Liebe führt, wie zu erwarten, zu Dummheiten von Lyndis ================================================================================ Kapitel 18: Abschied -------------------- Rei stand mit schwerem Herzen vor seinen Freunden. Seine Eltern waren schon vor gegangen, durch die Kontrolle, wollten ihm so noch etwas Zeit mit seinen Freunden geben... Zeit zum Abschied. "Du musst mir unbedingt jede Woche schreiben! Und in den Ferien komme ich dich besuchen, darauf kannst du wetten!" Takaos Energie erstaunte ihn immer wieder. Er würde den temperamentvollen Japaner wirklich unglaublich vermissen. Er war ein ganz besonderer Mensch. "Ruf an, wenn du mal wen zum reden brauchst, ja? Wir hatten nicht so wirklich viel Zeit füreinander im letzten Jahr, aber ich bin trotzdem immer gerne für dich da." Ai war auch gekommen. Das ganze Jahr über hatten sie immer wieder Kontakt miteinander gehabt und auch wenn der eher lose war, hatte er sich immer gefreut sie zu sehen. Sie war eine sehr angenehme Gesellschaft und er hoffte sie irgendwann noch einmal genauer kennenlernen zu können. "Mache ich alles, versprochen." Seine Stimme klang dünn und zittrig und er sprach absichtlich nicht viel, weil er verhindern wollte, dass er doch noch weinte. Das wollte er nicht. Er würde seine Freunde nicht verlieren, davon war er überzeugt und deshalb war das hier auch eigentlich kein Abschied, sondern einfach nur eine Änderung der Umstände. Er würde sie einfach nur in der Schule nicht mehr sehen, das war alles. Er konnte jederzeit Kontakt zu ihnen aufbauen. Immer, wenn er wollte. Das war zumindest das, was er sich immer einredete, wenn er 'Auf Wiedersehen' sagte. Dass das nicht stimmte wusste er selbst. Takao würde ihn nicht besuchen kommen und der Zeitunterschied würde ihn davon abhalten Ai anzurufen. Es würde ein paar Monate lang Kontakt bestehen, dann würde er einschlafen, weil der Alltag sie einholte. Und irgendwann wären auch diese beiden Personen nur noch Einträge in seinem Buch... Aber er verbot sich diese Gedanken, denn er wollte positiv in seine neue Heimat starten. Wenn er das nicht tat, wäre er nicht dazu in der Lage vorwärts zu gehen, sondern würde mit seinem Geist immer weiter hier in Japan bleiben und das war nicht gut. Das hatte er die ersten Male gemacht, als er umgezogen war. Besonders beim aller ersten Mal war es schlimm gewesen. Wie lange hatte er sich nach seiner Heimat gesehnt? Er hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass man keinen Ort brauchte um Heimat zu haben. Seine Eltern waren sein zu Hause, egal in welchem Land sie waren. Dennoch freute er sich darauf, nach seinem letzten Schuljahr endlich sesshaft werden zu können. Aber das dauerte noch über zwölf Monate und bis dahin musste er seinen Willen weiter zu machen, einfach bewahren. Wenn er sich dafür selbst belügen musste, war das eben etwas, was sein musste. Es war schließlich schlimm genug, dass sein Herz schon hier in Japan blieb, da sollte doch wenigstens sein Geist im neuen Land ankommen. "Und hey...", begann Takao dann und grinste leicht. "Mach die keine Sorgen wegen Kai, das wird alles, da bin ich mir sicher." Rei schluckte einen schweren Kloß, der sich in seinem Hals bilden wollte, herunter. Ja.. Kai... "Das werden wir sehen..." Beinahe hätten sich bei diesen Worten tatsächlich Tränen in seinen Augen gesammelt, aber er wehrte sich tapfer dagegen. Er wollte nicht weinen. Nicht jetzt und vor allem nicht in aller Öffentlichkeit. "Hey, nur Mut! Gib nicht auf, ok? Ihr habt so viel zusammen durchgestanden. Das muss doch was zählen!" Aber er war nicht in der Lage das zu beantworten. Tonnenschwer lasteten die Worte und wenn er jetzt den Mund aufgemacht hätte, wäre ihm seine Stimme weggebrochen und seine Selbstbeherrschung gleich mit. "Lass ihn Takao. Das Ganze ist schwer genug für ihn. Sei ein wenig feinfühliger! Darüber will er jetzt bestimmt nicht mehr reden." Ai hatte manchmal tatsächlich den besseren Riecher. Während Takao wunderbar in Kai lesen konnte wie ein offenes Buch, war Ai schon immer besser darin gewesen Rei zu verstehen. Kai... "Wir haben noch was für dich!" Das Mädchen reichte ihm ein kleines Geschenk, das er dankbar öffnete. Es war untypisch in Japan ein Geschenk zu öffnen, während der Schenker noch anwesend war, aber die beiden Japaner sahen wohlwollend darüber hinweg, denn sie wollten die Reaktion ihres Freundes sehen. Zum Vorschein kam ein schlichter Bilderrahmen, der ein Foto von Ai und Takao fasste. Takao schnitt darauf eine Grimasse, während das Mädchen ihn höchstwahrscheinlich gerade darüber belehrte, dass man eben das nicht tat. Rei musste über die so typische Szene wirklich lachen, auch wenn ihm dadurch mehr denn je zum Weinen zu mute war. "Danke, Leute. Wirklich." Nach einer innigen Umarmung standen sich die Drei noch eine Weile gegenüber und wussten nicht recht was sie sagen sollten, als Takao sich plötzlich suchend umsah und dann verärgert schnaubte. "Ehrlich Mann, er hätte wenigstens her kommen und tschüss sagen können, oder?" Alle drei wussten, dass ein gewisser Russe gemeint war, doch Rei zuckte nur die Schultern. "Ich wusste, dass er nicht kommt. Das ist nicht seine Art." "Aber wenigstens einmal in seinem Leben, könnte er mal über seinen Schatten springen, oder? Das hättest du nach der ganzen Mühe die du dir mit ihm gegeben hast wirklich mehr als verdient!" Ja, wahrscheinlich hatte er das, aber das war eben Kai. Er nahm es ihm nicht übel, so war er nun einmal. Außerdem hätte er den Abschied hier selbst wohl nicht verkraftet. "Ist mir eigentlich lieber so...", gab er deshalb zögernd zu, was ihm von Ai ein verständnisvolles Lächeln und von Takao einen verwirrten Blick einbrachte. Ja, es war besser so. Es hätte viel zu weh getan, wenn er ihn jetzt noch hätte sehen müssen. "Ich denke du musst jetzt gehen Rei... wir werden dich wirklich vermissen. Aber wir sind ja nicht aus der Welt, nicht?" Er nickte und umarmte Ai nach der kleinen Ansprache noch einmal. "Ich bin wirklich froh dich kennen gelernt zu haben. Du bist ein großartiges Mädchen." "Ach, das sagst du doch jetzt nur, weil ich die einzige aus unserem Jahrgang war, die nicht in dich verknallt war!" "Woran lag das eigentlich? Ihr beiden seid doch mal miteinander ausgegangen, oder?" Nach dieser Frage des Japaners wurde Ai deutlich verlegen und Rei lächelte mitfühlend. Nachdem er einen kurzen Blick mit ihr ausgetauscht hatte, um sich zu vergewissern, dass er das kleine Geheimnis ausplaudern durfte, begann er zu erklären: "Ihre Eltern sind sehr konservativ und ihre Mutter hat ihr immer wieder Druck gemacht, dass sie sich einen Freund suchen solle, den sie später mal heiraten konnte, sonst würden sie ihr einen Mann besorgen. Das wollte sie natürlich nicht. Und du weiß wie Japaner gegenüber Chinesen sein können. Als ihre Eltern mitbekommen haben, dass sie mit einem Chinesen ausgeht, haben sie ihr sofort gesagt, dass es doch eigentlich noch viel zu früh für einen Freund wäre und das doch alles noch viel Zeit hätte." Takao lachte darauf amüsiert, aber auch ein wenig beschämt. Es war wirklich allseits bekannt, dass Chinesen gerade bei den älteren Mitbürgern sehr unbeliebt waren. Rei hatte wirklich Glück gehabt auf eine Schule gekommen zu sein, an der das nicht so krass war. Er war eher beliebt gewesen, zumindest bis er sich geoutet hatte. Danach war er ziemlich geschnitten worden, was sich generell eher in Ignoranz seiner Existenz geäußert hatte oder dadurch, dass man ihm hässliche Worte an den Kopf geworfen hatte. Glücklicherweise alles Dinge, mit denen er umgehen und über denen er drüber stehen konnte. Niemand hatte sich getraut ihn wirklich direkt anzugehen. "Guter Plan, das muss ich schon sagen, Ai! Das hätte ich selbst nicht besser machen können!" Ai aber grinste Takao nur frech an: "Natürlich nicht. Auf den Plan wärst du auch gar nicht gekommen!" Rei sah schon, dass Takao beleidigt widersprechen wollte, doch er stoppte die beiden, bevor das eskalierte: "Ich muss jetzt wirklich los." Er umarmte Takao noch einmal: "Danke für alles. Ich werde dich echt vermissen. Du warst eine der größten Überraschungen im letzten Jahr. Du bist zu einem meiner besten Freunde geworden." Er hörte den Japaner schniefen und langsam musste er selbst auch mit den Tränen kämpfen. Verdammt! Nein, er würde nicht heulen. "Hör auf so sentimental zu sein, sonst fange ich an zu heulen!", beschwerte Takao sich laut schniefend und vergrub sein Gesicht kurz in der Schulter des anderen, ehe er sich wieder von ihm löste. "Wie Ai sagte, wir sind alle nicht aus der Welt. Ihr seid jederzeit eingeladen zu mir zu kommen. Ich schicke euch die Adresse sobald ich sie habe. Jetzt muss ich wirklich los. Macht's gut und passt auf euch auf." Danach drehte er sich schnell um und machte sich auf den Weg. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er zu den Beamten und durch den Metalldetektor. Er konnte sich nicht noch einmal umdrehen, er würde sich sonst nicht beherrschen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)