Von unserer Scherbenwelt von Phoenix_Michie (Fortsetzung zu 'Von Dir und Mir') ================================================================================ Kapitel 5: Von tiefgründigen Gesprächen mit einem Barmann und einer lebensverändernden Entscheidung --------------------------------------------------------------------------------------------------- ========================================= 5. Kapitel ========================================= Ich ließ den Kopf hängen. Mein dritter Drink und der half immer noch nicht. Ich versuchte ja, einfach zufrieden zu sein mit meinem Leben, aber das war nicht einfach. Wenn ich mich weiter dazu zwang, würde ich noch Alkoholiker werden... Seit zwei Stunden saß ich wieder in der Bar meines Vertrauens und trank Bier und Wein, während ich Hizumi dabei zusah, wie er hin und her rannte. Es war viel los. Freitag Abend eben. Lange konnte ich heute nicht bleiben. Ich musste eigentlich nach Hause, nach der Katze sehen. Nachdem ich vom Tierarzt heimgekommen war, hatte ich mich wenig später auf zur Bar gemacht. Die Kleine schlief sowieso nur, verständlicherweise. Der Tierarzt hatte zwei Vermutungen aufgestellt: entweder hatte sie eine Infektion, oder sie hatte einfach nur was gefressen, was sie nicht vertrug - bei letzterem müsste sich ihr Zustand über Nacht verbessern. Er hatte mich gefragt, ob ich etwas anderes als sonst gefüttert hätte, aber daran konnte ich mich nicht erinnern. Ich wechselte zwischen Futtermarken und kaufte auch mal was neues... In letzter Zeit achtete ich nicht mehr bewusst auf das, was ich ihr vorsetzte. Sollte sie etwas also nicht vertragen haben, könnte es bald wieder passieren, außer ich fütterte nur noch die Dinge, bei denen ich mir sicher war, dass sie damit klar kam. Ich seufzte. Alles nicht so einfach. Am nächsten Tag erwartete ich einen Anruf von der Praxis, die dann die Ergebnisse der Kotuntersuchung haben würde. Ich war gespannt und hoffte, dass sie keine Infektion hatte. "Willst du noch einen?", erkundigte sich Hizumi und lehnte sich über die Theke näher zu mir. "Aber danach ist Schluss. Du trinkst wirklich viel in letzter Zeit." "Du bist ein Spaßverderber", seufzte ich. "Sei doch froh, die Bar macht durch mich Umsatz." Er blickte mich nur milde lächelnd an. "Ich bin auch froh. Aber wenn du dich hier so sehr betrinkst, dass du nicht mehr nach Hause kommst, ist das ein Problem." "Aha", machte ich nur. "Gib mir mal einen Wodka Tonic." Hizumi nickte und drehte sich um. Ich sah ihm bei der Zubereitung zu. Mein Handy regte sich sowieso schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Dennoch warf ich ab und an einen Blick darauf, nur um enttäuscht wieder den Kopf zu heben, weil immer noch nichts passiert war. Wenn ich anrief, ging Karyu ja doch nicht ran, das hatte ich schon länger aufgegeben. "Was ist so spannend an deinem Handy? Liebesgeflüster?" "Schön wär's", erwiderte ich und nahm meinen Drink entgegen. Hizumi sah sich kurz um, stellte fest, dass gerade alles ruhig war und stützte sich dann auf die Theke, um leise mit mir sprechen zu können. "Hängt der Haussegen immer noch schief?" Ich seufzte und starrte in meinen Wodka. "Ich glaube, man kann es nicht mal Haussegen nennen", murmelte ich nur, woraufhin Hizumi die Stirn runzelte. "Was ist der Typ eigentlich für ein Arschloch?" Fragend sah ich auf. "Ich hab den hier noch nie gesehen, mit dir zusammen. Und ich höre dich immer nur jammern und meckern über ihn. Warum bist du mit ihm zusammen?" Ich blinzelte und öffnete den Mund, fand aber nicht gleich eine Antwort. Kurz überlegte ich, zuckte dann mit den Schultern. "Irgendwie mag ich ihn ja", sagte ich dann lediglich, weswegen er eine Augenbraue hob. "Es gibt bestimmt noch andere Männer, die du magst. Mich zum Beispiel", meinte er beiläufig und grinste. "Und die behandeln dich nicht wie Dreck, sondern wissen deine Anwesenheit zu schätzen." Ich starrte ihn an. "Soll das ein Angebot sein? Willst du was von mir?" Er brauchte einen Moment, um zu antworten. "Um Gottes Willen, nein", meinte er dann. "Ich steh auf Hübschere." Nun musste ich aber aufpassen, keine großen Augen zu bekommen. Ich wusste ja, dass ich nicht der allerschönste und der Typ für jedermann war, aber ein bisschen verletzend waren Hizumis Worte dann doch. Ich zuckte mit den Schultern. "Na dann." Ich nippte an meinem Drink. "Aber mal im Ernst", fing Hizumi wieder an. "Schieß ihn ab. Oder rede mit ihm." "Hab schon mit ihm geredet. Ich sehe ihn ja kaum, also hab ich mich beschwert. Er hat mich gevögelt und mir dann versprochen, in aller Romantik, dass wir was ändern werden. Darauf warte dich nun schon einen Monat." Hizumi schnaubte. "Hört sich für mich an, als seist du sein Fickhäschen." Ich lachte trocken. "Oh, nicht mal das bin ich mehr. Der letzte Sex ist nämlich auch schon einen Monat her. Ich bedeute ihm gar nichts mehr, glaube ich... Auf meine SMS reagiert er auch nicht." Hizumi schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, warum du bei dem bleibst." "Ich auch nicht. ich weiß es auch nicht. Vielleicht Gewohnheit. So oder so bin ich alleine.", murmelte ich. "Ist völlig egal. Ich könnte mit ihm Schluss machen und das zieht an ihm vorbei. Und an mir auch", meinte ich bitter lächelnd. "Für mich würde sich ja auch nicht wirklich was ändern." Ich schielte in mein leeres Glas. "Ich glaub, ich brauch noch einen Wodka Tonic. Wärst du so lieb?" Doch Hizumi stemmte die Hände in die Hüfte. "Nichts da. Das war der letzte." "Das sag ich deinem Chef." Ich bemerkte, wie er blass wurde und dann eine Schmollschnute zog. Ohne ein weiteres Wort machte er sich daran, mir noch einen Drink zu bereiten. "Also, ich bin ja schon viel rumgekommen. ich hatte mal eine Braut, die wollte am Ende nur alles von mir bezahlt haben, ansonsten war ich uninteressant. Und letztens erst war ich mit einem Mann zusammen, der nicht mal mitbekommen hatte, dass wir eine Beziehung führten. Ich fand die Regeln eigentlich ziemlich deutlich, aber er vergnügte sich mit anderen - und das hatte ich nur zufällig mitbekommen." Er überreichte mir den Wodka und sah mich an. "Was ich sagen will, ist, ich hab die auch abgeschossen. Hochkant aus meinem Leben geworfen und nicht mehr zurück geblickt. Ich bin kein Fußabtreter, mit dem man machen kann, was man will. Das bist du auch nicht. Also tu was. Zwing deinen Arzt, dir zuzuhören. Oder schmeiß ihn gleich aus deinem Leben raus. Wenn du das richtig machst, dann wird die Botschaft schon bei ihm ankommen, egal wie sehr er sich vor der Beziehung verschließt und egal wie sehr er offenbar versucht, dich zu ignorieren." Er wippte auffordernd mit den Augenbrauen und machte Anstalten zu gehen. "Sag mal, ich dachte du stehst nur auf Weiber." "Ach was. Ich komm gern rum. Ich bin eine männliche Hure", sagte er breit grinsend und machte dann ein gespielt schockiertes Gesicht, bevor er sich um neue Gäste kümmerte. Nachdenklich sah ich ihm dabei zu. Ich hatte eh nichts besseres zu tun. Ich war sowieso angetrunken und hatte daher überhaupt keine Lust mehr, um über mich und Karyu nachzudenken. Das war wohl vergebene Liebesmüh. Er schien zu bemerken, dass ich ihn beobachtete. Als er wieder etwas Zeit hatte, wandte er sich grinsend zu mir. "Stehst du auf Huren? Hab ich mich jetzt interessant für dich gemacht?" "Ja, total", erwiderte ich nur gelangweilt und gähnte zufällig. Ich sollte langsam wirklich nach Hause gehen. "Hey, ich hab in einer halben Stunde Schluss. Wir können zusammen zu deinem sogenannten Freund gehen und vor ihm rumknutschen." Ich musste lachen. Auch wenn die Situation traurig war, fand ich seinen Vorschlag tatsächlich witzig. "Das wäre eine Option. Aber die Frage ist, ob wir ihn überhaupt finden werden", winkte ich ab. "Na schön", meinte er nur und lächelte, bevor er weiter arbeitete. Vermutlich wäre ich noch länger in der Bar geblieben, wenn Hizumi mich nicht mit hinaus genommen hätte, sobald er Schluss machte. Ich verstand gar nicht, warum ich mich überhaupt mit dem Giftzwerg abgab. "Du hast mich um zwei Drinks gebracht", murrte ich, woraufhin er nur mit den Schultern zuckte. "Das kann ich wieder gut machen." Ich sah ihn fragend an. "Ach ja?" "Ich kann dir ja bei dir zu Hause was mixen. Ich bin Barkeeper, und das nicht nur in der Bar, in der ich angestellt bin", meinte er großspurig, woraufhin ich die Augen verdrehte. "Wie nett von dir. Ich soll dich also in meine Wohnung lassen? Woher die Hilfsbereitschaft?" "Mir ist langweilig und ich hab nichts Besseres vor", antwortete er. "Wie wär's mit schlafen gehen?" Er schüttelte den Kopf. "Ich hab immer so späte Schichten, dass ich mit der Zeit dazu übergegangen bin, eher tagsüber zu schlafen statt nachts..." Er zuckte mit den Schultern. Ich brummte nur und ging auf die am nächsten gelegene U-Bahn-Station zu. "Ich muss zu meiner kranken Katze." "Sie ist krank? Warum sitzt du dann den ganzen Abend in der Bar statt bei ihr zu sein?" "Weil sie kotzt und kackt - und zwar überall hin, weil sie es einfach überkommt." "Ewww..", machte er und verzog das Gesicht, während er neben mir her ging. "Hat sie Magen-Darm-Grippe oder wie?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, eher nicht. Du steckst dich nicht bei ihr an, falls du das denkst. Noch haben der Tierarzt und ich die Hoffnung, dass sie nur was Falsches gefressen hat..." Er nickte nur. "Na dann hoffe ich das mal auch. Sonst kack und kotz ich dir demnächst auch in die Wohnung, wenn es doch ansteckend ist." Ich hob die Augenbrauen, musste dann aber doch lachen. "Es sollte dich beunruhigen, dass ich dir durchaus zutraue, dass du mir in die Ecke kackst." Er stimmte in mein Lachen ein. "Waaaas? So schlimm bin ich nun auch wieder nicht." Amüsiert schüttelte ich den Kopf. "Also solltest du demnächst vor meiner Wohnungstür stehen, mache ich dir bestimmt nicht auf. Nimm es mir nicht übel." "Das werden wir ja sehen. Ich komm mit deinem Freund zusammen", meinte er und streckte ihm die Zunge raus. Ich schnaubte. "Was, willst du ihn abschleppen? Ich glaube, er ist mittlerweile ein asexuelles Wesen." Die U-Bahn kam und wir stiegen ein. Hizumi sah mich aus großen Augen an. "Ein was? Warum?" "Also mit mir hat er schon seit Wochen keinen Sex mehr gehabt. Aber wer weiß, wer sich halt dann zur Verfügung gestellt hat", murmelte ich und zuckte mit den Schultern. Er hob die Augenbrauen. "Du glaubst, er geht fremd?" "Ich glaube gar nichts. Ich hab nur überhaupt keine Ahnung, was er treibt. Wahrscheinlich weiß er wirklich nicht mehr, was Sex überhaupt ist, weil er nur seine Krankheiten und Patienten im Kopf hat", vermutete ich. Hizumi klopfte mir auf die Schultern. "Ich weiß, es ist hart, aber so wie du über ihn redest, solltest du ihn wirklich loswerden und dir das nicht mehr bieten lassen." Ich seufzte. "Ich rede nur so, weil ich frustriert und enttäuscht bin. Ich liebe ihn." "Liebe allein reicht da offenbar nicht mehr." Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung... Ich würde mich ja gern zur Ablenkung in meine Arbeit stürzen und einfach sie heiraten." Seufzend winkte ich ab, anstatt weiter zu reden. "Aber?", hakte Hizumi in diesem Moment nach, weswegen ich beiseite sah. "Aber da ist auch alles doof. Da bin ich der Fußabtreter für jeden." Überrascht blickte Hizumi mich an. "Echt? Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass ihr euch alle gut versteht." Ich hob deprimiert die Schultern. "Ja, das war früher mal so." Fragend legte er den Kopf schief. "Was ist passiert? Bist du ihnen auf die Füße getreten? Kann ich mir ja gut vorstellen, du bist immer so unhöflich." Ich bekam große Augen. "Wie bitte? Ich bin nicht unhöflich." "Doch bist du. Du brummst und murrst immer vor dich her, meckerst und jammerst und wenn du das mal nicht tust, dann umgibt dich eine Aura eisigen Schweigens. Du guckst dann immer so finster." "Ja, weil du mich ständig zuquatschst und ich nur meine Ruhe will", erwiderte ich seufzend. "Ich hätte schon längst eine andere Bar suchen sollen." Hizumi grinste. "Dir gefällt es eben bei mir am besten." Ich verdrehte nur die Augen. "Na ja jedenfalls...meine Kollegen sind ja ganz nett, aber ich bin irgendwie ihr Praktikant oder so was, weil irgendeiner immer irgendwelche Zuarbeiten hat, die er auf mir ablädt... Ich erledige das, weil ich keine Lust habe, dass sie sich bei Tsukasa beschweren und der schmeißt mich dann raus. Der hat in letzter Zeit eh unglaublich schlechte Laune und lässt die an mir aus. Oder, keine Ahnung, er hasst mich auf einmal. Ich hätte einfach nicht mit ihm rummachen sollen", murmelte ich kopfschüttelnd und vergrub das Gesicht in den Händen. Zu meinem Erstaunen hörte ich Hizumi nicht sofort etwas erwidern, weswegen ich zu ihm hoch blinzelte - und sah, wie er mich überrascht musterte. "Was ist?" Er zuckte mit den Schultern und grinste mich leicht an. "Du hast mit ihm rumgemacht?" Ich runzelte verwirrt die Stirn. "Hab ich das nicht erzählt?" Er schüttelte nur den Kopf. "Oh...muss ich vergessen haben. Obwohl du mein bester Freund bist, und ich hab dich behandelt, als seist du lediglich...ein Barkeeper, den ich kaum kenne. Oh...warte...so ist es. Du bist nur ein Barkeeper, den ich kaum kenne - und dem ich sowas nicht erzähle." Finster starrte ich ihn an. Er grinste weiterhin. "Siehst du, genau wegen dieses Blicks kriegt dein Freund wahrscheinlich Angst vor dir und versteckt sich lieber im Krankenhaus." Meine Augen wurden schmal. "Nun komm schon, erzähl mir, was da gelaufen ist zwischen dir und deinem Chef." Ich zuckte mit den Schultern. "Nicht allzu viel...es war am Valentinstag. Wir haben zusammen was getrunken, mein Freund hatte mich versetzt..er war allein...dann hat er mich nach Hause gebracht. Wir hatten uns gut verstanden. Na ja, dann haben wir halt geknutscht und so..aber bevor mehr laufen konnte, hat er aufgehört." "ER hat aufgehört?", fragte Hizumi überrascht nach. Als ich ihn verwirrt ansah, hob er eine Augenbraue. "Na DU hast den Freund, nicht er." "Du meinst, ich hätte abbrechen müssen, nicht er?" Hizumi nickte. "Das hätte ich bestimmt noch. Er war halt schneller", behauptete ich gleichgültig. "Jedenfalls ist er dann gegangen. Die nächsten Tage war er normal zu mir...alles war, als wäre nichts geschehen und seit zwei oder drei Wochen ist er echt gemein und streng und alles...total das Arschloch. Er hat sonst nie großartig den Chef raushängen lassen, aber in letzter Zeit ist es schlimm geworden", murmelte ich deprimiert. "Es macht echt keinen Spaß mehr da." Hizumi klopfte mir auf die Schulter - etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. "Sprich ihn am besten einmal darauf an. Lass dir nicht alles gefallen, nur weil er dein Chef ist." Bekümmert hob ich die Schultern. In der Zwischenzeit hatten wir meine Wohnung erreicht. "Mal sehen, ob sich eine Gelegenheit bietet." "Papperlapapp, scheiß auf Gelegenheiten!" Verwirrt sah ich ihn an, doch er schlüpfte in meine Wohnung und winkte mich hinter sich her. "Oh...hier riecht's ein bisschen..." Mir rutschte das Herz in die Hose. War sie also immer noch so krank. Doch eine Infektion? Ich trat ein und schloss die Wohnungstür. Nachdenklich schnupperte ich und runzelte die Stirn. "Ja, es riecht, aber...es stinkt nicht bestialisch." Ich stellte meine Tasche ab und durchsuchte jedes Zimmer, dessen Tür offen stand - nirgendwo ein Häufchen oder ein Kotzefleck. "Ich glaube, ihr geht's besser. Sie hat es offenbar immer bis auf die Katzentoilette geschafft", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Hizumi. Amaya stand neugierig im Wohnzimmer und sah uns an. Ich streichelte sie kurz und kippte dann ein Fenster an. Etwas frische Luft konnte meine Wohnung ja trotz allem gebrauchen. Ich wandte mich zu Hizumi um, der im Türrahmen stehen geblieben war. "Also, worauf wolltest du hinaus? Von wegen 'Scheiß auf Gelegenheiten'?", erinnerte ich ihn, woraufhin er in meine Küche ging. "Ich meinte, du sprichst ihn einfach darauf an. Ruf ihn doch gleich an." "Nein, bestimmt nicht um die Uhrzeit. Vielleicht schläft er schon." "So ein Spießer ist er nicht", erwiderte Hizumi, während ich ihm in die Küche folgte, da es klapperte. Als ich nachsah, bediente der Kerl sich einfach an meinem Alkohol, der im Kühlschrank stand! Gerade wollte ich mich beschweren, da plapperte er schon weiter. "Willst du auch was trinken? Was hast du hier...was ist das...?" Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, steht ja nicht wirklich drauf, aber ich fand die Farbe schön. Stand beim Alkohol, wird also welcher sein. Ich will auch was. Ich habs ja schließlich gekauft...", murrte ich und nahm zwei Gläser aus dem Schrank, bevor ich mich ins Wohnzimmer setzte. "Also, rufst du ihn jetzt an?", wollte er wissen und nahm neben mir Platz, griff sich ein Glas und schenkte sich ein. Ich seufzte genervt. "Nein, tu ich nicht. Ich sehe ihn auf Arbeit, da kann ich mit ihm sprechen." "Tu das mal. Er kann dir bestimmt erklären, warum er so unausstehlich ist." Nachdenklich runzelte ich die Stirn und sah ihn an. "Weißt du irgendwas? Hat er dir was erzählt?" Er schüttelte langsam den Kopf. "Ach was, der hat mir gar nichts erzählt", antwortete er und stieß mit seinem Glas gegen mein leeres. "Prost." Er kippte sich den Alkohol hinter die Binde. "Hmm....ist das nicht eher was für Mädchen?" Ich verdrehte die Augen und goss mir auch etwas ein, um mal zu probieren. "Schmeckt doch gut." "Aber irgendwie..." Er zuckte mit den Schultern. "Ich dachte, das wäre was Härteres." "Dann geh doch, wenn es dir nicht passt." "Ha, siehst du, das ist der Grund, warum ich oft den Drang hab, dich zu ärgern. Du bist immer so mürrisch!" Ich brummte. "Ich bin DIR gegenüber immer mürrisch, weil du nur Gemeinheiten für mich übrig hast und mich nervst", erwiderte ich und trank einen Schluck. "Also irgendeiner von uns muss ja angefangen haben", meinte er und war bereits dabei, sich nachzugießen. Ich hob nur die Schultern. Mir war absolut nicht mehr nach reden. Er schwieg einen Moment, dann drehte er sich ganz zu mir und sah mich an. "Ehrlich, mach Schluss mit deinem Arzt. Und rede mit deinem Chef. Das wird sicher erleuchtend sein. Und dann kommst du zu mir und berichtest von deinem Neuanfang." Ich seufzte tief. "Aus deinem Mund klingt das so einfach." "Es ist auch einfach. Dein Freund ignoriert dich, also schieß ihn ab. Dein Chef ist ein Arsch, dann frag ihn, warum verdammt noch mal er dich so behandelt. Und zu mir kommst du, weil ich dich in der Sache unterstützt hab." Ich runzelte die Stirn und erwiderte seinen Blick. "Du unterstützt mich nicht. Du bringst alles durcheinander und hörst dir Probleme an, die dich eigentlich gar nichts angehen." "ICH bring alles durcheinander? So wie ich das sehe, war dein Leben vorher schon ein Chaos." Ich schwieg verbissen und hielt lieber die Klappe, anstatt Hizumi weiter anzumeckern. Plötzlich schossen mir die Tränen in die Augen und ich musste mich zusammen reißen, nicht loszuschluchzen, weswegen ich das Gesicht verzog. So richtig schön weinerlich. "Heulst du jetzt?", wollte Hizumi mit hochgezogener Augenbraue wissen, woraufhin ich nur den Kopf schüttelte statt zu antworten. Meine Stimme hätte eh versagt. "Hab ich was Falsches gesagt? Bin ich dir irgendwie....zu nahe getreten?", wollte er mit einer Stimme wissen, die klang, als hätte er ein Mädchen vor sich, dass er jetzt zum Weinen gebracht hatte. Ich wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln und zog die Nase hoch. "Schon gut, lass mich einfach", wimmerte ich und verschränkte trotzig die Arme. Auf einmal lachte Hizumi. "Du bist echt ein Mädchen. Ich hab mich schon von Anfang an gewundert, warum du in dieser Bar hockst. Da hast du echt nichts zu suchen." Aus großen Augen starrte ich ihn an. "Was, wie bitte? Ist das dein Ernst?" Er lachte wieder. "Jetzt klingt deine Stimme wieder ganz normal. Gehts dir besser?" "Nicht wirklich...du hast mich beleidigt." "Aber du heulst nicht mehr", erwiderte er grinsend und leerte seinen Drink. Ich hob die Augenbrauen. Was für ein Spinner. "Du gehst jetzt besser." "Ach komm, es fahren keine Bahnen mehr. Ich komm gar nicht nach Hause. Ich wohne zwei Stunden zu Fuß weg, glaube ich. Ich schlaf auf der Couch, ok?" Er nahm sich die Decke, die über der Sofalehne hing. Ich starrte ihn an. Ich wollte keine Fremden in meiner Wohnung. Aber er hatte Recht, er würde laufen müssen. Und wenn er wirklich so weit weg wohnte, hatte ich kein gutes Gefühl dabei, ihn vor die Tür zu setzen. "Aber morgen um 6 bist du hier weg!" Entsetzt erwiderte er meinen Blick. "Was, wieso denn schon so früh?" "Weil ich dann aufstehe um zur Arbeit zu gehen und ich habe keine Lust auf dein giftiges Gesicht am Morgen." Hizumi schnaubte. "Das geht mir mit dir ähnlich. Du schaust den ganzen Tag nur mürrisch, das muss ich mir nicht geben." "Schön, dann sind wir uns ja einig", erwiderte ich nur und trank mein Glas aus, bevor ich aufstand. "Ich bring dir noch ein Kissen. ...und du wirst sicher Gesellschaft von der Katze bekommen." "Solange sie mich nicht vollkotzt...", murmelte er und machte es sich auf der Couch bequem. Ok...offenbar hatte er nicht vor, ins Bad zu gehen. Ich brachte die Gläser in die Küche, holte Hizumi das Kissen, wünschte ihm eine gute Nacht und verzog mich ins Bad. Sobald ich im Bett lag, fing ich wirklich an zu heulen. Ich wickelte die Decke fest um mich und schluchzte ins Kissen. Hizumi musste mich nun wirklich nicht hören. Ja, mein Leben war ein Chaos, da hatte er Recht. Und ich hatte niemanden, der mir half es zu ordnen. Ich wollte nur mit jemandem vernünftig reden. Aber es gab niemanden. Alles flüchtige Bekanntschaften. Unter Umständen hätte ich noch mit Tsukasa reden können, aber seit der den Chef raushängen ließ, war er unerträglich. Außerdem wollte er was von mir. Oder er hatte es gewollt. Und dann mit meinen Beziehungsproblemen anzukommen, war sicher nicht sehr passend. Ich krallte die Finger ins Kissen und schniefte leise. Ich war immer allein zurecht gekommen, aber jetzt, jetzt hätte ich jemanden an meiner Seite gebraucht. Eine zeitlang war das mal Karyu gewesen. Vor allem bevor wir zusammen gekommen waren. Und nun war alles anders. Veränderungen waren scheiße. Aber es war Zeit, etwas zu tun. Auch wenn es mir nicht gefiel. Auch wenn mir die Alternative nicht zusagte. Vielleicht musste man allerdings erst wirklich an den Tiefpunkt gelangen, um wieder aufstehen zu können und zu neuen Höhen aufzustreben. Das hatte ich schon einmal durch. Besonders hoch war ich zwar nicht gekommen, aber es hätte schlimmer kommen können. Jetzt bekam ich eine neue Chance, aus meinem Leben etwas zu machen und das zu erreichen, was meine Mutter immer für mich gewollt hatte: glücklich und zufrieden zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)