Verrat und Bombenstimmung von Sternenruferin ================================================================================ Running Wild ------------ Ich lief nahe des Roosevelt Memorial am Rande des Potomac River. Wie fast jeden Tag um die Uhrzeit war kaum jemand zu sehen, vereinzelte Menschen, die ihre Hunde ausführten begegneten mir. In einiger Entfernung sah ich die ersten Autos auf dem West Basin Drive. Die Stadt erwachte langsam zum Leben. Ich lief weiter in den West Potomac Park, am Polofeld vorbei, als mein Schnürsenkel ein Eigenleben entwickelte. An der nächstbesten Bank blieb ich stehen, um ihn neu zu binden. Ich strich mir die feuchten, roten Haare aus dem Gesicht. Feuerlöscher-Rot hatte eines meiner Teammitglieder die Farbe genannt. Eigentlich war ich ja eher braun, aber wie das so ist bei Frauen und gescheiterten Beziehungen, war ich zum Friseur gerannt. Seitdem war ich eben Feuerlöscher-Rot. Es gefiel mir. Ich streckte mich kurz und beschloss dann, zu meinem Wagen an der 20th Street zurückzulaufen. Langsam füllte sich der Park immer mehr, Jogger, Menschen auf dem Weg zur Arbeit, frühaufstehende Touristen. Ich heftete den Blick auf den Boden unter mir und rannte los. Es war ein knapper Kilometer zu meinem Auto und ich hatte vor, von dort direkt zur Arbeit zu fahren. Doch daraus sollte nichts werden, als ich mit einem Ruck auf den Boden befördert wurde. „Verdammter Mist,“ nuschelte ich und blickte mich kurz um. Vor mir saß ziemlich verdattert ein grauhaariger Mann auf dem Boden und blickte mich böse aus blauen Augen an. ‚Na toll,‘ dacht ich. „Entschuldigung, ich habe wohl nicht aufgepasst, wo ich hingerannt bin.“ Ich grinste ihn an, doch sein Blick war immer noch auf mich gerichtet. Ohne eine Miene zu verziehen erhob er sich und reichte mir seine Hand. Mit meiner linken Hand ergriff ich die seine und ließ mir aufhelfen. Er blickte auf meinen Unterarm und grinste plötzlich schief. „Semper Fi?“ fragte er mich. „Für immer treu,“ erwiderte ich leicht lachend. Wie oft hatte ich die Frage schon gehört, was der Schriftzug auf meinem Unterarm zu bedeuten hatte. Doch meist ließ ich die Erklärung aus, dass es mehr zu bedeuten hatte, als für immer treu. „Ich weiß, was es bedeutet.“ Er schmunzelte. „Ein Marine also.“ Es war mehr eine Aussage, denn eine Frage. „Außer Dienst, seit einigen Jahren schon Zivilist.“ Ich schaute in seine Augen, schaute mir sein Gesicht an. „Kann ich Sie als Entschädigung für die Rumpelattacke auf einen Kaffee einladen?“ Gehirn einschalten, Luisa, Du kannst nicht einfach…. „Gerne. Wo?“ Huch, das hatte ich jetzt nicht erwartet. „Mein Wagen steht in der 20th. Das kleine Kaffee an der Ecke?“ „Die Touristenschleuder?“ „Um die Zeit dürfte sie noch leer sein.“ Er grinste und auch ich konnte mir ein schiefes Lachen nicht verkneifen. „Na dann los, wer zuletzt da ist, ist ein fauler Marine!“ sagte ich und hatte schon einen Vorsprung von mehreren Metern rausgeschlagen. Ich hatte gehofft, dass mich der Vorsprung retten würde, aber anscheinend hatte ich den Mann, von dem ich immer noch nicht den Namen wusste, ging es mir durch den Kopf, so ziemlich unterschätzt. Er zog gleichauf mit mir und grinste mich von der Seite an. Ich musste lachen und verlangsamte mein Tempo um nicht aus der Puste zu kommen. Das kostete mich die Führung in unserem kleinen Rennen und ich kam erst kurz nach ihm an der Straße an. Ich lief an ihm vorbei zu meinem schwarzen Chrysler Sebring und betätigte die Türöffnung. Meine Handtasche lag im Kofferraum und ich nahm nur meine Börse heraus und verschloss den Wagen wieder. „Sie sind eingeladen,“ meinte ich zu dem Mann und witzelte dann „Allerdings unter einer Bedingung.“ „Die wäre?“ Er hatte sich an die Wand nahe meinem Auto gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick streifte meinen Körper und ich verpasste ihm innerlich eine Kopfnuss. Also bitte… „Sie verraten mir Ihren Namen, den weiß ich nämlich noch nicht.“ Ich zog eine Augenbraue in die Höhe, bis mir einfiel, dass er meinen auch noch nicht wusste. „Ich heiße übrigens Luisa,“ meinte ich eröffnend. „Jethro.“ „Ausgefallener Name.“ Ich drehte mich um und ging langsam Richtung der ‚Touristenschleuder‘. Obwohl um die frühe Jahreszeit noch wenig Touristen nach Washington kamen, im Sommer war es wesentlich schlimmer, war gerade dieses Cafe sehr beliebt. Ein wunderbarer Ausblick auf den Potomac Park, Washington Monument, World War II Memorial sowie Smithsonian waren von hier aus in nur wenigen Minuten zu erreichen. Wir gingen an den Tresen und als ich Jethro fragend ansah, teilte er mir mit, was er wollte. „Kaffee, so heiß wie möglich, so stark wir möglich.“ „Milch, Zucker?“ „Gott bewahre.“ Ich konnte mir ein Lachen gerade noch verkneifen und nickte. Er schickte sich an, einen der Tische in Beschlag zu nehmen während ich unsere Bestellung aufgab und auf die Getränke wartete. Zwei heiße Pappbecher später, jonglierte ich eben diese durch das Cafe auf den Tisch mit Jethro zu. Er sprang auf und wollte mir die heißen Dinger abnehmen, doch da konnte ich sie schon auf den Tisch stellen. „Verdammt, sind die Dinger heiß.“ Wir setzten uns wieder hin und Jethro griff nach einem der Becher. „Stopp!“ entfuhr es mir, als ich sah, dass der Deckel an einer Stelle eingedrückt war. „Da ist Zucker drin, das willst Du Dir doch nicht antun?“ scherzte ich. Er zog seine Hand zurück und ergriff den anderen Becher. Heißen Kaffee schlürfend lehnte er sich zurück und blickte mich an. „Darf ich Dich was fragen, Luisa?“ „Das hast Du doch schon. Aber frag ruhig weiter,“ antwortete ich frech. „Frech bist Du also schon mal.“ „Ja, das sagt man über mich.“ Ich trank von meinem Kaffee und verbrannte mir prompt den Gaumen. Himmel Hilf, der Mann brachte mich aus dem Konzept. „Wie alt bist Du?“ Ich blickte ihn erstaunt an. So was fragt man doch eigentlich nicht. „Und du bist ziemlich direkt und unverfroren, das eine DAME zu fragen.“ Ich betonte das Wort Dame und meinte dann. „Sei froh, dass ich keine bin.“ „Also?“ „34. Zu alt für Partys, zu jung zum Sterben, wie mein Kollege mich immer so schön wissen lässt.“ Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Man ist nie zu alt für etwas.“ Ich musste ihm zustimmen und nickte nur. Wie alt er wohl war? Ende 30? Anfang 40? Plötzlich fuhr ich zusammen und schaute auf meine Uhr. „Verdammter Mist. Ich muss los zur Arbeit. Sehen wir uns wieder?“ Er nahm sich eine der Servietten und kritzelte seine Telefonnummer drauf. „Heute Abend?“ fragte er und hielt mir die Serviette hin. Ich nickte nur und stand auf. „Ich ruf Dich an, wenn ich Pause hab.“ Ich winkte ihm zu und verschwand. Als ich in meinem Wagen saß und den Motor startete musste ich grinsen. Was so ein ungewollter Zusammenstoß doch für Folgen haben kann, dachte ich, und fuhr los. Jethro faszinierte mich, fast die gesamte Fahrt zur Arbeit dachte ich über diese strahlend blauen Augen nach. Irgendetwas lag darin verborgen, und ich wollte wissen, was. Langweiliger geht kaum ---------------------- Ich parkte meinen Wagen ein und stieg aus. Vor mehr als 5 Jahren war ich beim Bomb Squad gelandet. Als wäre meine Zeit bei den Marines vorher nicht explosiv genug gewesen, hatte ich mich entschieden, mein Leben den explosiven Gefilden der Waffen zu widmen. Es gab, Gott sei Dank, nicht jeden Tag Bombendrohungen oder Entschärfungen, viel öfter hieß es, junge Soldaten auszubilden. Sei es, wie man eine Bombe entschärft, oder, und das war wenig verwunderlich, wie man eine Bombe baut. Aus den einfachsten Materialen. Die Philosophie dahinter war ganz einfach: wer weiß, wie man eine Bombe baut, der weiß auch, wie man sie wieder auseinander nimmt und dafür sorgen kann, dass sie nicht hochgeht. Im Internet kursierten einfach viel zu viele Anleitungen, so dass selbst Jugendliche mit ein bisschen Grips schon so etwas bauen konnten. Oft genug kam es vor, dass der Junge, der jahrelang gemobbt wurde, eine Bombe mit in die High School brachte. In den seltensten Fällen ging sie hoch. Dafür sorgten die insgesamt vier Teams, die hier in der Nähe des Anacostia Park ihre Räume hatten. Als ich das Gebäude betrat kam schon Steven auf mich zu. Steven Mofray, vor einem Jahr zum Team gestoßen, war ein Mann Ende 20 mit kurzen braunen Haaren und ohne Lächeln. Ich konnte nicht herausfinden, was ihm die Freude gestohlen hatte. Irgendwann hatte ich es einfach akzeptiert. „Du bist zu spät,“ meinte er tonlos. „Jaja, ich weiß. Ich spring schnell unter die Dusche, dann können wir los.“ Es war wieder einer dieser Tage, an dem wir von einer Schulung zu nächsten huschten. Soldaten, Polizisten. Ich blickte kurz auf meinen ‚Stundenplan‘. Na immerhin recht einfach. Grundlagentraining. Reine Theorie. Ich verschwand in der Umkleide und stellte mich unter die Dusche, nachdem ich meine Joggingklamotten in meinen Spind gepackt hatte. Ich brauchte nicht lange, war ich doch durch den Zusammenstoß mit Jethro und dem folgenden Kaffee schon spät dran. Schnell nahm ich mir Jeans, T-Shirt, BH und Unterhose aus meinem Spind und trocknete mich ab. Mein Chef würde zwar gerne auf etwas förmlichere Kleidung bestehen, aber damit rannte er bei mir immer gegen eine Mauer. Ging bei mir einfach nicht. Nachdem ich meine nassen Haare zu einem Zopf geflochten hatte, ging ich wieder hoch zu Steven, der schon ungeduldig mit meinen Unterlagen in seiner Hand auf mich wartete. „Der Rest des Teams hat heute Bürodienst,“ setzte er mich in Kenntnis. „Bürodienst?“ „Die liegengebliebenen Akten der letzten Wochen?“ Ach ja. Ich war wohl das schlechteste Vorbild für mein Team, was man sich wünschen konnte. Eher halbherzig fertigte ich aus den Notizen ganze Akten an, die für die Ewigkeit irgendwo eingelagert wurden. Und mein Team war kein Deut besser. Regelmäßig wurden wir deswegen verdonnert, alles aufzuarbeiten. Die restlichen Teams fanden das ganze immer sehr amüsant, ich weniger, und war deswegen froh, dass ich heute zwei Lehrgänge hatte. Mit Steven voran, gingen wir zu unserem SUV und fuhren Richtung Navy Yard. Der erste Lehrgang war für eine junge Gruppe Soldaten, Frischlinge, die noch nichts gesehen hatten. Während Steve losfuhr, schaute ich noch einmal in die Unterlagen und ging gedanklich den Lehrgang durch. Einfachste Grundlagen. Aber das dafür vier Stunden lang. Na Juchu! Einziger Sonnenstrahl: wenn alles gut ging, sah ich Jethro heute Abend wieder. Zwei andere Teams waren heute auf Rufbereitschaft. Zwar nur bis 16 Uhr, dann waren wir dran, aber ich hegte die Hoffnung, dass heute nichts, einfach nichts passieren würde. Der Morgen zog sich hin. Entweder stellte ich zu hohe Anforderungen oder die jungen Menschen wurden tatsächlich immer schwerer von Begriff. Ich schaute auf meine Uhr, viertel vor eins. Ich beendete den Lehrgang und atmete durch. Die Soldaten flüchteten regelrecht aus dem Seminarraum und ich war kurz alleine. Ich griff in meine Tasche und zog mein Handy und die Serviette heraus. Lange blickte ich auf die krakelige Schrift und meine Gedanken flogen zu den blauen Augen. Ich tippte die Nummer in mein Handy ab. Ich atmete kurz durch und schollt mich selber für mein kindisches Verhalten, dann ließ ich das Gerät wählen. Nach dem dritten Tuten meldete sich eine Stimme. „Gibbs.“ „Jetzt weiß ich auch wie Du mit Nachnamen heißt,“ meinte ich lachend. Ich konnte ein leises Lachen am anderen Ende hören. „Pause?“ „Ja, Gott sei Dank. Trockene Schulungen sind definitiv nicht mein Ding.“ „Muss aber auch sein.“ „Allerdings, und leider bin ich der Schulungsleiter, drücken ist auch nicht.“ „Kaum.“ Einsilbig, dachte ich, vermutlich auf der Arbeit. „Heute Abend?“ fragte ich. „Gerne.“ „Wo? Wann?“ „8 Uhr? Osteria Morini?“ „Das ist am Anacostia Riverwalk, neben dem Navy Yard, oder?“ „Yes, Ma’am,“ witzelte er. Na herrlich, direkt vor der Tür. „Passt perfekt.“ „Prima.“ „Bis heute Abend.“ Ich legte auf und grinste mir einen Wolf. Als ich mich umdrehte blickte ich in Steves braune Augen. „Date?“ Ich nickte und lief rot an. “Viel Spaß.” Auf dem Navy Yard gab es einen kleinen Donut-Laden, in dem Steve und ich uns schnell einen Kaffee und eine Kleinigkeit für zwischendurch holten. Zweiter Lehrgang des heutigen Tages: die örtliche Polizei. Auffrischung der Verhaltensregeln bei einem möglichen Bombenfund, Einschätzung des Gefahrenbereichs etc. Dank des gemischten Alters der Teilnehmer und der schon vorhanden Berufserfahrung, war dieser Lehrgang um einiges angenehmer. Witze wurden gerissen, Anekdoten und –dötchen erzählt. Alles in allem sehr entspannend. Und hier war der Kaffee auch besser als in der Jung-Soldaten-Baracke auf dem Yard. Es war kurz nach 17 Uhr als wir uns auf den Weg zurück machten. Ich schaute auf meine Armbanduhr und überlegte, ob ich es schaffen würde, nach Hause zu fahren oder ob ich lieber im Hauptquartier duschen sollte. Eine Bluse hatte ich noch im Spind, Make-Up in der Tasche und das Auf Brezeln überließ ich sowieso lieber anderen. Ich hatte dann immer das Gefühl, eine Maske zu tragen. Als wir auf dem Southeast Freeway in einen Stau gerieten, entschied ich mich nicht nach Hause zu fahren. Als wir fast eine Stunde später im Büro ankamen wollte ich direkt in die Umkleiden verschwinden, als die Alarmglocke zu summen begann. In dem Moment klingelte schon mein Diensttelefon. „Nolan.“ „Bombendrohung, Daten kommen auf Dein Pad.“ „Danke Chef, Abend versaut.“ Motzte ich. „Ich kann auch nix dafür, dass die Idioten sich immer die unmöglichsten Zeiten rausfischen. Und euer Team steht nun mal in der Rufbereitschaft.“ „Sind ja noch alle hier.“ „Immerhin.“ Mittlerweile hatten bei allen die Handys gepiept und 5 Leute rannten zu den Einsatzwagen. Ich zückte mein Pad aus der Tasche, drückte es Steve in die Hand und schmiss mich ans Steuer. Im zweiten Wagen saß der Rest des Teams. Mit Vollgas fuhr ich aus der Halle und schaltete das Sondersignal ein. Steve schloss das Pad an und startete die Navigation. Ich warf nur einen flüchtigen Blick drauf. Zweiter Blick ------------- Navy Yard. Da war ich doch heute Morgen schon. Während wir über die South Capitol Street rasten, drückte ich in meinem Handy die Wahlwiederholung. „Gibbs.“ Laut, motzend, genervt. „Luisa Nolan, ich muss Absagen, auf der Arbeit gab es einen Notfall.“ „Dann sind wir schon zwei. Morgen, Telefon.“ „Ja.“ Rote Taste, Handy flog wieder in die Tasche. Mittlerweile waren wir auf der Main Street. Dank des Sondersignals kamen wir durch den Feierabendverkehr gut durch und bogen Höhe der 6ten Straße in den Navy Yard ein. Als wir mit quietschenden Reifen vor dem Gebäude stehen blieben, das unser Navi uns mitteilte, sprang ich aus dem Wagen und ging auf den Eingang zu. Eine Gruppe Menschen stand dort beisammen und ein dunkelhäutiger Mann im Anzug zeigte auf uns, woraufhin sich der Grauhaarige umdrehte. Mir blieb der Mund offen stehen als ich in die blauen Augen schaute, die mich schon den ganzen Tag verfolgten. „Du?“ verdattert starrte ich ihn an. „Könnte ich auch fragen.“ Nur langsam konnte ich mich sammeln. Er war also immer noch bei der Navy, und mit einem Blick auf das Schild am Gebäude, verbesserte ich mich: NCIS, die Hauseigene Ermittlungsbehörde. „Bomb Squad, hm?“ riss er mich aus meinen Gedankengängen. „Ja. Und bevor wir jetzt das Gespräch von heute Morgen weiterführen, sollten wir uns um eure Bombe kümmern.“ „Es ist zwar nicht unsere Bombe, aber gute Idee. Das Gebäude ist bereits geräumt.“ Ich nickte und blickte dann zu Steve. Er hatte mir zwar unterwegs schon die bekannten Fakten ums Ohr gehauen, angebliche Bombe, „ich mach euch alle“, unbekannter Anrufer, Gebäude in Räumung, Regierungsgebäude, aber mehr wussten wir nicht. „Irgendwas Ungewöhnliches heute, Jethro?“ „Nicht mehr als sonst auch.“ „Ne neue Leiche? Beweismittel die heute reingekommen sind?“ „Ja, im Labor und in der Autopsie.“ „Steve, ich brauch `nen Gebäudeplan.“ „Du hast doch mich,“ meinte Jethro. „DU bleibst schön draußen, am besten ganz weit weg.“ Er blickte mich böse an. „Ich bin schneller und ausführlicher als jeder Gebäudeplan, ich komme mit rein.“ Er starrte mich an. Nein, er starrte mich in Grund und Boden. Schluck. „Verdammt, Jethro, wenn das nicht gut ausgeht….“ „Es wird gut ausgehen.“ Ich nickte. Doch innerlich verpasste ich mir eine Ohrfeige nach der nächsten. Während sich das Team ausrüstete, drückte ich Jethro wenigstens Sicherheitskleidung in die Hand. „Wenn Du schon Dein verdammtes Leben aufs Spiel setzen musst, dann wenigstens nach Vorschrift.“ Als Dank bekam ich ein Schmunzeln und pflichtbewusst zog er Hose und Jacke über seine Kleidung. Gegen kleinere Sprengladungen half die Kleidung, aber was, wenn wirklich eine Bombe in dem Gebäude war? Wenn sie hoch gehen würde, wären wir alle tot. Mein Team und ich wussten das bei jedem Auftrag, aber wir zogen hier gerade eine unschuldige Person mit rein. Bei dem Gedanken war mir nicht wohl. Mike stand mit Oliver schon am Eingang, als Steve, Jonathan, Jethro und ich dazu kamen. Jethro schaute mich fragend an. „Wir teilen uns auf, Steve und Mike, schaut euch in den Büros um, Jonathan und Oliver, Pathologie.“ Dann schaute ich zu Jethro. „Wir…“ „… nehmen die Beweisstücke im Labor,“ nickte er und erklärte kurz den Weg in die Pathologie während wir schon das Gebäude betraten. Im Umkreis von 500 Metern war alles abgesperrt und das Gebäude war menschenleer. Immerhin. „Kanal 4“ meinte ich, als wir uns aufteilten. Ich folgte stumm Jethro hinunter ins Labor. Zigaretten sind tödlich ----------------------- Das Funkgerät an meinem Gürtel knisterte leise als Jethro eine Tür öffnete und mir deutete einzutreten. Wir hatten das Labor erreicht und nur kurz nahm ich die Musik aus dem hinteren Bereich wahr. Death Metal. Interessanter Forensiker. Mein Blick schweifte über die Geräte, über Geld konnte sich der NCIS anscheinend nicht beklagen. Alle relativ neu und, was mich faszinierte, alles vorhanden. Anscheinend musste nichts an freie Labore gegeben werden. Jethro zeigte auf zwei Pappkartons auf dem Tisch vor uns. „Die Beweisstücke.“ Ich nickte und ging hinüber. Jeder von uns öffnete vorsichtiger als notwendig gewesen wäre, einen Karton und fing an die Tüten herauszunehmen. Alles, wirklich alles konnte eine Bombe sein. Selbst die Kleinsten unter ihnen konnten verheerende Folgen haben. Ich hatte mittlerweile einiges an Müll aus den Tüten geholt, gut potenzielle Beweisstücke, aber ein benutztes Taschentuch und eine kaputte Brille waren nun nicht wirklich Gefahren. Plötzlich legte Jethro eine Packung Zigaretten auf den Tisch. Ich blickte kurz zu ihm auf. „Lagen die am Tatort?“ „Ja, eine fehlt in der Packung, ansonsten ist sie noch voll.“ Er blickte mich erstaunt an. „Warum?“ Irgendwo in meinem Unterbewusstsein schrillte eine Alarmglocke. Warum konnte ich in diesem Moment noch nicht sagen, aber irgendwas war da. Ich nahm die Packung in die Hand und öffnete sie. Tatsächlich eine fehlte. Aber das Gefühl wollte nicht weggehen, daher versuchte ich einen der Glimmstengel zu greifen und zog kurz daran. Aber anstatt eine Zigarette in der Hand zu halten, fiel nur ein Filter in meine Handfläche. Ich zog eine Augenbraue hoch und versuchte es bei der nächsten. Doch wieder erhielt ich nur den Filter. Jetzt waren alle meine Sinne alarmiert. Ich blickte zu Jethro. „Wenn ich sage lauf, dann lauf!“ Er schaute in meine Augen. „Nein.“ Ich wurde ärgerlich. „Bitte diskutiere nicht mit mir, Jethro. Ich will nicht, dass Dir was passiert.“ „Ich bleibe hier.“ Langsam atmete ich ein und aus. „Sturkopf… aber auf Deine Verantwortung.“ „Sicher.“ Ich blickte mich kurz in dem Labor um und entdeckte ein Skalpell. Mit Hilfe des Skalpells schnitt ich die Zigarettenpackung auf und legte eine kleine, technische Einheit frei. Es sah aus, wie ein zu klein geratenes Funkgerät, nur das anstelle der Kanalangabe ein rotes Lämpchen leuchtete und daneben ein Timer ablief. Der Timer stand auf zwei Minuten und zählte langsam herunter. Vorsichtig legte ich immer mehr des Gerätes frei. Der Timer stand mittlerweile bei 1:40 Minute. Ich schaute kurz zu Jethro hoch. Zusammengekniffe Lippen und ein hochkonzentrierter Blick schauten mich an. Er nickte nur unmerklich, als ich meinen Blick wieder auf die Packung senkte. Unbewegt nahm ich das Funkgerät zur Hand. „Leute, ich hab den Zünder. Fehlt nur noch die Bombe.“ Ein Knistern im Kanal. „In den Büros ist nichts.“ „In der Pathologie liegt auch nur die Leiche.“ Jonathan. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Nein, Licht wäre zu gering ausgedrückt. Es war mindestens ein Kronleuchter. Bilder durchblitzen meine Erinnerung. Ein Seminar vor fast einem Jahr zum Thema Heimatschutz. Mein Vortrag über eine eingeschmuggelte Bombe durch eine Leiche. Der Sprengstoff war in der Kleidung des Toten. „Jonathan, sieh Dir die Kleidung des Toten genau an.“ Dann senkte ich den Blick wieder auf den Timer vor mir. Wenn er nach meiner Vorlage erstellt war, wusste ich genau was zu tun war. Langsam hob ich das Gerät hoch und blickte auf die Unterseite. Eine handelsübliche Batterie wie für Uhren war auf der Unterseite angebracht. Eigentlich musste ich sie nur abziehen. Aber ich hatte die Befürchtung, dass das fehlende Signal einen Totmannschalter auslösen würde. „Luisa?“ Ich blickte zu Jethro und griff dann wieder nach meinem Funkgerät. „Ja.“ „Der Sprengstoff ist in der Kleidung. Woher…“ „Nicht jetzt. Schau mal ob du irgendwo einen Sender findest, er kann auch ganz klein sein, in der Gürtelschnalle versteckt.“ Kurz hörte ich nichts und warf einen Blick auf die uns verbleibende Zeit. 1:10. „Jonathan?“ „Hier ist… da, in der Hosentasche.“ Gedanklich rief ich mir meine damaligen Ausführungen in den Kopf, den Plan den ich von der Bombe gezeichnet hatte. „Blau, gelb und grün?“ „Ja.“ „Nimm grün, aber erst wenn Jethro Dir das ok gibt.“ Ich nickte Jethro zu und gab ihm das Funkgerät. „Zähl von 5 runter.“ Er nickte und drückte auf die Sprachtaste. „Jonathan, sind Sie bereit?“ „Ja.“ „Dann los. 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – 0…“ Auf Null zog ich die Batterie ab und hoffte, dass Jonathan das Kabel zeitgleich durchgetrennt hatte. Als Sekunden später das Gebäude immer noch stand und ich keinen Knall gehört hatte schaute ich Jethro erleichtert an. Er drückte erneut auf die Sprachtaste. „Jonathan, sind Sie noch da.“ „Ja, Boss.“ Ein Schmunzeln umspielte Jethros Lippen. Meine Bombe ----------- Ich sank gegen das Regal hinter mir und ließ mich auf den Boden rutschen. Jethro schaute mich erstaunt an. „Alles klar?“ Ich schüttelte den Kopf. Dann stützte ich ihn in meine Hände. „Du hast so eine Bombe schon einmal gesehen.“ Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Ich nickte leicht und mir wurde schlecht bei den nächsten Worten. „Es ist meine Bombe.“ „Wie darf ich das jetzt verstehen?“ „Erkläre ich Dir, wenn wir die Bombe sichergestellt haben.“ Er reichte mir wieder die Hand und half mir auf. Es erinnerte mich an heute Morgen. Ich strich mir eine Strähne meines Haares hinter mein rechtes Ohr und widmete mich wieder dem Zünder. Bevor ich sämtliche Kabel durchschnitt, markierte ich die Stellen mit einem schwarzen Edding. So konnte man nachher die Stellen von den ursprünglichen Schnittkanten unterscheiden. Ich wusste, Jonathan würde in der Pathologie genau das Gleiche tun. Lange Zeit war es still um mich, Jethro ließ mich arbeiten, sagte nichts, wartete still ab, bis ich fertig und vor allem, bereit war, ihm zu sagen, was es mit der Bombe auf sich hatte. Als ich das Skalpell endgültig weglegte schaute ich ihm in die Augen. „Ich brauch einen Kaffee,“ murmelte ich und er nickte nur. Warum war es mit ihm so einfach? Als wir die Treppe hochstiegen, kam uns der Rest meines Teams entgegen. „Interessante Bombe,“ meinte Jonathan. Als jüngster im Team hatte er noch nicht so viel gesehen. Aufgeschlossen und wissbegierig wie er war, sog er jede neue Information auf und machte sie sich zu Nutzen. Eine Eigenschaft, die ich schon oftmals positiv wahrgenommen hatte. Während wir durch die Haupthalle gingen griff Jethro an seinen Gürtel und hielt sein Handy vor meine Nase. Er schaute mich fragend an und ich nickte. Telefonisch gab er seinem Chef die Entwarnung. Es war alles gut gegangen. Und doch war ich erschüttert. Jemand hatte meine Konstruktion genutzt, um einen Anschlag auf eine Bundesbehörde zu verüben. Als wir aus dem Gebäude traten holte ich tief Luft. Schnell entledigte ich mich meiner Schutzkleidung, schmiss sie in unser Fahrzeug und warf Steve die Schlüssel zu. „Schönes Wochenende euch.“ Er nickte und verstand was ich ihm sagen wollte. „Macht euch weg, ich kümmere mich um den Rest.“ Ich blickte zu Jethro, der noch mit der Hose kämpfte. Als er fertig war gingen wir gemeinsam zu dem dunkelhäutigen Mann, der am Anfang auf uns gezeigt hatte. „NCIS Direktor Leon Vance,“ stellte er sich mir vor und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie kurz und erwiderte „Luisa Nolan, Bomb Squad. Ich würde, falls gewünscht die Ermittlungen begleiten.“ Er nickte und deutete auf Jethro. „Sein Team wird die Ermittlungen übernehmen, halten Sie sich an Agent Gibbs.“ Er wandte sich um und betrat das Gebäude. „Wir holen Kaffee und dann schuldest Du mir noch eine Erklärung, Luisa.“ Blaue Augen blitzten auf. Ich schluckte und nickte dann. Wir gingen gemeinsam den gleichen Weg, zum gleichen Donut Stand, wie ich mehrere Stunden zuvor. Mir war schlecht, einfach nur schlecht. Ein guter Whiskey wäre mir jetzt wesentlich lieber gewesen, aber Kaffee musste es auch tun. Abwesend merkte ich wie mir ein Kaffeebecher unter die Nase gehalten wurde. Ich blickte dankbar auf und schlug dann den Umweg über den Riverwalk Trail ein. Ich brauchte die Bewegung und die frische Luft. Unterwegs würde ich Jethro wohl erzählen müssen, was es mit der Bombe auf sich hatte. Schweigend gingen wir einige Minuten. Als wir am Ufer des Anacostia River ankamen blickte ich kurz auf und schaute Jethro an. Dann brach ich mein Schweigen. „Vor gut einem Jahr gab es hier in Washington ein Seminar zur Terror-Vorbeugung. Während dieses Seminares hielten einige aus unserer Behörde einen Vortrag über die Bedeutung von Bomben für einen Terroranschlag. Während dieses Vortrages stellte ich ein sogenanntes Worst-Case-Szenario vor: eine Bombe, die ohne dass man es merken würde, in Behörden eingeschleust werden könnte. Tage zuvor hatte ich diese Bombe entwickelt, auf dem Papier geplant. Es war eine außergewöhnliche Bombe. Ihr Hauptbestandteil war eine Leiche. Was passiert in dieser Stadt, wenn eine Leiche gefunden wird?“ fragte ich Jethro, doch ich erwartete keine Antwort. „In 99 % der Fälle landet sie in der Pathologie der örtlichen Polizei, und die ist in den Kellerräumen der zentralen Polizeidienststelle. Wie in vielen anderen Städten auch. Aber gerade in Washington ist das ein großer Faux Pas. Denn sollte diese Bombe hochgehen, so ist mit einem Streich ein Großteil der örtlichen Sicherheitskräfte ausgeschaltet. Freie Bahn also für Terroristen.“ Ich trank von meinem Kaffee, blickte hinüber zum Anacostia Park und dann in Jethros Augen. „Ich habe diese Bombe in allen Einzelheiten erklärt, um die Gefahr einer solchen Bedrohung deutlich zu machen. Und heute hätte diese Bombe beinahe den Navy Yard gesprengt.“ Stumm gingen wir weiter. Ich hatte alles gesagt. „Es ist nicht Deine Schuld, Luisa.“ Seine Hand legte sich auf meine Schulter und er drehte mich langsam zu sich um. Ich zuckte kurz auf. „Doch… irgendwie schon.“ Er schüttelte den Kopf. „Lass uns den Täter finden. Dann beweise ich Dir, dass Du keine Schuld hast.“ Langsam gingen wir zurück zum Headquater des NCIS. Im Westen neigte sich die Sonne gen Horizont und hüllte den Yard in ein diffuses rotes Licht. Den Täter finden. Es könnte jeder sein, der Einsicht in meine Unterlagen hatte, jeder der auf dem Seminar oder einem ähnlichen war, auf dem meine Unterlagen Verwendung fanden. Doch jeder der die Unterlagen je gesehen hatte, hatte einen Eid geschworen, dieses Land, mein Land, meine Heimat, die Heimat so vieler Menschen, zu schützen. Ein Schauer durchfuhr mich. Das machte die ganze Angelegenheit nicht gerade angenehmer. Zwischenspiel: Angst -------------------- Schmerz durchzuckte mich. Ein leichtes Stöhnen entwich meinen Lippen und als ich versuchte die Augen zu öffnen, änderte dies nichts an der Umgebung. Ich stöhnte erneut und versuchte mich dann zu erinnern. Doch da war nichts. Ich erinnere mich an die Bombe, an Jethro, an den Morgen, aber die letzten Stunden lagen im Dunkeln. Ähnlich wie ich nun. Gedanklich tastete ich meinen Körper ab. Versuchte die Schmerzen zu orten. Meine Handgelenke lagen unter mir und als ich versuchte sie nach vorne zu ziehen, spürte ich die raue Oberfläche eines Seiles an ihnen. Ich musste schon lange in dieser Position liegen, denn meine Schultern schmerzten. Als ich versuchte mich zu drehen, schoss ein Schmerzsignal aus meinem Oberschenkel in meinen Cortex. Meine Synapsen feuerten ein Feuerwerk von Signalen ab. Beweg Dich nicht! Einfach liegen bleiben! Langsam atmete ich tief durch, die Schwärze um mich war undurchdringlich und tief in meiner Brust meldete sich ein Klumpen, ein Knoten aus Angst schwoll heran. Erneut atmete ich ein, schloss meine Augen und atmete aus. Dann versuchte ich mich auf andere Sinnesreize zu konzentrieren. Die Schmerzsignale zuckten wieder durch meinen Cortex und ich bemühte mich ruhig und gleichmäßig zu atmen. Langsam entspannte ich mich, die aufkommende Übelkeit hatte ich im Schach gehalten. Nun konzentrierte ich mich auf meine Umgebung. Es war still, bis auf ein leises Rauschen, wie von einem entfernten Bach und ein stetiges Tropfen. Die Luft war modrig, wie in einer tiefen Höhle, hinzu kam ein leichter Geruch nach Urin, nach faulem Fisch, nach Erbrochenem. Ein erneutes Feuerwerk meiner Synapse. Brechreiz. Übelkeit. Ekel. Durchatmen Luisa, wenn du jetzt deinen Magen entleerst, hast du ein Problem. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Nicht die Kontrolle verlieren. Wie ein Mantra betete ich es vor mir her. Es funktionierte. Die Übelkeit ließ nach, der Schmerz war erträglich. Ich konzentrierte mich wieder auf die Umgebung. Ich konnte zwar nicht sehen, aber meine anderen Sinne funktionierten einwandfrei. Ich ließ meine Sinne zu meinen Händen wandern. Was nahm ich unter mir war? Der Untergrund war hart, ich pulte mit den Fingern und stellte fest, es war Erde. War ich in einer Höhle? Wenn ja, warum? Wo war die Höhle? Wer wusste dass ich weg bin? Würde mich jemand suchen? Einatmen. Ausatmen. Nicht die Kontrolle verlieren. Die Temperatur war zwar nicht angenehm, aber ich fror nicht. Mein Gehirn schaltete einen Gang höher. Wenn niemand wusste wo ich war, würde mich auch keiner hier suchen. Logisch. Plötzlich blitzte in meinem Kopf ein Gesicht auf. Blaue Augen, graue Haare, schiefes Grinsen. Jethro. Ich durfte, wollte hier nicht elendig verrecken. Mach dir einen Plan Luisa! Punkt 1: Ich werde hier nicht verrecken. Punkt 2: Ich werde einen Weg hier raus finden. Punkt 3: Wer auch immer mich hier abgeladen hat, ich trete ihm in den Arsch. Ich nickte mir innerlich selber zu. Ein guter Plan. Jetzt musste ich ihn nur in die Tat umsetzen. Die Schmerzen in meiner Schulter und in meinem Oberschenkel, wo kamen die eigentlich her, ignorierend, drehte ich mich auf die linke Seite und begann wie eine Raupe zu robben. Ich musste zuerst einmal herausfinden, wie groß mein Gefängnis war und dabei einen eventuellen Ausgang finden. Bei jeder Bewegung schossen die Schmerzen in mein Hirn, ein Feuerwerk an Farben und Formen schoss durch meinen Kopf. Halleluja! Ich merkte wie Adrenalin meine Körper durchfuhr. Die Schmerzen wurden dumpfer, meine Sinne gespannter. Meine Nebennieren arbeiteten auf Hochtouren. Ich robbte weiter und nach wenigen Minuten erreichte ich eine Wand. Ich drehte mich einmal um mich selbst auf die rechte Seite, rutschte wieder an die Wand heran, um sie mit meinen Händen zu untersuchen. Hart, kalt, rau. Stein? Beton? Wo war ich? Mit gleichmäßigen Bewegungen trat ich den Rückweg an, um die gegenüberliegende Seite zu erreichen. Es dauerte nicht lange bis meine Füße auf ein Hindernis stießen. Wieder drehte ich mich auf die andere Seite und tastete mit meinen Händen die Wand ab. Das gleiche Material. Ich atmete tief ein. Dann versuchte ich, mich mit Hilfe meiner Hände und der Wand aufzurichten. Als ich versuchte mich auf die Beine zu stellen, knickte das Rechte ein und ich saß auf meinem Hintern. Mein Cortex feierte eine kleine Party. Keine gute Idee also. Erneut mein Mantra: nicht die Kontrolle verlieren. Meine Hände spielten in der Erde unter mir als mir eine Idee kam. Wenn ich einen Stein finden würde, der nur scharf genug war. Neuer Plan Luisa: werde die Fesseln los. Ich begann in der Erde unter mir zu wühlen, bekam Erde in die Finger, kleine Steine. Ich wurde ungeduldig. Verdammte Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße. Nicht fluchen, Luisa, weitersuchen. Eine gefühlte Ewigkeit später hatte ich einen kleinen spitzen Stein in der Hand. „JA!“ Erleichterung machte sich in mir breit, meine Nebennieren spendierten eine Extraportion Adrenalin und ich fing an mit dem Stein das Seil um meine Handgelenke zu bearbeiten. Fledermausmist -------------- Jethro hielt mir, ganz Gentleman, die Tür zum Hauptquartier auf. Wir betraten die Eingangshalle und ich musste einen kurzen Moment inne halten. Ich hatte selten ein Gebäude noch einmal betreten, nachdem die Bombe entschärft war. Eine junge Dame saß hinter dem Tresen in der Empfangshalle und ich warf einen fragenden Blick zu dem Special Agent an meiner Seite. „Es ist immer jemand hier.“ Gut, bei uns zwar auch, aber direkt am Empfang? Er führte mich zu einem Aufzug, drückte einen Knopf und schaute mich an. Ich blickte starr auf die Aufzugstüren und versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken. Ich mochte verdammt noch mal keine engen Räume. Lieber rannte ich 10 Etagen über die Treppen hoch, als einen Aufzug zu nehmen. Ein leises Schnaufen, ähnlich einem unterdrücktem Lachen, ließ mich zu Jethro herumfahren. „Du siehst aus, als wenn Dir schlecht wäre. Du bist doch nicht etwa klaustrophobisch?“ „Doch,“ gab ich kleinlaut zu. Wieder dieses leise Lachen. „Lach mich nicht aus, Jethro.“ „Tu ich nicht.“ Augenblitzen auf beiden Seiten. „Ich pass auf Dich auf.“ „Haha.“ Trocken. Mit einem *Pling* erschien der Aufzug und die Türen öffneten sich. Mit einem mulmigen Gefühl trat ich in die kleine Kabine, hinter mir Jethro. Ich schloss die Augen und versuchte mich auf andere Eindrücke zu konzentrieren. Gerüche wirkten da meist wunderbar, falls es nicht zu viele waren. Ich atmete tief ein und aus. Ich roch Kaffee, ein Männerparfüm… welches war das? ... mein eigenes Deo und einen Duft, der mich irgendwie an meine Kindheit erinnerte. Wald, es war etwas Waldähnliches. Holz? Moos? Ich war mir nicht sicher. Als ich wieder ein *Pling* hörte, atmete ich erleichtert aus. „Komm,“ leise vernahm ich Jethros Stimme. Ich nickte und folgte ihm in den Büroraum. Ein helles und offenes Großraumbüro erstreckte sich vor mir, warme, orangefarbene Wände, eine Anzahl an großen Monitoren, Schreibtische, ein paar Pflanzen. Hinten in einer Ecke konnte ich eine kleine Kaffeeecke und Küche aufblitzen sehen. Der Raum war leer, bis auf fünf Menschen in der Mitte. Und genau auf diese Menschen ging Jethro nun zu. Es schien sein Team zu sein und ich fing an, die Menschen zu mustern. Eine junge Frau, schwarze Haare, Zöpfe, Gothic-Klamotten. Sie erinnerte mich an eine Fledermaus, außer das ihr Grinsen ihr gesamtes Gesicht einnahm, was ihrer ganzen Erscheinung etwas Freundliches gab. Sie schien ungeduldig zu sein, rannte sie doch von einem Schreibtisch zum nächsten. Als ich meinen Blick weiter schweifen ließ, erblickte ich an einem Schreibtisch zwei Personen. Die Frau, lange, braune gelockte Haare, dunkle Augen, blickte ernst auf Jethro und mich. Ihr Blick war stechend. Ach herrje, gut Kirschen essen war mit der wohl nicht. Neben ihr ein Mann im Anzug, kurze Haare, markantes Gesicht. Hinter einem Monitor blickten Augen auf uns, die von einem blonden kurzen Haarschopf eingerahmt wurden. Und schlussendlich ein älterer Mann, der es sich in einem weißen Kittel gehüllt, hinter einem der Schreibtische gemütlich gemacht hatte. Ich musste innerlich grinsen, als ich diese bunt zusammengewürfelte Truppe sah. Das versprach zumindest eines: Spaß! Jethro erreichte als Erstes die Schreibtische und wartete kurz auf mich, bevor er sprach. „Luisa Nolan, mein Team.“ Ich grinste schief in die Runde, dann begann Jethro die einzelnen Personen vorzustellen. „Special Agent Ziva David, ehemalige Mossad-Verbindungsoffizierin.“ Die Frau mit dem stechenden Blick. „Special Agent Anthony DiNozzo.“ „Der Very Special Agent DiNozzo, Sie dürfen mich aber gerne Tony nennen.“ Breites Grinsen, blitzende Augen. Versuchte der etwa gerade zu flirten? Ich zog eine Augenbraue hoch und blickte ihn starr an. „Ich verzichte dankend, Agent DiNozzo,“ Betonung auf Agent. Grinsen von Agent David. War der Kerl immer so? Das konnte ja noch spannend werden. „Special Agent Timothy McGee, unser Technikspezialist.“ Der junge Mann reichte mir eine Hand über den Monitor hinweg. Jethro zeigte auf die junge Frau mit den schwarzen Haaren, doch bevor er noch etwas sagen konnte, sprang sie auf mich zu und nahm mich in die Arme. „Notorische Zwangsknuddlerin,“ klärte mich Agent McGee auf. Als die Frau mich los ließ, strahlte sie mich an und plapperte los. „Ich bin Abigail Sciuto, und Sie haben mein Labor gerettet! Und meine Jungs! Das ist so toll von Ihnen.“ Ich starrte die junge Frau vor mir an und durfte das Atmen nicht vergessen. Hilfesuchend blickte ich zu Jethro. „Unsere Forensikerin,“ klärte er mich auf und ich nickte nur. „Sie ist immer so, aber sie beißt nicht.“ „Immerhin etwas,“ sagte ich atemlos. „Nennen Sie mich Abby, Ms Nolan, ich glaube wir werden noch ein paar nette Stunden zusammen mit der Bombe verbringen, oder?“ Ich konnte wieder nur nicken, diese Frau erschlug mich. Der ältere Mann, der an einem der Schreibtische gesessen hatte, hatte sich mittlerweile erhoben und kam auf uns zu. Er streckte mir eine Hand entgegen und meinte in einer warmen Stimme „Lassen Sie sich davon nicht einkriegen Ms Nolan, ohne Abby wären wir alle nutzlos.“ Ich schüttelte seine Hand und merkte, wie ich etwas ruhiger wurde. „Ich bin der noch fehlende Gerichtsmediziner, Doktor Donald Mallard, aber hier nennen mich alle Ducky. Machen Sie das ruhig auch, meine Liebe.“ Dieser Mann strahlte Wärme aus, wäre er nicht im Team von Jethro, hätte ich ihn als Opa adoptiert. Oder so. „Wie geht’s jetzt weiter, Boss?“ DiNozzo. „Wie immer, wir finden raus, wer der Böse ist. Ihr wisst was zu tun ist.“ „Ja Boss.“ Das Team war eingespielt, was in vielen Dingen von Vorteil war. Jethro wand sich zu mir um und deutete dann auf Abby. „Ihr beiden kümmert euch um die Bombe. Ihr werdet doch miteinander klar kommen?“ „Solange sie mich nicht mit Fledermausmist bewirft…“ nuschelte ich. Sechs Augenpaare starrten mich an, und ich schlug mir die Hand vorm Mund, als mir bewusst wurde, dass ich das gerade laut gesagt hatte. Ich starrte Abby an, die plötzlich anfing zu lachen. „Der war gut.“ Sie packte mich an der Hand und zog mich hinterher zum Aufzug. Ich blickte verzweifelt zu Jethro, doch der grinste mich nur an. Wo war ich hier nur gelandet? Lektion 1: Bomben bauen leicht gemacht! --------------------------------------- Und wieder in den Aufzug. Ich schloss erneute die Augen und versuchte mich auf andere Eindrücke zu konzentrieren. „Klaustrophobie?“ „Ein wenig.“ Ich fühlte eine Hand auf meiner Schulter. „Wir sind gleich da.“ In dem Moment ertönte wieder dieses *Pling* und die Fahrstuhltüren gingen auf. Abby und ich traten aus dem Fahrstuhl und erneut schlug ich den Weg zum Labor ein, doch diesmal nicht um eine Bombe zu suchen, sondern um besagte in ihre Einzelteile zu zerlegen. Im Labor angekommen fand ich noch alles genauso vor, wie wir es verlassen hatten: die Beweisstücke lagen wild durcheinander auf einer Ecke des Tisches, an der vorderen Kante lagen dagegen fein säuberlich die Einzelteile der Funkzündung. Die Musik lief immer noch leise im Hintergrund. Abby nickte mir zu und griff dann nach einer Fernbedienung um die Musik auszuschalten. „Lass ruhig, stört mich nicht.“ Sie strahlte auf und drückte wohl wieder auf den Play-Knopf, denn nur eine Sekunde später ertönte wieder Musik. Ich hörte genauer hin. „Centhron?“ „Du kennst die Band?“ Ich nickte nur. Langsam ließ ich meinen Blick wieder durch das Labor schweifen. Anscheinend hatten wir alles hier, was wir brauchten. „Habt ihr einen Zugang zur Sprengstoffdatenbank, Abby?“ „Keinen offiziellen.“ „Wie darf ich das jetzt verstehen?“ Ich zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Also wir kommen an die Daten ran, wenn wir sie brauchen.“ Ich grinste, McGee, der Technikspezialist, schien sich wirklich gut auszukennen. „Diesmal bin ich ja dabei.“ Ich blickte kurz auf die Einzelteile des Zünders. Bevor wir jedes Teil für sich untersuchten, wollte ich sie noch einmal zusammenbauen und skizzieren, nur um sicher zu gehen. „Hast Du vielleicht einen Block und einen Stift für mich?“ „Klar,“ und damit wuselte Abby in den hinteren Teil des Labors. Ich blickte auf die Einzelteile vor mir und wieder wurde mir schlecht. In Gedanken hing ich bei meinen alten Plänen. Ich sollte die unbedingt holen. Plötzlich schoben sich ein Block und ein Bleistift in mein Sichtfeld. Geistesabwesend griff ich danach und fing dann an, die Komponenten zu sortieren. Ich zeichnete jeden einzelnen Bestandteil an die richtige Position auf dem Papier und setzte so nach und nach den Zünder wieder zusammen. Das Abby mich die ganze Zeit beobachtet hatte, merkte ich erst ziemlich zum Schluss als sie auf den Block schaute und meinte: „Ziemlich ausgefuchste Konstruktion.“ Ich war kurz davor ihr begeistert zuzustimmen, da interessante Bomben selten waren, als mir einfiel, dass ich die Bombe konstruiert hatte. Erneut blickte ich auf den Block vor mir und wünschte mir meine Original-Unterlagen herbei um sie miteinander zu vergleichen. Ich blickte Abby an. „Ich muss in mein Büro, ich brauch ein paar Unterlagen und meinen Laptop.“ Sie nickte. „Soll ich Gibbs Bescheid sagen?“ „Das wäre klasse, ich hab mein Team schon nach Hause geschickt, bin ergo ohne Auto hier.“ Sie drückte auf ein futuristisch aussehendes Gerät auf ihrem Schreibtisch. „Gibbsman, Luisa müsste ins Büro. Kann sie wer fahren?“ „Ich komme.“ Aufgelegt. Abby strahlte mich an. „Er mag Dich, Luisa.“ Ich merkte wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Er mochte mich? Mochte ich ihn denn auch? Plötzlich blitzen vor mir wieder die blauen Augen auf und ich wurde feuerrot. In dem Moment ging die Bürotür auf und ich hoffte schon erlöst zu sein, als Jethro in der Tür stand. Mein Blick huschte zu ihm und ich sah, dass er mich fragend ansah. Ich nahm den Block in die Hand und reichte ihm diesen, damit er meine Skizze sehen konnte. Immer noch fragend hing sein Blick auf der Zeichnung. „Ich will meine Unterlagen zu der Bombe haben. Die Originalunterlagen.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Abbys Gesicht war ein einziges Fragezeichen, aber ich antwortete nicht auf ihre ungestellten Fragen. „Und ich brauch meinen Laptop.“ Jethro nickte mir zu. Er schien nicht vergessen zu haben, dass ich ohne Fahrzeug hier war. „Ich fahr Dich“, damit ließ er mir den Vortritt aus dem Büro. „Ich muss noch meine Handtasche im Büro holen“, sagte ich über die Schulter und als wir am Aufzug ankamen blickte ich in seine Augen. „Muss es immer der Aufzug sein? Können wir nicht die Treppe nehmen?“ „Ich bin ein alter Mann.“ Ich grinste. „Glaub ich nicht.“ *Pling* Wieder rein in die kleine Kabine. „So schlimm ist es doch nicht.“ „Du hast keine Ahnung.“ Zusammengepresste Zähne, schwere Atmung. *Pling* Die Türen öffneten sich und ich stürzte regelrecht in die Büroräume. Mein Blick folgte Jethro, der schnell voran schritt, sich bückte und mir meine Handtasche reichte. Der einzige noch anwesende Agent war McGee. „Die Anderen folgen der Spur des Anrufs und sind zu der entsprechenden Telefonzelle gefahren.“ Warum war es nur so einfach? Wir unterhielten uns mit Blicken. Ein seltenes aber durchaus angenehmes Erlebnis. Der Weg zu Jethros Wagen war, trotz Fahrstuhl, schnell hinter uns gebracht und ich schmiss mich auf den Beifahrersitz. Die Handtasche zwischen den Füßen, nach meinen Schlüsseln wühlend, bekam ich nur am Rande mit wie er los fuhr. Lektion 2: Schlösser sind nicht sicher! --------------------------------------- Mit einem Ruck wurde ich gegen die Rückenlehne meines Sitzes gepresst, als Jethro Gas gab. „698 Howard Road SE“, informierte ich ihn, da ich nicht wusste, ob er die Adresse kannte. Er nickte und blickte dann kurz zur mir rüber. „Schnall Dich besser an“, und eine hochgezogene Augenbraue. „Meinst Du das ist notwendig?“ Als er mit über 60 mpH über die Main Street sauste und mehr als lässig im Fahrersitz saß, beschloss ich doch, mich anzuschnallen. Zwar war ich meist rasant unterwegs, aber das übertraf meine Erwartungen doch um einiges. Selbst ohne Sondersignal brauchten wir kaum länger zu unseren Räumlichkeiten, als am Nachmittag auf dem Weg hin. Jethro hielt sich nicht lange mit einparken auf, sondern hielt den Wagen direkt vor dem Eingang. Als er den Motor ausschaltete schnappte ich mir meine Schlüssel und die Sicherheitskarte und wir gingen gemeinsam auf die Tür zu. Ich zog meine Karte durch den Scanner und ein leises Summen bedeutete mir, dass die Tür offen war. Als ich Dir Tür aufgezogen hatte traten wir in die Dunkelheit des Gebäudes. In einem einsamen Büro am Ende des Ganges brannte Licht. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es kurz nach halb neun Abends war. Das zur Bereitschaft eingeteilte Team saß wohl im Aufenthaltsraum. Leise vernahm man die Geräusche des eingeschalteten Fernsehers. Auf der zweiten Tür an der rechten Seite hing ein kleines Schild mit meinem Namen und ich schob die Karte wieder durch ein Lesegerät, um kurz darauf die Türe zu öffnen und das Licht einzuschalten. Jethros Blick musterte den Raum und als seine Augen auf einem vertrockneten Benjamini hängen blieben, schmunzelte ich leicht und meinte trocken „Ich hab nun mal keinen grünen Daumen.“ An der Wand hinter meinen Schreibtisch hing die rote Flagge des USMC. Ich ging um den Schreibtisch herum und sah das Grinsen auf Jethros Lippen. Ich grinste zurück. „Semper Fi.“ Er nickte. Mit einem kleinen Schlüssel öffnete ich das Sideboard unter der Flagge und nahm einen Pappkarton heraus. Ich stellte ihn gerade auf den Schreibtisch, als ein Klopfen am Türrahmen meine Aufmerksamkeit beanspruchte. „Luisa“, es war eher eine Feststellung. „Noah, hi.“ Teamleiter eines anderen Teams. “Ihr habt Bereitschaft?” Er nickte. „Kann ich Dir irgendwie helfen?“ „Nein Danke Noah, ich brauch nur ein paar Unterlagen.“ „Und wer ist Dein Begleiter?“ Jethro drehte sich um. „Special Agent Leroy Jethro Gibbs vom Naval Criminal Investigative Service.“ Ich horchte auf. Leroy? Ein Doppelname. Hatte er mir nicht verraten. Noah nickte und verließ uns mit den Worten „Schönen Abend noch.“ Jethro schloss hinter ihm die Tür und ich verspürte einen leichten Anflug von Dankbarkeit. Mir grauste es eh schon vor der Unterhaltung mit meinem Vorgesetzten die folgen würde. Da musste ich jetzt nicht noch einen neugierigen Noah haben. Ich widmete mich wieder dem Karton vor mir und holte einen Stapel Pappschnellhefter aus ihm raus. Schnell blätterte ich diese durch, bis ich die entsprechende Akte gefunden hatte. Alle anderen legte ich wieder in den Karton. Als ich den Deckel der Akte zurückschlug überkam mich wieder diese ungute Gefühl wie schon einige Stunden zuvor und ich blickte kurz auf, nur um in besorgte blaue Augen zu schauen. „Was ist?“ „Hier stimmt was nicht.“ Ich blätterte die Akte schnell durch. Dann nahm ich wieder die restlichen Schnellhefter aus dem Karton. Jede wurde sorgfältig durchgeblättert. Mit jeder Seite wurde das unangenehme Gefühl stärker, bis es schließlich zu Bauchschmerzen wurde. „Was ist?“ Ich schaute auf und Jethros Augen spiegelten meine Panik wieder. „Der Bauplan fehlt.“ „Was?“ „Es ist alles da, alles andere, jede andere Bombe, die ich mir im Laufe meiner Karriere für eventuelle Seminare, Lehrgänge etc. ausgedacht habe, ist vollständig da. Aber ausgerechnet bei der Bombe fehlt der Bauplan.“ „Du meinst…“ „Er ist weg! Und es hat niemand außer dem Bomb Squad Zugang zu den Räumlichkeiten. Außer eben andere Behörden für Ermittlungen, aber dann werden die Schränke verschlossen.“ Ich geriet in Panik. Immer wieder von rechts nach links lief ich, während meine Gedanken rasten. Wer hatte in den letzten Wochen Zugang zu meinem Büro gehabt? „Luisa…“ „Es kann nur einer von hier gewesen sein.“ Zwei Hände auf meinen Schultern. Blaue Augen die Aufmerksamkeit wollten. „Beruhig Dich.“ „Jethro…“ „Wir finden den Täter.“ Ich nickte. Der Kloß in meinem Hals wurde immer dicker. „Pack den gesamten Karton ein und nimm ihn mit. Vielleicht finden wir ja was.“ Wieder ein nicken. Ich drehte mich um, schloss das Sideboard und verriegelte es wieder. Und da fiel es mir auf: der Schlüssel war nicht gold, er war silbern. Ich hatte keinen silbernen Schlüssel. Ich schaute auf das Schloss am Schrank. Es passte sich perfekt in die Tür ein. Es schien dorthin zu gehören. Aber ich wusste, es war falsch am Platz. Erschrocken blickte ich auf. „Das Schloss wurde ausgetauscht.“ Mit wenigen Schritten war Jethro bei mir. „Bist Du Dir sicher?“ Ich nickte. Seit 5 Jahren war dieses Büro mein zweites Zuhause und das Schloss war immer golden gewesen. Jetzt war es silber. Er nickte. „Nimm Deinen Laptop, ich nehme die Akten, und dann zurück zum Navy Yard.“ Ich hängte mir die Laptoptasche um und folgte Jethro, der den Karton trug hinaus auf den Flur. Bitte, bitte lass jetzt niemanden vorbeikommen, ich wollte keinem erklären müssen, was los war. Das Glück war mir hold, wir begegnetem Keinem, bis wir beim Wagen ankamen. Der Karton landete schnell im Kofferraum, mein Laptop gleich daneben. Schnell sank ich auf den Beifahrersitz und grübelte die Fahrt vor mich hin. Wer hatte das Schloss ausgetauscht? Wer hatte meine Pläne und wer hatte die Bombe gelegt? Aber eine Frage beschäftigte mich am meisten: warum hatten wir eine Bombenwarnung reinbekommen? Hatte sich der Täter um entschieden? Und wenn ja, warum? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)