Die Dunkelheit in dir von Dankness-is-all (Götter der Erde) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Dunkelheit herrschte um sie herum. Stumme, undurchdringliche Dunkelheit, die sie umfing. Gedanken, die immer im Kreis tanzten, die sich in der Finsternis verloren. Immer wieder wanderten ihre Augen hin und her, unfähig etwas zu erkennen, jemanden zu erfassen. Hier war nur sie, alleine und in Stille. Hier war nur sie, niemand, der sie verletzen konnte. Niemand, der ihr zu nah kommen konnte. Niemand, der ihr Geheimnis erfahren konnte. Nur sie war hier in der Dunkelheit, in dieser Stille. Denn hier kannte sie sich selbst. Hier konnte sie sein, wer sie war. Nur sie alleine. In der Dunkelheit, die sie immer umgab. Alaska riss die Augen auf und starrte die Decke an. Das schmutzige Weiß war stumpf und langweilig wie immer. Ihre Lippen formten Worte, welche sich jedoch nicht in Töne fassten. Ihre grünen Augen wanderten von der Decke zur Tür, als die Klinke sich langsam senkte. Ihre Mutter trat ein, eine dampfende Tasse in der Hand und unter ihrem Arm ein Buch. Es war das Buch, welches Alaska vor wenigen Stunden noch schreiend in die Ecke geworfen hatte. Es tat ihr jetzt schon leid. „Darf ich rein kommen?“, fragte ihre Mutter leise und Alaska nickte, setzte sich auf und schlug die Decke ein Stück zurück, damit ihre Mutter mit hinunter schlüpfen konnte. Wortlos drückte diese ihr die Tasse in die Hand, welche Alaskas kalte Finger wärmte. „Danke.“, murmelte sie leise und sah in die grüne Flüssigkeit, welche ihr Gesicht ungewöhnlich verzerrt wiedergab. „Geht es dir jetzt wieder gut?“ Sie nickte auf die Frage ihrer Mutter hin und nahm einen Schluck Tee, dann lehnte sie den Kopf an ihre Schulter und schwieg wieder. „Dein Dad und ich gehen noch einmal einkaufen, ja? Wenn etwas ist, ruf an.“, lächelte sie und verließ wieder das Zimmer. Eine Träne rollte über Alaskas Wangen, dann schloss sie die Augen und versank wieder in Dunkelheit. John und Emily Page starben noch am selben Tag bei einem Autounfall. Sie hinterließen eine fünfzehnjährige Tochter mit Namen Alaska und eine Trauer, die wohl nie enden würde. Kapitel 2: Schnee und Wind -------------------------- Der erste Schnee war bereits gefallen und Japan versteckte sich unter einer dicken Decke aus weiß. Alaskas Blick hing träumerisch an den kalten Flocken, die wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen und die Welt in etwas so viel Schöneres veränderten. Es war wie ein Zauber, fand sie. Ein Zauber, der von den Göttern kam. Ein Lächeln schlich sich über ihre Lippen, verschwand jedoch sofort wieder, als die laute Stimme ihrer Lehrerin die Luft zu durchschneiden schien. "Miss Page, ich denke nicht, dass das Wetter außerhalb dieses Zimmer interessanter ist, als die Geometrie innerhalb dieses Zimmers.“ Alaska wurde leicht rot und wandte sich wieder der Tafel zu, während Nuriko in der hintersten Reihe leise zu lachen begann. Nun huschte auch ein Schmunzeln über ihre Lippen und sie zwinkerte dem Rothaarigen kurz zu, dann wurde sie auch schon wieder von einem Ellbogen in der Seite getroffen. „Du sollst aufpassen.“, zischte Ryo leise und schon flog sein Stift wieder über das Papier, hinterließ krakelige Linien, die wohl ein Dreieck darstellen sollten. Noch einmal kurz warf Alaska einen Blick aus dem Fenster, sehnsüchtig, dann lenkte sie ihre volle Aufmerksamkeit auf den Unterricht. Ok, vielleicht auch nur die halbe. Die Doppelstunde Mathe und die darauffolgende Stunde Englisch vergingen ihrer Meinung nach viel zu langsam und als es endlich zum Schulschluss dieses Tages läutete, sprang sie regelrecht von ihrem Stuhl. Draußen schien noch immer die Sonne, auch wenn der Schnee aufgehört hatte vom Himmel zu fallen, den Boden bedeckte er noch immer Zentimeter dick. Alaska grinste und sah Ryo mit funkelnden Augen an, der daraufhin nur seufzte. „Bedeutet das jetzt Schneeballschlacht, oder was?“, fragte er genervt und die Braunhaarige nickte lachend. Nuriko kam zu ihnen gelaufen und strich sich den Rock glatt, dann grinste er den Yamanaka breit an. „Was hast du denn gedacht?“, lachte er und Ryo verdrehte die Augen, musste jedoch auch ein wenig schmunzeln. „Mr. Higurashi, ich würde gerne noch einmal unter vier Augen mit ihnen sprechen.“, unterbrach die Stimme des Englisch Lehrers die drei Freunde und Nuriko verzog kurz das Gesicht, dann huschte er nach vorne. Seine beiden Freunde warteten vor der Tür des Klassenzimmers, unterhielten sich leise über das kommende Schulfest. Sie wussten beide nicht so recht, was sie dort eigentlich machen sollten, doch bei Verweigerung gab es einen Akteneintrag und das konnten sich beide nicht leisten. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, da gesellte sich auch der Rothaarige wieder zu ihnen, hatte noch immer sein breites Grinsen im Gesicht. „Und worum ging es?“, fragte Alaska neugierig und Nuriko verzog das Gesicht. „Er hat mich darauf hingewiesen, dass meine Noten mündlich, wie auch schriftlich nicht ausreichen werden um dieses Schuljahr zu schaffen.“, murmelte er leicht niedergeschlagen und Ryo seufzte, verfluchte sich bereits jetzt für den Vorschlag, den er äußern wollte. „Wir könnten ja ab jetzt immer…“ Er räusperte sich und wurde von einem gelben und einem roten Augen neugierig gemustert. „Ich lern’ ab jetzt mit dir.“, sagte er dann direkt heraus und Nuriko begann zu strahlen, dann grinste er seinen Freund wieder breit an. „Danke!“ „So und jetzt ab in den Schnee! Ich will euch endlich fertig machen.“, unterbrach Alaska ihre Freunde und stürmte bereits den Gang hinunter, woraufhin ihr die beiden anderen wohl oder übel folgen mussten. Die Braunhaarige warf sich geradezu den Mantel über, zog Mütze, Schal und Handschuhe an, dann wandte sie sich zu ihren Freunden, die in diesem Moment zu sprechen begannen. „Was ist das?“, fragte Ryo fast schon entsetzt, als er Nurikos Jacke musterte, die wohl eher als Strickjacke zu bezeichnen war. Mütze oder Schal besaß er auch nicht. „Das nennt sich Jacke.“, grinste Nuriko schräg und Ryo verdrehte nur die Augen, entledigte sich seines eigenen Mantels und hielt ihn dem Rothaarigen vor die Nase. „Hier, mit dem Ding da erfrierst du noch.“, murmelte er und zog sich selbst nur eine dicke Fließjacke über. „Aber dann frierst du doch.“ Ryo zerschlug den Protest, indem er eine Hand hob und Nuriko die Jacke über die schultern warf. „Ich habe die innere Wärme. Du nicht.“, grummelte er und Alaska musste lächeln. Ryo hatte sich bereits an dem Tag, wo sie sich kennen gelernt hatten über Nuriko aufgeregt. Darüber, dass er so klein, aufgedreht und mädchenhaft war. Dass er die Mädchenuniform trug und sein Grinsen quasi nie verschwand. Alaska hatte über diese Wut nur lachen können. Auch jetzt fiel ihr auf, dass Ryo mit dem Rothaarigen überfordert war, mit seiner Art und seinem Wesen. Damit, dass er seiner Schwester ähnlicher war, als einem normalen jungen ihres Alters. Doch was bitte bedeutete schon normal? Dass man sich langweilig benahm und nur langweilige Kleidung trug? Ja ganz sicher. Und so waren sie nun einmal nicht und genau das gefiel ihr. Sie waren einzigartig, jeder auf seine Weise und Ryo würde sich wohl oder übel daran gewöhnen müssen, dass Nuriko ein anspruchsvoller Freund war, den man eben nicht wie den besten Kumpel behandeln konnte. Auch Alaska war eigen, genau wie Ryo und das machte ihren kleinen Freundeskreis aus. Nun schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen, als sie sah, wie Ryo Nuriko seinen Mantel überließ. Es war das erste Mal, dass er keine blöden Kommentare über dessen Gestalt oder Wesen machte, es war das erste Mal, dass er so etwas wie Interesse an dem anderen zeigte und das schien auf Nuriko zu erfreuen, denn er strahlte übers ganze Gesicht. „Und jetzt.“, grinste Alaska, hob das Haupt und grinste noch breiter. „Auf in die Schlacht!“ Sie wirbelte herum, rannte aus dem Gebäude, dicht gefolgt von Ryo und Nuriko, packte sich eine Hand voll Schnee und versuchte mit dem Ball einen ihrer Freunde zu treffen. Ohne Erfolg, sie wusste schon warum die Lehrer in Sport sie nicht leiden konnten. Ryo bückte sich ebenfalls, bekam jedoch eine Ladung des kalten Pulvers in den Nacken, bevor er seine Hände auch nur im Schnee versenken konnte. „Oje, hätte nicht gedacht, dass ich treffe!“, lachte Nuriko aus einigen Metern Entfernung und duckte sich sogleich hinter ein parkendes Auto, als ein großer, weißer Ball auf seinen Kopf zugeflogen kam. Alaska lachte laut auf, als sie Ryos nasses und rotes Gesicht sehen konnte, musste jedoch im nächsten Wimpernschlag einer Ladung Schnee ausweichen. „Nuriko? Frieden? Alle auf Ryo?“, rief sie und bekam ein lautes Lachen als Antwort, dann flog auch schon ein Schneeball auf den Schwarzhaarigen zu. Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, da lagen sie bereits schwer atmend nebeneinander im Schnee und starrten in den blauen Himmel hinauf. Vor Alaskas Mund bildeten sich weiße Wolken und auch die Kälte zog langsam in ihren Körper ein, doch sie ignorierte es. Zu schön war dieser Moment, als dass sie ihn zerstören wollte. Sie lächelte und griff nach den Händen ihrer Freunde, die zu ihren beiden Seiten lagen. Etwas überrascht wollte sich Ryo erst ihr entziehen, doch das ließ die Braunhaarige nicht zu. „Ich wollte ich nur sagen, dass es wirklich wundervoll ist, euch als Freunde zu haben.“, sagte sie leise und Nuriko drehte sich zu ihr auf die Seite, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und zwinkerte Ryo kurz zu. „Kann ich nur zurückgeben.“ Der Schwarzhaarige grummelte so etwas in der Art, was jedoch keiner seiner beiden Freunde verstehen konnte. „Wir sollten uns langsam auf den Weg nach Hause machen, es wird doch ziemlich kalt.“, sagte Ryo nach einer Weile und erhob sich als Erster, dann folgten auch Alaska und Nuriko. Letzterer zog sich den Mantel aus und hielt ihn dem Schwarzhaarigen vor die Brust, der jedoch nur den Kopf schüttelte. „Behalt ihn, ich hab noch jede Menge davon.“ Nuriko lächelte dankbar und schlang sich das viel zu große Kleidungsstück wieder um die Schultern, dann sammelten sie ihre Taschen ein und machten sich langsam auf den Heimweg, der aufgrund diverser folgender Schneeballschlachten doch länger dauerte als erwartet. Die Feder versenkte sich tief in der grünen Tinte, saugte etwas der Flüssigkeit auf und wurde schließlich auf das Blatt aufgesetzt. Einen Moment noch bildete sich ein dicker Fleck, dann begann der Mann die Feder zu schwingen und Buchstaben und Wörter bildeten sich auf dem Papier. Es waren schöne Buchstaben, geschwungen und verziert, gut leserlich. Die Tinte verlief kein einziges Mal und auch verrutschte der Mann nicht in der Zeile, so dass alles wie gedruckt wirkte. "Sehr geehrter Mr. Yamanaka." Begann er, überlegte einen Moment seine weiteren Worte, dann tunkte er die Feder erneut in Tinte und schrieb weiter. "Götter im Himmel oder auf der Erde, wo auch immer sie sein mögen, manches Mal sind sie näher, als der Mensch erwartet. Wind kommt auf, fegt über das Land und nimmt bekanntest mit sich, deckt Geschichten auf, die längst unter der Gegenwart verborgen liegen. Und Schnee wird vergangenes Aufweichen und wieder an die Oberfläche spülen. Götter wie Menschen sollten ihre Grenzen kennen, doch überschreiten sie diese, so bin ich zu Stelle um ihnen Einhalt zu gebieten. Überlegen sie sich ihre nächsten Schritte gut Mr. Yamanaka, denn eine Gottheit ist nicht zu unterschätzen, geschweige denn zwei. Überlegen sie sich gut, wie ihre Entscheidung ist, denn die Vergangenheit schläft nie. Gezeichnet, Hanta." Mit einem Lächeln legte er die Schreibfeder bei Seite, faltete das Papier ordentlich einmal in der Mitte und verstaute es in der Innentasche seines Anzugs. Dann erhob er sich und verließ das Haus. Schnee und Wind empfingen ihn, genau wie er es vermutet hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)