Amnesia von dani (Wenn die Erinnerung streikt) ================================================================================ Kapitel 21: Kapitel 21 ---------------------- ~Aoi POV~ Es war der Duft nach Kaffee und Miso-Suppe, der mich am nächsten Morgen weckte. Ich döste noch ein Weilchen vor mich hin und ging den gestrigen Tag in Gedanken durch. Es war wirklich schön gewesen, wenn auch ein bisschen überraschend. Ich hatte nicht daran geglaubt, dass Uruha und ich uns so gut verstehen konnten – vor allem nach der miesen Laune, die er in den letzten Wochen versprüht hatte. Außerdem ging es mir erstaunlich gut. Okay, mein Knie tat etwas weh, aber im Großen und Ganzen fühlte ich mich einfach fantastisch. Uruha hatte mich doch ein bisschen geschont und sehr oft Pausen eingelegt, weshalb ich mich meiner Meinung nach nicht zu sehr überanstrengt hatte – nun gut zum Schluss war ich doch ziemlich müde gewesen (ich konnte mich nur vage daran erinnern, wie ich in die Wohnung gekommen war), aber es hatte sich definitiv gelohnt. Ich gähnte hinter vorgehaltener Hand und streckte mich leicht, was zur Folge hatte, das zwei Kissen am Boden landeten. Ich angelte danach, schmiss sie wieder aufs Sofa und erhob mich um in die Küche zu tappen, wo Uruha gerade das Frühstück machte, so wie‘s aussah. Ich lehnte mich an die Wand und begann zu grinsen, als ich zusah, wie er die Miso-Suppe in zwei Schalen füllte und sie im Takt der Musik, die aus dem Küchenradio tönte auf ein Tablett stellte. Dann drehte er sich um und belegte ein Teller mit frischem Gemüse, welches zusammen mit einem weiteren Teller seinen Weg aufs Tablett fand. „Ich muss zugeben, dein Tanzstil sieht wirklich sexy aus!“, stichelte ich, als er summend, nach Stäbchen griff. Uruha drehte sich nur grinsend zu mir um und machte weiter. Er schien nicht im Mindesten überrascht oder auch nur verlegen zu sein, weil ich ihn beim Tanzen erwischt hatte. „Ja?“ Na klar doch! „Du bist mit Sicherheit DER Renner auf jeder Tanzfläche!“ Er drückte mir eine Tasse in die Hand. Kaffee!! Mein Lebensretter! Ich nahm sofort einen Schluck und lachte leise, als Uruha seine letzte Drehung vollführte und sein Herumgehopse damit beendete. „Frechdachs!“, murrte er leise, doch seine Augen blitzten übermütig auf. Um ehrlich zu sein hatte es wirklich sexy ausgesehen. Er hatte einen netten Hintern in dieser Hose. Ich verbrannte mir die Zunge am Kaffee, als ich diesen Gedanken in einem großen Schluck ertränken wollte. Verdammt noch Mal! Warum war ich denn plötzlich so fixiert auf ihn!? Uruha drückte mir die zweite Tasse in die Hand und hob das Tablett hoch. „Was sagst du zu Frühstück auf dem Sofa und dazu einen Film?“ Er musste nicht zwei Mal fragen. Ich mochte diese Frühstücksmorgen. Vor allem, wenn er sich die Mühe machte und ein wirklich wundervolles Frühstück zauberte, bestehend aus Umeboshi (eine salzig-sauer eingelegte, grüne Pflaume), Miso-Suppe mit Brokkoli, einem Schälchen Reis, geräuchertem Fisch, eingelegtem Gemüse und … war das Rührei? Mir lief alleine beim Anblick der ganzen Sachen das Wasser im Mund zusammen. Aufgrund eines Mangels an guten Filmen, die zu der Uhrzeit liefen, legte Uruha eine DVD ein und kam dann zu mir auf das Sofa. Er zog die dünne Decke über unsere Beine und stellte dann das Tablett zwischen uns. „Guten Hunger!“ Drei Stunden später stieg ich aus dem Taxi atmete tief, aber erleichtert durch und sah von der Seite zu, wie Uruha dem Fahrer das Geld hinhielt, um die Fahrt zu bezahlen und ihm versicherte, dass er das Trinkgeld behalten durfte. Dann schloss er die Tür, grinste mich zufrieden an und ging neben mir zum Eingang des Shinjuku Gyoen National Garden. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel, weshalb ich meine Jacke einfach um die Taille geknotet hatte und die Wärme auf meiner Haut genoss. Uruha meinte ich wäre ein Sonnenkind. In Mie geboren und aufgewachsen hatte ich meine Kindheit sehr oft am Strand verbracht und dementsprechend liebte ich Hitze und Sonne. Seltsam, dass es mir nichts ausmachte, wenn er solche Dinge zu mir sagte. Allerdings trug ich wieder eine Schirmmütze und eine Sonnenbrille, genauso wie Uruha, der seine Haare unter die Mütze geschoben hatte, in der Hoffnung so noch weniger erkannt zu werden. Er bezahlte und wir betraten den Park durch das Okido Tor. Da wir nichts weiter dabei hatten wurden wir auch nicht kontrolliert. Ein Mann neben uns musste jedoch seinen Rucksack öffnen. Man war hier recht streng. Die Liste mit den Dingen, die man nicht tun durfte war ziemlich lang und prangte für alle Besucher sichtbar am Eingangstor! Ich griff nach einem Parkführer und klappte ihn auf. Der Park besteht aus Parkanlagen der drei wichtigsten Stilrichtungen, die harmonisch ineinander übergehen: einem japanischen Garten an der Südwestseite, dem englischen Park mit großen Freiflächen in der Mitte und einem französischen Garten mit mehrfachen Platanen-Reihen und Blumenrabatten am östlichen Ende. Uruha war stehen geblieben und gab mir die Zeit den Plan anzusehen. „Diese Anlage scheint ziemlich groß zu sein, was?“, fragte ich ihn dann und bummelte langsam neben ihm her. „58,3 Hektar. Das steht zumindest in der Broschüre!“ Tatsächlich! Es stand groß und breit drauf! „Ich dachte du wüsstest alles auswendig?“ Ein breites Lächeln schlich sich auf Uruhas Gesicht und mein Herz machte einen verdächtigen Hopser. Verdammt! Nicht schon wieder! „Nicht alles, Aoi. Nicht alles!“ Ich schloss zu ihm auf und zusammen bummelten wir einen der Wege hinunter. Die Blätter der Bäume zeigten sich in ihrem Herbstkleid und segelten hin und wieder ungehört zu Boden, weshalb der Anblick vermutlich nur im Frühjahr zur Kirschblütezeit noch schöner war. „Ich dachte wir lassen das Gewächshaus und den französischen Garten aus und spazieren durch den englischen Garten zum japanischen hinüber. Ist das in Ordnung für dich?“, fragte er nach, während nun auch er seine Jacke auszog. Um ehrlich zu sein hätte mir der japanische Garten gereicht! Aber da wir von hier aus sowieso zuvor durch den englischen Garten mussten nickte ich zustimmend. Ich hätte es zwar nie zugegeben, aber ich war doch etwas geschlaucht von gestern und die Aussicht auf eine Wanderung durch den Park ließ mich nicht gerade glücklicher werden. Andererseits war ich froh wieder aus den vier Wänden unserer Wohnung raus zu kommen. Die hatte ich mir zur Genüge angesehen und das schien auch Uruha bewusst zu sein. Meine Angst war allerdings unbegründet. Uruha ließ es wirklich sehr langsam angehen. Als er losbummelte konnte ich mühelos Schritt halten. „Ich darf Sie alle recht herzlich willkommen heißen und sie um ein bisschen Geduld bitten. Der Meister wird Sie gleich in Empfang nehmen! Darf ich Sie dazu einladen es sich hier am Pavillon gemütlich zu machen? Zur Einstimmung möchte ich Ihnen etwas zur Philosophie der Teezeremonie erzählen. Diese beruht auf vier Säulen: Wa (Frieden) Der Tee soll in Frieden und Harmonie, ohne Unterschied des sozialen Standes und Ranges, getrunken werden. Kei (Achtung, Ehrerbietung) gegenüber Mitmenschen, aber auch gegenüber der Natur und alltäglichen Dingen. Sei (Reinheit) bedeutet, dass Körper und Seele vor Betreten des Teeraumes gereinigt werden sollen. Mit der äußerlichen Reinheit sollte auch der Geist geläutert und rein werden. Und Jaku (Einfachheit, Stille) Ruhe und Gelassenheit gegenüber weltlichen Dingen.“, erklärte die junge Frau, die sich als Schülerin des Meisters vorgestellt hatte. Ich nahm neben Uruha Platz und sah auf den Teich hinaus während sie erzählte. Die Kois schwammen munter im Wasser und Libellen ließen sich auf den Seerosen nieder. Ein idyllischer Ort und genau der perfekte Start für eine Teezeremonie. Zuerst war ich etwas verblüfft gewesen, als Uruha mir eröffnet hatte, dass er uns dort angemeldet hatte. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte, oder nicht. Ich hatte nämlich keine Ahnung, was da auf mich zukam! Ich wurde nur etwas hellhörig, als ein junger Mann neben mir leise seufzte. Er war anscheinend mit seiner Freundin hier, deren Augen bereits vor Freude glänzten. „… echt jetzt? Teezeremonien laufen doch immer so steif ab! Man muss dabei so viel beachten!“ Sie zuckte nur mit den Schultern. „Aber es ist gut für dein inneres Gleichgewicht und eine tolle Art zu entspannen!“, erwiderte sie dann lächelnd. „Und für die Hochzeit sollst du ja entspannt sein!“ Tja anscheinend war mein Mitbewohner wohl auch der Meinung, dass ich Entspannung dringend nötig hatte. „Genau genommen dienen die Teezeremonien zur inneren Einkehr“, meinte Uruha dann leise und sah mich an, als müsste mir jetzt ein Licht aufgehen. Tat es aber nicht. „Und was muss man da alles beachten!?“, fragte ich ihn dann. Immerhin hatte mich das nun doch etwas nervös gemacht. „Ach hör nicht auf ihn. Nur höflich bleiben und am Besten du machst alles so, wie alle anderen. Wir sind nicht die Hauptgäste heute, also keine Sorge!“ Na klasse! Das war ja mal eine tolle Anleitung. Das war dasselbe wie einem Nichtschwimmer zu sagen: Ich schmeiß dich jetzt ins Wasser. Mach mal die gleichen Bewegungen wie die anderen, wenn du Glück hast, gehst du nicht unter! Tja nun saßen wir also hier und machten Smalltalk mit den drei anderen Gästen – dem Hochzeitspaar eingerechnet. Nach einer kleinen Wartezeit wurden wir über einen der Pfade zu einem kleinen Warteraum geführt. Die Gärtner hatten in diesem Park wirklich eine tolle Arbeit geleistet. Auch wenn ich mich mit Pflanzen nicht auskannte, schienen sie wirklich harmonisch aufeinander abgestimmt zu sein. Ich folgte Uruha die Treppe nach oben und setzte mich dankend auf den Platz, der mir zugewiesen wurde. Der Meister, ein kleiner, hagerer Mann mit langem weißen Bart und grauen, zu einem Zopf geflochtenen Haaren reichte uns stillschweigend einen Becher mit heißem Wasser und begann dann vor unseren Augen das weiße Steinbecken zu säubern. Etwas überrumpelt sah ich zu Uruha, der den Becher demonstrativ an seine Lippen hob und einen kleinen Schluck trank. Ahh! Mir ging ein ganzer Kronleuchter auf! Der Meister war anscheinend damit fertig das Becken zu reinigen, denn er füllte es nun mit glasklarem Wasser und legte eine Schöpfkelle bereit. Ohne ein Wort zu sagen reinigte er seine Hände und seinen Mund und betrat wieder das Teehaus. Nach und nach erhoben sich die anderen Gäste stillschweigend und taten es ihm gleich. Ich blieb sitzen, bis Uruha im Teehaus verschwand und erhob mich dann um auch meine Hände und den Mund zu waschen. Symbolisch diente diese Geste dazu alles Üble, was man gesagt oder getan hatte abzuwaschen – so hatte Uruha es mir zuvor noch erklärt. Im Grunde genommen war das Ganze ja nicht total an den Haaren herbeigezogen. Ich ließ mich auf die Knie nieder um durch den kleinen Eingang des Teehauses zu kriechen. Auch das hatte wieder einen Hintergrund. Die Besucher traten somit in Demut und Respekt in den Hauptraum des Teehauses und ließen alle gesellschaftlichen Unterschiede hinter sich. Der Teeraum war ein Ort der Stille und des Friedens. Niemand sprach auch nur ein Wort. Das gehört sich nicht. Aber langsam bemerkte ich, wie ich begann mich zu entspannen. Die angenehmen Gerüche und die angenehme Stille ließen mich ganz ruhig werden. Uruha hatte Recht gehabt. Es tat mir gut! Unser Gastgeber betrat den Raum und begrüßte uns. Uruha neben mir warf mir einen kurzen Blick zu, doch ich konnte ihn nicht ganz deuten. War er etwa erheitert? Oder wollte er mir nur zu verstehen geben, dass er ja gewusst hatte, dass ich mich entspannen würde? Vermutlich war es das gewesen. Nach der kurzen Begrüßung wurden Speisen gereicht: Suppen, Reis, eingelegtes Gemüse, Sake und Süßigkeiten. Seltsam wie anders alles schmeckte, wenn man die Zeit hatte es zu genießen! Das war nicht einmal im Krankenhaus der Fall gewesen. Allerdings hatte das Essen da auch nicht ansatzweise so gut geschmeckt wie es das hier tat! Ich hatte nicht viel gegessen, aber dennoch fühlte ich mich satt, als der Tisch wieder abgeräumt wurde. Uruha sah auch recht zufrieden aus! „Das Essen war wundervoll, nicht wahr?“, fragte er mich fünf Minuten später, als wir wieder im Warteraum saßen und darauf warteten, dass die eigentliche Teezeremonie begann. Ich konnte nur zustimmend nicken. „Haben wir … habe ich so was öfter gemacht?“, fragte ich ihn dann. Dieser Gedanke war mir während des Essens gekommen. Allerdings wollte ich Uruha dort nicht so direkt fragen. Man war immer in die Konversation mit den anderen Gästen und dem Gastgeber eingebunden, die, laut Uruha, generell nicht sehr tiefsinnig war. Sich alleine mit einem anderen Gast zu unterhalten gehörte sich nicht. Jetzt, da wir allerdings darauf warteten, dass der Gastgeber uns wieder ins Teehaus bat, machte ich mir keine Gedanken darüber, die anderen unterhalten zu müssen. Sie schienen bereits ein Thema gefunden zu haben, über das sie sich mit der Schülerin des Meisters (die junge Frau, die uns ganz am Anfang begrüßt hatte), unterhalten konnten. Uruha schüttelte den Kopf. „Um ehrlich zu sein haben wir dazu kaum Zeit. Vor allem nicht, wenn wir an einem Album arbeiten oder eine Tour oder Konzerte geplant sind. Allerdings haben wir uns vorgenommen nach dem Album ein bisschen zu relaxen…“ Und leider war es anders gekommen. „Wie geht es nun weiter“, wollte ich dann von ihm wissen. Meiner Ansicht nach hatte ich den ersten Teil recht gut überstanden. Aber jetzt folgte ja die tatsächliche Teezeremonie. Uruha räusperte sich leise. „Die Teezeremonien folgen einem ganz bestimmten Ablauf, wie du bisher mitbekommen hast. Dieser wird immer vom Meister an seinen Schüler weitergegeben, damit er nicht in Vergessenheit gerät. Allerdings variiert der Ablauf von Meister zu Meister. Der Grundablauf ist aber eigentlich immer der Selbe. Bei der Zubereitung des Tees muss der Gastgeber strengen Abläufen folgen, die nicht nur vorschreiben, welche Gefäße verwendet werden und wann welcher Handgriff zu erfolgen hat, sondern auch, in welchen Abständen die Gefäße zueinander stehen. Damit kenne ich mich selbst zu wenig aus, deshalb kann ich dir das nicht erklären. Allerdings siehst du es in ein paar Minuten selbst. Der Meister reinigt zuerst alle Utensilien sehr sorgfältig mit einem Seidentuch. Der Vorgang der Reinigung dient der Meditation. Die Gäste sehen ihm dabei zu und sollten dadurch in die gleiche Harmonie verfallen. Mithilfe eines Teebambuslöffels füllt der Gastgeber pulverisierten Tee in die Teeschale und gießt ihn mit heißem Wasser auf. Dann wird der Tee mit dem Besen schaumig geschlagen. Im Anschluss wird der Tee dem Hauptgast gereicht, der sich mit einer Verbeugung bei ihm bedankt, und sich gleichzeitig bei den anderen Gästen dafür entschuldigt, dass er als Erster kosten darf. Der Ehrengast dreht die Tasse drei Mal unter Bewunderung der Tasse und nimmt anschließend drei Schlucke, reinigt den Rand und gibt die Tasse dann weiter. Wie du gemerkt hast wird im Teeraum selbst kaum gesprochen. Nur im Wartebereich stellen sich kleine Unterhaltungen ein!“ Ich nickte zustimmend. Ja das war mir auch aufgefallen. „Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann ist der Hauptgast der Bräutigam, oder?“, fragte ich ihn dann. Uruha nickte leicht. „Ja das konntest du schon daran merken, dass der Meister ihn zuerst begrüßt hat.“ Das fünfmalige Schlagen des Gongs war das Zeichen wieder ins Teehaus zurück zu kehren. Ich ließ mich auf meinem Platz nieder und sah neugierig zu, wie der letzte Gast die Tür etwas lauter schloss. Das schien wohl das Zeichen dafür gewesen zu sein, dass die Teezeremonie nun beginnen konnte, denn nun betrat der Meister den Raum wieder und kniete sich vor den Teeutensilien hin. Der restliche Ablauf verlief genau so, wie Uruha es mir vorher erklärt hatte. Es wurde doch ein bisschen was gesprochen, hauptsächlich aber über den Tee, der gereicht wurde. „Wie hat es dir gefallen?“, fragte Uruha, bog auf einen der Wege ab, die mit Kieselsteinen gesäumt waren und sah in den Himmel hoch, wo sich schwere, graue Wolken vor die Sonne geschoben hatten. Ich rümpfte die Nase, als ein Regentropfen auf meine Wange fiel. Der Regen konnte ruhig noch etwas warten! Vielleicht bis wir zu Hause waren? „Ich bin froh, dass du das nicht wegen der Konversation gebucht hast! Dann wäre es nämlich ein Reinfall gewesen! Aber ansonsten war es ganz in Ordnung“, gab ich dann ein bisschen spöttisch aber ehrlich zu, zog meine Jacke an und schloss den Reißverschluss. Natürlich konnte der Regen nicht warten! Mittlerweile hatte es zu nieseln begonnen und ein frischer Wind kam auf. Uruha begann leise zu lachen und nickte zustimmend. „Das stimmt. Aber wegen Konversation darf man niemals eine Teezeremonie besuchen. Dann ist es besser du besuchst einen Debattierclub! Aber es freut mich, wenn es dir sonst gefallen hat!“ „Oh um ehrlich zu sein, warst du der einzige Mensch, mit dem ich wirklich Konversation betreiben … ahhh!“ Ich hätte mich der Länge nach auf die Nase gelegt, hätte Uruha nicht schnell genug reagiert und mich am Ellenbogen festgehalten. „Was ist passiert? Alles in Ordnung?“ Ich sah zu ihm hoch und nickte vage, während ich probehalber versuchte aufzutreten. Gut, meinem Knie war nichts passiert – zumindest tat es nicht weh. Das Prasseln des Regens wurde lauter, als er an Stärke zunahm. „Ich glaube das ist der Boden!“ Uruha hob die Augenbrauen und sah mich fragend an. „Der Kies ist nicht fest, sondern rutscht. Das strengt mich an, beim Laufen!“ Naja nicht, dass ich das gerne zugab, aber er hatte wohl eine Erklärung verdient nachdem er mich vor einer unschönen Landung bewahrt hatte. Außerdem war ich den ganzen Tag auf den Beinen. Es war ja kein Wunder, dass ich müde wurde. Er nickte dazu nur leicht und rümpfte die Nase. „Und bei dem Regen wird es auch nicht besser werden! Komm! Da vorne können wir uns unterstellen, bevor wir klatschnass sind!“ Waren wir das nicht eh schon? Außerdem war mir wirklich kalt. Meine Finger fühlten sich ganz klamm an. Ich stieg die Stufen zu dem kleinen Pavillon hinauf, den Uruha entdeckt hatte und sah zu, wie die Regentropfen im schwachen Licht der Laterne, zu Boden plätscherten. Meine Finger krallten sich in meine Jacke, als ich sie enger um mich zog und leise seufzte. „Du hast ganz blaue Lippen. Ist dir kalt?“ Uruhas Blick lag musternd auf mir. „Ein bisschen“, gab ich dann zu. Es hatte doch keinen Sinn nein zu sagen, wenn ich zitterte. „Nein! Bitte behalt sie! Du brauchst auch eine Jacke, bevor du krank wirst“, wehrte ich ab, als Uruha ritterlich begann seine Jacke auszuziehen. Er stockte mitten in der Bewegung und seufzte, so als wüsste er ganz genau, dass ich sie nicht nehmen würde. Sein Arm verschwand wieder im Ärmel und schon zog er den Reißverschluss wieder hoch. „Du bist ein Sturkopf, wie eh und je!“ Ich konnte es mir nicht erklären, aber das brachte mich zum Lächeln. Es war seltsam mit ihm alleine zu sein. Aber nicht auf eine schlechte Art und Weise. Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Er behandelte mich einfach nicht mehr so vorsichtig wie die anderen – klar am Anfang hatte er es sehr wohl getan. Doch mittlerweile hatte ich die Chance mich zu melden wenn etwas war, oder es sein zu lassen und es zu ertragen. Ich wusste, dass er mir sofort helfen würde, wenn der erste Fall eintrat und bei Zweiterem bekam er ja nicht unbedingt mit, dass etwas los war. Er lehnte sich neben mich an einen Holzpfeiler und sah zu, wie der Regen fiel. Als ich ihn so sah, wurde mir wieder ganz warm. Dunkle Augen, hohe Wangenknochen, formvollendete Lippen, ein wunderschönes Lächeln und eine Mähne, die dazu einlud meine Finger darin zu vergraben. Er sah unglaublich gut aus. Durchaus sehr männlich, auch wenn er auf den Fotos generell sehr feminin wirkte. Noch mehr als der Rest der Band. Meine Finger zitterten, als ich daran dachte, wie sich seine Bauchmuskeln unter meinen Fingerspitzen angefühlt hatten, oder wie gut es sich anfühlte, wenn er seine Arme um mich legte. Uruha wirkte nachdenklich, als er so nach draußen in den Regen starrte. Plötzlich hob er den Kopf. Er schien meinen Blick gespürt zu haben. Seine dunklen Augen musterten mich besorgt, doch er erwiderte meinen Blick, während ich nach und nach immer mehr in seinen Augen versank. Ein seltsames Ziehen machte sich in mir breit. Sehnsucht? Ich wollte ihm nahe sein! Plötzlich wollte ich es mit einer Intensität, die mich selbst erschreckte. Mein Herz begann zu flattern, als er zu lächeln begann. So warm. So einladend. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er sich bewegt hatte, bis er direkt vor mir stand und ich meinen Kopf heben musste um ihn anzusehen. Sein Körper strahlte eine unglaubliche Wärme aus. Verbrannte mich, während mein eigener sich ihm entgegenstreckte. Seine Fingerspitzen zitterten, als er seine Hand hob und mit den Fingerrücken über meine Wange strich, was mich zum Erschaudern brachte. Obwohl mein Kopf mir zurief, dass es eine blöde Idee war, wollte ich ihn küssen, viel zu sehr, als dass ich auf die Argumente hören konnte, die er mir warnend aufzuzählen begann. „Aoi…“ Seine Stimme war nur ein leises Flüstern, kaum lauter als ein Windhauch. „… du bist so … wunderschön!“ Ich schluckte trocken, bebend atmete ich aus. Uruhas Augen weiteten sich, seine Finger schlossen sich zu einer Faust. Noch bevor er einen Schritt zurückweichen und diesen magischen Moment zerstören konnte, hatte ich mich auf die Zehenspitzen gestellt, zog ihn an seiner Jacke an mich und küsste ihn. Sein Körper versteifte sich augenblicklich, doch noch bevor ich mich zurückziehen konnte um mich bei ihm für diesen Überfall zu entschuldigen, legten sich seine Arme um meine Taille und zogen mich näher an sich heran. Selbst durch die Jacke hindurch konnte ich seine muskulösen Unterarme spüren, die sich an meine Seiten drückten. Wohl geformt! Steinhart! Heiß! Meine Lippen bewegten sich warm und weich gegen seine. Dann übernahm er die Führung, drängte mich stärker zurück, wobei seine Arme mich festhielten. Seine Zunge fuhr vorwitzig über meine Unterlippe. Ich schmiegte mich an ihn und hielt mich an ihm fest, da meine Knie ganz weich wurden von diesem Kuss. Als ich nach Luft schnappte nutzte er die Gelegenheit und seine Zunge schlüpfte ungehindert in meinen Mund. Sein Geschmack war berauschend. Herb. Männlich. Warm. Die Spitze seiner Zunge glitt hart über die Mitte meiner eigenen, dann neckte sie sie ganz vorne. Hitze stieg in mir auf. Dieser Kuss … war unglaublich! Überwältigend! Er endete genauso sanft, wie er auch begonnen hatte indem Uruha seine Lippen noch mal sanft, aber mit Nachdruck auf meine presste. Seine Arme blieben weiterhin um meine Taille geschlungen, während ich meinen Kopf an seine Schulter legte, sein leises Keuchen an meinem Ohr. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, so verlegen war ich. Verdammt noch mal, was hatte ich da gerade getan? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)