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Stolen Heart

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier ein weiterer Versuch, hier aktiv zu werden xD
Auch diese FF ist schon fertig und soll nach und nach hochgeladen werden - vielleicht finde ich ein paar weitere liebe Leser :D

Bis zum nächsten Kapitel <3 Komplett anzeigen

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Fluchtversuch

Die Luft brannte in seinen Lungen wie schneidende, messerscharfe Scherben, während sein Herz pumpte, als würde es mit ihm rennen. Es rannte, galoppierte, versuchte zu fliehen. Sehnen, Muskeln, Bänder – alles protestierte und warnte bereits, die Funktionen einzustellen. Die Knochen darunter knirschten leise, als wollten sie zustimmen. Der eiskalte Angstschweiß rann ihm über die dreckige Haut, scheinbar die einzige Flüssigkeit in seinem Körper, denn getrunken hatte er schon eine Weile nicht mehr, zumindest fühlte er sich so. Die letzte Mahlzeit war auch schon etwas her, sodass Magen und Niere ebenfalls langsam murrten. Und sein Kopf, der war am Schlimmsten. Bald würde er platzen wie ein Luftballon und alles mitreißen. Wobei es dann endlich vorbei wäre…

Ein stechender Schmerz in der Hand holte ihn zurück. Er hatte sich selbst in die Hand gekniffen – aufgeben kam nicht infrage! Nur weiterrennen war eine Option und die würde er wählen, koste es was es wolle.

Es war nicht das erste Mal, dass er rannte. In den letzten Wochen war es immer wieder vorgekommen, doch niemals war er weit gekommen. Immer wieder hatten sie ihn aufgehalten, hatten ihn zurückgeschliffen in diese tickende Zeitbombe. Sicher waren sie schon hinter ihm her, wie sonst auch immer. Das war sein fünfter Versuch.

Hinter sich spürte er bereits eine Chakraquelle, die rasend schnell näherkam. Anscheinend machten sie sich nicht mal die Mühe, sich zu verstecken. Deidara fluchte laut, hatte er doch keinen Lehm mehr, um einen seiner Vögel zu erschaffen. Die waren schneller, doch eigentlich, wenn er ehrlich zu sich war, brachten sie auch nichts. Die letzten paar Male hatte er Lehm gehabt und doch hatten sie ihn gefasst.

Schneller rannte der Blonde jetzt, bog in einen tieferen Waldteil ab und kämpfte sich ohne Rücksicht auf eigene Verluste in einem Mordstempo durch das Unterholz. Seine Haare verfingen sich in den Ästen, manche konnte er im Rennen befreien, andere blieben mit einem kurzen, schmerzhaften Reißen hängen. Doch man konnte sich nicht um solche Kleinigkeiten kümmern, wenn man verfolgt wurde und so rannte er weiter, bis er plötzlich am Ende des Waldes stand und weite, offene Wiesen vor sich sah. Keine Möglichkeit sich irgendwie bedeckt zu halten, jetzt zählte seine Schnelligkeit.

Sofort bewegten sich seine Beine, die zerzausten Haare peitschten dem Bombenkünstler um die Schultern, der Atem ging stoßweise durch den rauen Hals und die belastete Lunge.

Die Chakraquelle kam näher und so langsam konnte er sie zuordnen… und wusste, dass er im Falle eines Kampfes keine Chance hatte. Warum hatten sie ihn geschickt? Warum gerade ihn? Weil sie wussten, dass Deidara versagen würde? Und das stand außer Frage. Vor allem war es ihm nun klar, warum nur eine einzelne Person ihn verfolgte – mehr war gar nicht notwendig.

Er versuchte, schneller zu rennen, doch sein Körper ließ es nicht zu. Stattdessen knickten die Knie ein, er stolperte über seine eigenen Füße, die sich seiner Kontrolle entzogen, und schlitterte über den Boden, wobei sein Shirt einriss. So blieb er auf dem Boden liegen – mit zerzausten und verfilzten Haaren, zerrissenem Shirt und mit Schmutz und Dreck beschmiert; ein Bild des Jammers.

Schwer atmend lag er auf dem Bauch und hob den Kopf nur ein Stück, sodass er gerade noch die Schuhe vor sich im Gras erkennen konnte. Ninja-Schuhe mit weißen Gamaschen. Es war vorbei.

„Deidara, dein Spiel ist hiermit beendet. Ich bringe dich jetzt zurück“, erklang die tiefe Stimme Itachis über ihm. Grob riss dieser den Jüngeren an den Haaren auf die Knie und zwang ihn so, ihm ins Gesicht zu sehen. Doch der Blonde verzog nur das Gesicht und spuckte dem Schwarzhaarigen auf die Füße. Ein Zischen verließ Itachis Lippen und seine Hand knallte hart auf die Wange Deidaras.

„Solche Dreistigkeiten kannst du dir in deinem Stand nicht leisten. Ganz im Gegenteil, du hast alle deine Rechte verwirkt, indem du zu einem jämmerlichen Deserteur geworden bist.“

Mit einem Ruck riss er ihn auf die Füße und zog ihn vorwärts, ohne Rücksicht auf Verluste. Jedes Jammern wurde ignoriert und irgendwann gab der junge Explosionsfanatiker auf, es hatte keinen Sinn.

„Warum bist du schon wieder geflohen?“, kam die Frage, auf die er schon fast gewartet hatte. Jedes Mal dieselbe Frage. Und wie immer antwortete er nicht. „Pain-sama wird langsam ungeduldig. Deine dauernden Fluchtversuche kosten ihn Mühe, Nerven und Zeit. Du solltest deine Einstellung Akatsuki gegenüber nochmals überdenken, sonst wird Pain-sama deinen Nutzen für die Organisation zu Recht infrage stellen.“

Deidara schwieg und ließ sich einfach mitziehen. Vielleicht war es der letzte Fluchtversuch gewesen… Vielleicht hatte er keine Möglichkeiten mehr, doch noch irgendwie zu fliehen. Und würde er jemanden aus Akatsuki erklären, warum er denn fliehen wollte… es würde eh keiner glauben, geschweige denn verstehen. Schließlich war Akatsuki eine große Chance für einen Nuke-nin wie sie. Man hatte sichere Bleiben, eine Einnahmequelle und jeden Tag genügend Essen und Trinken. Man bekam ein Zimmer zugewiesen, hatte ausreichend Gesellschaft und trotzdem blieb man mehr oder weniger frei. Das waren die positiven Seiten und so sahen die anderen das sicher auch. Nur hatte Deidara leider keinen Grund, so zu denken.

Der erste Fluchtversuch war nun ungefähr vier Wochen her. Seitdem hatte er es immer wieder versucht, immer vergeblich. Das erste Mal hatte man ihn Hidan und Kakuzu hinterhergeschickt, das zweite Mal nur Kakuzu. Beim dritten Mal war ihm Kisame hinterher gehetzt, anschließend nochmals Kakuzu und nun hatte sich selbst Itachi dazu bereiterklärt. Nur er… er hatte sich noch nicht dazu herabgelassen. Dabei war er doch der Grund für Deidaras Fluchtversuche. Er war es, dessen bloße Anwesenheit der Blonde nicht mehr ertragen konnte, der ihn um die Nacht brachte, ihm den Schlaf und jegliche Ruhe raubte. Und das nicht grundlos…
 

*Flashback*
 

„Hey, Danna, un!“, laut klopfte Deidara gegen die Tür der Puppenwerkstatt. Er konnte davon ausgehen, dass sein Danna sich wieder dort eingeschlossen hatte, wie immer. Eigentlich war es ihm egal, doch zu seinem Leidwesen sollte er ihm einen Umschlag von Pain aushändigen, da der Anführer den Rotschopf mal wieder nicht sofort gefunden hatte. Erneut klopfte er gegen das massive Holz der verstärkten Tür.

„Sasori no Danna, un! Ich bitte Sie, lassen Sie mich rein, un. Ich habe hier etwas für Sie!“

Wieder keine Reaktion. So langsam wurde Deidara doch schon leicht gereizt. ‚Danna‘ sollte er ihn nennen. ‚Sasori no Danna‘, pff… Wie ein Danna verhielt sich dieser aufgeblasene Großkotz ganz sicher nicht. Und eigentlich hatte er es auch nicht verdient, so genannt zu werden. Vor allem in diesen Momenten, wenn sein Stolz ihm gebot, den Jüngeren partout zu ignorieren.

Nochmals schlug er mit der flachen Hand gegen die Tür.

„Wenn Sie nicht sofort aufmachen, hole ich meine Kunstwerke und dann werden Sie diese Tür ersetzen müssen, un!“, keifte der Bombenkünstler, doch noch immer kam keine Reaktion. Da wurde es ihm zu viel. Schon wollte er Schwung holen und sich gegen die Tür werfen, doch als er einmal die Klinke probehalber betätigte, schwang die schwere Tür fast lautlos auf. Eine seltsame Begebung, normalerweise war die Werkstatt immer abgeschlossen und Deidara hatte den direkten Befehl, nicht einen Fuß hineinzusetzen.

Es ignorierend drückte er die Tür fast schon vorsichtig ganz auf. Irgendwie fühlte er sich schuldig, so einfach in das Reich seines Dannas einzudringen, doch er wollte es endlich sehen. Ganz langsam schob er sich durch den Türrahmen und ließ die Tür vorsichtshalber offen, sodass er hörte, falls sein Danna doch kam – denn die Werkstatt war leer.

Das ach so geheimnisvolle Reich des großen Sasori no Danna war gar nicht so spektakulär. Es war ein relativ kleiner Raum ohne Fenster und mit niedriger Decke. Die schwere Werkbank, blank gesäubert, stand an die Wand gerückt direkt gegenüber vom Eingang, einige merkwürdig aussehende Werkzeuge hingen darüber in verschiedenen Halterungen. Rechts stand ein Schreibtisch mit dazu passendem Stuhl, die Platte des Tisches war aufgeräumt und sauber gehalten, nur ein Stapel Dokumente stapelte sich sorgsam daneben, vermutlich auch noch alphabetisch geordnet. Links im Raum befanden sich Schränke und Regale in allen Formen und Größen mit tausend Schubladen und Fächern. In der Ecke ließen sich mehrere Reagenzgläser mit merkwürdig farbigen Flüssigkeiten darin erkennen. Alles beinahe schon penetrant sauber und akkurat – eben ganz nach dem perfektionistischen Sasori.

Komischerweise war es nicht stickig oder so. Es roch leicht nach Holz, Lack, Farben und Chemikalien, allerdings nicht irgendwie abstoßend oder unangenehm. Es war ein Geruch, der auch an Sasori haftete, wenn man sich in seiner Nähe aufhielt. Angenehm, aber auch exotisch.

Langsam trat Deidara ein und näherte sich dem Schreibtisch. Ohne nachzudenken setzte er sich auf den Stuhl und legte beide Hände flach auf die kühle Tischplatte. Hier saß Sasori no Danna jeden Tag… Was er wohl alles hier organisierte? Diente der Raum nur zur Konzeption und Herstellung neuer Gifte und zum Bau seiner Kampfmarionetten? In dem jungen Akatsuki regte sich die Neugier und so blätterte er langsam die dort liegenden Dokumente durch.

Tatsächlich alles nur chemische Formeln, biologische Tests, Werte des menschlichen Körpers und anderer wissenschaftlicher Kram. Ganz unten war ein Stapel mit abgeschlossenen Missionen. Mehr nicht.

Leise seufzend sah Deidara sich um und stieß mit dem Knie gegen die Schreibtischschublade. Darauf aufmerksam geworden zog er auch diese auf und kramte ein wenig in den Unterlagen herum… bis er plötzlich auf eine Mappe stieß, die seine Neugier und Aufmerksamkeit weckten. Sorgsam zog er sie heraus.
 

Umwandlung zur lebenden Marionette – Unterscheidung des Bauvorgangs
 

So lautete die Überschrift. Dass der Rotschopf eine Puppe war, war dem Iwa-nin nicht fremd, allerdings hatte er sich von Anfang an gefragt, wie er das hinbekommen hatte, ohne jämmerlich und qualvoll zu sterben. Entschlossen schlug er die Mappe auf und erkannte mehrere Unterlagen zu dem Thema.

Auf dem ersten Blatt waren erneut Formeln über Formeln, Vorgangsweisen verschiedener Jutsus und Auflistungen der Werkzeuge. Nichts, was Deidara verstand oder interessierte. Auf dem zweiten Blatt waren Zeichnungen abgebildet vom Aufbau des Körpers. Die Zusammensetzung seines Dannas interessierte ihn schon mehr – vielleicht konnte man das irgendwann beim Training mal gebrauchen, um ihn eins auszuwischen. Verdient hätte er es ja.

Langsam blätterte er weiter und fand plötzlich eine Zeichnung seiner selbst. Auch wenn das Gesicht nur skizziert wurde, so konnte man doch die langen Haare und das Siegel über dem Herzen deutlich erkennen, es gab keinen Zweifel. Leicht schockiert fing Deidara an zu lesen, denn um die Skizze herum waren lauter Notizen zu sehen. Genaue Maße waren angegeben, auch das Gewicht des Blonden. Leicht runzelte er die Stirn – wann hatte er das denn rausgefunden…?

Unter der Abbildung seines Körpers war allerdings etwas viel Beunruhigenderes abgebildet: Es war ein Puppenherz, so wie Sasori eines hatte. Doch gab es hier einen gravierenden Unterschied… Auf dem Deckel war nicht das Schriftzeichen ‚Sasori‘ , also „Skorpion“ gezeichnet, nein.

Auf dem Deckel des Puppenherzens war das Zeichen für ‚tori‘ abgebildet, Vogel.
 

鳥 – für die freie Seele Deidaras

Dunkelheit

Erst auf dem Rückweg wurde Deidara bewusst, wie weit ihn seine verzweifelte Flucht getrieben hatte. Itachi brauchte einen halben Tag, bis sie die Basis erreicht hatten. Während dieser Zeit ließ ihn der Uchiha keine Sekunde aus den Augen. Wahrscheinlich wartete er auf einen weiteren Fluchtversuch und der Blonde musste zugeben, dass er mehr als einmal daran dachte. Aber wer konnte es ihm schon verübeln – er hing an seinem Leben und nur zu gut wusste er, dass in dieser Basis der Tod auf ihn wartete.

Ein eiskalter Schauer jagte ihm über den Rücken, als das Bild des Dokumentes wieder im Kopf Gestalt annahm. Das Schriftzeichen legte sich um seine Gedanken wie eine dicke Glaskuppel, die ihn noch zu ersticken drohte. Die Zeichnungen waren wie eingebrannt, unvergesslich. Immer wieder erinnerten sie ihn an sein unausweichliches Schicksal, wenn er nicht bald eine Möglichkeit zur Flucht fand. Und Itachi zerrte ihn genau dorthin.

Schon bald konnte man die Umrisse der kleinen Felsformation erkennen, die den Eingang zum Hauptquartier der Akatsuki-Organisation barg. Zum ersten Mal in seinen drei Jahren als Akatsuki stotterte Deidaras Herz und rutschte unwillkürlich tiefer. Erneut kroch die Angst seine Rücken hinauf und leckte an seinem Hals, seinem Nacken, wollte endlich ganz den Verstand einnehmen, wie ein blutrünstiges Tier, welches auf Beute aus war. Doch den Verstand zu verlieren hieß, sich selbst zu verlieren, das wusste Deidara sehr gut. Er musste jetzt durchhalten und wenn er Sasori gegenüberstand musste er standhaft bleiben.

Äußerlich vollkommen ungerührt sah der Iwa-nin zu, wie sein aufgezwungener Begleiter den Eingang entriegelte und folgte ihm nur unfreiwillig. Denn in seinem Kopf wanderten die Optionen seiner Bestrafung hin und her.

Fast rechnete Deidara damit, direkt zurück zu Sasori gebracht zu werden, dem Monster vor die Füße geworfen zu werden, ohne Hoffnung auf Rettung. Auch hielt er es für möglich, sofort in Pain-samas Büro zu landen, damit der Anführer seinem Ärger Luft machen konnte. Beides war kein schöner Gedankengang, doch Pain-samas Predigt reizte ihn doch mehr als eine direkte Konfrontation mit dem Puppenspieler.

Ein erneuter Ruck an seinen Haaren riss ihn aus seinen Gedanken und leise knurrend stolperte er schneller voran – weniger um den Schwarzhaarigen zufriedenzustellen, mehr um seine Haare zu schonen. Schnell stieß ihn der Uchiha in die Basis hinein, wobei die Beine des Blonden erneut bedrohlich zitterten. Die Flucht hatte beiden zugesetzt, auch wenn Itachi nur schlechte Laune davongetragen hatte.

Die kahlen Steinwände des unterirdischen Tunnels umfing die beiden Akatsukis wie eine kalte Umarmung und hieß sie willkommen. Deidara selbst überzog dabei eine Gänsehaut, wusste er doch, dass jetzt irgendwas passieren würde.

Doch zu seiner Verwirrung wurde er nicht mal ansatzweise in die Richtung seines Teamzimmers oder Pains Büros geschliffen. Es war eine andere Richtung, die er selbst nur ein paar Mal eingeschlagen hatte und die man hier allgemein auch nicht einschlug – denn sie führte weiter runter in die Tunnel, in denen nicht geheizt wurde und die nur drei Räume beherbergten. Normalweise standen alle Räume leer und wenn man es genau betrachtete, waren es auch keine ‚Räume‘ im Sinne von ‚Zimmer‘; es waren Verließe, Zellen für Shinobi, von denen Pain-sama noch etwas wissen wollte und die dort unten gefoltert wurden, bis der Anführer ihrer überdrüssig geworden war.

Sofort stieg Panik in dem jungen Akatsuki auf und er wehrte sich gegen den festen Griff. Sein Fuß knallte in die Versen Itachis und für eine Sekunde wurde der Griff tatsächlich locker. Sofort ergriff Deidara die Chance, riss sich gewaltsam los und wollte losrennen, doch beim Umdrehen stieß er gegen einen massiven Körper direkt vor sich. Mit einem Zischen erkannte er Kisame, der ihn an den Schultern packte und ihm jeglichen Fluchtweg versperrte.

„Du kleine Ratte…“, zischte der Uchiha angesäuert und griff erneut nach dem blonden Zopf. Gröber als vorher riss er ihn mit sich den Gang hinunter, tiefer in das Gewölbe hinein. Kisame folgte, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Deidara und er waren vor einigen Wochen noch gute Freunde gewesen. Die plötzliche Veränderung hatte den Schwertträger zutiefst verwirrt und dazu noch war er an die Befehle von oben gebunden. Wie sein Teamkamerad mit seinem ehemaligen Freund umging gefiel ihm ganz und gar nicht – doch Widerspruch konnte er sich auch nicht leisten.

Inzwischen hatte Itachi Deidara in eine der kleinen Zellen gezerrt und ihm seine Lehmtaschen unter lautstarkem Protest abgenommen. Der Bombenkünstler wehrte sich so sehr, dass selbst Kisame eingreifen und ihn festhalten musste, während Itachi eine der stählernen Handfesseln, die an einer Kette an der Wand befestigt waren, an eines der Handgelenke anbrachte. So war er zwar nicht bewegungsunfähig, aber wenigstens eingeschränkt.

„Macht mich sofort los, un! Ihr könnt mich doch nicht hier sitzen lassen!“, brüllte der Iwa-nin und funkelte seine Kameraden wütend an.

„Tut uns leid, Deidara. Anordnung von Pain-sama. Du hättest nicht so oft weglaufen sollen…“, murmelte Kisame sichtlich bedrückt und näherte sich zusammen mit Itachi dem Ausgang. Bevor Deidara noch etwas sagen konnte, drückten sich die beiden durch die schwere Stahltür und schlossen sie von außen zu.

„Das könnt ihr nicht machen, un! Kommt her, macht das Scheißteil ab! Holt mich hier raus!“, sein Rufen schallte ungehört von den Wänden wieder und klang plötzlich sehr leer und einsam. Mutlos sackte er auf die Knie und starrte auf den grauen, unebenen Steinboden. „Bitte…un…“
 

Die Tage vergingen langsam und schleppend. Deidara verlor irgendwann das Zeitgefühl, für ihn gab es nur noch zwei Unterschiede: Zwielicht und absolute Dunkelheit. Zuerst versuchte er noch, die Zwielichtzeiten zu zählen, die er als Tag einordnete, doch irgendwann gab er auch das auf. So verging die Zeit, ohne, dass er es wirklich mitbekam. Nur eines war sicher: Es mussten bereits einige Tage vergangen sein.

Doch es gab noch weitaus schlimmere Probleme als nur das fehlende Zeitgefühl. Seit Kisame und Itachi ihn hier unten festgebunden hatten, war niemand mehr gekommen. Niemand brachte ihm etwas zum Essen, niemand brachte ihm ein wenig Wasser. Nichts. Das Schlimmste an dieser Situation war allerdings die Kälte. Die Hände des Blonden waren inzwischen taub, genau wie die Füße. Sein Problem war, dass er noch immer nur die schwarze Dreiviertelhose, sein Netzshirt und das kurze dünne Shirt darüber, welches allerdings noch den benetzten Bauch freiließ, trug. An den Füßen saßen nur die luftigen Shinobischuhe und die dünnen Gamaschen. Hier in der Zelle herrschten eisige Temperaturen.

Schlafen stellte sich als unmöglich heraus. Wenn die Dunkelheit eintrat, kam auch das leise Trappeln kleiner Füße – kleine Tiere, die hier unten lebten und dem Akatsuki ihre Gesellschaft anboten. Deidara blieb die Nächte über wach. Erst wenn das Zwielicht einsetzte und zumindest die größeren Tiere in ihre Behausungen in den Wänden und Nischen zurückkehrten, wagte er es, die Augen zu schließen, wenn auch niemals lange.

Seine Empfindungen stumpften langsam ab, während sich sein Magen vor Hunger schmerzhaft zusammenzog und sich seine Kehle durch den Flüssigkeitsmangel und das Schweigen mehr und mehr anfühlte wie Schmirgelpapier. Auch wenn sein Wille zum Leben noch nicht gebrochen war, so war er doch in tiefe Verzweiflung gesunken. Es war wie ein schwarzes Loch, in das man hineinfiel, ein Brunnen. Man sah den Ausgang von dem Grund des Brunnens aus, wusste jedoch ganz genau, dass man nie wieder nach oben kommen würde.
 

Nach einigen Tagen erklang plötzlich das stählerne Schaben eines Schlüssels im Schloss. Von dem ungewohnten Geräusch zutiefst erschrocken setzte sich Deidara trotz schmerzenden Gliedern mühsam auf. Inzwischen war er fast schon steif gefroren und musste sich schwer an die Wand lehnen, um nicht doch umzukippen.

Das Zwielicht war bereits halb gewichen, es musste Abend sein, als sich die Tür langsam aufschob. Vom für ihn grellen Licht geblendet kniff der Junge die Augen zusammen und zog langsam die Beine an den Körper, um sich zu schützen. Alles fühlte sich dumpf an und so musste er sich anstrengen, um überhaupt zu erkennen, wer sich nun doch dazu herabgelassen hatte, ihn zu besuchen. Es dauerte, bis Deidara einen kleinen, schmächtigen Körperbau erkennen konnte und noch einen Moment länger, bis er begriff, wer nun langsam auf ihn zukam und direkt vor ihm stehen blieb.

Sofort setzte sich dein Herz in doppelter Geschwindigkeit in Bewegung. Automatisch weiteten sich die azurblauen Augen und blinzelten immer wieder, als wollten sie es nicht wahrhaben. Der ganze vor Kälte ganz starre Körper spannte sich unwillkürlich noch mehr an, zitterte leicht. Wieder kroch die Angst wie ein hartnäckiger Begleiter heran und legte sich wie eine Decke über den Bombenkünstler.

„Du scheinst deinen Fehler eingesehen zu haben, Deidara“, allein die hohe Stimme des Puppenspielers machte ihn noch nervöser, als er sowieso schon war.

Warum war Sasori hier? Wollte er ihn nun abholen, jetzt, wo er doch eh schon schwach und wehrlos war? Damit er weniger Arbeit mit ihm hatte und einfach anfangen konnte? Die Stimme des Iwa-nin wollte nicht funktionieren.

„Wie du aussiehst… Eine solche Schande für Akatsuki. Es ist ein Wunder, dass Pain-sama dich am Leben gelassen hat. Das hätte er nicht gemusst. Jemanden wie dich kann man ersetzen“, ein leises Zischen verließ die Lippen des Rothaarigen.

„Das…“, Deidaras Stimme war brüchig und kaum verständlich, doch Sasori verstand jedes Wort. „…ist es doch, was…du dir erhoffst… Dass du…mich ersetzen kannst… aber… das kannst du nicht…un…“

Ein helles Klatschen war zu hören, als eine hölzerne Hand auf einer menschlichen Wange auftraf. Die sonst ruhigen, braunen Augen funkelten nun bedrohlich.

„Hüte dich vor deinen eigenen Worten, sie könnten dir zum Verhängnis werden, Balg. Ich warne dich, wage es ja nicht zu glauben, du könntest meine Ziele und meine Beweggründe verstehen!“, seine Stimme war nur noch ein wütendes Zischen, die Hand hing noch in der Luft, bereit, nochmals zuzuschlagen.

Langsam setzte sich der Iwa-nin wieder auf, die Wange feuerrot und die Hand darübergelegt, als wolle er den Schmerz mit der Hand auffangen. Blaue Augen trafen auf Braune, während sich Deidaras Mund zu einem Lächeln verzog.

„Du hast Angst, dass du es nicht fertigbringst, mich zu töten, Sasori no Danna, un. Und wenn du Angst hast, kann man dich in die Ecke drängen wie einen schäbigen Hund…“

Erneut schlug der Rotschopf zu, und nochmals, immer wieder, ins Gesicht, auf das Schlüsselbein, in den Magen. Der Kopf des Jüngeren wurde zur Seite gerissen, Blut fand seinen Weg aus Nase und Mund. Sein geschwächter Körper hielt den Druck und die Kraft der Schläge nicht aus und kippte mit einem Knall zur Seite, landete auf dem harten Steinboden. Doch Sasori stoppte seine Attacken nicht und trat ihm nochmals in die Rippen, bevor er sich runterbeugte und seinen Kopf an den Haaren hochzog.

„Für solche Bemerkungen wirst du ab jetzt leiden, das verspreche ich dir. Ich werde dich zum Weinen bringen, zum Schreien und Mitleid wirst du keines erwarten können. Ich kann dich töten, verlass dich darauf. Und irgendwann werde ich es auch tun… Denk daran.“

Mit diesen Worten ließ er seinen Kopf achtlos zurück auf den Boden fallen, nahm sein anderes Handgelenk und legte die andere Fessel an, die Kisame extra offen gelassen hatte – nun hing Deidara mit beiden Händen an die Wand gekettet da, auf dem Boden liegend und die Haare über dem Boden verteilt wie ein großer blonder Fächer, in den sich nun langsam die Farbe Rot mischte, denn das Blut tropfte immer weiter aus einer Platzwunde an seinem Wangenknochen, seiner Nase und aus seinem Mundwinkel.

Regungslos lag er da, sein ganzer Körper schrie vor Schmerzen. Er war sich nicht sicher, aber eine Rippe oder das Schlüsselbein waren sicherlich gebrochen. Wie es schmerzte, zusammen mit der Eiseskälte… Nur nebenbei bemerkte Deidara, wie sein Teamkamerad aufstand, nochmals fast schon angewidert das Gesicht verzog und den Raum mit einem lauten Knallen der Tür verließ, was ihm fast schon Kopfschmerzen bereitete. So laute Geräusche hörte man sonst nicht und vor seinen Augen tanzten sowieso noch schwarze und weiße Punkte von den Schlägen. Im Takt zum Tanz der Punkte schwankte seine Sicht, die Welt schien sich zu drehen… dazu noch war ihm schlecht.

Einen klaren Gedanken zu fassen war dem jungen Akatsuki nicht mehr möglich und so schloss er ergeben die Augen und sank in die kühle und fast schon barmherzige Ohnmacht, die ihn seinen Schmerz zumindest für eine Weile vergessen ließ.
 

„Deidara…? Komm schon, sag was.“

Stunden später nahm er eine nervende Stimme wahr, realisierte allerdings auch genau, dass es sich nicht um Sasori handelte, was ihn zumindest innerlich schon mal beruhigte. Die Gefahr war für’s Erste gebannt. Danach überlegte er weiter, ob er die Stimme zuordnen konnte. Wenn er sich nicht täuschte war es Kisame, der da direkt neben ihm hockte.

Ohne Widerstand ließ sich Deidara hochziehen und gegen die Wand lehnen. So saß er mit geschlossenen Augen da, während Kisame ihm mit einem Tuch das Blut aus dem Gesicht tupfte.

„Ich kann leider nicht viel machen… Du gehörst im Moment ausschließlich Sasori, Pain-samas Anordnung“, erklärte er und ein langer Schauer jagte über Deidaras Rücken. Sasoris Eigentum, vermutlich bis zum Tod – das hatten ihm seine Fluchtversuche eingebracht. Und wenn man sich seinen Zustand so ansah, waren seine Tage sowieso gezählt. Wie dumm er auch gewesen war, als er den Puppenspieler wissentlich provoziert hatte… Doch kampflos ging der Blonde eben doch nicht unter. Da musste schon mehr kommen.

„Wie hast du es nur geschafft, ihn so in Rage zu versetzen? Sasori hat seit Wochen in unserer Gegenwart das Gesicht nicht mehr verzogen, wenn man denn die Ehre hat und ihn zu Gesicht bekommt. Egal was du tust, um ihn wütend zu machen… Hör besser damit auf. Wenn sich diese Attacke wiederholt und er noch kräftiger zuschlägt, wird dein Herz bald stillstehen, genau wie seines.“

Mein Meisterwerk

Die dunklen Tage vergingen weiterhin nur sehr langsam. Manchmal kam jemand, um ihm ein karges Essen vorzusetzen, zusammen mit ein wenig Wasser. Zunächst hatte die inzwischen fremde Flüssigkeit in der rauen Kehle geschmerzt, doch Deidara hatte langsam weitergetrunken. Auch das Essen rutschte nur mühsam durch den entzündeten Hals und landete mit einem nur halbwegs zufriedenstellendem Geräusch im zusammengezogenen Magen. Es tat weh, lebensnotwendige Vorkehrungen zu treffen. Doch wusste der Iwa-nin auch, dass er überleben musste, um Sasori die Stirn zu bieten.

In der ganzen Zeit in der kalten Zelle wurde ihm so Einiges klar. Er verstand nun, warum der Puppenspieler ihn so ehmsig hatte trainieren lassen und ihn beim Training so streng zurechtgewiesen hatte, obwohl er ihn doch eigentlich hasste. Warum er ihn auf Missionen und anderen Ausflügen immer wieder vor allem bewahrt hatte. Doch angeblich hatte es stets einen anderen Grund gehabt... Dabei hatte die Bewahrung seines ach so teuren Spielzeugs doch immer oberste Priorität gehabt.
 

Flashback
 

„Pass auf! Er greift mit Bomben an!“

Es war zu spät – schon wurde der erste Shinobi zerrissen, in tausend Einzelteile, zu klein für das menschliche Auge. Rosa Nebel. Doch auch den konnte man nicht mal mehr erahnen, denn die gewaltige Druckwelle wirbelte genügen Staub auf, sodass nichts mehr auf das menschliche Leben hinwies, was von einer Sekunde auf die andere beendet worden war, vollkommen ohne Spuren der Überreste.

Ein Entsetzen des Grauens legte sich bedrückend über die hinterbliebenen Gefährten des Mannes, niemand schaffte es noch, sich zu bewegen. Zu schockiert waren sie von der Grausamkeit, unter der ihr Kamerad hatte sterben müssen.

Einzig und allein eine Person stand auf einer kleinen Erhöhung und zeigte ein wahnsinniges Grinsen. Die blauen Augen Deidaras strahlten vor sadistischer Begeisterung, doch auch vor Bewunderung für seine so exzellent funktionierenden Schöpfungen. Der Tod des Mannes störte ihn nicht – ihn interessierten nur die anderen Angreifer, die ihren Gefährten auf diesselbe Art und Weise folgen sollten.

Doch schon war die Bewegungslosigkeit gebrochen und der erste Shinobi stürzte auf Deidara zu. So sehr dieser auch heißblütige Kämpfe liebte, so sehr wollte er auch seine Kunst austesten. Also bewegte er beide Hände zu den Lehmtaschen an seiner Hüfte und sprang zurück, um auch den anderen auszuweichen. Da er die Hände nicht benutzen konnte, hatte er Schwierigkeiten, alle vier auf Distanz zu halten... Wo war eigentlich Sasori no Danna? Suchend sah Deidara sich um, konnte den Puppenspieler aber nirgens erkennen. Fluchend zog er die Hände aus den Taschen und ließ die Münder hastig kauen, wobei er erneut brenzlig von seinen Gegnern bedrängt wurde.

Es kam, wie es Dank seiner Sturheit kommen musste. Ein Shinobi holte mit dem Kunai aus und traf, als er es hob und auf den Akatsuki zu durch die Luft schneiden ließ. Die entstehende Wunde verlief über die Wange des Blonden, setzte sich am Brustkorb fort und über den Bauch, wo sie schließlich endete. Sofort sprudelte das warme Blut heraus und durchtränkte Shirt und Mantel, lief an ihm hinab und tropfte langsam auf den Boden.

Deidara keuchte halb aus Schreck, halb des Schmerzes wegen auf und stolperte zurück, vom plötzlichen Blutverlust benebelt. Der feindliche Shinobi nutze diese Schwäche augenblicklich aus, zückte sein mit Blut benetztes Kunai und stürzte erneut auf ihn zu, während ein anderer Shinobi ihn zu Fall brachte. Mit einem leisen Aufprall landete der Akatsuki auf dem Rücken, presste eine Hand auf die lange und tiefe Wunde und versuchte, nach hinten wegzurutschen, doch es war bereits zu spät – zu nah waren die Gegner nun bei ihm.

Er fluchte, hatte er doch nicht vorgehabt, bei so einer winzigen Mission sofort zu sterben. Besonders störte es ihn, dass er sich nicht einmal an Itachi hatte rächen können und nun einen kurzen, ehrlosen Tod sterben sollte.

Ergeben schloss er die Augen. Wenn schon sterben, dann musste man wohl nicht unbedingt sehen, wie es auf einen zukam. Doch der erwartete Schmerz traf nicht ein und so dachte er schon, es sei ein noch kürzeres Ableben als erwartet, doch als er die Augen öffenete, stand niemand mehr über ihm. Stattdessen klebte etwas in seinem Gesicht. Irritiert hob der Iwa-nin die Hand und wischte es ab – Blut. Woher auch immer.

Verdutzt sah Deidara sich um. Direkt neben ihm lag einer der Shinobi, die ihn eben noch bedroht hatten. Der Unterschied war überdeutlich: Der Kopf lag einen Meter entfernt vom Rumpf.

Der andere Shinobi befand sich ebenfalls in seiner Nähe, allerdings in der Luft. Ein langes Stahlseil hatte ihn durchbohrt und hob ihn so gute anderthalb Meter über dem Boden. Das überall verteilte Blut tropfte dem Sterbenden aus dem Mund und auch aus der klaffenden Wunde im Bauch. Zitternd versuchte er sich an der Stahlkonstruktion festzuhalten und den Druck zu verringern, doch es hatte keinen Sinn. Wie eine Schlange schwang das Seil hin und her, die schmerzerfüllten Geräusche des Opfers füllten die Luft.

Erst nach einer Weile erstarben die Laute und der leblose Körper wurde mit einer beinahe makaber eleganten Bewegung auf den Boden befördert, wo er mit einem schmatzenden Platschen des Blutes liegen blieb. Erstaunt, beinahe erfürchtig sah der Junge zu der Leiche hinüber.

„Du bist so ein nutzloses Balg, Deidara...“, die kalte Stimme Sasori no Dannas ließ ihn aufsehen und auf den noch kälteren Blick aus braunen Augen treffen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Todesblick. „Du wärst gestorben, gerade eben. Ist dir das bewusst?“

Deidara nickte leicht. „Ja, Sasori no Danna, un.“

„Wäre ich nicht gewesen, hätten diese Shinobi dein verdammtes Herz durchstoßen.“

„Ja, Sasori no Danna, un.“

„Was ist? Hat dich der Schock etwa endlich gehorsam werden lassen?“

„Nein, Sasori no Danna, un“, Deidara sah auf, ein dreistes Grinsen zierte seine schmalen Lippen. „Ich amüsiere mich nur. Du bildest dir ein, ich wäre dir dankbar, aber wieso sollte ich? Du hättest mich sterben lassen können, aber stattdessen rettest du mich immer wieder. Deine Art, deinen Hass auszudrücken ist belustigend, un.“

Und dann kam der Schlag, die Ohrfeige, die immer kam, wenn er sich tatsächlich einmal vorwagte, solche Worte laut zu äußern. Und kein weiteres Wort. So endeten diese Auseinandersetzungen immer: Sasoris Geduldsfaden riss, er schlug zu und anschließend wurde kein Wort mehr darüber verloren. Deidara war es so gewohnt. Doch nie erhielt er eine Antwort darauf, warum sein Danna ihn immer wieder rettete. Niemals.
 

Flashback Ende
 

Inzwischen wusste Deidara, warum Sasori ihn all die Zeit am Leben erhalten hatte. Er sollte schließlich noch unter seinem Messer sterben, schreiend auf seiner Werkbank, die noch die Kratz- und Blutspuren seiner letzten Opfer aufwies. Mit Sicherheit tat sie das, auch wenn Deidara sich nicht den massiven Tisch angesehen hatte, sondern eher die weitaus beunruhigenderen Dokumente bezüglich seines Körpers.

'Tori'... Warum nur hatte der Puppenspieler ausgerechnet das Schriftzeichen für 'Vogel' gewählt? Was bedeutete diese Aussage 'für die freie Seele'? Was hatte Deidara an sich, was Sasori an einen Vogel erinnerte? Doch die schlimmste und ernstzunehmendste Frage war immer noch, warum Sasori seinen Partner in eine Puppe umbauen wollte. Der Bombenkünstler sollte sterben und wiederauferstehen – als nicht menschliches Wesen, als Marionette. Vielleicht wollte Sasori endlich eine lebendige Puppe, nachdem er so viele bewegungslose Werke geschaffen hatte. Vielleicht wollte er endlich jemanden, der lebte, und den er trotzdem vollends kontrollieren konnte. So oder so, es war ein perverser, sadistischer Gedanke, der Deidara dazu veranlasste, einen Schauer nach dem anderen zu unterdrücken.
 

Erneut vergingen Tage. Kisame kam gar nicht mehr, inzwischen hatte man ihm die Augen verbunden. Seine Wunden heilten schlecht, so hörte er seine eigentlichen Kameraden flüstern. Die Schmerzen spürte er schon längst nicht mehr – viel zu steifgefroren waren seine Glieder, sein Körper war taub. Hunger, Kälte, Einsamkeit. Sie bestimmten nun den Tagesablauf.

Bis dann nach ungefähr einer Woche – Deidara gab sich Mühe beim Zählen der Zwielichtstunden, doch manchmal geriet er durcheinander -, denn da ging die Tür plötzlich erneut auf. Es waren nicht die normalen, gemächlichen Schritte, die sonst immer auf dem Steinboden aufkamen und dessen Klang von den kahlen Wänden wiedergegeben wurde. Diesmal waren es schnelle Schritte, entschlossen und selbstsicher, Deidara erkannte den Unterschied sofort. Es waren bedrohliche Schritte, die sein Herz sofort zur Eile antrieben.

In seinem Kopf schaltete sich der Überlebensdrang in den Vordergrund und drängte den Körper dazu an, wegzukriechen, weg von den sich nähernden Schritten und näher an die Wand, an die man sich pressen könnte, obwohl doch die Augen verbunden waren, doch der junge Iwa-nin widerstand diesem Impuls. Wollte er seinem Partner ein für allemal entgegentreten, so konnte er nicht kneifen wie ein schäbiger Hund, als den er doch Sasori beschimpft hatte. Diesen Gefallen wollte er nicht tun, würde er auch nicht tun und damit war die Sache entschieden: Erstarrt wie ein Stein blieb er regungslos dort sitzen, wo er gerade war.

Ein leiser, beinahe belustigter Zischlaut ertönte. Es war definitiv der Puppenspieler, der ihn bedrängte, näher kam... Deidara spürte, wie nah er bereits gekommen war. Hielt er inne? Für eine Sekunde war kein Laut zu hören, kein raschelnder Stoff, Totenstille.

Sein Herz raste wie die Flügel eines Vogels und mit beißender Ironie überlegte er noch, ob er es nicht laut aussprechen sollte, als plötzlich eine kalte, starke Hand nach seinem Handgelenk griff. Automatisch entwich dem Blonden ein erschockenes Aufkeuchen, doch der Griff wurde nur noch fester. Ein Klirren ertönte, es klang wie ein Schlüsselbund, dessen Schlüssel aneinander fielen. Wenige Sekunden später waren seine Arme auf einmal frei. Mit einem begeisterten Auflachen wollte sich Deidara die Augenbinde vom Gesicht reißen, doch noch bevor er überhaupt reagieren konnte, wurde er grob an beiden Handgelenken gepackt und seine dünnen Arme wurden schmerzhaft nach hinten verdreht.

„Nicht so voreilig, du nichtsnutziges Balg...“

Sasoris Stimme jagte dem Jungen einen gewaltigen Schauer über den Rücken, während er irgendwie versuchte, sich in eine bequemere Position zu manövrieren, die seinen Armen nicht ganz so schaden würde, doch der Puppenspieler griff noch fester zu und riss ihn brutal auf die Beine. Diese waren jedoch vom tagelangen Sitzen einfach nicht dafür geeignet, sofort das komplette Körpergewicht zu tragen und so knickten sie wieder ein. Sasori zischte leise und zerrte ihn nur weiter nach oben, immer weiter, bis er sich den Bombenfanatiker auf die Schulter hievte und einfach losging.

Die harte Schulter des Puppenspielers bohrte sich in Deidaras Rippen, doch er gab keinen Mucks von sich. Seine Gedanken flogen hin und her, durcheinander und beinahe sinnbefreit. Würde er seinem Gegenspieler jetzt das Knie ins Gesicht rammen oder versuchen, ihn zu schlagen, so würde das absolut nichts bringen. In seinem Zustand hätte es höchstens kitzeln können. Die andere Option war absolute Regungslosigkeit – vielleicht wäre Sasori dann gnädig im Umgang mit seinem Opfer. Aber das ergab keinen Sinn, immerhin hatte er keinen Grund, vorsichtig zu sein. Was sollte Deidara also tun...? Warten? Verzweifelt von der Aussichtslosigkeit seiner Situation fing er an mit den Beinen zu strampeln.

Der Griff Sasoris wurde fester, wesentlich fester, sodass der junge Iwa-nin nach Luft schnappen musste und augenblicklich gezwungen war, seine hilflose Wehraktion einzustellen. Gleichzeitig beschleunigte er das Tempo und trat in das gemeinsame Zimmer ein. Mit einem kurzen Handgriff war die erste Tür zugeschlossen und nach wenigen Augenblicken saß Deidara auf dem Boden der Puppenwerkstatt – alle Türen verschlossen und direkt vor sich sein Partner, dessen Augen funkelten wie Eissterne. Er hatte etwas Wahnsinniges an sich, wie er so dastand und den Jüngeren musterte... Beinahe ausgehungert. Langsam bekam es Deidara ernsthaft mit der Angst zu tun.

Mit einer raschen Bewegung mit der Hand des Puppenspielers wurde Deidaras Körper auf einmal starr. Kein Muskel konnte sich bewegen, es war, als sei er festgefroren. Sofort wurde ihm klar, dass Sasori ihn steuern musste wie eine Marionette – es stellte keine Schwierigkeit da, so entkräftet und schwach der Junge in seinem jetzigen Zustand nun mal war. Nicht in der Lage, eigenmächtig zu agieren, bewegten sich Deidaras Beine und brachten den dürren Körper dazu, aufzustehen und langsam rückwärts zu gehen. Er konnte sich nicht umdrehen, konnte nicht sehen, wohin er ging, doch das Bild der Werkstatt hatte sich seit dem Tag der schrecklichen Entdeckung in seinem Kopf eingebrannt. Der dunkle Raum bot nicht so viele Möglichkeiten für einen Gefangenen und selbst so wusste der Bombenkünstler genau, dass er sich der Werkbank näherte; schon bevor er mit den Fingern an das abgenutzte Holz stieß.

„Du bist so still, Deidara. Hast du es jetzt begriffen?“, mit einem belustigten Zischlaut sorgte Sasori dafür, dass sich sein Partner langsam auf den Tisch legte und dort regungslos liegen blieb, mit den Augen starr zur Decke gerichtet. „Hast du jetzt begriffen, wie dumm deine Provokationen waren? Ich war dir immer überlegen.“

„Das hat nichts mit Überlegenheit zu tun, Sasori no Danna“, nur sehr langsam schaffte es Deidara, seine Lippen zu bewegen, um Worte herauszubringen. „Rein gar nichts. Selbst wenn du mich jetzt tötest, so hast du nichts bewiesen. Nur, dass deine Geduld die eines Kindes ist. Und danach kannst du dir gewiss sein, stark genug zu sein, um mich zu töten, un.“

Mit nun ruhigeren Bewegungen band der Puppenspieler ihn fest, doch nur an den Armen und Beinen, sodass er an Deidaras Körper noch genügend Platz zur Arbeit hatte.

„Ich war immer stark genug, um dich zu töten. Ich muss mir nichts beweisen.“

„Das stimmt nicht. Innerlich bist du schwächer als äußerlich, zumindest was mich betrifft, un. Sonst hätte ich schon etlichen Zeiten hier gelegen. Abgesehen davon...ich habe die Unterlagen gesehen. Was hast du nun vor? Mich einfach umbauen?“, eine eigenartige Ruhe strömte in den Iwa-nin ein, machte ihn beinahe gefühlstaub. Hatte sein Körper schon aufgegeben und mit dem Leben abgeschlossen? Das war doch gar nicht seine Art. Vielleicht hatte er sich auch schon im Kerker seelisch darauf vorbereitet.

„Nicht ganz. Du wirst mein Experiment sein“, Sasori schob einen kleinen Tisch nah an die Werkbank heran. Silber glänzende Operationsutensilien lagen säuberlich sortiert und sterilisiert darauf. Er war perfekt vorbereitet. „Du wirst wie ich sein, wenn ich mit dir fertig bin. Nur dein Wille, den werde ich dabei brechen. Du wirst mir gehören... Nur mir allein, für die Ewigkeit...“

Die Hände des Suna-nins krampften sich in die Kante des schweren Tisches, seine Augen weiteten sich. Die Stimme wurde dunkler, bekam einen seltsamen Unterton, es klang immer weniger wie er selbst. Hatte er den Verstand verloren?

„Du warst immer frei! Egal, was ich getan habe, du warst immer frei, deine Seele war immer frei! Du hast dich entwickelt, warst wie ein Vogel und bist es immer noch... Dein Leben sprüht geradezu aus dir heraus, ich ertrage das nicht. Alle meine Werke, sie gehören mir, doch keine strahlt so wie du...“, sein tödlicher Blick wandte sich direkt auf die himmelblauen Iriden Deidaras. „Und deswegen wirst du mein Meisterwerk sein. Ich werde dich umbauen und danach gehörst du vollkommen mir, deine Seele wird mir gehören. Eine Puppe, meine Puppe – meine Menschenpuppe.“

Unbewegt erwiderte Deidara den Blick seines Meisters. Bald würde es sein wirklicher Meister sein, doch konnte er das zulassen...? Hatte er eine Wahl?

Während sich Sasori abwandte, um andere Werkzeuge zu holen, wanderte der Blick des Blonden durch den Raum – und wurde fündig. Ein Skalpell lag auf dem Tisch neben ihm, wenige Zentimeter neben seiner Hand. Allerdings konnte er sich noch immer nicht bewegen. Lautlos huschte ihm ein Fluchen durch den Kopf, dann schloss er die Augen und konzentrierte sich. Sasori hatte sich den falschen Platz ausgesucht, so direkt neben ihrem Teamzimmer. Denn hier standen dem Explosionsfanatiker Möglichkeiten offen, die ihm andernorts niemals zur Verfügung gestanden hätten. Was Sasori nicht wusste: Direkt unter dem Bett Deidaras stand ein kleiner Karton, voll mit kleinen Spinnen, Tausendfüßlern, Fledermäusen und anderen kleinen Skulpturen aus Lehm.

Er konzentrierte das eingearbeitete Chakra in den Tieren auf die Entfernung und schaffte es, zwei zum Leben zu erwecken und zu steuern. Der Suna-nin sollte es noch bereuen, niemals wirklich die Kunst seines Partners betrachtet und niemals zugehört zu haben.

Eine Fledermaus und eine Spinne krochen aus dem Karton und positionierten sich vor der Tür. Sasori selbst suchte gerade eine bestimmte Flasche aus seinem Regal und wandte sich Deidara zu, doch es war zu spät. Ab jetzt musste alles schnell gehen für den Lehmkünstler, es gab nur eine Chance und er war zu absolut allem bereit.
 

Der Tausendfüßler explodierte und riss die Tür aus den Angeln. Die Holzsplitter folgen in alle Himmelsrichtungen, erreichten Deidara jedoch nicht, sodass dieser die Wucht ausnutzen konnte, um die Fledermaus in den Raum hinein zu katapultieren. Den Rotschopf riss es leider nicht von den Füßen – wutentbrannt wollte er zu seinem Partner hinüberstürzen, doch auch das kam zu spät: Die Fledermaus schwirrte um Sasoris Kopf, lenkte ihn ab und explodierte, leider nur schwach. Es reichte vollkommen aus, um die Konzentration des Puppenspielers zu brechen, sodass die Chakrafäden nachgaben und Deidara in der Lage war, nach dem Skalpell auf dem Tisch zu greifen.

Zischend wandte sich Sasori zu Deidara um, der nun aufrecht auf der Werkbank saß, das Skalpell fest in der Hand. Ein Lächlen zierte seine schmalen Lippen, die Hand mit der Waffe zitterte nicht einmal, als er sie langsam anhob. Sein Körper sah geschunden aus, abgemagert, blass, so vollkommen fremd... Und doch umgab ihn von jetzt auf gleich eine absolut ruhige Aura.

„Es tut mir leid für dich, Sasori no Danna. Vielleicht hätte ich anders dir gehören können, wäre Vieles anders gelaufen. Aber so sehe ich keine andere Wahl, un.“

„Deidara, wag es dich nicht zu...“, fing Sasori an, doch Deidara unterbrach ihn einfach.

„Wir sehen uns, Sasori no Danna, un. Vermutlich in der Hölle.“

Und damit stach der Iwa-nin zu, nicht in die Richtung des Puppenspielers, sondern sich selbst direkt ins Herz. Sein Körper ruckte einmal stark, dann sprudelte das warme Blut aus der Wunde, die schönen, blauen Augen verdrehten und schlossen sich. Ein Klirren tönte durch die Luft, als das nun rote Skalpell auf dem Boden aufkam.

„NEIN!“, Sasori schrie beinahe auf. All seine Pläne, sein Hoffen, seine Obsession – alles war dahin! Er stürtze nach vorne, fing den Körper auf, der bereits sein Leben ausgehaucht hatte, und fluchte. Wie sollte er so dieses Strahlen einfangen, wie sollte er es so schaffen, sein Meisterwerk zu vollenden...? Blut sprudelte durch Sasoris Hände, ein paar Tropfen fanden den Weg zu seinem Gesicht, als er sich vorbeugte und vor Verzweiflung den toten Körper an sich drückte. Das Strahlen war erloschen. Deidaras Plan war aufgegangen.
 

Viele Tage lang bekam man Akasuna no Sasori nicht zu Gesicht. Weder Pain, noch sonst jemand. Eigentlich war das nichts Ungewöhnliches, doch alle spürten, dass etwas anders war. Deidara wurde ebenso nicht mehr gesehen – die meisten dachten sich bereits ihren Teil.

Zwei Tage nach dem Tod des Künstlers fand eine neue Puppe den Weg in die Sammlung des Marionettenspielers. Sie war schön, die Proportionen waren perfekt. Die Haare blond und seidig, das Gesicht war makellos, die Augen zeigten einen wunderschönen Blauton. Und doch waren sie stumpf und leblos.

Jedes Mal, wenn Sasori den Blick zu seinem Meisterwerk wand, wurden auch seine Augen zu denen einer toten Puppe, stumpf und leblos. Sein Vogel hatte sich die Flügel gebrochen und war gestürzt, niemand hatte das Strahlen bewahren können, es war für immer verloren. Auch im Herzen des Puppenspielers war es abgestorben und unwiederbringlich verloren.
 

Mitten auf dem unberührten, glatten Oberkörper war ein Zeichen aufgemalt worden, in vollkommen feiner Präzision. Es gab keine Erhebung, kein Herz – einfach so hatte man es angezeichnet, in einem leichten Azurblauton. 'Tori'war die Bedeutung des Schriftzuges. Für die freie Seele Deidaras.
 



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