Stolen Heart von LittlePuppetFreak ================================================================================ Kapitel 1: Fluchtversuch ------------------------ Die Luft brannte in seinen Lungen wie schneidende, messerscharfe Scherben, während sein Herz pumpte, als würde es mit ihm rennen. Es rannte, galoppierte, versuchte zu fliehen. Sehnen, Muskeln, Bänder – alles protestierte und warnte bereits, die Funktionen einzustellen. Die Knochen darunter knirschten leise, als wollten sie zustimmen. Der eiskalte Angstschweiß rann ihm über die dreckige Haut, scheinbar die einzige Flüssigkeit in seinem Körper, denn getrunken hatte er schon eine Weile nicht mehr, zumindest fühlte er sich so. Die letzte Mahlzeit war auch schon etwas her, sodass Magen und Niere ebenfalls langsam murrten. Und sein Kopf, der war am Schlimmsten. Bald würde er platzen wie ein Luftballon und alles mitreißen. Wobei es dann endlich vorbei wäre… Ein stechender Schmerz in der Hand holte ihn zurück. Er hatte sich selbst in die Hand gekniffen – aufgeben kam nicht infrage! Nur weiterrennen war eine Option und die würde er wählen, koste es was es wolle. Es war nicht das erste Mal, dass er rannte. In den letzten Wochen war es immer wieder vorgekommen, doch niemals war er weit gekommen. Immer wieder hatten sie ihn aufgehalten, hatten ihn zurückgeschliffen in diese tickende Zeitbombe. Sicher waren sie schon hinter ihm her, wie sonst auch immer. Das war sein fünfter Versuch. Hinter sich spürte er bereits eine Chakraquelle, die rasend schnell näherkam. Anscheinend machten sie sich nicht mal die Mühe, sich zu verstecken. Deidara fluchte laut, hatte er doch keinen Lehm mehr, um einen seiner Vögel zu erschaffen. Die waren schneller, doch eigentlich, wenn er ehrlich zu sich war, brachten sie auch nichts. Die letzten paar Male hatte er Lehm gehabt und doch hatten sie ihn gefasst. Schneller rannte der Blonde jetzt, bog in einen tieferen Waldteil ab und kämpfte sich ohne Rücksicht auf eigene Verluste in einem Mordstempo durch das Unterholz. Seine Haare verfingen sich in den Ästen, manche konnte er im Rennen befreien, andere blieben mit einem kurzen, schmerzhaften Reißen hängen. Doch man konnte sich nicht um solche Kleinigkeiten kümmern, wenn man verfolgt wurde und so rannte er weiter, bis er plötzlich am Ende des Waldes stand und weite, offene Wiesen vor sich sah. Keine Möglichkeit sich irgendwie bedeckt zu halten, jetzt zählte seine Schnelligkeit. Sofort bewegten sich seine Beine, die zerzausten Haare peitschten dem Bombenkünstler um die Schultern, der Atem ging stoßweise durch den rauen Hals und die belastete Lunge. Die Chakraquelle kam näher und so langsam konnte er sie zuordnen… und wusste, dass er im Falle eines Kampfes keine Chance hatte. Warum hatten sie ihn geschickt? Warum gerade ihn? Weil sie wussten, dass Deidara versagen würde? Und das stand außer Frage. Vor allem war es ihm nun klar, warum nur eine einzelne Person ihn verfolgte – mehr war gar nicht notwendig. Er versuchte, schneller zu rennen, doch sein Körper ließ es nicht zu. Stattdessen knickten die Knie ein, er stolperte über seine eigenen Füße, die sich seiner Kontrolle entzogen, und schlitterte über den Boden, wobei sein Shirt einriss. So blieb er auf dem Boden liegen – mit zerzausten und verfilzten Haaren, zerrissenem Shirt und mit Schmutz und Dreck beschmiert; ein Bild des Jammers. Schwer atmend lag er auf dem Bauch und hob den Kopf nur ein Stück, sodass er gerade noch die Schuhe vor sich im Gras erkennen konnte. Ninja-Schuhe mit weißen Gamaschen. Es war vorbei. „Deidara, dein Spiel ist hiermit beendet. Ich bringe dich jetzt zurück“, erklang die tiefe Stimme Itachis über ihm. Grob riss dieser den Jüngeren an den Haaren auf die Knie und zwang ihn so, ihm ins Gesicht zu sehen. Doch der Blonde verzog nur das Gesicht und spuckte dem Schwarzhaarigen auf die Füße. Ein Zischen verließ Itachis Lippen und seine Hand knallte hart auf die Wange Deidaras. „Solche Dreistigkeiten kannst du dir in deinem Stand nicht leisten. Ganz im Gegenteil, du hast alle deine Rechte verwirkt, indem du zu einem jämmerlichen Deserteur geworden bist.“ Mit einem Ruck riss er ihn auf die Füße und zog ihn vorwärts, ohne Rücksicht auf Verluste. Jedes Jammern wurde ignoriert und irgendwann gab der junge Explosionsfanatiker auf, es hatte keinen Sinn. „Warum bist du schon wieder geflohen?“, kam die Frage, auf die er schon fast gewartet hatte. Jedes Mal dieselbe Frage. Und wie immer antwortete er nicht. „Pain-sama wird langsam ungeduldig. Deine dauernden Fluchtversuche kosten ihn Mühe, Nerven und Zeit. Du solltest deine Einstellung Akatsuki gegenüber nochmals überdenken, sonst wird Pain-sama deinen Nutzen für die Organisation zu Recht infrage stellen.“ Deidara schwieg und ließ sich einfach mitziehen. Vielleicht war es der letzte Fluchtversuch gewesen… Vielleicht hatte er keine Möglichkeiten mehr, doch noch irgendwie zu fliehen. Und würde er jemanden aus Akatsuki erklären, warum er denn fliehen wollte… es würde eh keiner glauben, geschweige denn verstehen. Schließlich war Akatsuki eine große Chance für einen Nuke-nin wie sie. Man hatte sichere Bleiben, eine Einnahmequelle und jeden Tag genügend Essen und Trinken. Man bekam ein Zimmer zugewiesen, hatte ausreichend Gesellschaft und trotzdem blieb man mehr oder weniger frei. Das waren die positiven Seiten und so sahen die anderen das sicher auch. Nur hatte Deidara leider keinen Grund, so zu denken. Der erste Fluchtversuch war nun ungefähr vier Wochen her. Seitdem hatte er es immer wieder versucht, immer vergeblich. Das erste Mal hatte man ihn Hidan und Kakuzu hinterhergeschickt, das zweite Mal nur Kakuzu. Beim dritten Mal war ihm Kisame hinterher gehetzt, anschließend nochmals Kakuzu und nun hatte sich selbst Itachi dazu bereiterklärt. Nur er… er hatte sich noch nicht dazu herabgelassen. Dabei war er doch der Grund für Deidaras Fluchtversuche. Er war es, dessen bloße Anwesenheit der Blonde nicht mehr ertragen konnte, der ihn um die Nacht brachte, ihm den Schlaf und jegliche Ruhe raubte. Und das nicht grundlos… *Flashback* „Hey, Danna, un!“, laut klopfte Deidara gegen die Tür der Puppenwerkstatt. Er konnte davon ausgehen, dass sein Danna sich wieder dort eingeschlossen hatte, wie immer. Eigentlich war es ihm egal, doch zu seinem Leidwesen sollte er ihm einen Umschlag von Pain aushändigen, da der Anführer den Rotschopf mal wieder nicht sofort gefunden hatte. Erneut klopfte er gegen das massive Holz der verstärkten Tür. „Sasori no Danna, un! Ich bitte Sie, lassen Sie mich rein, un. Ich habe hier etwas für Sie!“ Wieder keine Reaktion. So langsam wurde Deidara doch schon leicht gereizt. ‚Danna‘ sollte er ihn nennen. ‚Sasori no Danna‘, pff… Wie ein Danna verhielt sich dieser aufgeblasene Großkotz ganz sicher nicht. Und eigentlich hatte er es auch nicht verdient, so genannt zu werden. Vor allem in diesen Momenten, wenn sein Stolz ihm gebot, den Jüngeren partout zu ignorieren. Nochmals schlug er mit der flachen Hand gegen die Tür. „Wenn Sie nicht sofort aufmachen, hole ich meine Kunstwerke und dann werden Sie diese Tür ersetzen müssen, un!“, keifte der Bombenkünstler, doch noch immer kam keine Reaktion. Da wurde es ihm zu viel. Schon wollte er Schwung holen und sich gegen die Tür werfen, doch als er einmal die Klinke probehalber betätigte, schwang die schwere Tür fast lautlos auf. Eine seltsame Begebung, normalerweise war die Werkstatt immer abgeschlossen und Deidara hatte den direkten Befehl, nicht einen Fuß hineinzusetzen. Es ignorierend drückte er die Tür fast schon vorsichtig ganz auf. Irgendwie fühlte er sich schuldig, so einfach in das Reich seines Dannas einzudringen, doch er wollte es endlich sehen. Ganz langsam schob er sich durch den Türrahmen und ließ die Tür vorsichtshalber offen, sodass er hörte, falls sein Danna doch kam – denn die Werkstatt war leer. Das ach so geheimnisvolle Reich des großen Sasori no Danna war gar nicht so spektakulär. Es war ein relativ kleiner Raum ohne Fenster und mit niedriger Decke. Die schwere Werkbank, blank gesäubert, stand an die Wand gerückt direkt gegenüber vom Eingang, einige merkwürdig aussehende Werkzeuge hingen darüber in verschiedenen Halterungen. Rechts stand ein Schreibtisch mit dazu passendem Stuhl, die Platte des Tisches war aufgeräumt und sauber gehalten, nur ein Stapel Dokumente stapelte sich sorgsam daneben, vermutlich auch noch alphabetisch geordnet. Links im Raum befanden sich Schränke und Regale in allen Formen und Größen mit tausend Schubladen und Fächern. In der Ecke ließen sich mehrere Reagenzgläser mit merkwürdig farbigen Flüssigkeiten darin erkennen. Alles beinahe schon penetrant sauber und akkurat – eben ganz nach dem perfektionistischen Sasori. Komischerweise war es nicht stickig oder so. Es roch leicht nach Holz, Lack, Farben und Chemikalien, allerdings nicht irgendwie abstoßend oder unangenehm. Es war ein Geruch, der auch an Sasori haftete, wenn man sich in seiner Nähe aufhielt. Angenehm, aber auch exotisch. Langsam trat Deidara ein und näherte sich dem Schreibtisch. Ohne nachzudenken setzte er sich auf den Stuhl und legte beide Hände flach auf die kühle Tischplatte. Hier saß Sasori no Danna jeden Tag… Was er wohl alles hier organisierte? Diente der Raum nur zur Konzeption und Herstellung neuer Gifte und zum Bau seiner Kampfmarionetten? In dem jungen Akatsuki regte sich die Neugier und so blätterte er langsam die dort liegenden Dokumente durch. Tatsächlich alles nur chemische Formeln, biologische Tests, Werte des menschlichen Körpers und anderer wissenschaftlicher Kram. Ganz unten war ein Stapel mit abgeschlossenen Missionen. Mehr nicht. Leise seufzend sah Deidara sich um und stieß mit dem Knie gegen die Schreibtischschublade. Darauf aufmerksam geworden zog er auch diese auf und kramte ein wenig in den Unterlagen herum… bis er plötzlich auf eine Mappe stieß, die seine Neugier und Aufmerksamkeit weckten. Sorgsam zog er sie heraus. Umwandlung zur lebenden Marionette – Unterscheidung des Bauvorgangs So lautete die Überschrift. Dass der Rotschopf eine Puppe war, war dem Iwa-nin nicht fremd, allerdings hatte er sich von Anfang an gefragt, wie er das hinbekommen hatte, ohne jämmerlich und qualvoll zu sterben. Entschlossen schlug er die Mappe auf und erkannte mehrere Unterlagen zu dem Thema. Auf dem ersten Blatt waren erneut Formeln über Formeln, Vorgangsweisen verschiedener Jutsus und Auflistungen der Werkzeuge. Nichts, was Deidara verstand oder interessierte. Auf dem zweiten Blatt waren Zeichnungen abgebildet vom Aufbau des Körpers. Die Zusammensetzung seines Dannas interessierte ihn schon mehr – vielleicht konnte man das irgendwann beim Training mal gebrauchen, um ihn eins auszuwischen. Verdient hätte er es ja. Langsam blätterte er weiter und fand plötzlich eine Zeichnung seiner selbst. Auch wenn das Gesicht nur skizziert wurde, so konnte man doch die langen Haare und das Siegel über dem Herzen deutlich erkennen, es gab keinen Zweifel. Leicht schockiert fing Deidara an zu lesen, denn um die Skizze herum waren lauter Notizen zu sehen. Genaue Maße waren angegeben, auch das Gewicht des Blonden. Leicht runzelte er die Stirn – wann hatte er das denn rausgefunden…? Unter der Abbildung seines Körpers war allerdings etwas viel Beunruhigenderes abgebildet: Es war ein Puppenherz, so wie Sasori eines hatte. Doch gab es hier einen gravierenden Unterschied… Auf dem Deckel war nicht das Schriftzeichen ‚Sasori‘ , also „Skorpion“ gezeichnet, nein. Auf dem Deckel des Puppenherzens war das Zeichen für ‚tori‘ abgebildet, Vogel. 鳥 – für die freie Seele Deidaras Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)