Annin von LiraJacobs (Die Wächterin des magischen Ofens) ================================================================================ Kapitel 1: Amtsantritt ---------------------- Zu einem unbekannten, sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte begann der Herr der Unterwelt damit die Seelen von Verstorbenen auszusortieren. Entweder kam man durch seine Hand in den Himmel oder wurde in die Hölle befördert. Enma Daio hatte kein Problem damit die Ewigkeit hinter seinem großen Schreibtisch zu verbringen, auch wenn er es ab und an nicht lassen konnte sich zu beschweren. Allgemein machte der große Oger, mit der pinken Hautfarbe, dem schwarzen Bart und dem gehörnten Helm, einen sehr strengen Eindruck. Trotzdem hörte er Problemen Anderer immer aufmerksam zu. Mehrere Jahre, vielleicht auch Jahrhunderte vergingen. An irgendeinem Tag war Enma Daio, der alle anderen Seinesgleichen in Größe und Fülle überragte, ganz besonders mürrisch. Die Seelen der Verstorbenen fanden immer schlechter ins Jenseits. Für die faulen Leute war dies natürlich schön und ein wenig Entspannung tat Enma Daio auch mal gut. Jedoch erreichte ihn die besorgniserregende Nachricht, das jene Seelen, die zu lange umher irrten, sich in dämonische Kreaturen verwandelten. Mit anderen Worten: Es musste etwas unternommen werden. Aber er selbst konnte seinen Platz nicht verlassen, also ließ er jemanden kommen, der an seiner Stelle diese schwierige Aufgabe lösen sollte. Es dauerte eine Weile, aber schließlich kam eine junge Frau in das Büro des Richters. Sie hatte lange schwarze Haare, darüber war ein weißen Stirnband gebunden, an welchem rote und orangefarbene Puschel befestigt waren. Nach oben hin standen zwei ebenfalls orangefarbene Federn ab, welche den Eindruck vermittelten, als seien es Fühler. Ihre Kleidung erinnerte an eine Mischung aus Robe und Rüstung mit den gleichen Farben wie das Stirnband und die Stiefel. Ihr hübsches Gesicht machte einen kämpferischen Eindruck, der von der Schwertlanze in ihrer Hand unterstrichen wurde. „Ihr habt nach mir rufen lassen, Enma Daio-sama?“, trotz des amazonengleichen Auftrittes erklang ihre Stimme respektvoll. „Das ist richtig, Annin.“, das stimmte nur zur Hälfte, denn der Herr der Unterwelt hatte nach irgendjemandem gerufen und nicht direkt nach dieser Frau, aber das war jetzt vollkommen egal. „Es gibt ein Problem mit den Seelen, welche zu lange im Diesseits herumlungern. Ihre negativen Gefühle verdichten sich und schließlich werden sie zu grauenhaften Geschöpfen, die nun ein heilloses Chaos veranstalten! Sie halten andere Seelen davon ab den Weg hier her zu finden! Das stört den ganzen Betrieb!“, je länger die Erklärung dauerte um so wütender wurde er. Schließlich knallte Enma Daio sogar seine Faust auf den Tisch, was zur Folge hatte, das ein großer Stapel an Blättern durch den ganzen Raum geweht wurde. Aufgeregt wirbelten einige andere Oger umher um alles wieder einzusammeln. „Ich verstehe, aber was soll meine Aufgabe konkret sein?“, fragte Annin, welche sich von dem hastigen Treiben nicht ablenken ließ. „Denk Dir etwas aus, wie die Seelen besser ins Jenseits finden!“, erläuterte der bärtige Richter. „Wahrscheinlich werde ich Hilfe dabei benötigen.“, denn auf Anhieb wusste Annin nicht, was sie unternehmen sollte. „Nimm Dir was Du brauchst. Solange es nicht den Betrieb stört!“, meinte Enma Daio fast schon gedankenverloren, da er gerade die eingesammelten Blätter von seinen Helfern entgegen nahm. „Habt Dank. Ich werde Euch nicht enttäuschen.“, somit verbeugte sich die Amazone und verließ das Büro, um sich ihrer neuen Aufgabe zu stellen. Es hörte sich nach einem einfachen Auftrag an, aber die Schwarzhaarige wusste genau, das eine Umsetzung kompliziert werden könnte. Das was Annin brauchte war ein Ratschlag und um den zu erhalten wanderte sie tief in die Hölle hinein, zu einer Dame, welche um einiges Älter war als sie selbst. „Roba-sama? Ich muss Dich sprechen, es geht um eine ernste Angelegenheit.“, rief die Amazone in die Dunkelheit hinein und bekam als Antwort nur ein Kichern. „Lass' es sein. Mir machst Du keine Angst. Ich bin hier wegen einem Auftrag, den ich von Enma Daio erhalten habe.“ „Warum sagst Du das nicht gleich, mein Kind?“, aus der Dunkelheit trat eine kleine Person mit schwarzen Haaren und einer ähnlichen Kleidung wie Annin, doch überwog die Farbe Rosa. Würde man nicht in das Gesicht einer alten Frau schauen, so könnte man Roba für ein Kind halten, denn sie ging Annin nicht mal bis zur Hüfte. Roba schaute grinsend hinauf zu der Jüngeren. „Es geht um die Seelen die im Diesseits festhängen nicht wahr?“ Erstaunt weiteten sich Annins Augen und sie schaute irritiert auf die alte Dame hinunter. „Woher weißt Du das?“ „Was meinst Du wer sich bei dem da oben beschwert hat? Wenn ich hier unten schon Leben muss, dann will ich gefälligst auch durchgängig meinen Spaß haben, aber wenn keiner da drüben ins Jenseits kommt, gibt es auch niemanden der in die Hölle fahren kann.“, erläuterte Roba nicht mehr ganz so gut gelaunt. „Und? Was führt Dich dann ausgerechnet zu mir? Mh?“ „Mir wurde aufgetragen mich um dieses Problem zu kümmern und hatte gedacht das Du, als meine ehemalige Meisterin, vielleicht eine Idee hast.“, erklärte Annin der rustikalen alten Dame. „Wie bitte?“, Roba schien überrascht und rollte mit den Augen. „Dabei habe ich doch extra einen Vorschlag mit beigelegt. Ist ja mal wieder typisch! Diese Bürokraten! Bei denen geht aber auch dauernd irgendwas verloren!“ Annin versuchte Roba mit Worten zu beschwichtigen. „Bitte beruhige Dich Roba-sama, ich höre mir gerne an, was Du zu sagen hast.“ Es schien zu helfen, denn die Alte schnalzte mit der Zunge und begann ihre Idee zu erläutern. „Die Lösung heißt Feuer.“ „Feuer?“, fragte Annin überrascht nach. „Naja, um genau zu sein Rauch.“, erklärte Roba, doch Annin verstand immer noch nicht so ganz worauf ihre einstige Meisterin hinaus wollte, also fuhr die Alte mit einem breiten Grinsen fort: „Mit einem kräftigen Feuer kann man viel Rauch erzeugen, der dann wie eine Brücke wirkt zwischen den Wolken des Diesseits und den Wolken des Jenseits.“ Auf einmal erklang alles ganz einfach. Aber Annin hatte trotzdem einige Problem mit diesem Vorschlag: „Woher soll ich ein Feuer nehmen, das stark und lang genug brennt und wo soll ich es platzieren?“ „Dummes Kind!“, betitelte Roba ihre einstige Schülerin. „Ich meine natürlich magisches Feuer! Und bevor Du fragst woher Du das nun wieder bekommst: Unter meinem Suppenkessel brennt eines und um Deine letzte Frage zu beantworten: Der beste Ort um den Rauch zu verteilen ist der Berg der fünf Elemente. Wie Du dahin kommst müsstest Du eigentlich wissen! Achja... könntest Du eventuell kurz etwas wachsen und meine Suppe umrühren?“, fragte Roba nach ihren ganzen Erklärungen, denn Annin hatte die Fähigkeit erlangt sich nach Belieben zu vergrößern oder zu verkleinern. Da sollte es nicht schwer sein, den monströsen Topf, den ihre Meisterin gerne als 'Suppenbad der Hölle' bezeichnete, umzurühren, auch wenn es kein schöner Anblick war, wenn böse Seelen darin gekocht wurden. Roba hatte ihre ehemalige Schülerin gefragt ob diese zum Essen bleiben wollte. Annin lehnte es jedoch ab, da es keine Nudeln gab und ein Eintopf in dem vorher Seelen gebadet hatten, gehörte nicht zu ihren Leibspeisen. Sie machte sich schließlich mit einer kleinen Flamme in einem speziellen Gefäß, das aussah wie eine Glaskugel, auf den Weg zum Berg der fünf Elemente. Der Weg dorthin war für sie ein leichtes. Doch dort angekommen musste sich die Amazone erst einmal den Berggeistern stellen. Diese waren wahre Meister der Illusion, doch Annin bestand diese Prüfung ohne große Zeitverschwendung und schaffte es ihr Anliegen verständlich darzulegen. Die Wächter halfen schließlich dabei einen großen Steinkreis am Fuße des Berges zu bauen und Holz, der umliegenden, sogenannten ewigen oder auch tausendjährigen Bäume, hinein zu legen. So einfach wie es sich anhörte, war es jedoch nicht. Dieses Unterfangen dauerte mehrere Jahrzehnte. Bevor Annin allerdings das Feuer hineinlegen und brennen lassen konnte, musste sie sich dem wahren Grauen erst noch stellen: Der Bürokratie des Jenseits. Die Junggebliebene landete also wieder im Büro von Enma Daio, welcher hocherfreut war, das es wohl eine Lösung gab. „Wurde aber auch Zeit!“, kommentierte der Herr der Unterwelt, bevor er einen seiner Helfer losschickte um alle notwendigen Unterlagen zu holen. Gefühlte Jahrhunderte dauerte es bis alle Dokumente abgearbeitete waren, aber schließlich erhielt Annin die Erlaubnis das Feuer zu entzünden und bekam offiziell den Titel: Herrin des magischen Feuers. Es dauerte seine Jahrzehnte bis das Feuer endlich brannte und genügend Qualm entstand, dass eine dicke Schicht schwarzer Rauch über dem Berg der fünf Elemente hing. Das was Roba Annin vorgeschlagen hatte, trat tatsächlich ein. Die Welten von Dies- und Jenseits verbanden sich miteinander. Die Seelen fanden den Weg viel leichter zur Check-In-Station und Enma Daio ging an manchen Tagen fast in einem Haufen an Blättern unter. Jedoch sollte dies nicht Annins Problem sein, denn sie hatte ihre Aufgabe erfüllt. Vorerst... 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