Oh du alles zerstörende Weihnachtszeit~ von Lalonde ================================================================================ Kapitel 2: Dienstag der 02.Dezember ----------------------------------- Und, wie schon am vorherigen Tag, suchte er sich seinen Weg durch die Masse an Menschen, die an ihn vorbei schwirrten und verzweifelt versuchten weihnachtliche Stimmung zu verbreiten mit ihren von einem Lächeln verzerrten Gesichtern – einfach maßlos übertrieben. Doch diese Schemen nahm er eher nebensächlich wahr – ebenso den Schnee, der angefangen hatte auf die Erde nieder zu fallen – denn bald müsste er sein Ziel erreicht haben. Der Schwarzhaarige bog in die nächste Nebenstraße der überfüllten Einkaufsstraße ein, wo sich, etwas versteckt, eine kleine Bar befand, auf die mit einer kleinen Leuchtreklame aufmerksam gemacht wurde. Longchamp-IONS. Ein nicht gerade kreativer Name. Als er das Bistro betrat, wehte auch etwas Schnee mit ihm, welcher sofort den flüssigen Aggregatzustand annahm und sich als dünner Film in den Eingangsbereich legte. Wie jeder Gast – was echt nicht viele sein konnten, da die Bar eher einen kleinen Familienbetrieb glich und deswegen einfach nicht genügend Platz für eine große Menschenschar darbot. Er musterte den Eingangsbereich, der mit warmem Rankenmuster aus Ebenholz verziert wurde. Der Blick von dort viel direkt auf die Bar, die aus dem gleichen Holz bestand. Man musste an ihr vorbei gehen um vom Eingangsbereich an die Sitzbereich zu gelangen, der sich nicht direkt an der Theke befand. In diesem Sitzbereich befand sich zudem eine kleine Armatur, die vor allem den weiblichen Besuchern zusagen musste – eine kleine Karaoke-Bar. Er nickte der jungen Frau hinter dem Tresen zu und setzte sich in die Ecke, die von der Theke aus nicht mehr im Sichtfeld war. Hier arbeitete er also. Es dauerte nicht lange und die Bedienung kam auf ihn zu und fragte ihn mit einem dezenten Lächeln, welches nicht so zwanghaft wirkte, wie das von 90% dieser Bevölkerung, was er denn bestellen wolle. Allerdings war das Mädchen vielleicht Mitte 20, sie stand also noch am Anfang ihrer beruflichen Karriere. Noch weitere dreißig Jahre hier und unmögliche Gäste würden schon ihre Spuren in den – noch von Sorgen freien – Gesicht hinterlassen. Während er auf seinen schwarzen Kaffee wartete, dachte er an seinen Vormittag zurück. Heute hatte er seinen neuen Freund – Ventus hieß er, einen kleinen Besuch abgestattet – ohne dass er oder seine Mitbewohner es wussten. Er war relativ früh aufgestanden und hatte sich auf den Weg zu der Wohnung des anderen gemacht, um diese zu beobachten. Wo dieser wohnte, wusste er dank des Personalausweises, der sich in dessen Portemonnaie befand. Durch den Inhalt dieses hatte er auch erfahren, dass der 19-jährige sich nur mit wenig Geld im Monat über dem Wasser hielt. Der Zustand des Portemonnaies und die Tatsache, dass der Eurobetrag der Einkäufe nie den Wert von zehn Euro überschritten hatte, bestätigten seine These, die er gestern noch aufgestellt hatte; nämlich, dass der Junge zur unteren Mittelschicht gehöen musste. Der Blondhaarige besaß neben seiner Krankenversichertenkarte und dem Personalausweis keine anderen Karten. Außerdem waren die Geschäfte, die er besuchte, alle zu Fuß zu erreichen, was dafür sprach, dass er nicht unnötig viel Geld zum Fenster raus warf. Zusätzlich zu diesen Informationen hatte er am gestrigen Tag noch in Erfahrung gebracht, dass der Junge nicht allein in den Appartement wohnte, sondern sich die kleine Wohnung in einem Wohnviertel im Westen der Stadt mit zwei anderen teilte; einer jungen Frau namens Aqua und einem nicht viel älteren Jungen und auf den Namen Terra hörte. Kaum hatten die drei Anwohner des Appartements dieses verlassen nutzte der Schwarzhaarige der Gunst der Arbeitsstunde und huschte, als ein anderer Bewohner des Wohnkomplexes dieses verließ, um in jenes einzutreten. Kurz studierte er die Namensschilder an jeder Tür, bis er dann im zweiten Stock das gesuchte Schild gefunden hatte. Mit einem süffisanten Grinsen holte er das nötige Werkzeug aus seiner Tasche, um in die Wohnung der drei einzubrechen, er wollte ja nicht unnötig viel Zeit damit verschwenden und sich weitere Informationen zu den Blondhaarigen zu holen. Zumal nicht feststand, ob die drei nicht früher Schule aus oder Freistunden hatten. Er brauchte keine Minute, bis er die schlecht gesicherte Wohnungstür geöffnet hatte und sich in den „’trauten Heim Glück allein“ befand, ohne wirkliche Spuren hinterlassen zu haben. Schließlich hatte er es schon geschafft, in schwerer gesicherte Häuser einzubrechen, ohne aufzufliegen. In der Wohnung musterte erst mal das Mobiliar, welches sehr schlicht war – wahrscheinlich wegen des Geldmangels. Die selbst gebastelte Dekoration war dabei ein kläglicher Versuch von der Armut abzulenken. Nachdem er das Zimmer des Blondhaarigen gefunden hatte, was auch nicht sonderlich schwer gewesen war, da an den bezogenen Zimmertüren die aufwendig verzierten Anfangsbuchstaben angebracht worden waren, entkam seiner Kehle erst einmal ein leiser entnervter Seufzer, denn das Zimmer vor ihm war im reinsten Chaos versunken. Auf dem Tisch – er vermutete, dass es sich um einen Tisch gehandelt hatte, stapelten sich Bücher, Blätter, Stifte –und auch ein Teller war dabei – zu einem skurrilen Turm, dessen Stabilität fragwürdig war. Der halbe Boden war bedeckt von falschen Matherechnungen und verteilter Klamotten. Ein Blick in dessen Unterlagen, die ebenfalls leicht chaotisch waren, und er fand heraus, dass der Blondhaarige sich gerade wohl in den tieferen Leistungsbereichen bewegte, was seine schulischen Leistungen anging. Ein Blick in die untersten Dokumente verriet ihm, dass der andere nicht immer so miserabel gewesen war, wie in diesem Moment. Seine Hauptproblemstelle schien die Analysis, ein Teilbereich der Mathematik, zu sein, denn es fanden sich im Mülleimer –und um diesen herum verteilt – Blätter, die mit Kurvendiskussionen und Steckbriefaufgaben versehen waren. Als er den Stapel Rechnungen auf dem Tisch untersucht hatte, entdeckte er einen kleinen Dienstplan. So sein kleines Opfer verdiente sich also etwas Geld in einer Bar. Mit einem Grinsen hatte er sich den Namen dieser gemerkt und die Arbeitszeiten, die auf den Plan drauf standen. Dann hatte er sich den Rest der Wohnung angesehen – ja auch das Zimmer seiner WG-Kammeraden – auch wenn es nur grob war, denn er wollte nicht mit einem der Wohnungseigentümer in Kontakt treten, noch nicht. Bevor er jedoch die Wohnung verlassen hatte, ließ er das Portemonnaie des Blondhaarigen in dem Zimmer des Braunhaarigen zurück und nahm etwas von dem Kleingeld heraus – es würde bestimmt ein kleiner Streit entstehen. Mittlerweile war sein schwarzer Kaffee, er liebte den herb-bitteren Geruch, der diesen verströmte, gebracht worden und er nahm einen Schluck davon. Der Kaffee schmeckte genauso bitter wie er roch. Das gefiel dem Schwarzhaarigen, denn er mochte keine Süßigkeiten. Sie waren klebrig, eklig und außerdem blieb deren Geschmack nicht so lange erhalten. Morgen würde zum ersten Mal mit den anderen Kontakt aufnehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)