Janus von DeischyYukino ================================================================================ Kapitel 2: Teil 2 ------------------ Niemals! Niemals, werde ich dies zu lassen!" donnerte der König. "Der Schwarze Wolf hat noch keinem Menschen etwas gutes getan. Mein Sohn wird sich nicht die Klauen eines Monsters geben, das Kinder aus ihrer Heimat entführt und zu Sklaven macht. Ich werde niemanden dulden, der einer solchen Bestie dient." Auf einen Wink kamen die Wachen abermals herbei und nahmen dem Alten seine Sachen ab. Janus realisierte nur halb, wie sie den Mann abführten, der ihm das Leben gerettet hatte. Seine ganze Zukunft schien mit einmal auseinander gebrochen zu sein. Grübelnd stieg Janus später am Abend die Stufen zu seinem Gemach empor. Er kam aus den Räumen seines Vaters, der ihm an diesem Abend die Medizin geben hatte. Wenn der König ihm diese überlassen hätte, wäre alles so einfach gewesen. Er hätte alles zusammen gepackt, den blauen Engel gesucht, der ihm gewiss helfen konnte. Doch sein Vater hatte die Blätter und die Tinktur unter seinem Bett in einer eisernen Truhe versteckt, weshalb selbst ein Diebstahl schwierig werden würde, mal abgesehen davon, dass Janus noch nie etwas gestohlen hatte, konnte er das Schloss nicht knacken."Verdammt!" Mit Schwung warf er seine Zimmertür hinter sich zu. "Was machst du nur immer, großer Bruder? Manchmal weiß ich nicht, wer von uns der Ältere ist." Roland stand am offenen Fenster und schaute dem Sonnenuntergang zu. "Keine Ahnung." murmelte Janus. Mit hängendem Kopf setzte er sich in seinen Lehnstuhl. Der warme Wind trug eine verirrte Biene herein, die einige Runden drehte, ohne eine Blüte zu finden. "Erinnerst du dich noch an den kleinen Dieb, von dem ich dir erzählt habe, an dem Tag, an dem du in den Wald geritten bist?" "Ja, was ist aus ihm geworden?" "Er ist entkommen. Ich habe gehört, wie er zum blauen Engel gebetet hat. Er hatte Hilfe. Lass mich dir helfen Bruder. Lass uns die Truhe zusammen stehlen." Janus lächelte, als er sich den Tobsuchtsanfall des Königs vorstellte, wenn er die fehlende Medizin bemerken würde, aber dann wurde er ernst. "Nein Roland, ich kann dich da nicht mit reinziehen. Das habe ich dir aber schon so oft gesagt." Roland seufzte. "Alleine wirst du es aber nie schaffen an die Truhe heran zu kommen, geschweige denn, das Schloss zu öffnen." "Aber Vater wird alles daran setzten, damit ich nicht sterbe." "Und du wirst dann vermutlich dein ganzes Leben an diesen Hof gefesselt sein. Wenn du nicht bald von hier verschwindest, wirst du nie mehr gehen", konterte Roland scharf. Janus blickte auf, seinem Bruder direkt in die Augen. Bisher hatte Roland ihm zwar auch seine Hilfe angeboten, jedoch dabei immer gelacht. So war es für Janus ein leichtes gewesen, ihn abzuwehren. Doch die jetzige Situation macht ihm Angst. Die selbe Angst entdeckte er nun in Rolands Augen. So lange er zurück dachte konnte er sich nur daran erinnern, dass Roland stets alles getan hatte, was er wollte. Angefangen, von der Pflege des Gartens seiner Mutter, bis hin zu heimlichen Besuchen im Hochwald. Immer hatte er ihn gedeckt, bzw. unterstützt. Außerhalb des Kampfplatz schien es keine brüderliche Konkurrenz zu geben. Trotzdem hatte Janus es vermieden Roland so tief in seine Fluchtpläne mit hinein zu ziehen. Roland würde es schon schwer genug haben, wenn er nicht mehr da war. "Sag mir warum du das für mich. Warum bekämpft du mich nicht, wie es unter Brüdern üblich ist?" Roland blicke wieder aus dem Fenster. Erst glaubte Janus er wollte nicht antworten, aber dann fing er an zu sprechen. "Der König und Mutter waren sehr streng zu mir, schon von klein an. Du kennst das, ein Prinz muss dies, ein Prinz sollte das, er darf das nicht und so weiter. Aber du warst da immer anders. Das erste mal das ich so richtig herzhaft gelacht habe, war mit dir. Wenn ich mit dir zusammen war, sah ich die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Sie war nicht groß und gefährlich, sondern eine riesige Spielwiese, auf der man sich austoben konnte. Ich war immer glücklich, wenn ich mit meinem großen Bruder zusammen war. Und es macht mich traurig, dich unglücklich zusehen. Lass uns die Truhe zusammen stehlen und dann verschwinde von hier. Such deinen blauen Engel, damit du endlich glücklich wirst." Janus nickte geschlagen, ja sie würden diese Truhe zusammen stehlen. Vielleicht konnte er Roland überreden mitzukommen? "Und wie sollte er das schaffen?" hörte Janus den König die Königin fragen. Verwirrt verharrte er vor der Tür zum königlichen Gemach. Er hatte Klinke bereits herunter gedrückt und die Tür einen Spalt geöffnet. Das königliche Paar war so in sein Gespräch vertieft, dass es Janus' Klopfen einfach überhört hatte. "Der Schwarze Wolf ist ein mächtiges Zauberwesen. Selbst wenn Janus sein Vertrauen gewinnt, hätte er nie die Macht dazu und du weißt dass das Biest gedroht hat mir alles zu nehmen, was mir wichtig ist?!" "Nur kein Sorge, mein Herr! Ich denke ich sehe da eine Möglichkeit." Aus dem Zimmer kam erst ein Quietschen, dann ein Rascheln. Kurz darauf fragte der König "Wo habt Ihr den her?" "Den hab ich zur Hochzeit von meinem Vater geschenkt bekommen. Ich wollte ihn so lange aufheben, bis er sich als wirklich nützlich erweisen würde." Janus überlegte ob er diese Zimmer wirklich betreten wollte. Er sah Unheil auf sich zu kommen, aber eine echte Wahl hatte er nicht. Draußen ging bereits die Sonne unter und so klopfte er noch einmal lauter, um sich bemerkbar zu machen. "Herein!!!" rief der König, jedoch erst nach einer Weile. Selbst ohne seine Throngewänder sah sein Vater immer noch sehr majestätisch aus. Er saß in einem der hohen Lehnstühle am Fenster. Die Königin hatte ihm gegenüber Platz genommen. "Ah, Janus, mein Sohn. Gut, dass du kommst! Wir haben gerade von dir gesprochen." Janus näherte sich den beiden vorsichtig. Er hatte nur die Hälfte ihres Gespräches mitbekommen, aber das reichte schon, um ihm Magenschmerzen zu bereiten. "Setz dich! " sagte der König und wies auf den dritten Stuhl neben dem Fenster, der sonst nur hohen Gästen vorbehalten war. Etwas derartiges hatte er noch nie getan. Wachsam setzte sich Janus auf die Stuhlkante. Der König legte die Fingerspitzen aneinander. Seine Stirn war in Falten gezogen, als dächte er angestrengt nach. Eine angespannte Stille breitete sich aus. "Du weißt, mein Sohn", begann er langsam "ich habe es immer vermieden, dich in Regierungsangelegenheiten mit hineinzuziehen. Du solltest ein glückliches, sorgloses Leben führen, so lange es ging. Doch mittlerweile bist du zu einem jungen Mann heran gewachsen, den das wahre Leben eingeholt hat und dem er sich stellen muss." Janus nickte als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte. Doch in ihm brodelte es. Alle Glocken schlugen Alarm. "Für dich, als meinen Nachfolger, heißt das zum einen gesund zu werden und zum anderen den Feinden des Landes Einhalt zu gebieten." Wenn Janus nicht schon daran gedacht hätte, die Truhe zu stehlen und so bald wie möglich zu verschwinden, wäre er jetzt in Panik ausgebrochen. Stattdessen frage er mit trockener Kehle "Wie habt ihr euch das vorgestellt?" "Weißt du was das ist?" Der König schob einen Leinenbeutel, der vor ihm auf dem Tisch lag zu Janus herüber. Janus griff danach und versucht dabei nicht all zu sehr zu zittern. Als er ausgepackt hatte, musste er schlucken. Es war ein kleiner Doch, mit ledernem Griff, in einer sehr abgenutzten Scheide. Er drehte ihn in den Fingern und besah sich die Klinge. Direkt unter dem Heft war ein kleines Zeichen eingeprägt, das mit einem kleinen Rubin veredelt war. Janus versuchte, die Augen nicht weit aufzureißen. In seine Händen hielt er den Erdenblutdolch, eine Waffe, der magische Kräfte nachgesagt wurden. Der König fuhr in des gelassen fort "Du weißt, dass ich schon lange ins Auge gefasst habe, den schwarzen Wolf zu Strecke zu bringen. Er hat schon zu viele unserer Kinder aus dem Schoß ihrer Müttern gestohlen. Doch bis jetzt konnte mir kein Mensch sagen, wo sein Reich liegt. Aber jetzt haben wir eine einmalige Gelegenheit. Sein Diener sitzt in unserem Kerker und er hat angeboten, dich direkt zum schwarze Wolf zu führen." Alles in Janus sträubte sich, seinem Vater noch weiter zu zuhören. Was der König da vorschlug, kam einem Mord gleich, etwas was in Janus' Augen weder ein König noch ein Prinz tun sollten, diese Ansicht hatte er jedoch nicht von seinem Vater vermittelt bekommen, weshalb er lieber fragte "Glaubst du wirklich, dass der alte Heiler mich jetzt noch zum schwarzen Wolf führt, nachdem du ihn eingesperrt hast?" "Nun, ich werde mich selbstverständlich bei ihm entschuldigen und ihm seine Sachen zurück geben, darauf wird er schon eingehen, schließlich will er sich ja deiner bemächtigen. Dem Volk werde ich morgen sagen, der Alte habe dich geraubt, so wie sein Herr es immer tut. Ihr werdet noch heute Nacht aufbrechen. Wir wollen ja keine Zeit vergeuden. Mit dem Dolch wirst du dich wehren können und dies hier wird dich beschützen." Der König langte noch einmal neben sich. Als Janus sah was er hervor holte, wusste er nicht was er sagen sollte. Es sah aus wie die Kapuze eines Jägers, aber diese Stück Stoff war weit wertvoller als alles Gold, dass die Schatzkammer beherbergte. Die Tarnkappe hatte Janus nur einmal in seinem Leben zu Gesicht bekommen. Wenn er sie seinem Sohn wirklich auf die Reise mitgab, vertraute ihm sein Vater mehr als Janus je gedacht hatte. Allerdings war Großzügigkeit noch nie das Problem des Königs gewesen, vor allem nicht, wenn er seine Pläne verwirklicht sehen wollte. Doch als Janus wieder vor der Tür des königlichen Gemachs stand, brach alles über ihm zusammen. Er rammte die Faust geradewegs gegen eine steinerne Wand. "Dieser verfluchte Hurensohn!" Es tat fürchterlich weh. Nichts hatte der König ihm mitgegeben, weder den Dolch noch die Tarnkappe. Noch dazu steckte er ab jetzt bis über beide Ohren in einer dieser politischen Intrigen, die sein Vater regelmäßig spann, um seine eigene Macht zu mehren. Der schwarze Wolf, so erzählte man sich, horte bergeweise magische Gegenstände in seinem Reich. Wenn sein Vater diese Dinge in seinen Besitz bringen konnte, konnte er jeden anderen Herrscher bedingungslos in die Knie zwingen. Außerdem machte es Janus' eigene Pläne zunichte. Die Truhe konnten sie nur im Morgengrauen stehlen, denn erst dann schlief das königliche Paar den Schlaf der Gerechten. "Du wirst alles heute Nacht erhalten, wenn du auf Blutwind steigst." Mit diese Worten war Janus entlassen worden. Wenn er heute Nacht tatsächlich auf Blutwind stieg, dann hatte der Heiler bereits seine Sachen zurück erhalten. Er würde dann von dem Alten abhängig sein, anstatt von seinem Vater. Die Medizin von ihm zu stehlen, würde noch schwieriger werden, da er den kleinen Beutel immer am Gürtel trug. Außerdem schien der Alte einen sechsten Sinn für Bewegungen zu haben, weshalb ihm die Tarnkappe wenig nutzen würde. Janus presste die Zähne fest aufeinander, als er die Stufen hinab stieg, wirklich zwingen konnte der König ihn nicht bei seiner Intrige mitzumachen. Nur wenn Janus heraus fand, dass der Wolf tatsächlich so böse war wie man sich erzählte würde er etwas unternehmen. Er überlegte auch, ob er dem Alten nicht einfach sein Schwert an die Kehle halten und die Herausgabe der Blätter erzwingen sollte, doch schon im nächsten Moment war ihm klar, dass er das nicht wirklich übers Herz bringen würde. Er vertraute dem Alten nicht unbedingt, aber grundlos jemanden zu bedrohen, war einfach nicht Janus' Art. Ratlos machte sich Janus auf die Suche nach Roland, wenn jemanden etwas einfallen sollte, dann ihm. Zwei Tage später saß Janus auf dem Rücken von Blutwind und ritt zusammen mit dem Heiler in eine für ihn unbestimmte Richtung. Es schien als würde der Alte zaubern, denn obwohl sich Janus des öfteren sicher war, dass sie eigentlich nach Norden reiten mussten, ging die Sonne rechts von ihnen unter. Roland war keine Möglichkeit eingefallen, wie er sich den Plänen seines Vaters entziehen konnte, außer der Tatsache, dass er den Alten über die Pläne seines Vaters aufklärte, was Janus strickt abgelehnt hatte. Vielleicht würde der König und mit ihm das ganze Reich, dann in ernste Schwierigkeiten geraten. Niemand wusste, was der Heiler bzw. der Schwarze Wolf wirklich vor hatten. "Sollte sich herausstellen, dass der Alte die Wahrheit sagt und der Wolf mich tatsächlich nur heilen will, was ich mir nicht vorstellen kann, dann kann ich ihm immer noch alles erzählen", hatte Janus Roland auf diesen Vorschlag geantwortet. Er war schon genug mächtigen Menschen begegnet, um sich darüber im klaren zu sein, dass einer nicht besser als der andere war. Der Alte stellte sich als ein recht stummer Weggefährte heraus. Obwohl sich der König ausgiebig entschuldigt hatte, besprachen sie nur das nötigste miteinander. Deshalb krochen die ersten 14 Tage zäh dahin, die Sommersonne brannte ihnen im Genick, und um der Langeweile zu entkommen, beobachtete Janus seinen Reisegefährten aufmerksam. Er hatte die Angewohnheit, die Nasen der Pferde jeden Morgen mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit einzureiben, während er leise mit ihnen sprach. Außerdem ritten sie den ganzen Tag, und stets bevorzugte der Alte Wege, am Waldesrand entlang. Er mied menschliche Siedlungen so gut es ging. Eine Rast machten sie nur, wenn er ein interessantes Kraut entdeckte. Dann zügelte er sein Pferd ruckartig, sprang herunter und besah sich die Pflanze sehr genau. Bereits beim zweiten mal hatte Janus gelernt, dass man während dieser Studien beruhigt eine Mittagspause einlegen konnten, also sorgte er für eine gute Mahlzeit und die Pferde und legte sich in den nächstbesten Schatten. Der Unterricht bei dem dicken Leibkoch seines Vaters zahlte sich nun aus, auch wenn ihm beim ersten mal der Dreibein mit dem Topf fast zusammen gefallen wäre und er sich schlimm verbrannte, als er ihn mit bloßen Händen wieder aufrichten wollte. Ein paar Mal versuchte Janus sich mit dem Alten über die Kräuter zu unterhalten, die er studierte, aber dessen Antworten waren so einsilbig gewesen, dass er es dabei beließ. Fünfzehn Tage nachdem sie aufgebrochen waren, machte der Alte schon am frühen Nachmittag halt. Er hatte mal wieder eine interessante Pflanze am Wegesrand entdeckt und Janus rechnete sich aus, dass sie heute nicht mehr weiter ziehen würden. Mit jedem Mal waren seine Studienzeiten länger geworden. Und tatsächlich hockte er noch bei Sonnenuntergang dort, außerordentlich vertieft in seine Betrachtungen einer kleinen Pflanze mit hellblauen Blütenblätter. Janus, der ihr Lager ein Stück den Weg hinauf unter einer alten Eiche aufgeschlagen hatte, musste zu ihm gehen, damit er seine Medizin bekam, was vorher noch nie vorgekommen war. Doch bevor er das Lager verließ, geschah etwas unerwartetes. Mitten im Lager stand ein ganz in Schwarz gekleidete Frau und tätschelte Blutwind die Nase. Das Kochfeuer zauberte kleine Sterne auf ihr langes rabenschwarzes Haar. "Guten Abend Hoheit!!" sagte sie mit einer so honigsamtenen Stimme, dass Janus die Knie weich wurden. "W..wer... wer seid ihr?" fragte Janus. Ihre außergewöhnliche Schönheit zog ihn an, wie eine Biene die vom Duft der Blüte angezogen wurde. Die schwarzen Augen schienen undendlich tief zu sein. "Das ist etwas das wir später bereden können, doch jetzt sollten wir uns beeilen und von hier weggehen." Janus starrte gebannt in das schmales Gesicht, mit der kleinen Nase und dem Kirschmund, der selbst in der Dunkelheit, die hereingebrochen war, von der ansonsten weißen Haut hervor stach. Der Gedanke mit ihr zu gehen, war verführerisch, selbst wenn sie ihm den Grund nicht genannt hatte. Nur ein letztes Bisschen Vernunft erinnerte Janus an den Heiler, der samt seiner Medizin, immer noch am Wegesrand hockte. Zumindest das Blatt für heute Nacht und den nächsten Tag musste er sich abholen. Es gruselte Janus bei dem Gedanken, noch einmal solche Schmerzen ertragen zu müssen. "Kommt schon Hoheit!! Wir haben es eilig. Wir können später ja wieder kommen." Unsicher machte Janus einen Schritt in ihre Richtung hielt dann aber sofort wieder inne. "Was habt ihr mein Prinz? Vertraut ihr mir nicht?" Die Antwort auf diese Frage war eindeutig "Nein" Etwas unsagbar kaltes hatte sich in dem Moment in ihm breit gemacht, als er auf sie zu gegangen war, trotzdem blieb ihre Stimme so verführerisch wie Samt. Wenn nicht bald etwas passierte, würde er mit ihr gehen, selbst, wenn er dabei vor Schmerzen wahnsinnig wurde, oder gar von innen heraus erfror. "Euch zu vertrauen ist eine Torheit, auf die sich kein halbwegs kluges Lebewesen einlässt", sagte eine Stimme aus dem Hintergrund. Sowohl Janus als auch die Unbekannte wandten sich um. Der Heiler trat aus der Dunkelheit, so als habe er gerade ein unsichtbare Tür geöffnet. "Ah, du alter Mann! Hast du dich doch noch von deinen lächerlichen Pflanzen losreißen können?" Ihr Stimme klang höhnisch und der Zauber, der sie bis zu diesem Moment umgeben hatte, verschwand. Das mädchenhafte Gesicht schien von einem Moment zum anderen um Jahre zu altern, die Nase wurde spitz, die Lippen schmal. "Willst du mich aufhalten? Dein Herr hat doch kaum genügend Macht dazu." Der Alte antwortete nicht, stattdessen hob er die Hand. Janus konnte sehen, dass er darin einen dunkelgrünen Kristall hielt. "Ah, hat er dir einen gegeben?" sagte die Frau und Janus spürte Unsicherheit in ihrer Stimme "Von dem Jungen muss er sich ja sehr viel versprechen." Doch der Heiler ging nicht auf ihre Sticheleien ein. Er bellte ein Wort, welches Janus nicht verstand. Die Spitze des Kristalls fing an zu glühen. Das Licht wurde rasch stärker und stärker, bis es sie erfasste und aus dem Lager weit ins Land hinein schleuderte. Janus sah ihr verblüfft nach, bis sie entglültig verschwunden war, dann drehte er sich wieder zu dem Alten um, aber sagen konnte er nichts, er stand nur einfach nur da. Magie war für ihn nicht neues. Der Blaue Engel hatte sie regelmäßig gebraucht, doch niemals auf diese Art, nicht um zu kämpfen. Janus fragt sich ernsthaft ob sein Vater überhaupt eine Vorstellung hatte wie stark der schwarze Wolf tatsächlich war. Es würde alles andere als leicht werden, ihn zu betrügen oder gar zu töten. Erschöpft setzte sich der Heiler ans Feuer und stocherte gedankenverloren mit einem Stock darin herum. "Wer war das?" wollte Janus aufgeregt wissen. "Die graue Hexe", antwortete der Alte ohne auf zusehen. Das Feuer spiegelte sich in seinen Augen. "Wenn ihr bei meinem Herrn lebt, dann solltet ihr wohl mehr über sie wissen." Ein wenig ernüchtert von dieser einsilbigen Antwort, horchte Janus dennoch auf. "Seit fast zwei Jahrzehnten versucht sie, des schwarzen Wolfes und seines Reiches habhaft zu werden. Aber bis jetzt hat sie es nie geschafft, auch wenn ihre Macht größer ist als seine." "Warum will sie es und was wollte sie von mir?" Der Prinz setzte sich, denn seine Beine hatten angefangen zu zittern. Auch wenn ihm alles wie in einem Traum erschien, die Kälte in seinem Körper fühlte sich noch sehr wirklich an und das Feuer vor ihm wärmte viel zu langsam. Etwas verspätet antwortete der Heiler auf seine Frage. "Ihre Magie bedeutet den Tod, die meines Herren bedeutet Leben. Sie nimmt das Leben anderer, um selbst weiter existieren zu können und sollte sie es je schaffen, den Wolf und sein Reich in die Finger zu bekommen, wäre sie unsterblich. Deshalb will sie ihn und was sie von Euch will, kann ich nicht sagen. Vielleicht als Unterpfand." In Janus' Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ihm wurde mit jedem Moment mehr bewusst, dass er in noch etwas viel größeres verstrickt worden war, als die Intrigen seines Vaters. Er wünschte sich nichts mehr als an einem stillen Ort zu sein, blauen Engel in seiner Nähe. Es war eindeutig zu viel für einen Tag. "Habt ihr sie denn nicht mit diesem Kristall für immer gebannt?" fragte er dennoch. "Nein, ich habe sie nur in ihr Reich zurück geschickt, aus dem sie jetzt sieben Tage lang nicht entkommen kann. Ich kenne keine Macht der Welt, die sie für immer vernichten könnte. Mein Herr sucht schon ewig nach einer Möglichkeit." Janus wusste nicht, ob er jetzt erleichtert oder beunruhigt sein sollte. Er hasste solche ständigen Machtkämpfe mehr als die Pest. Der Wolf war nicht besser oder schlechter als die Hexe und umgedreht, dessen war sich Janus sicher. Er wünschte sich alles möge nur ein schlechter Traum sein, aus dem er am nächsten Morgen sorglos erwachen durfte. Das Erwachen am nächsten Tag war für ihn tatsächlich sehr angenehm. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten Janus' Nase frech, so dass er niesen musste. Der Heiler lag noch in tiefem Schlaf, weshalb Janus sich daran machte, das Frühstück zuzubereiten. Aber während er Eier anbriet und Brot röstete, drehten sich seine Gedanken im Kreis. Der Wolf, die Hexe, sein Vater, der Engel; seine Mutter, die dies alles bestimmt nicht gewollt hätte und Roland der ihm hilflos hinterher gestarrt hatte, als sie um Mitternacht von Burg Feuchtwald los geritten waren wie Diebe. Janus seufzte traurig und machte sich dran, den Alten zu wecken. Die Frage, wie lange sie noch bis zum magischen Gebirge, wie das Reich des schwarzen Wolfes im Volksmund genannt wurde, brauchen würden, hatte der Heiler bis jetzt noch nicht beantwortet. Ihr Weg führte noch lange am Wald entlang, doch schließlich schlängelte er sich hinauf in ein hohes Gebirge. Janus war sich sicher, sie würden von diesen Bergen nicht mehr heil hinunter kommen, so steil und unsicher war es geworden. Schließlich tat sich vor ihnen ein Tal auf, dessen Ende man am Horizont nicht erkennen konnte. Die leicht hüglige Landschaft an seinem Boden, war mit einem dichten Wald überwuchert, den bewegte Nebelschwaden durchzogen Der Heiler zügelte sein Pferd und seufzte. "Warum halten wir?" fragte Janus irritiert Mit einem Glanz in den Augen, den Janus bei ihm zuvor noch nie gesehen hatte, antwortet er selig "Wir sind endlich zu Hause." Bei diesen Worten stieg ein bedrückendes Gefühl in Janus auf. Irgendwie hatte er bis zu diesem Moment gehofft, die Reise würde ewig weiter gehen. Um sich selber davon abzulenken fragte er. "Wie weit geht dieser Wald?" "Bis zur anderen Grenze. Der Wald ist das Reich. Wer ihn verlässt, verlässt auch meinen Herrn." Der Alte sprach diese Worte mit so viel Liebe und Inbrunst aus, dass Janus sich sicher war, ein Zauber müsse auf dem Heiler liegen. Er war im Leben auf noch keinen Untertan getroffen, der seinem Herrn mehr als Respekt entgegen brachte. Sicher hatte der Wolf die Seele diesen Alten Mannes mit irgendetwas geblendet, damit er die Grausamkeiten nicht sah, die der Wolf in der Welt anrichtete. Als sie schließlich im Tal angekommen waren, stieg Janus erschöpft vom Pferd. Eine bleierne Müdigkeit hatte sich auf dem Pfad hinunter auf ihn gelegt. Der Nebel, den sie von oben gesehen hatten, wurde jetzt so dicht, dass Janus kaum 15 Schritt weit sehen konnte. Die Grenze des magischen Gebirges stellte sich als eine tatsächliche Grenze heraus, denn die äußeren Bäume, des Waldes standen dicht an dicht, aufgereiht wie auf einer Perlenschnur. In den wenigen Zwischenräumen, durch die vielleicht ein Kind durchkrabbeln konnte, wuchs dorniges Gestrüpp. Auch der Heiler war abgestiegen. Er ging den Pfad weiter, der am Waldrand zu Ende war, so als sei er einfach dort abgeschnitten worden und begutachtete die Bäume, betastete sie. "Ihr könnt euch setzten, wenn Ihr mögt, Hoheit," schlug er Janus vor, als er wieder zurück zu den Pferden kam. "Es wird etwas dauern, bis wir eingelassen werden." Janus war sehr dankbar dafür. Er setzte sich zwischen die Wurzeln eines Baumes, der offensichtlich nicht zu dem Wald gehörte, und lehnte sich entspannt zurück. Irgendetwas in seinem Geist sagte ihm noch, dass er gerade einen Fehler beginn. Doch der Schlaf ließ sich nicht mehr aufhalten, als sein Kopf den Stamm berührte. Er legte sich über den Prinzen, wie eine weiche warme Decke, in die man sich nur all zu gerne einkuschelte und bescherte ihm sanfte Träume. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)