schien nervös zu sein. Sie wusste nicht so recht wo sie hinschauen sollte und strich auffällig oft ihr Kleid glatt. „Was ist?“ „Nichts!“, sie sah Kai an der weiter konzentriert auf die Straße blickte. Er warf ihr einen kurzen durchdringenden Blick von der Seite zu, worauf die braunhaarige laut seufzte. „Ach...man...“ „Hm?“ „Du willst das vielleicht nicht hören... Aber könnten wir bitte noch einmal zu meinen Eltern fahren?“ „Du sollst Aufregung vermeiden hat Ray doch ausdrücklich gesagt.“, antwortete er ruhig aber bestimmt. „Ich weiß... Ich würde meiner Mutter gerne alles erklären...“ „Das hast du doch schon. Du hast meine Bedingung erfüllt... Mehr habe ich von dir nicht verlangt.“ „Aber ich möchte es...kannst du nicht dort vorbeifahren? Und wenn das Auto von meinem Vater da ist, fahren wir einfach weiter...Okay?“, es war schön für die Japanerin wieder mit ihrer Mutter zu sprechen. Jetzt wo sie wusste, dass sie keinerlei Vorwürfe von ihr zu erwarten hatte, fühlte sie sich noch besser. Von dem blau-haarigen bekam sie darauf keine Antwort. Er fuhr weiter konzentriert durch die Stadt. „Da mussten wir doch runter!“, stellte die Schwangere überrascht fest. Kai blieb ruhig. „Ja...aber du wolltest doch zu deiner Mutter? Ich hab noch etwas Zeit und die dürfte gerade so reichen um nachzuschauen ob deine Eltern da sind oder nicht.“ Ein breites Lächeln überkam die junge Frau. „Danke Kai.“ Zehn Minuten später fuhren sie wie vor einigen Tagen mit Schritttempo durch die Siedlung. Den Weg kannte Kai wieder, auch ohne Hilarys Hilfe. Langsam kamen sie der Auffahrt ihres Elternhauses näher. Das Tor geöffnet. „Er scheint nicht da zu sein. Halt bitte an.“ Kai tat was Hilary sich wünschte und stoppte langsam den rollenden Wagen. „Na los... Ich muss gleich in der BBA sein.“ „Ja!“, eilig sprang sie aus dem Wagen und nahm Emilia mit. Am heruntergelassenen Fenster hatte der Russe allerdings noch etwas zu sagen. „Wenn dein Vater auftaucht...ruf mich sofort an oder verschwinde dort.“ Ein liebevolles Lächeln entfuhr seiner Frau. „In Ordnung. Mach dir keine Sorgen.“, sie gab ihm einen Kuss durch das geöffnete Fenster und Kai fuhr mit einem mulmigen Gefühl weiter. Ob das gutgehen würde? Hilary näherte sich langsam ihrem Elternhaus. Das Gartentor stand offen und gemeinsam mit ihrer Tochter klingelte sie an der Haustür. Sie schnaufte laut. Alles blieb still. Sie klingelte noch einmal, doch wieder war von drinnen nichts zu hören. Ob alles in Ordnung war? Sie wollte zum Fenster hineinsehen, als ihre Mutter aus dem Garten nach vorne kam. „Entschuldigung, ich habe die Klingel zu spät gehört-“ „Hey Mom.“, begrüßte die Brünette ihre Mutter mit einem vorsichtigen Lächeln. Emilia schaute wieder skeptisch auf die ihr noch sehr fremde Frau. „Hilary! Du hier! So ein Glück! Du hast gerade deinen Vater verpasst.“ Wissend nickte sie. „Deswegen bin ich jetzt hier. Ich will ihm nicht begegnen...“ „Ach so... Hast du etwas Zeit mitgebracht? Kommt doch mit nach hinten. Ich mache uns einen Tee!“ Ihren Tee beschlossen die Frauen dann doch drinnen zu trinken, draußen brannte die Sonne weiterhin erbarmungslos herab. In der Küche surrte die Klimaanlage stetig und hielt den Raum angenehm kühl. „Mom...ich möchte mich bedanken, dass du mir keine Vorwürfe machst... Es tut mir so leid... Ich hätte mit dir reden sollen...stattdessen bin ich einfach gegangen...“ „Ich kann deine Entscheidung von damals nachvollziehen... Dein Vater hätte genauso reagiert, wie er es jetzt getan hat... Vielleicht hättest du diese kleine süße Maus jetzt nicht, wenn du geblieben wärst.“, Asako lächelte betrübt. „Was du getan hast, war für uns eine große Enttäuschung, doch sie war für dich die einzige Lösung.“ „Ich hatte zwar eine sehr schwere Zeit, aber ich bin jetzt glücklicher als ich es je war.“ „Das sieht man dir an, Hilary. Du trägst ein Leben in dir von dem Mann, den du schon immer geliebt hast. Was gibt es schöneres?“ „Ja...“, liebevoll strich sie über ihren Bauch. Emilia sah diese kleine Geste und tat es ihrer Mutter gleich. Auch sie strich zärtlich mit ihren kleinen Händchen über den großen Bauch ihrer Mutter. Bald würde sie ein Geschwisterchen bekommen, dass wusste sie schon. Doch was genau damit gemeint war, verstand Emilia noch nicht. Die beiden Frauen fanden schnell wieder zueinander. Ihre Gemeinsamkeiten ließen sie all das vergessen was vor ein paar Jahren passiert war. Unterdessen verging die Zeit bei Kai doch langsamer als er es erhofft hatte. Die Verträge waren nicht zu seiner Zufriedenheit ausgearbeitet. Es blieben zu viele Grauzonen – seiner Meinung nach. Das musste schnellstens geändert werden. Die Büroangestellte schien es nicht im Geringsten zu interessieren, dass der Russe es eventuell eilig haben könnte und tippte in aller Seelenruhe den Vertrag neu. Vielleicht war sie auch nur eine Praktikantin die von ihrem Vorgesetzten diese Aufgabe bekam. In einem unbeobachteten Moment zog Kai sein Handy aus der Hosentasche und prüfte das Display in der Hoffnung Hilary hätte sich gemeldet. „Nichts...“, murmelte er etwas lauter und zog die Aufmerksamkeit von Mister Dickenson auf sich. Schnell schob er das Handy zurück in die Tasche. „He he...du brauchst das nicht verstecken, Kai. Du hast Familie, da will man schon wissen ob etwas passiert ist oder nicht. He he he.“, lachte der alte Mann schelmisch und mahnte die Praktikantin schneller zu schreiben. „Hm...“, kam es knapp vom blau-haarigen. Er streckte sich ausgiebig. „Wie lang dauert es noch?“, fragte er ungeduldig und lehnte den Arm über die Couchlehne. Die Praktikantin entschuldigte sich unaufhörlich, dass sie nicht schneller schreiben konnte und zog erneut alles noch mehr in die Länge. Nach einer weiteren halben Stunde waren alle Formalitäten geklärt und auch der Vertrag zu Kai's Zufriedenheit geändert. „Um den Ausbau der Halle werde ich mich selbstverständlich allein kümmern. Sobald es einen Ansprechpartner für Sie gibt, teile ich Ihnen den Namen mit.“ „Natürlich Kai. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.“, beide schüttelten eifrig die Hand des Anderen. Auf dem Rückweg versuchte Kai seine Frau zu erreichen. Es war um die Mittagszeit herum, vielleicht würde Emilia schon schlafen. Ob sie schon zurück im Hotel war? Er bekam keine Antwort auf seine Frage, denn Hilary ging nicht ans Telefon. Bei ihrem Elternhaus angekommen stieg er eilig aus, sein Blick fiel auf das noch geöffnete Tor. Ihr Vater schien noch außerhalb zu sein. Gerade als er Klingeln wolle öffnete sich die Tür schlagartig. „Kai!“, seine Frau fiel ihm um den Hals. Sie hatte ihn schon vom Fenster aus gesehen als er das Grundstück betrat. „Wie war dein Termin?“ „Alles in Ordnung. Was ist mit dir?“ „Komm rein. Es ist alles ruhig. Mom freut sich dich zu sehen.“ „Wir sollten lieber los.“ „Das geht nicht. Emilia ist im Wohnzimmer eingeschlafen.“ Er sog unüberhörbar Luft ein. Das konnte nur in einem Chaos enden. Trotzdem tat er ihr den Gefallen. Höflich wie es die Sitten in Japan verlangten, begrüßte er seine, nun ja, Schwiegermutter. Die stand noch in der Küche und wusch Geschirr ab. „Möchtest du etwas essen? Wir haben wohl etwas zu viel gekocht.“, lud Asako ihn ein. Er hob die Hand zum Abwinken, doch seine Frau schob ihn von der Seite vorwärts. „Komm schon...bitte...“, zischte sie ihm zu. Er sollte wohl etwas auf ihre Familie zugehen nachdem was bei ihrem letzten Treffen passiert war. Eine Schüssel Reis mit Gemüse und Rindfleisch später bedankte der Halbrusse sich für die Mahlzeit. „Wollen wir nach oben gehen?“, fragte Hilary müde, sie gähnte in einer Tour. Kai nickte. Er sah Emilia im Wohnzimmer auf der Couch liegen, beruhigt, dass sie schlief. Doch er wandte sich an Asako. „Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich mit Ihrer Tochter nach oben gehe?“ Asako lachte kurz auf. „Ihr seid verheiratet, da mache ich euch keine Vorschriften mehr.“, mit einer Handbewegung zeigte sie an, dass die beiden gehen sollten. „Ich passe auf meine Enkeltochter auf, wenn das in Ordnung ist.“, gab sie lächelnd zurück und entlockte so auch dem Russen ein zufriedenes Grinsen. Im Flur zeigte die Treppe in den ersten Stock. Kai blieb davor stehen. „Das ist das erste Mal, dass du hier hoch kommst.“, sprach Hilary seine Gedanken aus. „Ja.“ „Komm.“, sie zog ihn mit sich bis vor ihre Zimmertür. Die brünette öffnete unsicher ihre Tür. Das letzte Mal betrat sie ihr ehemaliges Jugendzimmer mit einem Schwangerschaftstest. „Hier sieht alles so aus wie früher-“ Kai trat ebenfalls ein. Er war zwar gefühlt eine Ewigkeit mit ihr befreundet, doch noch nie in ihrem Zimmer gewesen. „Schön hast du es hier.“, er schob die Gardine mit einem Finger an die Seite und sah nach draußen. Hilary sah sich genau um. Wirklich alles war noch so wie sie es verlassen hatte. Selbst der Brief den sie ihren Eltern schrieb, lag noch auf dem Schreibtisch. Schnell zerknüllte sie das Papier. Ihr Zimmer war recht großzügig geschnitten. Es lag direkt unter dem Dach und hatte ein Dachfenster, dass zur Straßenseite zeigte und ein normales an dem Kai gerade stand. Unter der Dachschräge stand ihr bei und unter dem Dachfenster stand abschließend vom Bett ihr Schreibtisch. Sie besaß einen großen Kleiderschrank, der in der Wand eingelassen war. Gegenüber vom Bett stand eine helle Kommode auf der ein TV-Gerät bereits etwas eingestaubt war. Die Japanerin ließ sich auf ihr Bett fallen. „Es ist so lange her, dass ich hier gelegen habe...“ „Es war bestimmt eine schwere Zeit, die du als letztes hier hattest.“ Hilary legte ihre Arme überkreuzt über ihr Gesicht und nickte. Eigentlich wollte sie nicht mehr daran denken. „Ich bin froh, dass du jetzt mit mir hier bist.“ „...darf ich?“, er stand wartend vor ihrem Bett. Hilary nickte erneut, worauf er sich neben sie setzte und auf den Unterarm stützte. Mit der anderen Hand befreite er ihr Gesicht von ihren Armen. Sie hatte gerötete Augen. Er konnte zwar nicht nachvollziehen wie schwer sie es wirklich hatte, aber er wollte sie nicht mehr weinen sehen. „Hör auf zu weinen...“ „Tut mir wirklich leid, dass ich ständig heule...liegt sicher an den Hormonen...“ Er strich ihr ein paar Haare auf dem Gesicht. „Lass mich deine schlechten Erinnerungen durch schöne ersetzen...“, Hilary schlug die Augen auf als sie seine warmen Lippen auf ihren spürte. Ihre Hände legten sich sofort um seinen Hals und hielten seinen Kopf fest. Sie würde ihn nie wieder gehen lassen...genauso wenig wie er sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)