Das kalte Gericht von misspe ================================================================================ Kapitel 1: Der Knall -------------------- Als der schwarze Bentley die Einfahrt hinauf fuhr, der Schnee dumpf unter dem Gewicht der Räder knackte, blinzelte Will Graham und spürte zum ersten Mal die Kälte, die lähmend durch seine Glieder kroch. Er hatte Dr. Lecter nicht so früh erwartet, andererseits konnte er sich schon seit langem nicht mehr auf sein Zeitgefühl verlassen. So war die Sonne bereits im Begriff unterzugehen, ohne dass er bemerkt hatte, wie dunkel es geworden war. Er kniete auf dem Boden mit der Spitzhacke auf dem Schoß und starrte in das Loch, das er gegraben hatte. Es war jetzt tief genug. Seine Finger konnte er kaum bewegen. Geschwollen und aufgesprungen umklammerten sie krampfhaft den Griff des Werkzeugs. Er trug keine Handschuhe, die hatte er vergessen. Sein Mantel lag neben ihm. Er hatte ihn ausgezogen als er ins schwitzen gekommen war. Es hatte enorm viel Kraft erfordert, den gefrorenen Boden aufzureißen, eine Anstrengung, für die sich sein Körper in den kommenden Tagen mit Schmerzen erkenntlich zeigen würde, besonders in seinem rechten Arm und der Schulter. Hannibal Lecter bewegte sich geräuschlos durch den Schnee. Erst als sich ein ohne Zweifel teures Paar italienischer Schuhe in sein Blickfeld schob, blinzelte er und hob den Kopf. „Hallo Dr. Lecter.“ „Will.“ Es fing an zu schneien. Schneeflocken landeten auf Hannibals Schultern und in seinem streng zurück gekämmten Haar, bestäubten ihn wie Puderzucker. Seine Stirn war gerunzelt, er bedachte Will mit einem Blick, der seine ungefilterte Missbilligung ausdrückte. Hannibal ging in die Hocke und legte Will die Hand auf die Stirn. Die plötzliche Wärme auf seiner Haut schickte Will einen Schauer über den Rücken, der sich in heißen Strömen in seinem Magen sammelte und ihn erschauern ließ. Hannibals Blick verfinsterte sich. Seine Hand wanderte über Wills Wange, fuhr leicht mit dem Daumen die Linien unter seinem Auge nach. Nicht unangenehm, nicht klinisch wie eine Arztuntersuchung. Beinahe fürsorglich. „Fieber“, sagte Hannibal, die Stimme gesenkt, als würde er zu sich selbst sprechen. Sein Atem kondensierte und vermischte sich dabei in wirbelnden Spiralen mit dem Atem von Will. Er konnte Hannibals kostspieliges Aftershave riechen. „Ich muss darauf bestehen, dass du dich umgehend ins Haus begibst, bevor sich dein Zustand verschlimmert.“ „N-nein.“ Will schüttelte den Kopf. Er blickte zur Seite, dort lag eine blaue Decke, die bereits halb eingeschneit war. Er hatte Winstons Körper darin eingewickelt so gut er konnte, doch nun bemerkte er, dass seine Rute frei lag, sowie ein Teil seines Hinterlaufs. Das braune Fell stumpf und nass vom Schnee. Oder Blut. Hannibal folgte seinem Blick und nickte. „Ich kümmere mich darum.“ Er griff Will unter die Schultern und zog ihn mühelos auf die Beine, aber ohne Hilfe konnte er nicht stehen. Ein stechender Schmerz schoss in seine Beine, als er mit seinen Füßen auftrat, die Knie drohten unter ihm einzubrechen. Seine Zehen waren taub. Er stöhnte vor Schmerzen. Wie lange hatte er auf dem kalten Boden gekniet? Ihm wurde schwindelig, einen Augenblick lang drehte sich die Welt, er musste sich an Hannibals Schultern festkrallen, damit er nicht umkippte. Die Stirn gegen Hannibals Brustkorb gepresst, zischte er seine Schmerzen hinaus. Es war ihm unangenehm, sich helfen lassen zu müssen, doch er war zu erschöpft, um zu protestieren. Er ließ sich von Hannibal in sein Haus führen.Der Rest des Rudels begrüßte sie mit kalten Schnauzen und freudiger Erwartung. Noch bemerken sie nicht, dass ein Mitglied fehlt, dachte Will. Und wenn sie es doch taten, ließen sie sich nichts davon anmerken. Wahrscheinlich hatten sie Hunger. Er hatte noch keine Zeit gehabt, sie zu füttern. Innen war es warm, beinahe heiß. Der krasse Kontrast zur stundenlangen nassen Kälte und dem plötzlichen Wechsel in ein gefühlt wüstenähnliches Klima, ließ Wills Wangen und Ohren glühen. Seine Brille beschlug sofort, sodass er nichts mehr sehen konnte. Er schob sie hoch auf seinen Kopf, wischte sich mit einer abwesenden Bewegung über die Augen. Hannibal setzte ihn auf die Couch, legte ihm eine Decke über die Schultern, ging in die Küche und kam nach einigen Minuten mit einem Tee zurück, den Will mit zitternden Fingern entgegen nahm. Dann zog Hannibal sich einen Stuhl heran, setzte sich gegenüber von Will, überschlug die Beine und faltete die Hände in seinem Schoß. Lange sagte niemand etwas. Will starrte in seinen Tee. Die Hunde winselten. Er war kurz davor die Tiere anzuschreien. Stattdessen nahm er einen Schluck von seiner Tasse. „Das schmeckt gut.“ „Ich habe etwas Honig gefunden in der Speisekammer“, sagte Hannibal. „Ich wusste nicht, dass ich noch welchen habe.“ „Aufgrund der intensiven Farbe und der bereits vorangeschrittenen Kristallisation nehme ich an, dass der Honig bereits mehrere Monate alt ist.“ Will setzte die Tasse ab und sah Dr. Lecter mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Es liegt in der Verantwortung des Imkers das Haltbarkeitsdatum zu bestimmen. In der Regel beträgt es ab dem Zeitpunkt des Abfüllens bis zu 2 Jahre. Bei trockener und kühler Lagerung, zusätzlich möglichst vor Licht geschützt, ist er deutlich länger haltbar.“ Will schmunzelte. „Gut zu wissen, dass ich mir keine Lebensmittelvergiftung holen werde.“ „Nicht unter meiner Aufsicht.“ Die Wärme, die sich in Wills Magen ausbreitete und sich auch auf seinem Gesicht verteilte, schrieb er dem Tee zu. Erschöpfung legte sich wie ein Mantel aus Blei auf seine Knochen. Seine Schläfen pochten. Er spürte Hannibals durchdringenden Blick, der gewichtig auf ihm lastete, die kontrollierte Zurückhaltung, die sich nur minimal durch eine kleine Falte in seiner Stirnmitte äußerte, die so schnell wieder verschwand wie sie aufgetaucht war. So lang wie die Dauer eines Wimpernschlags, bevor die Maske wieder nachjustiert wurde. Will bekämpfte erfolgreich den Impuls, ihm den Rest seines bereits abkühlenden Heißgetränks in den Schoß zu kippen, nur um eine Reaktion zu provozieren, die über eine hochgezogene Augenbraue hinausging. Der Gedanke war verlockend, aber er wusste, dass es mehr brauchte, als einen verschütteten Tee, um die Fassade zum bröckeln zu bringen. Will lehnte sich in seiner Couch zurück und zog die Decke unter seinem Hals zusammen. Jetzt kam der Teil, der ein besonderes Maß an Feinfühligkeit erforderte. „Wie kommt’s, dass Sie mich in meiner Abgeschiedenheit besuchen, Dr. Lecter?“ Hannibal neigte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn prüfend an. Er forschte in Wills Augen, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, bevor er schließlich sagte: „Ich erhielt 3 Anrufe in Abwesenheit. Während meiner Sitzungen schalte ich das Telefon aus, um meine Patienten nicht unnötig während der Therapie zu stören. Aus diesem Grund bemerkte ich die gescheiterten Versuche, mich zu kontaktieren, leider erst wesentlich später.“ „Ich habe angerufen“, sagte Will und legte mildes Erstaunen in seine Stimme. Nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade genug. „Ja.“ Will kaute auf seiner Unterlippe. „Wieso sollte ich das tun?“ Hannibal starrte auf seinen Mund, ein flüchtiger Augenblick, der so schnell vorbei war, dass Will sich fragte, ob er es sich eingebildet hatte. „Möglicherweise möchtest du meine Hilfe in Anspruch nehmen?“ Will dachte darüber nach. „Du erinnerst dich nicht.“ Will schüttelte langsam den Kopf. „Wie fühlst du dich dabei?“ Mächtig. Vielleicht war es die Tonlage seiner Stimme, vielleicht hatte sich etwas in seinem Gesicht verändert, aber Will wusste, dass Hannibal wusste, dass er log. Und Hannibal wusste, dass Will wusste, dass er es wusste. Doch selbst wenn Hannibal ihn durchschaute, war seine Neugier bei weitem größer als seine Vorsicht, zumindest wenn es um Will Graham ging. Ein erhebendes Gefühl. Erhebender als er es sich jemals eingestehen würde. „Ich bin wütend.“ „Wütend, weil du mich angerufen hast, oder wütend, weil du dich nicht daran erinnern kannst?“ „Weder noch.“ Will atmete flach aus, in zitternden Schüben, schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sagte er: „Ich bin wütend auf den Mann, der meinen Hund getötet hat.“ Dr. Lecter sagte nichts, doch sein Blick war abwartend, geduldig. Er saß auf Wills 20 Jahre alten Holzstuhl, von dem weißer Lack abblätterte, mit so viel Würde wie ein König auf einem goldenen Thron. Einen Augenblick lang flackerte das Licht, wurde von Dunkelheit verschluckt und Will konnte nichts weiter hören, als das Rauschen von Blut in seinen Ohren, den eigenen, stetigen Herzschlag und er sah, wie 9 Köpfe an langen, schwarzen Hälsen aus Hannibals Schultern wuchsen, allesamt gekrönt mit einem Hirschgeweih. Er blinzelte und das Bild verschwand. „Ich bin wütend", sagte Will. "Ich bin wütend auf mich selbst.“ Hannibal nickte kaum merklich, nicht zustimmend, sondern aufmunternd und Will konnte seine Zufriedenheit spüren. Sie traf ihn wie eine warme Welle, strömte durch seinen Körper bis in seine Fingerspitzen, ein Prickeln hinterlassend, ein Schaudern auslösend. „Wütend, dass ich die Gelegenheit verpasst habe, ihn umzubringen.“ Als der Gedanke ausgesprochen war, bildete sich ein sanftes Lächeln auf Hannibals Gesicht. „Gut.“ **** Unter der heißen Dusche tauten Wills gefrorene Glieder mit einem Kribbeln wieder auf. Gegen die Kopfschmerzen nahm er eine Handvoll Advil. Nur mit einem Handtuch bekleidet fiel er ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Hannibal war draußen und begrub Winston. Will konnte ihn schaufeln hören. Irgendwann schlief er ein. Er träumte von Dunkelheit, einem Schneesturm, dem Quietschen von Autoreifen und einem lauten Knall. Er sah Winston am Straßenrand liegen, die Hüfte verdreht, die Schnauze deformiert, der Schädel aufgeplatzt. Knochensplitter und blutverklebte Gehirnmasse auf dem Asphalt. Trübe Augen, die ihn vorwurfsvoll anstarrten. In seinem Traum hatte Winston eine leise Stimme, die dunkel in seinen Ohren vibrierte. Warum hast du das zugelassen? Sie war gespickt mit einem trägen Akzent, der aus Osteuropa stammen könnte. Will. Will erwachte mit einem Zittern, das seinen gesamten Körper erschütterte. Er öffnete die Augen, stöhnte. Hannibal saß an seinem Bett und streichelte ihm schweißverklebte Locken aus der Stirn, bevor er ein feuchtes, kühlendes Tuch darauf legte. Seine Mundhöhle war trocken, er hustete. „Das Fieber ist schlimmer geworden“, sagte Hannibal. Seine Finger schoben sich in Wills Nacken, stützten seinen Kopf. Mit der anderen Hand führte er Will ein Glas Wasser an die Lippen. Will trank einen Schluck, doch die Hälfte davon lief ihm wieder aus dem Mundwinkel. Dr. Lecter zog ein seidenes Taschentuch aus der Innenseite seines Mantels, tupfte ihm mit ungerührter Gelassenheit das Kinn trocken, den Hals, das Schlüsselbein. Dort blieb Hannibals Blick hängen, nicht lange, nur ein Moment, eine Sekunde, ein Herzschlag lang, aber lang genug, dass Will es bemerkte und sich in diesem Moment bewusst wurde, dass er nackt war, die Decke im Schlaf gefährlich weit Richtung Süden gewandert ist. Er zog sie nicht wieder hoch. Dr. Lecter reichte ihm einen Stapel zusammengelegter Kleidung. Will sah, dass er ihm ein T-Shirt und eine Jogginghose rausgesucht hatte. „Ich verstehe, dass es im Moment unangenehm ist, Kleidung zu tragen, Will, aber dein Wärmeverlust muss begrenzt werden, du hast bereits Schüttelfrost.“ Will nickte abwesend, legte die Kleidung aber zur Seite. „Wie lange habe ich geschlafen?“ „Drei Stunden.“ „Drei Stunden“, wiederholte Will. „Die Hunde- “ „Ich habe die Tiere versorgt und war mit ihnen spazieren.“ „Wirklich?“ Hannibal nickte. Ein schiefes Grinsen schlich sich auf Wills Gesicht. „In der Dunkelheit kann man sich leicht verlaufen, besonders hier oben in den Wäldern.“ „Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich mich auch in der Dunkelheit auf meinen Orientierungssinn verlassen kann. Und in diesem Fall kannten meine Begleiter den Weg sehr gut. Sie haben mich geführt.“ „Das kann ich mir vorstellen.“ Stille breitete sich aus. Will starrte an die Decke. „Will“, sagte Hannibal und seine Finger schoben sich unter Wills stoppeliges Kinn, drehten den Kopf mit sanftem Druck, bis sich ihre Blicke trafen. „Erzähl mir, was passiert ist.“ „Es ging so schnell.“ *** Er konnte es hören, das Kreischen der Räder, der Knall, der eigentlich laut genug gewesen sein müsste, um Winstons schmerzverzerrtes Winseln zu übertönen, es aber nicht war. Panik ergriff Besitz von ihm. Er lief auf die Straße, auf das Auto zu. Sedan rotbraun kaputtes Rücklicht Wills alte Cop-Instinkte übernahmen die Abspeicherung aller Details. Der Fahrer setzte schon den Wagen zurück, er hatte nicht die Absicht, auszusteigen. Will schrie, schlug mit beiden Händen auf die Motorhaube ein, doch der Wagen fuhr mit quietschenden Reifen davon und beinahe wurde er dabei selbst überfahren. Will rannte dem Sedan nach, möglicherweise schrie er dabei noch, aber er konnte sich selbst nicht mehr hören. Da war nur ein Klingeln in seinen Ohren und immer wieder der Knall, das Geräusch von knackenden Knochen, Winstons schmerzverzerrtes Heulen, ein hoher, abgehackter Laut, eine grausame Dauerschleife in seinem Kopf. Wahrscheinlich hätte er den Fahrer einholen können, wenn er umgekehrt und sich in sein Auto gesetzt hätte, stattdessen kehrte er zu Winston zurück, eine irrationale Hoffnung in seinem Herzen tragend. Obwohl er es besser wusste. Obwohl er wusste, dass Winstons Schädel vom Aufprall gegen das Fahrzeug zertrümmert worden war. Obwohl er wusste, dass Winston bereits tot war, bevor er das erste Mal auf den Asphalt geschlagen war. Und das schlimmste an seinem Anblick war nicht der zertrümmerte Körper, nicht das viele Blut oder die Knochensplitter, es waren die Augen, blutunterlaufen und glanzlos, eine stumme Frage stellend. Warum hast du das zugelassen? Das Pendel schwang, die Welt wurde dunkel. Sein Herzschlag war ein dumpfes Dröhnen in seinem Kopf. BU-BUMM BU-BUMM BU-BUMM Er sah das Auto in aller Deutlichkeit. Sedan rotbraun defektes Rücklicht BU-BUMM Will sah durch die Windschutzscheibe, doch das Gesicht des Fahrers lag in Schatten. Getönte Pilotenbrille blaue Basecap Aber das alles hatte sich längst eingebrannt, er würde es wiedererkennen. Die wichtige Information, nach der er wirklich suchte, war eine ganz andere. BU-BUMM Das Nummernschild. 5CG 449, Virginia *** „Ich kenne sein Nummernschild. Die Zahlen sind in meinem Kopf“, sagte Will und seine Augen verdunkelten sich, ein stahlblauer Ozean, aufgewühlt und zornig. „Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie vor mir, eingebrannt in meiner Netzhaut, ein Echo, das nicht abklingen will.“ Hannibal äußerte sich nicht weiter dazu, aber Will wusste, dass es in seinem Inneren arbeitete. Die Hand hielt immer noch sein Gesicht, streichelte mit dem Daumen abwesend über seine Bartstoppel und Will ließ es geschehen. Er beobachtete, wie Hannibal ihn beobachtete, die Augen zu Schlitzen verengt, im halbdunkel rötlich schimmernd. „Wir reden morgen weiter darüber“, sagte Hannibal schließlich leise. Er stand auf und klopfte sich die Falten aus der Hose. „Bis das Fieber gesunken ist, solltest du dich schonen und viel Flüssigkeit zu dir nehmen.“ Ein langer, durchdringender Blick. „Ich fürchte, ich muss jetzt gehen. Es ist spät und du solltest dich ausruhen.“ Einem Impuls folgend, beugte Will sich vor und Griff nach Hannibals Handgelenk, hielt ihn fest, bevor er gehen konnte. Er wusste, er hatte nicht wirklich die Kraft, ihn aufzuhalten. Wenn Hannibal gewollt hätte, dann hätte er sich mühelos befreien können, selbst wenn er gerade nicht gegen ein Fieber kämpfen musste, doch Hannibal hielt inne, sofort, und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wills Wangen glühten und er blickte zur Seite. Auf einmal wusste er nicht mehr, was er sagen sollte. Alles, was ihm auf der Zunge lag, klang armselig in seinem Kopf, also hielt er den Mund. „Möchtest du, dass ich hier bleibe?“ Die Hunde winselten. „Du musst es nur sagen.“ Die Hunde winselten und es klang viel zu laut in seinen Ohren. „Will.“ „Tust du alles, was ich dir sage?“ „Wenn du möchtest.“ Die Hunde winselten und es klang viel zu laut in seinen Ohren und er wusste, dass es nicht sein Rudel war, das er gerade hörte, sondern Winston, Winston, Winston, das Echo einer Erinnerung in seinem Kopf. 5CG 449, Virginia Erst als Hannibal sanft den Griff löste, mit dem Will ihn festhielt und mit dem Daumen über seine Fingerknöchel fuhr, warm und behutsam, mit leichtem Druck, verschwand das Wimmern aus seinem Kopf beinahe augenblicklich. „Hörst du Winston in deinen Gedanken, Will?“ Will betrachtete immer noch die gegenüberliegende Wand. Er grinste schief, ein halbes Lächeln, das seine Augen nicht erreichte und als er schließlich antwortete, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich kann ihn sogar sehen.“ „Ist er jetzt hier?“ Der Daumen wanderte weiter über die Kurve seines Handballens, verweilte dort und zog kleine Kreise. Wills gesamte Aufmerksamkeit konzentrierte sich ausschließlich auf die Hitze, die sich in seiner Handfläche ausbreitete. „Nein.“ Endlich drehte er den Kopf und ihre Blicke trafen sich. „Jetzt nicht mehr.“ Hannibals Lippen teilten sich, doch er hielt inne, überdachte seine nächsten Worte nochmals, prüfte ihr Gewicht und fragte schließlich: „Warum hast du mich angerufen, Will?“ Ebenso mit Bedacht erwiderte Will nach einer Weile: „Ich möchte heute Nacht nicht allein sein.“ „Gut“, sagte Hannibal schlicht und zog erst seinen Mantel aus, den er über die Stuhllehne aufhängte, dann das Sakko und die Weste, die er ordentlich zusammenlegte. Die Schuhe stellte er neben einander unter den Stuhl, bevor er sich zu Will ins Bett legte. Will konnte ihn nicht ansehen und Hannibal zwang ihn auch nicht dazu. Er öffnete einfach die Arme und Will zögerte nur eine Sekunde, bevor er näher heran rückte, den Kopf auf Hannibals Brust legte und die Augen schloss. Eine Hand pflügte durch seine braunen Locken, mit der anderen zog Hannibal die Bettdecke hoch. So dämmerte er fort, erschöpft, während er sich von einem ruhigen Herzschlag in einen unruhigen Schlaf begleiten ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)