Course of Time von LittlePuppetFreak ================================================================================ Kapitel 32: Gedächtnislücken und Gute-Nacht-Geschichten ------------------------------------------------------- Wie lange ich nun wirklich so bei ihm saß, konnte ich nie sagen, als ich wieder ging. Die Zeit verging während meiner Besuche rasend schnell und wie schon vorher, als Danna noch wach gewesen war, verfiel ich in meine Geschichten. Inzwischen handelte es sich um die alten Gutenachtgeschichten, die ich in Iwagakure damals aufgeschnappt hatte. Nicht, dass Danna das interessieren würde, doch es beruhigte mich, das alles zu erzählen. So hatte ich etwas zu tun und kam mir irgendwie nützlich vor, auch wenn dem ganz und gar nicht so war – eigentlich saß ich dabei ja doch nur rum und er hörte mich sowieso nicht, egal was ich sagte. Mein Körper hatte sich mit den Wochen erholt. Es war nicht einfach gewesen, doch nach und nach hatte sich eine gesunde Schicht zwischen meine Knochen und Haut geschoben, die mich fast wieder aussehen ließen wie vorher. Gleichzeitig legten die Muskeln wieder zu, es erschienen kleine Andeutungen meines alten Oberkörpers und meiner Arme. Auch hatte die gute Pflege meiner Haare angeschlagen – immer mehr ähnelte ich dem Deidara von vor einem Jahr. Die anderen hier schienen erleichtert, machten sich allerdings gleichzeitig Sorgen, da Danna auch nach vier Wochen noch schlief. Mir machte das nichts aus. Er würde aufwachen, nur sicher brauchte er seine Zeit dafür. Die Suche nach Orochimaru hatte nichts ergeben. Immer wieder machte sich ein Team auf den Weg, um den Mistkerl zu finden, doch alle kehrten sie ohne Informationen und mit leeren Händen zurück. Anscheinend hatte sich die Schlange noch tiefer unter ihrem Stein versteckt; er wusste, was ihm blühte, sollte er einem von uns in die Hände fallen. Noch hatte er seine gerechte Strafe nicht erhalten und es wäre mir ein Vergnügen höchsten Niveaus, ihn zu Tode zu foltern. Sollte Danna zu dem Zeitpunkt schon wieder wach sein, konnte er das ruhig übernehmen, es war sein gutes Recht. Eine weitere Beschäftigung während der langen Wartezeit war es, Dannas Werkstatt wieder herzurichten. Das Jahr ohne ihren Meister war ihr nicht bekommen. Überall hatte sich eine dicke Staubschicht angesammelt, die einzelnen Flaschen mit den Giften konnte man kaum noch erkennen durch die dicken Spinnweben. Die Werkbank war morsch geworden und mit der Zeit hatte sich eine Puppe von der Wand gelöst und hatte ihre Einzelteile über dem Boden verteilt. So widmete ich ein paar Tage den Aufräumarbeiten in Sasoris wichtigstem Zimmer. Die Gifte zu entstauben stellte fast schon eine Herausforderung dar, denn anscheinend waren sie geordenet. Dazu kam, dass sie dicht an dicht standen und keine von ihnen umfallen durfe – wer wusste schon, was für eine Scheußlichkeit es mit einem anstellen würde, sollte eine der Flüssigkeiten an menschliche Haut gelangen. Die Werkbank kaufte ich nach langer Überlegung neu. Das alte Teil war sowieo baufällig, da konnte eine Neue nicht schaden und so sorgte ich für eine neue und größere Arbeitsfläche als zuvor. Hoffentlich war die richtig und gefiel ihm. Als auch das erledigt war, widmete ich mich der Puppe am Boden. Ihr Gesicht durchzogen mehrere Risse, Arme und Beine lagen im Raum verteilt und überall lief man Gefahr, in die Splitter zu treten oder zu fassen. Reparieren konnte sie nur der Puppenspieler selbst, also suchte ich nur alle ihre Einzelteile zusammen und legte sie feinsäuberlich auf die neue Werkbank. Die konnte er sich ansehen, wenn er wieder arbeitstüchtig war. Als ich sie so liegen sah, erinnerte sie mich an eine aufgebahrte Leiche, die emotionslos an die Decke starrte. Und genau das stellte sie letztendlich auch dar – ein Mensch, der sein Leben verloren hatte  und nun auch ihr zweites Leben fast verwirkt hatte. Nur der Meister persönlich konnte nun noch etwas für sie tun. Traurig, wenn man so darüber nachdachte. Nach einiger verstrichener Zeit dachte ich gar nicht mehr daran, ihn mental zu zwingen. Er würde schon aufwachen. Von allein, und nicht, weil ich es ihm gesagt hatte. Ein paar Tage nach diesem Entschluss nahm ich mir also meine Zeichensachen und machte mich auf zu Dannas Bett im Krankenzimmer. Es war eine Tradition, oder besser gesagt eine Art tägliches Ritual: Erst Abendessen, dann eine Stunde neben ihm zeichnen, vom Tag berichten, eine gute Nacht wünschen und ins Bett gehen. Also trat ich ins Zimmer, schloss die Tür hinter mir und lächelte Danna zu – natürlich sah er mich nicht an. „Guten Abend, Sasori no Danna, un“, begrüßte ich ihn gut gelaunt, zog meinen üblichen Stuhl ans Bett und setzte mich zu ihm. „Ich habe deine Werkstatt gerettet, habe ich dir das eigentlich schon erzählt? Deine alte Werkbank war blöd, un. In Zukunft lässt du sie immer von mir kaufen, ja? Ich weiß wenigstens, was ein Künstler braucht.“ Irgendwie war ich ja dankbar, dass er darauf nicht reagieren konnte, so musste ich wenigstens für den Satz keine einstecken. Langsam fing ich an, die neue Werkstatt zu zeichnen. Es sollte eine Art Kalender sein, für die Tage und Wochen, in denen er schlief. Wenn Danna aufwachte, konnte er die Bilder durchsehen und wusste, was während seines Schlafes geschehen war. Ob er nun beim Erwachen der verwirrte Danna war, der nur plötzlich alle Erinnerungen bekommen hatte, oder ob es der alte Danna war, wusste hier niemand. Ob er die Erinnerungen generell wiedererlangen würde, war ebenso fraglich. Wusste er, was er uns beinahe angetan hatte? Wusste er, was Orochimaru mit ihm angestellt hatte? Beim Gedanken daran, dass er möglicherweise das Opfer zahlreicher Experimente geworden war, erschauderte mein gesamter Körper. Hatte Orochimaru ihn noch für etwas anderes missbraucht...? Dass die Schlange auf Sasori stand, war unklar. Dass er allerdings einen Narren an ihm gefressen hatte, wurde mehr als deutlich. Einfach aus Rache hätte er alles mit Danna machen können – auch Dinge, die ich mir gar nicht vorzustellen wagte, so abartig und widerwärtig war allein die Vorstellung, dass die beiden im Bett gewesen sein könnten; Danna als unfreiwilliges Opfer, das seine Not nicht begriff und sich nicht wehrte, nicht wehren konnte. Eine Art Würgereiz überfiel mich. Wie abscheulich konnte ein einzelner Mensch sein?! Er würde alles büßen... Als mein Blick langsam hochwanderte, erschreckte ich mich halb zu Tode, sodass der Stuhl einmal ins Schwanken kam. Nur mit Mühe brachte ich ihn auf seine vier Beine zurück, den erschrockenen Laut konnte ich allerdings nicht unterdrücken. Sasori no Danna lag dort in seinem Bett, die Arme wie sonst auch regungslos neben sich liegend. Doch sein Kopf war in meine Richtung gedreht, die Augen starrten mich mit stumpfen Blick an. Innerlich schäumte ich geradezu über, die Freude umfing mich wie ein kunterbunter Glasball und meine Augen wollten schon die ersten Freundentränen vergießen, doch irgendwie schaffte ich es, es äußerlich bei tellergroßen Augen und zitternden Händen zu belassen. Zuerst musste getestet werden, wer er war. „Sasori no Danna...un?“, meine Stimme klang wackelig und rau, kurz vor dem Abbruch. Er reagierte nicht. Gar nicht. Weder ein Wechsel im Blick, noch sonst irgendwas. Behutsam streckte ich die zitternde Hand aus und berührte zaghaft seine Wange. „Erkennst du mich? Weißt du, wer ich bin, un...? Ich bin Deidara, Sasori no Danna. Wir sind...wir sind Partner.“ Von jetzt auf gleich verzog ein Stirnrunzeln sein Gesicht, als ob er nachdenken würde. Dann schüttelte er kurz mit dem Kopf. „Wo ist Orochimaru?“ Die Frage ließ mich erstarren. Die Kugel war doch draußen, oder nicht?! Wieso zeigte sie dann noch immer Wirkung? „Orochimaru ist weit weg, un. Er kann dir nichts mehr tun. Du hast ihm nicht mehr zu dienen. Er war nie dein Meister, un.“ Nun allerdings sah Danna mich an, als hätte ich sie tatsächlich nicht mehr alle. „Was redest du da für einen Schwachsinn?! Als ob ich ihn dienen würde, wenn ich ihn doch töten will. Vor allem nachdem er mich entführt hat. Er wird schon noch seine Rechnung dafür bekommen. Abgesehen davon habe ich keinen Meister, höchstens einen Anführer und das ist Pain-sama. Sag mir, wie habt ihr es geschafft, mich noch rechtzeitig da rauszuholen? Ich muss schon betäubt gewesen sein. Seid ihr ihm gefolgt?“ Mit riesigen Augen starrte ihn ihn an. Das gab's doch nicht! „Danna, du...du bist...also du hast... niemand hat...“, doch genau in dem Moment besann ich mich eines Besseren. Warum sollte ich es ihm sagen? Zuerst musste er sich erholen, dass seine Erinnerungen mehr als ein Jahr alt waren, musste ein Riesenschock sein und im Moment hatte ich das Gefühl, er sei einfach noch zu instabil für sowas. Stumm schüttelte ich mit dem Kopf und setzte mich neben ihn auf das Bett. Eine Ablenkung wäre jetzt das beste, was man ihm bieten konnte. Er sagte nichts, als ich mich einfach neben ihn legte und meinen Kopf auf seine Schulter bettete. Anscheinend ahnte er, dass hinter seiner Frage eine bedrohliche, fast erschlagende Antwort lauerte und so fragte er nicht weiter nach. Fast sofort kam die Müdigkeit und eine gigantische Last schien von meinen Schultern zu rutschen. Danna war der Alte. Kein Gedächtnisverlust, keine Kämpfe mehr, keine Ketten oder dunkle Kerker. Ohne ein Wort knipste ich das Licht aus. Heute Nacht würde ich hier verbringen. „Danna?“, leise klang meine Stimme im stillen, dunklen Raum. Ich ging nicht davon aus, dass er wach war, schließlich schlief er scheinbar sehr viel, wenn er sich erholen musste. Doch ein Rascheln verriet, dass er den Kopf zu mir gedreht hatte. „Als du geschlafen hast, da habe ich oft Geschichten erzählt, weißt du. Von uns, vor dem  Unfall, un. Und auch von mir, als ich noch klein war“, deutlich spürte ich seinen Blick auf mir, doch ich sah ihn nicht an, sondern ließ meinen Blick aus dem Fenster wandern, hinauf zum schwarzen Himmel. „Ich weiß, es ist unfair, vor allem, da du dich nicht an meine Geschichten erinnern kannst, das heißt, sie gar nicht mitbekommen hast... Aber würdest du mir auch eine erzählen, un?“ Einen Moment blieb es ruhig und ich dachte schon, er sei wieder eingeschlafen. Doch dann hörte ich seine leise Stimme. „Was willst du denn hören? Etwas Trauriges? Ich kann dir eine Menge aus meinem Leben anbieten – nur nichts Fröhliches.“ „Ich habe genug Trauriges gesehen, un. Genug, was einem das Herz gefrieren lässt. Genug Schlechtes. Ich will, dass du mir die Geschichte von deinem schwersten Kampf erzählst, aus dem du am Ende doch als der Stärkere hervorgegangen bist.“ Danna musste nicht lange überlegen, sondern fragte nur runheraus: „Und wenn mein Sieg nur Glück war? Willst du es trotzdem hören, auch wenn ich vielleicht nicht der Stärkere war?“ „Ja, un“, ich nickte. „Du lebst, also hast du gewonnen. Das will ich hören.“ Sasori nickte und nachdem er noch einen Moment nachgedacht hatte, begann er schließlich mit seiner Geschichte. „Ich war achtzehn, als mein schwerster Kampf stattfand – also ungefähr so alt wie du. Kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag wurde ich zur Puppe, das heißt, ich war zu dem Zeitpunkt noch ein Mensch und seit drei Jahren verfolgter Nuke-nin. In der Zeit hatte ich viel gelernt und so führte mich mein Weg zurück ins Windreich, nach Sunagakure. Rückblickend war ich jung und dumm gewesen, viel zu planlos und voreilig. Einen genauen Antriebsgrund hatte ich auch nicht – ob es Rache oder der Wunsch nach einem Beweis meiner Stärke gewesen war, kann ich heute und auch damals schon nicht sagen. Doch eins weiß ich genau: Trotz allem bereue ich nichts. Auch wenn ich damals gestorben wäre.“ Flashback Ruhe lag über dem Dorf versteckt unter dem Sand. Die Nacht war hereingebrochen – plötzlich und fast schon unangekündigt. Der Sand glitzerte wie silberner Schnee im Licht des Vollmondes, der riesig am Himmel hing. Eine helle Nacht. Schritte waren zu hören und eine vermummte Gestalt schritt durch die engen Straßen, vollkommen unbemerkt von den schlafenden Bewohnern in den Sandsteinhäusern. Sein Gesicht war zur Hälfte von einer schwarzen Maske bedeckt und die große Kapuze seines ebenso schwarzen Umhangs verdeckte auch Haare und Augen. Seine Kleidung war schlicht und schwarz. Der Weg vor dem ungebetenen Besucher teilte sich und er wählte den Weg, der vom Dorfzentrum weg zur Trainingshalle führte. Er wusste, dass er die Person, die er suchte, dort finden würde und tatsächlich spiegelte sich in einem der Fenster das Licht einer Kerzenflamme. Zufrieden betrachtete der Eindringling das große Gebäude vor sich. Man könnte meinen, es wäre zweistöckig, doch aus vergangenen Tagen wusste er es besser. Es war eine Halle mit sehr hoher Decke. Unter der Decke wurde das Gebäude von mehreren breiten Holzgieben gestützt. Direkt über der Eingangstür im Inneren befand sich eine mittelgroße Plattform, die man durch eine Treppe aus Sandstein neben der Tür erreichen konnte. Rechts und links standen breite Säulen aus Holz, die ebenfalls die Decke stützten – sie standen frei am Rand des Raumes, sodass man sie umrunden konnte. Früher hatten die kleinen Kinder dort verstecken gespielt. Zusätzlich stützten die Säulen eine weitere lange Plattform, die einmal wie ein Kranz an den Wänden der Halle verlief und es den Prüfern der Akademie ermöglichte, den unten stehenden Prüfling von allen Seiten zu beobachten – oder anzugreifen. Beim Gedanken an seine eigene Aufnahmeprüfung in die 'Kugutsu-Butai', die Vereinigung der Puppenspieler, schnaubte er leise. Mit einem Sprung landete der Vermummte auf dem Dach und löste lautlos den schon seit Jahren defekten Fensterriegel, sodass das Fenster ebenso lautlos aufschwang. Ohne einen Mucks zu verursachen, kletterte er hinein und landete auf einem der höchsten Dachbalken. Unter ihm saß nichtsahnend der Kazekage der dritten Generation und studierte einige Schriftrollen. Seit Jahren pflegte er dies jede Nacht zu tun. Hier hatte er genügend Platz, um das angeeignete Wissen sofort in der Praxis zu lernen – nicht umsonst galt er als der stärkste Kazekage aller Zeiten. Langsam schob sich die Gestalt vom Balken und landete leichtfüßig wie eine Katze auf der kranzförmigen Plattform. Sein Plan war kurz und einfach zu verstehen: Die Konzentration auf das Schriftstück ausnutzen und aus dem Hinterhalt angreifen – das, was er besonders gut konnte. Vorsichtig tat er ein paar Schritte vorwärts, doch plötzlich rasten zwei Shuriken durch die Luft, zerrissen seine Maske, hinterließen einen tiefen Kratzer an seiner Wange und nagelten die Kapuze an die Wand. Beim Losmachen zerriss auch diese und die Einzelteile fielen zusammen mit der Maske zu Boden – zum Vorschein kam ein junger Mann mit blasser, fast durchsichtiger Haut, roten Haaren und braun-grünen Augen. Sasori konnte sich nicht länger unter den Klamotten verschanzen, um unerkannt zu bleiben. Doch der Kazekage konnte ihn nicht erkennen, nun verhüllte die Dunkelheit den Puppenspieler. „Was willst du von mir?“, erklang die ruhige Stimme des Kopfes von Sunagakure. Mit verengten Augen sah er sich misstrauisch um, doch der Rotschopf hatte sein Chakra unterdrückt, sodass er eigentlich unsichtbar für den Mann sein musste. „Zeig dich schon!“ Sasori trat zurück und ging langsam an der Wand entlang. Er überlegte sich, wie er am besten angreifen sollte, während er seinen Gegner umkreiste. Flashback Ende „Danna...un?“, verwundert lag ich noch immer neben meinem Partner. Seine Geschichte spuckte durch meinen Kopf und im Geiste schlich noch immer ein jugendlicher Danna um den viel stärkeren Gegner herum. Doch Sasori sprach nicht weiter. Irritert richtete ich mich halb auf und bemerkte, dass er eingeschlafen war – einfach so, mitten in seiner Erzählung. Ich schmunzelte, sah der sonst so ernste Sasori auf einmal aus wie ein kleines Kind. So ruhig und entspannt. Behutsam nahm ich ihn in die Arme. Morgen würde ich ihn auf die Fortsetzung der Geschichte ansprechen, ganz sicher. Einmal angefangen, ließ es mir keine Ruhe. Und morgen würde ich ihm auch von der riesigen Lücke in seinem Kopf erzählen und hoffen, dass er es besser wegstecken konnte, als ich ahnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)