Aufwind von LSiomha ================================================================================ »Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die gute alte Zeit nennen wird.« – Ernest Hemingway 2052-06-25 17:54 | Tag 3209 + 383 »Mir reichts.« Verwundert sah Kisame seinen Kollegen von der Seite an. Bisher hatten sie geschwiegen, stur auf die verschmutzte Straße geachtet, die in den Slums mit Schlaglöchern nur so überzogen waren. Dreckig braunes Regenwasser sammelte sich nun in dem zerstörten Asphalt, löste den Schmutz vom Stein und heftete sich als schlammige Masse an alles, mit dem es in Berührung kam. »Was meinst du?« Er war müde. Den ganzen Tag über zerrüttete Straßen fahren und zu verhindern, dass die Bevölkerung der armen Stadtteile sich gegenseitig massakrierte, war alles andere als eine angenehme Tätigkeit. Es zehrte jedes Mal mehr an seiner Selbstbeherrschung, wenn er diesen Menschen, die ihnen Beschimpfungen hinterherschrien und vor ihnen große Trümmerbrocken auf die Straße rollten, nicht mit einem gezielten Schlag in die Magengrube ins Land der Träume schicken durfte. Früher hatte er es oft getan, sich geprügelt und durchaus schwere Verletzungen verursacht … doch damals hatte es auch nichts gegeben, was ihn daran hinderte. Nun schon. Jetzt war er Soldat im Dienste der neuen Regierung, die es ihm doch wohl übelnehmen würde, wenn er ihre Untertanen zusammenschlug. Auch wenn das nicht unbedingt der Grund war, warum er sich an dieses Gebot hielt. »Mir reichts halt. Diese ganze Scheiße hier, ich hab die Schnauze voll.« »Aha«, machte er nur und schaute wieder durch die Windschutzscheibe. Was sollte man dazu auch sagen. Sicher, irgendwo konnte er seinen besten Freund verstehen. Ziemlich gut sogar. Zabuza war genau wie er Soldat geworden, vor ungefähr zehn Jahren, kurz bevor der Krieg begann. Damals waren ihre Pläne für die Zukunft nur noch darauf ausgelegt, den nächsten Sonnenaufgang zu erleben. Die Massenrekrutierung war ihnen sehr zu Pass gekommen. In der Not hatte man jede Seele genommen, die willens war, und mit Geld gelockt, dass am Ende des Krieges nichts mehr wert gewesen war. Ihren gelinde gesagt fragwürdigen Lebenslauf hatte man angesichts ihrer physischen Belastbarkeit einfach ignoriert. »Jeden Tag werden wir hier runter geschickt, um die Leute davon abzuhalten, die nächste Rebellion zu zetteln. Schutz für unsere Mitbürger, dass ich nicht lache. Weißt du, ich würde denen sogar zutrauen, dass die sich über die dauernden Vergewaltigungen freuen. Sollte die Geburtenrate steigen lassen, was meinst du?« »Ich denke, dass die da oben ihre ganz eigenen Sorgen haben«, sagte Kisame Sorgen, die er früher als Luxusprobleme abgetan hätte, und die er nun mit seiner besseren Hälfte teilte. »Und wir dürfen die Folgen ihrer Untätigkeit ausbaden.« »Hast du etwas anderes erwartet?« Zabuza lachte freudlos. »Dieses Land ist am Arsch.« Ach nee. Wäre er ja nie drauf gekommen. Er hatte an eine Massendiät gedacht, an einen dramatischen Architekturwechsel der Metropole von intakt und glänzend zu zerstört und ausgebrannt. In der Abendsonne sahen die grauen Ruinen doch ganz hübsch aus. Vielleicht befanden sie sich auch am Set eines geschmacklosen Massenpornos im urbanen Underground-Style und sie wussten nur nicht, dass sie die ganze Zeit irgendwelche Statisten von ihrer Arbeit abgehalten hatten. »Wenn die sich da oben nicht langsam einigen und wenigstens die Grundversorgung wiederherstellen, bedeutet das Krieg.« »Den wir gerade erst hatten«, ergänzte Kisame bitter grinsend. Neun verdammte Jahre lang. »Den wir gerade erst hatten«, wiederholte Zabuza andächtig und klopfte mit den Fingern auf das Lenkrad. Das Ministerium ragte als ein schlanker Turm aus Glas und Stahl in den Abendhimmel. Wie ein Dorn stach es aus der zerstörten Silhouette der Stadt heraus und bildete, im Zentrum thronend, das neu erwachte Herz der Nation. Kisame fand es hässlich. Nicht nur wegen des nichtssagenden Designs, für das man seiner Meinung nach viel zu viel Geld ausgegeben hatte, sondern wegen seiner überragenden Höhe. Nur um auf andere herabzuschauen, brauchte es in dieser Stadt keine sieben Stockwerke, und das Ding hatte weit über dreißig. Und bei all dem freien Luftraum drum herum wäre es ein leichtes, ein Flugzeug in das ach so repräsentative Gebäude einer aufsteigenden Republik zu jagen. Aber wenigstens passte alles irgendwie rein, das war ja schon mal etwas. Und man hatte beim Bau dieses Spargels auch die nähere Umgebung geräumt und saniert, was man von weiten Teilen der einstigen Großstadt nicht behaupten konnte. Nur die wichtigsten Routen waren geräumt worden, und Zabuza gab ein erleichtertes Seufzen von sich, als er den Wagen aus den Ruinen hinaus auf eine mehr befahrene Asphaltstraße lenkte. Hier würden sie schneller vorankommen und waren in grob fünfzehn Minuten im Zentrum. Vorausgesetzt, ihr Job zwang sie nicht, irgendwo einzugreifen. Keine dreihundert Meter vom Haupteingang des Ministeriums entfernt hatte man auf den Grundresten eines Stadions den obersten Militärstützpunkt errichtet. In den ehemaligen Katakomben waren nun Werkstätten und Labore eingerichtet worden, die Zuschauertribünen hatte man zu separaten Räumen umgebaut und lagerte nun Waffen und Ausrüstung darin. Der Sportplatz diente nun als Hangar für große und kleine Flieger, während die Fahrzeuge draußen parken mussten, auf dem nun umzäunten und schwer bewachten Platz. Genau auf diesen fuhr Zabuza nun, erwiderte den grimmigen Blick des Pförtners gleichsam, als er im Schritttempo durch das Tor rollte. Sie waren nicht besonders beliebt, Zabuza und er. Teils, weil sie sich nicht um das Gegenteil bemüht hatten, vor allem aber weil sich hier kaum einer leiden konnte. Viele Freundschaften waren durch den Krieg jäh gebrochen worden, und nun waren die meisten angesichts dieser unsicheren politischen sowie sozialen Lage vorsichtig, sich auf eine neue einzulassen. Ihn kümmerte das wenig – Zabuza und er kannten sich schon ewig, sie waren nicht so einfach totzukriegen. Vielleicht lag diese Feindseligkeit auch daran, dass sie nie ein Geheimnis daraus gemacht hatten, aus welcher unteren Gesellschaftsschicht sie in die Armee gekrochen waren – wie sonst hätten sie ihre gute Kenntnis bezüglich des Milieus, in das sie täglich ausgeschickt wurden, erklären sollen? »Wichser«, brummte sein Kumpel und fing wieder an, auf das Lenkrad zu klopfen. Kisame lehnte sich entspannt in seinen Sitz zurück. Endlich Feierabend. Oder, so etwas in der Art. Sie hatten ihren Dienst abgeleistet und waren nun nur noch in Bereitschaft. Für den Fall, das eine Revolte losbrach oder so, aber daran glaubte Kisame nicht. »Lass ihn doch«, meinte er gutmütig. »Der war doch nur angepisst, weil der Wagen so scheiße aussieht.« Schlammbespritzt, von oben bis unten, und er war froh, ihn nicht sauber machen zu müssen. Es würde sich nicht lohnen, und Wasser war ein knappes Gut. Außerdem war der Dreck auf seine Weise schon praktisch, denn er tarnte ganz gut. Oder auch nicht, denn abgesehen vom Ministerium und seinen Unterorganisationen gab es nicht mehr so viele, die ein funktionstüchtiges Auto besaßen. Nicht seit dem Bombenhagel, der das halbe Land in Schutt und Asche gelegt hatte. Wenigstens waren es keine Wasserstoffbomben gewesen. Zabuza brummte etwas Unverständliches. Sie kurvten noch eine Weile über den Park, um zu ihrem Stellplatz zu gelangen. Endlich angelangt, zog Zabuza den Schlüssel und steckte ihn in die Hosentasche. »Da wären wir.« Es klang zufrieden. Kisame nickte zustimmend und stieg aus. Dann holte er seine Waffe und seine Ausrüstung von der Rückbank, steckte das eine in den Gürtel und schulterte das andere. »Gehst du nach Hause oder kommst du noch mit ins Ministerium?«, fragte er. Zabuza nickte. »Ich komm mit.« »Hat Haku nicht Dienst?« Haku war ein guter Freund von ihnen – zugegeben, für Zabuza war er mehr als nur ein Freund – und arbeitete ebenfalls beim Militär. Allerdings bei den Sanitätern, nicht als Soldat, und so hatten sie ihn auch kennengelernt. Nicht, dass die Ärzte hier Stümper waren, aber der Junge wusste wirklich, was er machte. Fast schmerzfrei und dabei recht schnell hatte er eine Patrone aus seiner Schulter gefischt und Zabuza mit einer Kraft den Arm eingerenkt, die man seiner zierlichen Gestalt nicht zumuten würde. Und dabei war er noch nicht einmal fertig mit seinem Studium. »Ja, aber wir treffen uns da. Er musste da heute vorstellig werden. Irgendwas Organisatorisches …«, er zuckte mit den Schultern, wusste es auch nicht so recht. Seit Kriegsende unterstützten die Ärzte des Militärs auch öffentliche Krankenhäuser mit ihrer Arbeit, weil die Zahl der Verletzten in der Zivilbevölkerung inzwischen deutlich höher lag als die der damals schwer verwundeten Soldaten. Bei den ganzen handgreiflichen Auseinandersetzungen kein Wunder. »Okay.« »Itachi?« »Ja.« »Okay.« Schweigend folgte er Kisame über den Park. Die verdreckten Sohlen ihrer schweren Stiefel knirschten und quietschten gleichermaßen auf dem mit glatten Steinplatten ausgelegten Boden. Kein Granit, aber irgendetwas in der Richtung. Vielleicht auch synthetisch hergestellt, wer wusste das schon – was die Produktion von täuschend echten Naturstoffen anging, war man ja dank Ressourcenmangels Meister geworden. Auf jeden Fall war er grau und glänzend, und dort, wo sie langgegangen waren, nun staubig und braun. Eine jüngere Empfangsdame warf ihnen einen missbilligenden Blick zu, sagte aber nichts. Dafür war ihr Auftreten zu einschüchternd. Protzig, das beschrieb den Eingang des Ministeriums sehr treffend. Und unbequem. Es gab nur Stehtische mit Informationsmaterial, in dem nur belangloses Zeug und gelegentlich auch sehr wichtiges Zeug stand, also Ankündigungen von groß angelegten Restaurierungen oder öffentlichen Speisungen, Verteilung von Hilfsgütern und so weiter. Abgedruckte Heuchelei, nichts weiter. Das Geld hätte man sich auch sparen können. Das einzige Highlight war vielleicht der Kaffeeautomat, der erstaunlich schmackhafte Erzeugnisse lieferte ‒ dass es echter Kaffee war, bezweifelte er. Meistens wurde der Automat nur von niederen Besuchern genutzt, schließlich gab es überall im Haus verteilt kleine Teeküchen. Sie gingen zu einem der Stehtische nahe den Fahrstühlen, um zu warten. Es war kurz vor, sie waren überpünktlich. Ausnahmsweise. War doch ein relativ ruhiger Tag gewesen. »Haku meint, wir sollten mehr auf diese Drogensache achten«, brummte Zabuza plötzlich. »Die prügeln sich schon um die Pillen. Ist mehr Arbeit für ihn.« »Und was sollen wir machen?« Kisame runzelte die Stirn. »Wenn wir sie einsammeln, gehen die auf uns los.« »Das hab ich ihm auch gesagt. Ist außerdem legal. Die in der Chefetage koksen auch.« Bei dem Druck, der auf ihnen lastete, durchaus nachvollziehbar, und Kisame glaubte nicht, dass sie Drogen so schnell verbieten würden. Momentan konnte sowieso jeder machen, was er wollte. »Itachi auch?« Er fuhr herum. »Natürlich nicht! Was denkst du denn?« »Nichts.« »Merk ich.« Er stöhnte. »Er hat mich immer angepflaumt, wenn ich mir nur ne Kippe angesteckt hab.« »Scheint was gebracht zu haben«, grollte Zabuza spöttisch, der ganz genau wusste, dass Kisame seit Monaten nicht mehr geraucht hatte. »Zu teuer«, sagte er nur. Nicht nur, dass es peinlich war, vor einer halben Portion wie dem Uchiha zu kuschen, sondern auch Itachis Methoden kratzten ziemlich an seinem Stolz. Er wolle keinen Aschenbecher küssen, pah ‒ als ob er so viel geraucht hätte! »Ich hab dir gleich gesagt, lass es.« »Du hast mitgemacht.« »Aber nur selten.« »Heuchler.« »Zabuza-san! Kisame-san!« Die helle, warm klingende Stimme riss sie aus ihrer Diskussion. Haku war an ihren Tisch getreten und strahlte sie an. Zabuza brummte etwas und Kisame grinste ihn breit an. »Steht dir«, meinte er. Haku sah an sich herunter und zupfte an seinem Kittel. »Ja, scheint, als wäre weiß meine Farbe.« Er lächelte. »Wollen wir, Zabuza-san?« »Warum lasst ihr mich eigentlich immer sitzen?«, fragte Kisame mürrisch, war aber keineswegs beleidigt. »Wir waren schon ewig mehr keinen heben, Zabuza«, er deutete auf Haku, »aber wenn Haku was will, springst du sofort.« Nun grinste Zabuza fies. »Er ist halt nicht so hässlich wie du.« »Du Arsch«, lachte Kisame dennoch und schwor sich, Zabuza demnächst eine reinzuhauen. Ganz aus Versehen, natürlich. »Nur weil du nicht auf mich stehst, gibt es da trotzdem andere …« »Verschone mich«, sprachs und ergriff mit Haku im Schlepptau die Flucht. Wichser. Er sah den beiden noch eine Weile nachdenklich hinterher, bevor er sich einen Flyer aus dem Ständer pflückte, um seine Langeweile zu vertreiben. Wenn Itachi noch länger brauchte, könnte er sich noch in aller Ruhe einen Imitat-Kaffee holen … nach einem genaueren Blick auf das Papier legte er es wieder weg. Es war der Bericht über die Aufräumarbeiten im Hafen, den er schon kannte. Er grinste bitter in sich hinein. Sobald die gelben Absperrbänder entfernt worden waren, würde all das Gesocks aus seinen Trümmerhöhlen kriechen und sich dort verkriechen, um sich ihren Teil der Importe zu sichern. Wie Ratten, die an ihren Heimathafen zurückkehren. Und er würde den Kammerjäger spielen dürfen, einfach großartig. Gerade, als er sich doch dem Automaten zuwenden wollte, öffneten sich die Türen des ausladenden Fahrstuhls und spuckten einen Schwall von Scharlatanen, Weltverschlechterern, Sozialisten, simpel gestrickten Fettsäcken und Profitgeiern aus. Die Damen und Herren des Landes im schicken Kostüm, die ihre Chauffeure fast auf den Bordstein fahren ließen, um für ein paar Meter Dreck, allgemein auch als Straße bekannt, nicht die ebenfalls schicken Schuhe wechseln zu müssen. Und sowas nannte sich Regierung. Natürlich war ein vom Krieg schwer gezeichnetes Land durchaus eine gute Partie. Man war einige Jahre lang die Lachnummer unter den kapitalistischen Kollegen, nur von naiven Schwachköpfen als Heilige in den Himmel gelobt, während man sein Geld in ein Land steckte und sich erhoffte, dort bald als Held und Retter gefeiert zu werden. Und seine Investitionen doppelt und dreifach zurückgezahlt zu bekommen, selbstverständlich. Man wollte ja nicht vor lauter Gutherzigkeit verarmen. Nein, er mochte diese Leute wirklich nicht, selbst wenn sie ihn für die Drecksarbeit ausreichend und pünktlich bezahlten. Er war nicht in diesem Land geboren, hatte nichts mit diesem ganzen Scheißhaufen zu tun und konnte sich jederzeit abseilen, gab ja genug andere, die sich um den Dreck kümmerten. Und dennoch blieb er. Wegen ihm. Dem Mann, der sein Leben umgekrempelt und ihm Dinge wie Mitgefühl und Ehrbarkeit ins Herz gepflanzt hatte. Wegen dem Mann, der gerade begleitet von seinem Vater als Letzter aus dem Fahrstuhl trat und ein missmutiges Gesicht zog. Tja, es war nicht gerade einfach, die lieben Kollegen von seinen pazifistischen Ideen zu überzeugen, wenn der Vater ein weltberühmter Kopf der Rüstungsindustrie war. Der Herr Papa sah auch nicht glücklich aus, und Kisame fragte sich interessiert, ob das nun am Sohnemann lag oder an den ganzen Pfeifen in den Chefsesseln. Uchiha Senior bemerkte ihn eher als sein in pessimistischen Gedanken versunkener Sohn, und nickte ihm zu. Nicht besonders freundlich, aber auch wenn er seine stoische Miene aufbehielt wusste Kisame um seine Sympathie. Anfangs war Fugaku nicht besonders begeistert von der Wahl seines Sohnes gewesen, welcher Vater war das schon, aber er hatte sich damit abgefunden, und Kisame fand, dass er es mit seinem Schwiegervater ziemlich gut getroffen hatte. Sie gingen einander nicht auf die Nerven, behandelten einander höflich und solange Fugaku keine Details aus dem Intimleben seines Sohnes erfahren musste, behielt er seine Vorbehalte auch für sich. Ein angenehmer Mensch. »Wir sehen uns morgen«, verabschiedete er sich knapp von seinem Sohn, der auch sogleich aufsah und das schmale Lächeln auf seinen Lippen, als sein Blick auf Kisame fiel, wischte all dessen Groll gegen die Regierung und die Drecksarbeit, der er täglich nachgehen durfte, mit einem Mal weg. Er konnte gar nicht anders, als idiotisch zurück zu grinsen. Aber er war eben verliebt und auch wenn die rosarote frisch-verliebt-sein-Phase lange abgeklungen war, verzieh er sich das großzügig. Zabuza hätte sich darüber kaputtgelacht. Hatte er schon, besser gesagt. »Bis morgen, Otō-san«, erwiderte Itachi noch, ganz der perfekte, brave Sohn, obgleich sein Vater bereits weitergegangen war und auch keine Antwort erwartete. Der Mann war wohl schon wieder mit etwas ganz anderem beschäftigt. »Na dann, Uchiha-san«, grinste Kisame ihn an, »darf ich Sie nach Hause geleiten?« Itachi nickte, ohne die Augen auch nur minimal zu verdrehen. Dabei wussten sie beide, dass er heute keinen Termin mehr wahrnehmen musste. »Sie dürfen, Hoshigaki-san.« »Wenn Sie mir dann folgen wollen …« Kisame parkte den Wagen jeden Morgen in der Tiefgarage, die videoüberwacht und nach gängigem Maßstab auch soweit einbruchsicher war. Dabei machte er sich keine Sorgen um den Wagen selbst, sondern um Itachis Sicherheit, da dieser sich mit seiner liberalen Art durchaus Feinde innerhalb und außerhalb des Ministeriums gemacht hatte. Er war in keiner schützenden Koalition untergebracht, lehnte jegliche Schmiergelder ab und wäre sein Vater nicht so wichtig für die Verteidigung und daher besser nicht zu verärgern, hätten sie ihn schon längst in die Luft geblasen. Doch Kisame war weder naiv noch dumm, und wusste, dass die dicken Betonwände höchstens Fremde abhalten würden, eine Bombe unter den Wagen zu klemmen. Für einen Angestellten des Ministeriums möglich, wenn man die Zugangsberechtigungen hatte und anschließend die Videoaufnahmen der Tat fälschte. Und dies zu bewerkstelligen war kein Problem, wenn man genügend Geld und Handlanger hatte. Er wollte bis jetzt nicht glauben, wie billig ein Politiker war, doch er wusste, dass Itachi ihn nicht anlog. Und dabei lag dessen Marktwert noch vergleichsweise hoch. Der Wagen war auch gepanzert, mit hochleistungsfähigem Bordcomputer und anderem interessanten Schnickschnack aus Papis Werkstatt. Aber es war halt kein Militärfahrzeug und daher würde ein geschickt platzierter Sprengsatz dem Gehäuse schon einiges abverlangen. Sie würden nicht draufgehen, nein, aber ein Monat Krankenhausurlaub war bestimmt drin. Vielleicht sorgte er sich auch übertrieben viel um Itachis Sicherheit, doch der letzte Drohbrief war erst gestern in Itachis Postfach gelandet und Kisame zweifelte nicht daran, dass dieser ernst gemeint war. Itachi wollte ihn dann immer beruhigen, nutzte das Argument, dass bisher auch noch nichts passiert war und dass er sich durchaus verteidigen konnte. Aber wie wollte man sich gegen eine Bombe verteidigen? Oder gegen einen gezielten Kopfschuss? »Du guckst schon wieder so«, meinte Itachi beim Einsteigen, hatte den Gemütszustand seines Partners wieder einmal klar erkannt. »War ein anstrengender Tag«, murmelte er ausweichend und ließ den Motor an, der mit einem grollenden Schnurren zum Leben erwachte. Der Bordcomputer meldete sich mit einem Blinken und zeigte eine Übersicht der im Moment möglichen Leistungen des Wagens. Ein schönes Spielzeug. »Sehr schlimm?«, wurde nachgefragt. »Nein. Nur die Routine«, er würde jetzt ganz bestimmt nicht einen auf wehleidig machen! »Hn.« Er spürte Itachis Blick noch lange auf sich, eher dieser sich von ihm löste und begleitet von einem Seufzen aus dem Fenster richtete. Die grauen Bruchbuden zogen an ihnen vorbei, boten ein tristes Bild entlang der Hauptstraße, und Kisame wusste nur zu gut, wie schlimm es an den kaum befahrenen Ecken der Stadt aussah. Die Redewendung ›Hölle auf Erden‹ reichte da schon nicht mehr. »Und bei dir?« Itachi lächelte falsch. »Einfach nur wunderbar.« Nicht gut. »Also haben sie deine Stimme gekriegt«, riet er ins Blaue hinein. »Nein.« »Du hast deine Stimme enthalten.« »Nein.« Kisame sah ihn argwöhnisch von der Seite an. »Du bist so gut wie tot?« Nun lachte er. »Das sowieso. Nein, ich habe noch vierundzwanzig Stunden.« »Uh, ein Ultimatum, wie gnädig«, frotzelte er. Itachi verzog das Gesicht. »Was würdest du denn machen?« Nachdenklich blickte er auf die Straße. Seit Wochen wurde um den Aufbau eines neuen Armeezweigs verhandelt, bei dem Roboter die tragenden Rollen spielten. Man war der Meinung, die Waffentechnologie wäre inzwischen weit genug fortgeschritten, sodass man den Menschen endgültig vom Schlachtfeld abziehen könne. Von nun an sollten Informatiker fernab der Kampfhandlung eben diese kontrollieren … eine gewöhnungsbedürftige Entwicklung. »Ich würde zusagen«, gab er ehrlich zu. »Du würdest dir damit selbst kündigen.« »Ich würde nicht auf irgendeinem Schlachtfeld verrecken und auch keinem dabei zusehen müssen«, führte Kisame aus und ignorierte Itachis finsteren Blick. »Ehrlich, ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum du so dagegen bist. Schließlich bist du derjenige von uns beiden, der auf der Schiene ›jedes Menschenleben ist kostbar‹ fährt.« Ein Seufzen. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei, ein paar ferngesteuerten Blechbüchsen die Exekutive anzuvertrauen.« »Gewöhn dich dran«, Kisame zuckte abfällig mit den Schultern und bog nach rechts ab. Seiner Meinung nach hatte man schon mit der Entwicklung vollautomatischer Waffen die Kontrolle verloren. Überhaupt, von Kontrolle konnte im Krieg nicht die Rede sein, wenn am Ende nur Chaos übrigblieb. »Mein Vater sitzt mir auch im Nacken. Ist schließlich ein sehr profitabler Auftrag für ihn.« »Verständlich.« »Es wäre wohl das Beste, wenn ich meine Zustimmung gebe.« »Wäre es.« Sie schwiegen für den Rest der Fahrt. 2049-03-16 16:43 | Tag 2395 Rauch erfüllte die Luft, Flieger sausten mit ohrenbetäubenden Donnern über den Himmel, Panzer rollten durch die aufgewühlte Erde und hinterließen tiefe Furchen zwischen den graugrünen Zelten. Zabuza spielte unruhig mit seinem Maschinengewehr, streichelte den Kunststoff, während seine dunklen Augen hin und her huschten, die hektisch vorbeieilenden Soldaten musterten. Irgendwo wurde ein Kommando gebrüllt, dann knallte etwas, doch ihm war es egal. Er lehnte an der Motorhaube eines Geländewagens, genoss die vielleicht letzte Abendsonne, die er zu Gesicht bekommen würde und kümmerte sich einen Scheißdreck um das Getümmel, das um ihn herum wütete. Er machte hier schon viel zu lange mit, um ernsthaft aufgeregt zu sein. Sollten sie doch kommen … Die Sonne war noch nicht gänzlich verschwunden, da kam tatsächlich jemand. Es war dieser junge Typ, der am Vormittag schon mal mit seiner Leibgarde im Schlepptau an ihm vorbeigedackelt war. Kisame wusste nicht viel über ihn, nur das er hauptberuflich Sohn war und sich anstelle seines Vaters offiziell in die Politik einmischte. Ein absoluter Grünschnabel mit viel zu viel Einfluss, den er garantiert nicht dem eigenen Handeln zu verdanken hatte. Kisame sah innerlich schon das Nachkriegsland zugrunde gehen, wenn solche Milchbubis ohne jede Erfahrung in die Regierung kamen. Auch jetzt hatte der Junge ein paar Holzklötze aus der Privatarmee seines Vaters bei sich, man erkannte es an ihren Uniformen. Fünf an der Zahl. Ganz schön viele dafür, dass er sich auf einigermaßen sicheren Terrain bewegte. Seinem Vater schien er jedenfalls sehr wichtig zu sein. Offenbar hatte Sohnemann es auch recht eilig, und seine Miene sah besorgt aus, während die Rambos an seiner Seite grimmig dreinschauten. War der überhaupt schon alt genug für diese Spielwiese der Erwachsenen? Kisame konnte es schwer einschätzen. Keiner bemerkte den Flieger im Anflug, niemand schenkte ihm Beachtung, flogen hier doch dauernd irgendwelche Kampfmaschinen herum, mit dem großen Landeplatz ganz in der Nähe. Kaum war die Prozession an ihnen vorbei, schaltete Kisame wieder ab und hatte sie gleich darauf schon wieder fast vergessen. Im nächsten Moment war der Flieger da, etwas fiel vom Himmel und brachte die Hölle auf Erden. Es krachte und donnerte, als eine Feuerbrunst durch das Lager jagte. Mit einem Hechtsprung entfernte er sich von dem Auto, bevor dieses den Flammen zum Opfer fiel und ihn in den Tod riss. »Scheiße!«, Zabuzas Stimme nah an seinem Ohr. »Die haben es auf dieses wichtige Söhnchen abgesehen!« Nicht gut. »Wo?«, brüllte er, bemüht, den Lärm um sich herum zu übertönen. Zabuza nickte in die Richtung, und Kisame rannte los, seine Waffe aus ihrem Gurt ziehend. Verdammt … Den Einschlagsort der Bombe zu finden war ein Kinderspiel, ein verhältnismäßig kleiner, stark verkohlter Krater, gesäumt mit brennenden Zelten und Körpern. Das Flugzeug hatte wieder an Höhe gewonnen, kreiste für Bodenangreifer unerreichbar hoch in der Luft. Der Pilot kontrollierte wohl, ob er sein Ziel auch getroffen hatte. Hektisch sah Kisame sich um. War hier noch jemand am Leben? Ein röchelndes Husten ließ ihn herumfahren. Dort lag das Ziel, halb begraben vom schweren Körper eines seiner Bodyguards. Nicht tot, aber auch nicht unbeeinträchtigt. Schwerfällig schob er den Toten von sich herunter und bemühte sich aufzurappeln. Definitiv angeschlagen. Ohne lange zu überlegen, eilte Kisame zu ihm und zerrte ihn auf die Beine. »Kannst du laufen?«, herrschte er ihn an. Dunkle Augen blickten ihm verständnislos entgegen, vermutlich stand er unter Schock. Laufen konnte er dann auch nicht, so wie der zitterte. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren packte Kisame ihn, warf ihn sich über die Schulter und rannte los. Er musste ihn hier wegbringen, wollte sich gar nicht ausmalen, wie lange der Krieg noch gehen würde, wenn man so ein wichtiges Persönchen umlegte. Verdammt, wo waren diese mobilen Bunker, wenn man einen brauchte? »… sie sind gestorben«, krächzte es plötzlich von seiner Schulter. Oh, doch anwesend. »Ja«, knurrte er barsch zurück. »Wehe, du machst ihnen das nach!« Seine Lungen brannten, doch er rannte keuchend weiter, wünschte sich kühle frische Luft anstelle der stickigen, versengten. Endlich kam einer dieser Bunker in Sicht, nur noch zweihundert Meter. Soldaten kamen ihm entgegen, rannten an ihm vorbei, hin zur Unglücksstelle. Sollten noch andere überlebt haben, so war Zabuza nun bei diesen angekommen und leistete erste Hilfe. Plötzlich war es wieder da, das Flugzeug, ein wohlbekanntes Zischen ertönte über ihren Köpfen. Der Bunker noch fünfzig Meter entfernt. Bitte, lass es uns schaffen, schoss es ihm durch den Kopf, doch er wusste, dass es unmöglich war. Er hörte das Pfeifen, der Sprengkörper war abgeworfen, und im letzten Moment änderte er die Richtung, weg vom Bunker, auf dessen Vorhof der Flugkörper zielte. Er packte den Jungen, drückte ihn bäuchlings zu Boden, ein ersticktes Keuchen – gerade noch rechtzeitig, das Feuer brüllte auf, und Kisame warf sich auf ihn, bedeckte ihn gänzlich mit seinem Körper. Die Flammen kamen, rollten über ihn hinweg, leckten über seine Rückseite, als würde die Hölle höchstpersönlich über Kisames Haut streicheln. Ein gepresster Schmerzlaut entwich ihm, er schlug die Kiefer aufeinander, um nicht loszuschreien. Schmerz, gleißender Schmerz, und der Junge unter ihm war verdächtig still. Wehe, der war abgekratzt. Sekunden später war das Feuer weg, doch das Hitze in seiner Haut wütete weiter, quälte ihn wie heiße Nadelstiche. War der Flieger weg? Hoffentlich, und selbst wenn, weit würde er nicht kommen. Bestimmt verfolgten sie ihn schon. Dennoch, er blieb liegen. Nur noch kurz, bis er in der Lage war aufzustehen. Der Junge unter ihm hustete, er spürte das Beben. Schlagartig wurde Kisame sich seines schweren Gewichts bewusst, das den geschwächten Körper unter sich zu erdrücken drohte. Mühevoll schob er sich von ihm runter, schaffte es nur bis zur Hälfte, doch das schien zu reichen. Gierig sog der Junge die Luft ein, hustete erneut, als der Rauch in seine Lungen drang. Nein, kein Junge … nun, von nahem, würde er ihn auf Anfang zwanzig schätzen … aber immer noch ein Grünschnabel. Bitter grinsend schloss er die Augen, verzerrte das Gesicht, als der Schmerz bei jeder noch so kleinen Bewegung durch seinen Rücken schoss. Hoffentlich fühlte sich das alles schlimmer an, als es aussah … Rufe wurden laut, irgendwo donnerte es gewaltig, vielleicht hatten sie den Attentäter erwischt. Man suchte also nach ihnen … hoffentlich hatten sie Eiswürfel dabei … er hustete ebenfalls. Verdammter Rauch. Er riss sich zusammen, atmete tief durch, spannte dann die Muskeln an und hievte sich hoch. Verdammt, tat das weh. Kisames Sicht verschwamm, er taumelte kurz, fing sich jedoch schnell wieder. Er oft genug betrunken gewesen, um sein Gleichgewicht aufs Beste zu trainieren. Damals, in der guten alten Zeit … aber hier in der Armee stand Alkohol unter Prohibition, außer im Ausgang … leider. Die Rufe wurden lauter, bekamen einen neuen Klang, man hatte sie wohl gefunden. Na endlich. Er sah nach unten, wo der Fremde noch immer lag und aus dunklen Augen zu ihm aufstarrte, als wäre er das achte Weltwunder. Himmel, wo blieben diese lahmarschigen Sanitäter, dem musste wirklich geholfen werden! 2052-06-26 05:01 | Tag 3209 + 384 Es piepte. Mehrmals. Laut und nervtötend. Kisame knurrte unwillig und vergrub die Nase im Kissen. Er würde nicht klein beigeben und aufstehen, frühestens in zehn Minuten. Dämlicher Wecker. Itachi schien das genauso zu sehen, denn das Bettzeug raschelte und dann, himmlische Ruhe. Wie schön. »Morgen«, gähnte Itachi neben ihm ins Kissen. »Dir auch«, brummte er undeutlich zurück und blinzelte. Das Zimmer war irritierend hell. Offenbar hatten sie am Vorabend vergessen die Jalousien herunterzulassen. Doch der Gedanke daran, dass man sie eventuell beobachtet haben könnte, wurde ganz schnell von dem warmen Körper verdrängt, der sich unter der Decke an ihn schmiegte. Mmh … Itachi hatte wirklich schöne Haut, ganz weich und empfindlich. »Bereit für das Blutbad?«, fragte er mit gespielter Grabesstimme, lockte ein Lächeln auf Itachis schmale Lippen. »Wenn du mich nochmal küsst, vielleicht …« »Na dann …« Halb zog er, halb stieg Itachi auf ihn, stützte sich ab, damit sie sich trotz der Nähe nicht ins Gehege kamen. Itachis Lippen schmeckten noch ganz leicht nach dem widerwärtigen Tee, welchen dieser jeden Abend trank um einigermaßen schlafen zu können. Als gesündere Alternative zu Tabletten, bei denen er nicht wusste, was drin war. Kisame wäre es lieber, er würde die Tabletten vorziehen, doch in manchen Dingen ließ Itachi sich partout nicht mit sich reden. Da war der Tee nur das geringste Beispiel. Itachi seufzte leise, streichelte über seine Brust, während er den Kuss erwiderte. Es war ein sanfter Kuss, ohne Erotik oder besondere Leidenschaft, nur ein simpler Ausdruck inniger Verbundenheit. Die Art von Kuss, die Paare in glücksrauschenden Momenten teilten, sich auf der Leinwand dämlich anblinzelten und dem Publikum weismachen wollten, sie wären ernsthaft ineinander verliebt. Und, zu seiner großen Überraschung gefiel Kisame das sogar. Also, natürlich nicht diese lächerlichen Kriegsschmonzetten, wie sie in den letzten Jahren massenweise produziert worden waren, ganz nah an der Realität, jeweils im aktuellen Kontext. Aber diese Küsse, die waren wirklich schön. Vor zwei Jahren hätte er noch darauf geschissen, überhaupt eine Beziehung anzufangen. Kriegstrauma, niemand glaubte noch an wahre Liebe, wenn man sah, wie lieblos um einen herum getötet wurde, einem alles genommen wurde, was vielleicht liebenswert gewesen wäre. Da war eine Prostituierte gewesen, trotz der ganzen Scheiße noch stolz und aufrecht. Ursprünglich hatte sie als Bankangestellte gearbeitet, hatte aber nach Kriegsbeginn beizeiten ihren Job verloren. Um nicht in der allgemeinen Verzweiflung unterzugehen, hatte sie alle Mittel genutzt, die ihr geblieben waren. Kisame hatte sie gemocht, hätte sich durchaus vorstellen, es auch nach dem Krieg noch eine Weile mit ihr auszuhalten. Am Ende hatte er ihre völlig deformierte Leiche gefunden, erschlagen und zerquetscht unter einer Hauswand. Romantik pur. Itachi löste sich von ihm und sah ihn vorwurfsvoll an. »Du bist abgelenkt.« Kisame grinste schief zurück. »Sorry. Bin auch nur ein Mensch.« Sein Partner runzelte die Stirn, rollte von ihm herunter und stand auf. »Wir haben die Jalousien vergessen.« »Passiert.« Und er würde es gerne wieder tun, wenn er dafür Itachis nackten Körper im Morgenlicht bewundern durfte. Er war noch immer schön, trotz der Narben. War auch deutlich besser weggekommen als er selbst. Die Wunden waren sauber abgeheilt, die abgebrannten Haare waren nachgewachsen, wenn auch noch nicht zur alten Länge. Er war wirklich schön, und am Leben. Offensichtlich brachte es etwas, sich in den Dreck zu werfen. Mit einem Ächzen setzte er sich auf. Das Bett war viel zu bequem um mit dem Gedanken zu spielen, es zu verlassen. Zu früh war es auch. Aber sie mussten los, er musste zum Militärlager und je eher Itachi im Ministerium war, umso mehr Zeit hatte er etwas zu schaffen, bevor ihm seine lieben Kollegen dazwischenfunkten. Gähnend sammelte er seine Sachen vom Boden auf. Eigentlich wohnte er noch wie Zabuza in der Kaserne, doch dort war er seit Wochen nicht mehr gewesen. Wozu auch, Itachis Wohnung war viel praktischer für seinen aktuellen Lebensstil. Außerdem konnte er Itachi besser beschützen, wenn er in der Nähe war. Er hatte sich gerade angezogen, da kehrte Itachi ins Schlafzimmer zurück, bereits fix und fertig für die Arbeit. Es war rekordverdächtig, wie schnell er das schaffte. Vielleicht hatte er schon im Kindesalter üben müssen, sich als seriöser Politiker vorzustellen. »Bist du fertig?« Sah nicht so aus. »Ich wette, du hast mir wieder die Haare zerwühlt«, grummelte er. Da gab man sich so viel Mühe mit seiner Frisur und dann kam so ein Haarfetischist und machte alles wieder kaputt. Itachi schmunzelte nur. »Ab ins Bad mit dir, ich kümmere mich ums Frühstück.« 2049-03-18 06:04 | Tag 2397 Als er wieder zu sich kam, war der Schmerz abgeklungen. Das Feuer auf seinem Rücken war erloschen, einer angenehmen Kühle gewichen. Er fühlte sich berauscht und schmerzfrei. Kisame wollte nicht wissen, wie viel sie ihm gespritzt hatten. Vorsichtig öffnete er die Augen. »Wieder wach?« Zabuza saß an seinem Bett und hielt einen Becher in den Händen, aus welchem weißer Dampf aufstieg. Kisame stöhnte nur leise. Ausgerechnet der. Wer auch sonst. Da würde er sich etwas anhören dürfen … »Das war wirklich ne absolut schwache Nummer«, fing sein Kumpel auch sogleich an, »Sich die Kehrseite wegkokeln lassen? Dumme Idee, wirklich. Wenigstens ist es nur den Rücken, hast deinen Kopf weit genug unten gehabt. So ne vernarbte Hinterkopfglatze sähe echt bescheuert aus.« Ein Kompliment nach dem anderen. Immer her damit, er liebte sowas. »Arsch«, brummte er verhalten. Zabuza schnaubte. »Ach, komm schon, du bist ein Held. Nicht mehr so gutaussehend wie in der guten alten Zeit, aber das Latexkostüm steht dir immer noch. Obwohl, bleib lieber bei den Hosen. Dein Glück, dass die feuerfest war, sonst wäre dein Arsch auch verbrannt.« War das Humor? Bitte nicht, wenn Zabuza sich amüsierte, musste er echt ein erbärmliches Bild abgeben. »Wie gehts ihm?«, fragte Kisame. »Wem?« »Diesem Grünschnabel, wegen dem ich flach liege.« »Ach, der. Dem gehts super, andernfalls wärst du ja kein Held.« »Und der Angreifer?« »Suizid.« »Verluste?« »Sohnemanns Leibwache, ein paar Zelte, ein paar Männer von uns und deine Ehre, als du umgekippt bist. Wärst besser liegengeblieben.« Ja, daran erinnerte er sich dunkel. War nicht die beste Idee gewesen, er hatte seine Verfassung etwas überschätzt. »Noch einmal trag ich dich nicht.« »Kommt nicht wieder vor.« Hoffentlich. War irgendwo auch ziemlich peinlich. »Na dann, ich verzieh mich. Bin eh nur wegen dem Kaffee hier.« »Klar.« »Passt schon …« 2052-06-27 17:02 | Tag 3209 + 385 Es war um fünf, als Kisame die Nachricht erhielt. »Beschluss erfolgreich. Bin heute Abend bei meiner Familie, musst mich nicht abholen. Itachi« Er wusste nicht ganz, was er davon halten sollte, also entschied er sich für Gleichgültigkeit. Er brauchte eh etwas Zeit zum Nachdenken. »Gehen wir was trinken?«, fragte er Zabuza, während er das Mobiltelefon wegsteckte. Der zuckte nur mit den Schultern. »Warum nicht.« Gesagt, getan. Zwei Stunden später saßen sie in einer Kellerbar, deren Lokalität wohl auch der Grund war, weshalb sie den Krieg überlebt hatte, ihnen gegenüber drei Schalen und eine große Flasche Sake. Haku war auch mitgekommen, was Kisame leicht nervte, da er mit seinem Kumpel gerne mal wieder alleine gewesen wäre, doch er sagte nichts. Haku schien ihm ziemlich wichtig geworden zu sein, warum auch immer, und er fügte sich. Zumal Haku sich auch recht diskret verhielt. »Wir sind also praktisch wieder arbeitslos«, stellte Zabuza fest und schwenkte seine Schale hin und her. »Sieht so aus. Aber ich hab da schon ein Angebot bekommen.« »Von wem?« »Uchiha. Der sucht doch immer ein paar Männer für seine Privatarmee«, erklärte Kisame. »Uh.« Die Schale wurde gekippt. »Dich werben die bestimmt auch noch an. Die Bezahlung ist sogar besser.« »Bei dir legt er bestimmt noch was drauf, weil du seinen Sohn fickst.« Kisame grinste breit. »Denkst du, das belohnt er?« Nun grinste Zabuza auch. »Käme auf einen Versuch drauf an, aber danke, ich bin bedient.« »Itachi würde dich sowieso nicht ranlassen. Da ist er wählerisch«, verkündete er stolz. Ein gutmütiges Schnauben seines Freundes. »Bin nicht so scharf auf die High Society wie du. Mann, wusstest du, dass dieser Danzō sich reihenweise durch den Untergrund vögelt? Schüttet ihnen schön viel Geld in die Hände, für das sie hinter der nächsten Ecke abgestochen werden. Ist natürlich auch eine Art, die Wirtschaft anzukurbeln.« »Perverser alter Sack«, schnaubte er belustigt. »Ganz der altmodische Yakuza. Aber Itachi ist …« »Schon klar«, winkte der Andere ab. »Itachi ist ein Heiliger, und hättest du sein einsames Herz nicht mit deiner Rettungsaktion erobert, wäre er immer noch Jungfrau. Ich weiß!« Kisame lachte befreit. »Ich hab es ja verstanden«, meinte er und klopfte Zabuza auf die Schulter. Dieser starrte nur auf seine Schale. »Ich versteh ja, dass du ihn magst, aber langsam nervts. Früher hast du auch nicht von den Weibern geschwärmt, die du flachgelegt hast.« »Weil sie es nicht wert waren«, Kisame lachte bitter und nahm einen großen Schluck Sake. »Früher ist uns doch alles scheißegal gewesen, solange es nur da war. Wozu ein Loblied über die Titten der einen singen, wenn das nächste Weib noch besser gebaut ist.« »Schade, wenn man etwas immer nur im Nachhinein zu schätzen weiß«, mischte Haku sich altklug ein. »Das war einmal«, knurrte Zabuza plötzlich angefressen und füllte sich die nächste Schale. Kisame beobachtete das vorgelegte Tempo seines Freundes mit hochgezogenen Brauen. »Hoffen wir einfach, dass sie dieses beschissene Land doch noch in die Hand kriegen und das die Zukunft besser wird.« »Wie poetisch«, spottete Kisame. »Ich würde gerne daran glauben, dass die Zukunft besser wird«, meinte Haku betrübt und starrte auf die Maserung des Holztresens. »Aber wenn ich daran denke, wo wir jetzt sind … was wir jetzt sind – ich meine, was kann daraus werden? Ich habe heute dreiundzwanzig Patienten in der Ambulanz behandelt, und fast alle waren dehydriert. Aber anstatt euch mit Wasserkanistern in die Stadt zu schicken, werdet ihr mit Maschinengewehren ausgerüstet.« »Nur dreiundzwanzig?«, warf Zabuza ein. »Klingt nach einem entspannten Tag.« Kisame lachte rau auf. »Du kannst echt so ein Arschloch sein …« »Versteht ihr, was ich meine?« »So ist es doch immer«, brummte Zabuza versöhnlich, auf Hakus leicht genervten Blick hin. »Eine Handvoll selbstloser Heiliger versucht die Welt zu verbessern. Aber dann kommt die Elite und entscheidet, das humanitäre Hilfe einfach nicht rentabel ist und puff, der Traum zerplatzt, Ende der Geschichte.« »Es sei denn, die Elite ist von Gutmenschen durchsetzt«, ergänzte Kisame ironisch grinsend. »Dann ziehen alle an einem Strang und innerhalb von Wochen stehen die Grundgerüste einer neuen Nation.« Große braune Augen sahen zu ihm auf, offenbar dachte er wirklich darüber nach. Der Alkohol zeigte Wirkung. »Mach ihm nichts vor, Kisame«, beschwerte Zabuza sich und kippte den Sake erneut. »Die scheffeln ihr Geld und wir werden ignoriert, bis die nächste Katastrophe kommt.« »Aber das kann doch so nicht weitergehen!«, rief Haku entrüstet. »Nö. Es kann nicht, es macht einfach. Es bringt nichts, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es weitergehen könnte. Die Zeit kommt, und wenn du Pech hast, gehst du unter. Das nennt man ganz allgemein Leben.« »Aber …« »Lass gut sein, Haku«, seufzte Kisame, »Betrunken ist er noch sturer. Du solltest mehr trinken, dann erträgst du den Mist besser.« Am Ende wurde der Abend doch noch ganz vergnüglich. Zwar waren sie stockbesoffen und Haku mehr oder weniger auch, obwohl er deutlich weniger getrunken hatte. Waren zwischendurch vielleicht etwas laut geworden, aber draufgeschissen. Hin und wieder sollte man auch etwas Spaß haben. Zu dritt schleppten sie sich in Hakus Wohnung, ein winziges Apartment ganz in der Nähe der Bar. Der Zimmerfußboden war für sie drei vielleicht etwa eng bemessen, aber immer noch besser, als wenn Zabuza und er sternhagelvoll durch die Wohnbaracke eierten. Bevor er einschlief, schaute er nochmal, ob Itachi ihm noch was geschrieben hatte, doch sein Posteingang war leer. 2049-04-12 11:02 | Tag 2422 Kisame wusste nicht, wie viel Zeit seit dem Anschlag vergangen war, er wusste nur, es war zu viel. Seit gefühlten Ewigkeiten befand er sich auf der Krankenstation, wo er nichts Besseres zu tun hatte als herumzuliegen und sich Salbe auf seine Wunden schmieren zu lassen. Letzteres könnte er vielleicht sogar genießen, wenn es nicht so verdammt weh tun würde. Seine Vorgesetzten schienen auch zu finden, dass es langsam Zeit für den nächsten Schritt wurde. Einer war vorbeigekommen, um ihm eine Broschüre und einen Brief in die Hand zu drücken und ihm zu sagen, dass er sich in nächster Zeit entscheiden müsse. Kisame grinste freudlos. Er hätte gleich die Antwort geben können, schließlich gab es keine nennenswerten Alternativen. Er war doch kein beschissener Krüppel, den man mit einer lächerlichen Summe im Monat abspeisen konnte. Zabuza, der vorhin seinen täglichen Pflichtantritt abgeleistet hatte, hatte auch nur ein Schnauben für dieses Angebot übriggehabt. »Hoshigaki Kisame?« »Huh?« Milde überrascht sah er auf, konnte die Stimme nicht einordnen, und erblickte den jungen Mann, den er gerettet hatte. Wie war sein Name noch mal gewesen? Hichiwa? Kisame hatte nach dem Grünschnabel sehen wollen, sobald er wieder mobil war. Zabuzas Ausführungen fielen nicht direkt beschönigend, aber meist sehr knapp aus. Nicht, weil er ein besonders optimistischer Mensch war, doch er dramatisierte auch nichts, wo es seiner Meinung nach nichts zu dramatisieren gab. Dieses Söhnchen war allerdings aus einem anderen Holz geschnitzt als ein aus der Gosse aufgestiegener Soldat, vielleicht war sein Zustand doch ernster gewesen als sein Kumpel hatte durchblicken lassen. Bevor Kisame sich jedoch darüber wundern konnte, dass er sich um einen fremden Menschen scherte, hatte man ihm mitgeteilt, dass dieser gewisse Mensch bereits abgereist war. Verständlich, so ein wichtiges Persönchen durfte man nicht auf einer simplen Krankenstation inmitten einer gefechtsbereiten Militärbasis lassen. Sicherlich war es ihm beizeiten besser gegangen, mit Mamis Liebe und dubiosen Medikamenten aus Papis Labor. Wahrscheinlich hatte er sogar eine extra Krankenschwester mit dicken Titten gehabt, die ihm dämlich mitleidvoll lächelnd einen Kühlakku gegen die Wange gepresst hatte. Falls man so etwas Simples in der High Society überhaupt verwendete. Abschätzend musterte er die schlanke Gestalt, die sich unsicher umsehend den Aufenthaltsraum beziehungsweise Wartebereich der Krankenstation betreten hatte. Er schien wirklich ganz gut davongekommen zu sein. Ein paar oberflächliche, halb abgeheilte Wunden im Gesicht, die Haare ein ganzes Stück kürzer als in Kisames Erinnerung, und vor allem nicht mehr mit dem Gesichtsausdruck eines angeschossenen Rehs stand er da. Ohne den ganzen Dreck war er wirklich nett anzusehen. »Ja?«, sagte er etwas lauter, doch das schien unnötig geworden zu sein, denn er hatte ihn wohl bereits entdeckt und hielt auf ihn zu. Sein Blick wanderte langsam über seinen Körper und blieb schließlich an seinem bandagierten Rücken hängen. Wehe, der heuchelte jetzt Mitleid, das konnte er gar nicht gebrauchen. Was machte der Grünschnabel eigentlich hier? »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken«, meinte der Fremde nach einer kurzen Begrüßung … Uchiha, fiel ihm der Name wieder ein, das war es gewesen. »Okay«, gab er gedehnt zurück. Was war denn bei dem schiefgelaufen? Er musste doch wissen, welches Risiko es für ihn bedeutete, die sichere Burg namens Papis Großstadtbunker zu verlassen und hierher zurückzukehren, an einen Ort, an dem er beinahe ermordet worden wäre. Um sich zu bedanken, ja klar. Da hätte eine Grußkarte gereicht. »Sonst noch was?« »Es tut mir wirklich leid, dass Sie da hineingeraten sind.« Ja, ihm auch. Er hatte seinen Rücken im Spiegel begutachtet und festgestellt, dass es schlicht scheiße aussah. Von seinen Tätowierungen war keine Spur mehr, alles war wütend rot und hässlich und schmerzhaft. Aus einem Nachstechen würde nichts werden, selbst wenn man ihm eine Transplantation bezahlen würde. »Keine Ursache«, gab er knapp zurück. »Alles purer Egoismus.« »Sie lassen sich aus Egoismus den Rücken verbrennen, um ein fremdes Leben zu retten?« Da war kein Argwohn, lediglich Skepsis. Und er hatte ihn durchschaut. Interessanter Typ. Vielleicht wäre es ja doch gar nicht so schlimm, sich eine Weile mit ihm zu unterhalten, er langweilte sich ja sonst nur. Kisame grinste ihn breit an. »Soll vorkommen.« »Dann habe ich wohl Glück gehabt.« »Sieht so aus.« Er trat dem ihm gegenüber befindlichen Stuhl gegen ein Bein, sodass das Plastikgestell ein Stück unter dem Tisch hervorrutschte, und Uchiha interpretierte die Aktion richtig. Während er sich setzte, lag sein Augenmerk auffällig lange auf dem zerknüllten Zettel, der nun zwischen ihnen lag. »Verraten Sie mir, mit wem genau ich es zu tun habe?«, fragte er höflich. »Uchiha Itachi.« »Sehr erfreut.« Itachi … ein schöner Name, so melodiös. »Meinen kennen Sie ja schon.« »Es tut mir leid, dass ich nicht eher zu Ihnen gekommen bin«, meinte Itachi und sah tatsächlich etwas zerknirscht aus, »doch mein Vater ließ mich abholen, bevor Sie wieder bei Bewusstsein waren.« »Kein Problem.« Der Junge war eindeutig zu gut erzogen, wenn er sich dafür entschuldigte. »Wie geht es Ihnen?« Der Angesprochene zuckte nur mit den Schultern und bereute die Bewegung im nächsten Augenblick, als der Verband über die wunde Haut rieb. »Es ist auszuhalten. Die Haut ist praktisch weg, aber es wird heilen. Nichts, worum Sie sich Sorgen machen müssten. Freuen Sie sich lieber, dass Sie überlebt haben.« Uchiha nickte seltsam berührt, holte tief Luft. Sein Gesichtsausdruck blieb kontrolliert, doch Kisame meinte, ein kurzes Zucken der Lider bemerkt zu haben. Er rätselte. War er deshalb hier? Kam er nicht damit klar, dass seinetwegen Leute gestorben waren? Leute, die sein Vater dafür bezahlt hatte, seinem Sohn als menschlicher Schutzschild zu dienen, ihr Leben für Itachis hinzugeben, sollte die Situation es verlangen. Ihre Familien sollten sich nun über eine stattliche Summe freuen können. Wollte er ihm nun auch ein Schmerzensgeld aufdrücken, um sein Gewissen zu beruhigen? »Ich freue mich«, kam es monoton zurück. »Klingt nicht so.« Konnte ihm aber auch egal sein. Sein Gegenüber ging nicht darauf ein. Stattdessen tippte er gegen die Papierkugel, auf deren Oberfläche gedruckte Worte des amtlichen Dokuments zu lesen waren. »Was ist das?« »Ein Liebesbrief.« Da war es wieder, das skeptische Augenbrauenhochziehen. »Ihr Major ist wirklich sehr romantisch.« »Eifersüchtig?«, grinste er zurück. Von wegen ›sein Major‹, er hatte mit diesem Deppen dem Himmel sei Dank nichts zu schaffen. Aber etwas Provokation konnte nicht schaden. »Sie sind suspendiert?« Offenbar hatte er weitergelesen. »Vorrübergehend beurlaubt«, korrigierte Kisame und ließ ein genervtes Schnauben hören. »Hängt davon ab, wie weit sich mein körperlicher Zustand wiederherstellen lässt und ob ich danach noch für das Militär geeignet bin. Andernfalls versprechen sie mir eine Rente inklusive Abfindung, die ich innerhalb einer Stunde unter den Tisch saufen kann.« Er lachte grollend. »Sehe ich aus wie ein Krüppel oder was?« Es war eine naheliegende Konsequenz, dass ein Soldat im Krieg von Narben gezeichnet wurde. Doch er hatte Glück gehabt, alle Gliedmaßen noch dran, und dank seiner Muskeln war auch seinem Rücken nur oberflächlicher Schaden zugefügt worden. Kurz, er war komplett einsatzfähig. Uchiha sah ihn prüfend an. »Nein«, befand er schließlich. »Eben«, schnaufte er. »Wenn Sie wollen, rede ich mit ihren Vorgesetzten.« Nun war es Kisame, der den Argwohn als Erster auspackte. »Wieso das denn?« »Wenn Sie weiterhin in der Armee bleiben wollen, könnte ich das für Sie regeln.« Das war also Uchiha Itachis Art von Wiedergutmachung. »Es geht hier nicht ums Wollen«, stellte Kisame klar. »Es geht ums Überleben. Sie haben es wahrscheinlich nicht bemerkt, wohlbehütet, wie Sie sind, aber als Zivilist stehen die Überlebenschancen gerade extrem schlecht.« Bis auf die Ratten, die überlebten alles. »Als Soldat ist man hingegen relativ sicher. Man lebt in einem schwer bewachten Lager und wenn man seine Zeit nicht gerade mit Waffenputzen und Training vertreibt, führt man kleine Operationen durch, bei denen dank technischer Unterstützung das Risiko einer Verletzung ebenfalls recht gering ist. Nur, wenn der Feind direkt angreift, könnte es böse ausgehen. Aber das ist eben Krieg.« »Und wenn Sie ausgemustert werden?« »Dann bin ich Zivilist und trinke mich meinem Tod entgegen. Und sollte das der Fall werden«, ergänzte Kisame und lehnte sich in seinem Plastikstuhl zurück, »können Sie auch nichts regeln.« Uchiha sah ihn geradeheraus an. Noch immer verriet sein Gesicht keinerlei Emotionen. Der Mann war wirklich hübsch, fiel ihm auf, durchaus männlich, aber auf eine sehr sanfte Art und Weise. Sehr anziehend. »Hören Sie, Sie haben mein Leben gerettet und das vieler anderer vermutlich auch«, begann er, und Kisame hob anerkennend eine Augenbraue. Anscheinend war ihm bewusst, was sein Tod ausgelöst hätte, und er konnte seinen Vater gut genug einschätzen, dass dieser nicht gerade friedensstiftend darauf reagiert hätte. »Und dafür will ich mich bei Ihnen bedanken. Wie, ist mir egal. Ich habe Geld, ich habe Einfluss, also sagen Sie mir bitte, wie ich Ihnen helfen kann.« Du hast deinen Körper vergessen, spottete Kisame insgeheim. Ernsthaft, was dachte dieser Kerl sich eigentlich? Geld war gut, doch darum ging es ihm nicht und es stank ihm, eine einflussreiche Marionette zu brauchen, nur weil er allein zu unbedeutend war. »Weißt du was, Junge«, betonte er das letzte Wort, »kümmere dich lieber darum, diesen Krieg zu beenden, und nicht darum, irgendwelche gewissensbedingten Schulden tilgen zu wollen. Damit ist allen besser geholfen.« 2052-06-28 18:10 | Tag 3209 + 386 Der nächste Tag war anstrengend. Nicht nur, weil er am Abend zuvor etwas zu tief ins Glas geguckt hatte und sein Schädel brummte, auch ihre Patrouille war ereignisreicher als sonst. Seit Tagen hatte es nicht geregnet. Die Luft stank dementsprechend und als Vorbote eines nahenden Gewitters lastete eine unerträgliche Schwüle schwer auf der Stadt. Doch anstatt sich träge und friedlich in ihre Ruinen zurückzuziehen, tobten die Ratten weiter durch die Gosse und infizierten jeden mit ihrer Streitsucht. Manche Auseinandersetzungen hatten Zabuza und er allein durch ihr Auftauchen beenden können, bei einigen hatten sie ausschreiten müssen. Für zwei Frauen waren sie allerdings zu spät gekommen. Sie waren wohl schon tot gewesen, noch bevor man ihnen die letzte Würde vom Körper gerissen hatte. Am Ende hatten Zabuza und er die Männer zwar alle verhaften können, doch die Leichen waren in der Zwischenzeit unbemerkt gestohlen worden. Kisame betrauerte das nicht, dachte nur an die vielen Todesopfer, die es an diesem Tag noch gegeben hatte. Zweifellos viele, so wie die Stimmung hochgekocht war. Wenigstens schien der Aufruhr andere Triebtäter verjagt zu haben, denn obwohl sie eine andere, seltener befahrene Route gewählt hatten, waren die folgenden Stunden recht ruhig gewesen. So waren sie eher als geplant wieder in der Militärzentrale, wo sie kurz einen Bericht über die Vorfälle verfassten und ihren Wagen abgaben. Als er dieses Mal ohne Begleitung die Eingangshalle betrat, war von Itachi wie erwartet keine Spur zu sehen. Jedoch war Uchiha Fugaku anwesend, verabschiedete sich gerade von irgendeinem Anzugsträger, von denen es hier reichlich gab. Er wartete höflich, bis sich dieser entfernt hatte, ehe er nähertrat und ihn begrüßte. »Hoshigaki-san, schön Sie zu sehen«, meinte Itachis Vater und nickte ihm zu. »Haben Sie sich mein Angebot überlegt?« »Ja«, gab Kisame ehrlich zurück. »Und?« »Ich bin noch unschlüssig. Ich bezweifle, dass es Itachi gefallen würde.« Fugakus Blick verdüsterte sich. »Natürlich würde es ihm nicht gefallen. Er liebt Sie als seinen Mann, nicht als Unterstellten seines Vaters.« »Ich bezweifle, dass unsere Beziehung für ihr Angebot relevant ist.« »Teils. Ich biete es ihnen an, weil Sie sehr fähig sind in dem was Sie tun. Nicht unbedingt konform mit ethischen Grundsätzen, aber sehr effektiv. Das Sie zusätzlich an meinem Sohn hängen und sich um seinen Schutz sorgen, ist ein Bonus.« »Es würde Sie also nicht persönlich berühren, wenn ich ablehne.« »Nicht unbedingt.« »Und wenn Sie sich sicher sind, dass es Itachi nicht gefallen würde, warum bieten Sie es mir dann an?« Fugaku sah ihn ernst an, und es verwunderte Kisame kein bisschen, wie ähnlich er seinem Sohn damit sah. »Hören Sie. Sie sind seine unpolitische Bezugsperson, von der er weiß, dass Sie hinter ihm stehen. Treten Sie nun in meine Dienste, wird er sich bedroht fühlen, da ich als ihr Vorgesetzter eine gewisse Macht über Sie haben werde.« »Was er nicht will.« »Was er nicht will«, wiederholte Fugaku bedächtig, »Aber solange Sie für die Regierung arbeiten, ist es das von ihr gelenkte Militär, welches Ihr Handeln bestimmt. Dann müssen Sie tun, was die von ihnen verlangen, und weder Itachi noch ich könnten dann kontrollieren, was mit Ihnen gemacht wird. Ich will nicht, dass man Sie am Ende als Druckmittel gegen meinen Sohn verwenden kann, denn darauf würde Itachi ohne jeden Zweifel eingehen.« »Und wenn ich direkt Itachi unterstehen würde? Als privater Bodyguard?«, fragte Kisame, obgleich er sich sicher war, die Antwort bereits zu kennen. Seine Beziehung zu Itachi war geheim, auch wenn ein paar Spione sicher dahintergekommen waren. Wenn man ihn ermordete, würde man seinen Tod als gewöhnliches Unglück abtun … und sollte Itachi an seiner Seite sterben, könnte man Kisame, als ein Mann mit zweifelhafter Vergangenheit und undurchsichtiger Motivation, leicht das Attentat anhängen und die eigene Schuld vertuschen. »Dann, mein Verehrtester, sind Sie ohne eine Organisation, die Sie schützen würde. Kurz, Sie sind tot.« 2052-07-21 20:14 | Tag 3209 + 409 Vergleichsweise wenige Wochen nach dem erfolgreichen Beschluss wurde endlich die erste Verfassung des neuen Staates verabschiedet. Natürlich ließen die neuen Staatsoberhäupter die Gelegenheit nicht verstreichen und veranstalteten im Penthouse des Ministeriums einen prunkvollen Empfang, von dem Kisame nicht wissen wollte, wie sie ihn finanziert hatten. Alles, was Geld und Kontakte hatte, war hier vor Ort, und lauschte mit halbem Ohr den Reden der einzelnen Senatoren, die davon erzählten, wie sie sich die Zukunft vorstellten. Nebenher gab es ein ausladendes Buffet, und ein kleines Orchester, welches irgendwelche Stücke zum Besten gab. Dämliches Gequietsche. Kisame war genervt. Die Leute kotzten ihn an, die aufgetakelten Weiber mit Körbchengrößen, die nie und nimmer natürlichen Wuchses entstammten, was ihm einst vielleicht noch gefallen hatte; reiche, dicke Männer in maßgeschneiderten Anzügen, die in Massen solch edle Tropfen konsumierten, von welchen Kisame sich nicht mal ein halbes Schnapsglas leisten konnte, ohne gleich sein ganzes Monatsgehalt hinzublättern. Und dabei war dieses wirklich großzügig, im Gegensatz zu seinem ehemaligen Sold. Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft immer noch unterirdisch vor sich hin moderte. Was ihm jedoch am meisten stank ‒ neben dem Geruch von Geld und schwer wabernden Parfums ‒ war die Tatsache, dass er sich der Gesellschaft anpassen musste. Ihm war ein schwarzer Anzug aufgenötigt worden, sowie eine dunkelblaue Krawatte, die ihm Itachi in die Hand gedrückt hatte. Die Sachen passten zwar einwandfrei, soweit er das beurteilen konnte, er trug zum ersten Mal in seinem Leben so etwas, doch sie fühlten sich nicht echt an. Irgendwie steif, viel zu seriös. Er fragte sich, wie Itachi das aushielt, sechs bis sieben Tage die Woche in so einem Ding zu stecken und dabei noch freundlich zu bleiben. Er würde ausrasten. Doch er beherrschte sich. Wenigstens einer von ihnen brauchte einen kühlen Kopf, um diese Scharade durchzustehen und Itachi war viel zu nervös, auch wenn er dies meisterhaft hinter einer glatten Miene verbarg. Kisame wusste es besser. Vorhin war ihm beim Wechseln fast eine Kontaktlinse in den Abfluss geschwommen, weil seine Hand zu sehr gezittert hatte. Glücklicherweise hatte Itachi sich schnell wieder gefangen und sie noch erwischt, andernfalls hätte er die Veranstaltung halb blind durchstehen müssen. Ersatzlinsen nahm er selten mit, schließlich war das Einsetzen reine Routine, und er patzte nie. Sie standen bei Itachis Familie, mit dem Rücken zur Wand, sodass niemand seine Hand sah, die auf Itachis Rücken lag. Er trug seinen Ausweis angesteckt, sein Anzug war schlicht genug, sodass niemand vermutete, er könnte mehr sein als nur ein Bodyguard. Niemand wusste es außer den vier Personen, bei denen sie standen. Es interessierte sich auch niemand dafür, nicht für Itachi, der im Schatten seines mächtigen Vaters stand. Uchiha Fugaku hingegen war schwer mit den Speichelleckern beschäftigt, die ihn für sich und ihre Ideen begeistern wollten. Die Wartenden hielten derweil höflichen Smalltalk mit seiner Frau Mikoto. Kisame kannte sie nicht besonders gut, doch er hielt sie für eine sehr liebenswürdige und aufrechte Frau. Obwohl sie öffentlich nur als Ehefrau auftrat, war sie eine wichtige Stütze des Konzerns ihres Mannes und beeinflusste seine Entscheidungen maßgeblich. Kisame respektierte sie sehr. Itachis kleiner Bruder und seine Freundin standen etwas abseits. Ihn hatte Kisame erst einmal gesehen, nämlich als Itachi ihn als seinen Lebensgefährten vorgestellt hatte; sein Anhängsel kannte er überhaupt nicht. Klein, zierlich und mit hellrosa Haaren. Nun, wem es gefiel. Sasuke schien ähnlich schweigsam wie sein Bruder, denn obwohl der Abend schon weit fortgeschritten war, hatte er kaum einen Ton von sich gegeben, höchstens äußert wichtige Leute begrüßt und sich halbstündlich an der Bar bedient. Aber er konnte sich das leisten, er stand nicht im Rampenlicht wie sein Bruder. Sein Blick wanderte durch den Raum; die rundliche Gestalt auf dem Podium legte ihren Stichpunktzettel zu Seite, und höflicher Beifall ertönte, und endlich trat die nächste Witzfigur auf. Er beugte sich leicht vor. »Wann bist du dran?«, raunte er Itachi leise zu. »Als nächster.« »Soll ich mitkommen?« Es war keine Frage. »Bitte«, gab Itachi leise zurück und schmiegte sich unauffällig an seine Hand. Es lockte Kisame ein leichtes Grinsen auf die harten Züge. Seit Tagen war die körperliche Seite ihrer Beziehung viel zu kurz gekommen, Itachi hatte viel zu viel Stress gehabt und nachdem sie spätnachts in ihre sichere Höhle zurückgekehrt waren, war er direkt ins Bett gekippt und weggepennt. Vielleicht wurde ja heute mehr daraus. Erneut schweigend warteten sie und während Kisame ihm sacht über den Rücken strich, beobachtete er die bunten Hologramme, die vor den Fenstern tanzten und dem Betrachter den Blick nach draußen ersparen sollten. Doch er verlor sich nicht darin, behielt das Geschehen immer mit im Blick. Deswegen war er hier. Schließlich näherte sich das Geschwafel der aufgeblasenen Witzfigur seinem Ende zu, und Itachi drückte seiner Mutter das unberührte Sektglas in die Hand, während sie ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte. Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg zur Bühne, wobei Kisame ihn auf dem Weg die Hand nicht wegnahm, sondern ihn schützend durch die Menge dirigierte. Ihr Timing war perfekt, sie kamen an, kaum dass Itachis Vorgänger seinen spärlichen Applaus entgegennahm. Widerwillig ließ er ihn los und stellte sich hinter das Podest, während Itachi seinem Kollegen zunickte und dann dessen Platz einnahm. Automatisch strafften sich seine Schultern, als er die Aufmerksamkeit der Menge auf sich liegen spürte und ohne das seine Stimme zitterte, begann er mit der formellen Anrede. Kisame hätte wohl darauf verzichtet, und auch auf die Danksagungen, die Itachi als nächstes vom Stapel ließ. Reine Heuchelei, er bewunderte Itachi dafür, wie gut er lügen konnte. »Ernest Hemingway sagte einst: Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die gute alte Zeit nennen wird«, begann Itachi den Hauptteil seiner Rede, »was tatsächlich schwer vorstellbar ist, denn die Zeit, in der wir leben, ist weder gut, noch verspricht sie eine aussichtsreiche Zukunft. Wir planen, wir investieren und schließen Verträge, doch wofür? Für das Land, sicher, für die Menschen, die darin leben und deren Unterstützung werden wir für den Wiederaufbau dringend brauchen. Allerdings können wir unsere Bürger davon nur überzeugen, wenn sie sehen, dass die die Bemühungen des Ministeriums ihnen zugutekommen. Bislang überwiegen jedoch die Zweifel, angesichts der Tatsache, dass beispielsweise in den öffentlichen Küchen bereits nach Minuten die Töpfe leer sind, weil die importierten Lebensmittel nicht ausreichen. Aber gleichzeitig werden genug Ressourcen dafür gefunden, um die Artillerie aufzurüsten. Angesichts dieser Notstände kann man niemandem Zweifel an der Ernsthaftigkeit unserer Regierung verübeln.« Noch immer war seine Stimme ruhig und beherrscht, nicht eine Prise Zynismus schwang in ihr, obwohl der mehr als angebracht wäre. »Wozu sind wir hier, wenn wir es auch nach einem Jahr kaum schaffen, nur in Ansätzen die katastrophalen Lebensumstände unserer Bevölkerung zu mindern?« Obwohl es als rhetorische Frage erschien, schaute Itachi ernst in die Runde, die ihm tatsächlich aufmerksam lauschte. Wobei das wohl mehr an seinem Nachnamen lag, als an seiner Rede. Die Familie der Uchiha war mächtig und durch den Krieg noch reicher geworden. Manchmal fragte Kisame sich deswegen schon, was Fugaku davon hielt, wenn Itachi, Erbe dieses kleinen Imperiums, sich als krasser Gegensatz zu diesem präsentierte. »Es ist eine Tatsache, dass der Anteil der zurückkehrenden Flüchtlinge unter zehn Prozent liegt. Eine weitere, dass die Bevölkerung sich kontinuierlich dezimiert. Das ist ein Problem, dem wir uns dringend annehmen müssen. Unter den jetzt gegeben Umständen kann keine Wirtschaft entstehen, die längerfristig gesehen die Kosten des Wiederaufbaus finanzieren könnte …« Ab da schaltete Kisame ab. Das wurde ihm zu politisch, und der finanzielle Kram interessierte ihn sowieso einen Scheiß. Dieses gestelzte Gelaber war einfach nicht sein Fall, auch wenn er sich ebenfalls ausdrücken konnte. Er blendete die Wörter aus, lauschte nur dem tiefen Klang der Stimme, die er so gerne hörte, vorzugsweise mit einem befriedigten Seufzen unterlegt … später, mahnte er sich zur Konzentration. Er musste seinen Job machen, Itachi beschützen und dennoch unauffällig erscheinen und gleichzeitig mit kalter Miene eine Distanz zwischen ihm und dem Geschehen um ihn herum aufbauen, um keinen Grund zu geben, ihn auf eine Zielscheibe zu nageln. Irgendwann begannen die Leute gespielt begeisterten Beifall anzustimmen und Itachi trat mit einem letzten Dank vom Mikrofon weg. Er wünschte sich Frieden und menschenwürdige Lebensbedingungen ‒ nun, ein schöner Traum. Kisame würde ihn dabei unterstützen, zumindest die Grundsteine für diesen Traum zu legen. Ein Fundament für eine Zukunft, an die er selber nicht ganz glauben konnte. Ihre Zeit würde man mal die gute alte Zeit nennen? Seltsames Gefühl. Dann müsste die Zukunft ja wirklich noch mieser sein, und Kisame war fraglich, ob das überhaupt möglich war … dieser Hemingway war wirklich ein schräger Vogel. 2049-08-25 23:28 | Tag 2557 »Gehst du jetzt?« Blöde Frage. Er sollte wohl. Itachi war zu seinem Job geworden und der bestand nicht darin, mit ihm ins Bett zu gehen. Allerdings war ihm dieser Umstand scheißegal, und überhaupt … er wollte nicht gehen. Es hatte keinen Monat gebraucht, bis Itachi wieder in seinem Umfeld aufgetaucht war. Das Unternehmen seines Vaters hatte dem Militär mehr technische Unterstützung zugesagt, damit dieses aufrüsten und dem Feind effektiver zu Leibe rücken konnte, wenn er sich denn wieder blicken ließ – wahrscheinlich als Reaktion auf den Anschlag. Kisame wusste nicht, was der Uchiha als Gegenleistung dafür verlangt hatte, doch als Konsequenz war sein ältester Sohn aufgetaucht und Kisame war als dessen Leibwächter abkommandiert worden. Nicht, dass es ihn besonders überrascht hatte. Man wolle ihn noch schonen, war die Begründung gewesen, aber es war klar, dass Uchiha Junior seinen Einfluss hatte spielen lassen. Kisame war nicht dazu ausgebildet, irgendwelche Promis zu beschützen und die Wahrscheinlichkeit ging gegen null, dass man ihn zufällig ausgewählt hatte. Doch er hatte sich nicht beschwert, sondern mitgespielt. Dass Itachi ernsthaftes Interesse an ihm haben könnte, hätte er nie gedacht. Bis dieser ihn spätabends noch einmal zu sich gerufen hatte und ihn mit seinem Geständnis völlig überrumpelt hatte. Und nun lagen sie nackt und verschwitzt und verklebt auf dem widerlich weichen und viel zu schmalen Bett und starrten ins Dunkel, während Kisame immer noch nicht richtig begreifen konnte, was sie darin gemacht hatten. Das passte einfach nicht zusammen … jemand wie Itachi verknallte sich doch nicht in seinen männlichen Bodyguard! Das war einfach zu unperfekt. Langsam drehte er den Kopf zur Seite um Itachis Blick zu begegnen, der erwartungsvoll auf ihm lag. Okay, sie hatten keinen richtigen Sex gehabt, eher eine Mischung aus Küssen und Fummeln, aber überstürzt und unvernünftig war die Nummer trotzdem gewesen. Warum hatte er Idiot auch damit angefangen und Itachi geküsst? »Warum sollte ich?«, fragte er zurück. War doch ganz nett hier. Irgendwie. Itachi kniff die Augen zusammen. »Seltsame Situation?«, bot er als Ausrede an. Kisame grinste. »Wenn du darauf wartest, dass ich davonlaufe, mach es dir ruhig bequem«, behauptete er heldenhafter, als er sich fühlte. »Du würdest es wirklich mit mir versuchen?« Das klang fast schon ungläubig. »Warum nicht?« Kisame richtete sich auf und sah auf ihn herab. Itachi war ihm sympathisch, trotz seiner seltsamen Ansichten von Gerechtigkeit und Zukunft … Kisame fand ihn attraktiv und zumindest dieses Gefühl wurde von dem anderen deutlich erwidert. Außerdem würde er Itachi nach dieser Nummer eh nicht mehr aus dem Kopf bekommen, von daher … »Ich hab keine Ahnung von Beziehungen«, gestand er und zuckte mit den Schultern, »aber das hindert mich nicht, es zumindest zu versuchen.« Itachi lächelte. »Wir können es ja langsam angehen lassen.« Da hatte er nichts dagegen. Sie kannten sich ja kaum, obwohl sie sich in letzter Zeit oft unterhalten hatten. Wobei … Itachi seufzte genüsslich, als Kisame über seinen nackten Rücken strich. Wie er ihn reizen konnte, hatte er schon herausgefunden. Mit neuer Zuversicht erfüllt drückte er einen Kuss auf Itachis entblößte Schulter. Doch, es sollte schon klappen. »Sollte ich noch etwas wissen, bevor ich mich auf dich einlasse?«, fragte er leise nach. Entschieden hatte er sich schon, aber vom Prinzip war eine Partnerschaft mit einem Vertrag vergleichbar. Besser man wusste, worauf genau man sich einließ. »Diskretion wäre toll«, murmelte Itachi entspannt, genoss die streichenden Bewegungen auf seinem Rücken. »Ich will kein Geheimnis draus machen, aber es ist unkomplizierter. Meiner Familie würde ich es aber sagen wollen, wenn du nichts dagegen hast.« Das klang nicht danach, als würde Itachi irgendwelche Zweifel an seinen Gefühlen hegen. »Von mir aus.« Es war ja nicht seine Familie. »Meine Mutter wird dich bestimmt mögen.« »Ich mach mir eher Sorgen um deinen Vater.« Der Kerl war Kopf eines Rüstungsunternehmens! Wenn der einen seiner fetten Panzer auf ihn losließ, war der kleine Kisame platt. Itachi schnaubte. »Ich bin sicher, er weiß längst, dass ich homosexuell bin. Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich ihm einen Mann vorstelle, damit Mutter ihre aussichtslosen Kupplungsversuche einstellen kann. Und überhaupt hat er viel zu viel zu tun, um sich darüber aufzuregen.« Wie beruhigend. »Offenheit wäre mir noch wichtig«, ergänzte er die Liste. »Es wird nicht leicht werden, aber es wäre für beide Seiten von Vorteil, wenn wir uns dazu nicht anlügen oder uns etwas vormachen. Von falschen Versprechungen habe ich genug.« Das letzte klang verdächtig verbittert und Kisame ahnte, dass Itachi nicht seinen Traumjob ausführte. »Kein Problem.« Kisame grinste. Nun war er dran. »Ich will, dass du Job und Privates trennst. Ich habe die Schnauze voll von Leuten, die mir sagen wollen, was ich machen soll, und von Politik erst recht. Solange du mich da nicht mit hineinziehst, stehe ich gerne hinter dir. Ansonsten … will ich nur dich.« Und das war so ziemlich das ehrlichste, was er in der letzten Zeit von sich gegeben hatte. Itachi drehte sich auf den Rücken und lächelte ihn an. »Gleichfalls.« Nun, damit konnte er wohl leben. In stillem Einverständnis trafen ihre Lippen aufeinander, und Kisame gab bereitwillig nach, als Itachi ihn auf sich zog und die Beine um ihn schlang. Dann wurde es halt nicht einfach, na und. Riskierte er halt mal etwas Neues. Er hatte nichts zu verlieren, nur zu gewinnen. »Ich bleibe bei dir …« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)