Teach me how to love again von Lelu ================================================================================ Kapitel 23: ------------ Durch das schlechte Licht im Raum waren die Menschen kaum zu erkennen. Aber das war Erik egal. Er wollte ja nicht mit ihnen reden, sondern seine Ruhe. Vor allem da sich hier wohl nur Kleinkriminelle und Möchtegerngangster her verirrten. Diese Feststellung brachte ihn unweigerlich wieder zu der Frage, warum er hier war. Doch diese war leicht zu beantworten. Nachdem er den Platz vorm weißen Haus verlassen hatte, suchte er einen Ort um unterzutauchen. Diese Bar, wenn man das so nennen konnte, war ihm als passend erschienen. Sie hatte einen schlechten Ruf in der Stadt, zumindest unter den braven Bürgern. Denn in zwielichtigen Kreisen genoss sie den Ruf von der Polizei gemieden zu werden, egal was in der Stadt los war. Hier kam nie ein Cop hin, um nach jemandem zu suchen. Warum das so war, wüsste Erik gerne. In erster Linie weil sie den ansprechenden Namen Devil`s Nest trug und diesem auch alle Ehre machte. Wenn er Polizist wäre, würde er genau hier als erstes nach einem Straftäter suchen. Aber auch das war ihm egal. Erik hob die Hand, um dem Barkeeper zu zeigen, dass er noch einen Whisky wollte und sah sich in der Bar um. Es waren mittlerweile viele bekannte Gesichter dabei. Nicht dass er sich mit einem dieser mickrigen Menschen unterhalten hätte, er wohnte aber nun schon seit knapp zwei Wochen hier, da blieb es nicht aus, dass man sich die Gesichter anderer merkte. Der Barkeeper, Erik hatte seinen Namen schon wieder verdrängt, stellte ihm ein weiteres Glas hin und verzog sich wieder ans andere Ende der Theke. Erik nahm das Glas und betrachtete die Flüssigkeit darin. Noch vor einigen Tagen hatte er diese Literweise in ein Spülbecken geschüttet und jetzt saß er hier und tat genau das, was er Charles vorgeworfen hatte. Er betrank sich oder hatte es zumindest vor. Gedankenversunken starrte er in das volle Glas. Was Charles jetzt wohl gerade tat? Er hatte nicht versucht ihn zu finden und das obwohl Erik extra den Helm nicht aufzog. Er wollte, dass sein kleiner Telepath nach ihm suchte und ihn finden konnte, ja hoffte jeden Tag inständig, dass ihn Charles Geist berühren würde. Doch diese Berührung blieb aus und Erik zweifelte langsam daran, dass der Kleinere ihn je wiedersehen wollte. Und wer konnte es ihm verübeln? Immerhin hatte er ihn schon wieder alleine gelassen. Aber es war doch nur zu seinem Schutz gewesen, er hatte geglaubt Charles würde das verstehen. Wenn er geblieben wäre, oder Andeutungen gemacht hätte, dass er nach Westchester zurückkommen würde, dann wäre Charles unter polizeiliche Überwachung gestellt worden und hätte niemals seinen Frieden bekommen. „Hey! Mach mal lauter!“, rief plötzlich jemand und als Erik aufsah, erkannte er einen der Gäste, der auf den kleinen Fernseher in der Ecke deutete. Der Barkeeper nickte, griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton lauter. Ein eisiges Lächeln stahl sich auf Eriks Züge, als er den Worten der Nachrichtensprecherin folgte. „…des Beschlusses, Mutanten so wie normale Menschen zu behandeln, kommt es immer noch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Rassen. Die Meinungen der Bürger gehen bei diesem Thema jedoch weit auseinander. Hier einige Statements zum Thema: Dürfen Mutanten frei und vor allem unerkannt unter uns leben?“ Eine Frau wurde eingeblendet, bei deren Anblick Erik eine Augenbraue hochzog. Aufgerüscht mit einem pinken Kleid, mit Schleifen drauf, stand sie vor einem Kaufhaus und versuchte sich unauffällig so zu drehen, dass die Kamera wohl ihre Schokoladenseite filmen konnte. „Also ich finde es unheimlich zu wissen, dass mein Nachbar ein Mutant sein könnte. Diese Ungewissheit bringt mich noch um. Ich suche schon bei jedem, der an mir vorbeiläuft noch Anzeichen einer Mutation. Ich wäre dafür, dass unsere Forscher schnellstmöglich ein Gegenmittel, gegen diese Krankheit entwickeln, bevor sie sich noch schneller ausbreitet. Ist doch nicht zum Aushalten, die Vorstellung mir könnten plötzlich Schwimmhäute wachsen…Ekelerregend.“ Als nächstes kam ein älterer Mann, mit Bart und Brille, welcher er gerade wieder seine Nase hinaufschob. „Ich bin der Meinung, jeder hat ein Recht zu leben. Da ist es egal ob man Mensch oder Mutant ist. Man muss sich doch nur mal die Anfeindungen gegenüber Mutanten ansehen, die sich öffentlich gezeigt haben. Kein Wunder, dass sie lieber unerkannt bleiben wollen.“ Die Dritte im Bunde, war eine Frau, die ein kleines Kind auf dem Arm trug. „Meiner Meinung nach, sollten alle Mutanten erfasst werden. Am besten, man würde sie irgendwie Kennzeichnen, was weiß ich…vielleicht mit einem M, dass sie gut sichtbar irgendwo am Körper traten müssen. Also ich will schon wissen, ob mein Kind mit einem Menschen oder einem Mutanten spielt oder von wem es unterrichtet wird. Das sollte wirklich jeder Mensch für sich entscheiden können.“ Erik knurrte und stand auf. Kennzeichnen? Ein M gut sichtbar am Körper tragen? Warum nicht gleich wieder einen Stern und Nummern, die einem auf den Arm tattooviert werden? Diese Menschen waren einfach erbärmlich. Wenn sie etwas nicht kannten, dann musste es weg. Wenn ihnen etwas nicht in den Kram passte, wurde es beseitigt. Wütend stapfte er zu der Treppe im hintersten Teil des Raumes, um zu seinem Zimmer zu gehen. Gerade als er den Fuß auf die unterste Stufe setzten wollte, zog ein Gespräch seine Aufmerksamkeit auf sich. „Hast du das von diesem Telepathen schon gehört? Der, der beim weißen Haus dabei war?“ „Nein, was ist mit ihm?“ Erik setzte sich unauffällig an den Tisch gegenüber der kleinen Gruppe und stütze den Kopf auf die verschränkten Finger. Nach außen war er die Ruhe selbst. Innerlich jedoch war er so unruhig wie noch nie zuvor. Es war nur ein Telepath beim weißen Haus gewesen. Was war mit Charles? War er doch verletzt? „Er muss sich irgendeine Überdosis an Drogen oder Medikamenten gespritzt haben. Jetzt wurde er in die Klinik eingeliefert. Aber wie es aussieht geht es ihm ziemlich schlecht. Er scheint zwar wach zu sein, spricht aber mit niemandem“, erklärte der Mann, der als erstes gesprochen hatte. „Soll er doch. Von mir aus kann er krepieren. Ein Mutant weniger!“, meinte ein anderer. „He! Wie kannst du sowas sagen? Er hat immerhin mitgeholfen unseren Präsidenten zu retten“, fiel plötzlich eine Frau in das Gespräch ein. „Na und? Von mir aus hätte er den Papst persönlich retten können. Diese…Dinger sollten einfach alle beseitigt werden.“ Erik warf einen Blick zu dem Mann, der gesprochen hatte und stand auf. Während er auf den Tisch zuging fing der Metallbecher vor ihm an zu schweben. Als er neben dem Tisch stehen blieb, knallte der Becher gegen die Kehle des Mannes. Der schlug die Hände gegen diese und schnappte panisch nach Luft. Die anderen am Tisch sahen ängstlich und angriffslustig aus, doch das beeindruckte Erik nicht. Er legte dem Mann neben sich eine Hand auf die Schulter und lächelte ihn fast schon freundlich an. „Und genau diese Einstellung bringt mich dazu euch zu hassen und zu verabscheuen. Wir sind die nächste Stufe der Evolution. Wenn hier jemand beseitigt werden muss, dann seid das ihr Homosapiens“, sagte er, klopfte dem Mann noch einmal unsanft auf die Schulter und verließ die Bar dann. Charles hatte sich eine Überdosis gespritzt und lag nun in der Klinik. Wie viele Spritzen mussten das gewesen sein? Bei vier war er schon einen Tag lang ohnmächtig gewesen. Hank hatte erzählt, dass er bei acht beinahe gestorben war. Ein Stich jagte durch Eriks Herz hinab in den Magen. Was wenn bleibende Schäden bei ihm auftauchen würden? Was wenn er…Nein! Nein, diesem Gedanken erlaubte er noch nicht einmal sich vollständig zu bilden. Er konzentrierte sich auf seinen Weg, damit ihn die Panik nicht ganz übermannte und beschleunigte seine Schritte. Er musste so schnell wie möglich zu der Klinik kommen. Es dauerte einen Tag, bis Erik herausgefunden hatte, in welcher Klinik Charles lag. Nun stand er an der Anmeldung der Station 4 und wartete bis endlich eine Schwester auftauchte. Nachdem er zehn Minuten gewartet hatte, beugte er sich über die Theke und suchte nach einer Liste, in der Stand, wer in welchem Zimmer lag. Zwei Minuten später lief er den Flur entlang und suchte nach Zimmer 237. Gerade als er es gefunden hatte, wurde er gegen die Wand neben der Tür gestoßen und von einem Arm an seiner Kehle davon abgehalten sich wieder normal hinzustellen. „Was willst du hier?!“ Hank stand mit wutverzerrtem Gesicht vor ihm und drückte ihm die Luft ab. Erik hätte dieser halben Portion nie so viel Kraft zugetraut, wenn er nicht von seiner Mutation gewusst hätte. „Ich…will…u Char…“ „Das wirst du nicht tun!“, knurrte Hank und drückte fester zu. „Nur wegen dir liegt Charles hier. Nur wegen dir hat er…“ Hank brach ab, als sich plötzlich eine blaue Hand auf seine Schulter legte. Mystique war hinter ihm aufgetaucht und sah Erik ebenso wütend, wie froh an. Dieser wusste nicht, mit welchen Gefühlen er ihr begegnen sollte. Immerhin hatte er versucht sie zu töten, aber sie hatte ihn verschont und jetzt schien sie sich nicht sonderlich über sein Erscheinen zu wundern oder zu ärgern. Im Gegenteil, sie brachte Hank sogar dazu ihn loszulassen. Erik rieb sich einen Moment den Hals und sah die beiden dann mit hochgezogener Augenbraue an. Erst, als Mystique nach Hanks Hand griff, begriff Erik. Die beiden waren zusammen. „Lass ihn zu ihm. Vielleicht redet Charles ja mit ihm“, meinte sie und sah Erik ausdrucklos an. Dieser öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Geh, bevor ich es mir anders überlege und dich hochkant aus dem Fenster werfe.“ Ihre Stimme war ruhig, ein sicheres Zeichen, dass sie doch wütend war. Wer hätte es ihr verübeln können. Wahrscheinlich hätte Erik sie jetzt auch angegriffen, wenn es Charles nicht so schlecht gehen würde. Er konnte ja kaum einen klaren Gedanken fassen, vor Sorge, wie hätte er da kämpfen sollen. Er schluckte, nickte ihr dankbar zu und betrat das Zimmer. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, erlaubte er sich einen Blick auf das Bett zu werfen, welches am Fenster stand. Augenblicklich stockte ihm der Atem. Charles lag in dem Bett, aber er war kaum widerzuerkennen. Er hatte abgenommen und das einige Kilo zu viel. Auf seinen Schläfen klebte jeweils ein weißes Plättchen, das, durch ein Kabel, mit einem Monitor in der Ecke verbunden war. Außerdem führten noch weitere Kabel unter der Bettdecke hervor, ebenfalls zu dem Monitor. Von diesem ging ein gleichmäßiges Piepsen aus, immer im Takt von Charles Puls. Direkt neben dem Bett hingen zwei Infusionen, die mit je einer Nadel in Charles Handrücken verbunden waren. Außerdem wurde er zusätzlich durch einen dünnen Schlauch, der zu seiner Nase führte beatmet. Seine langen Haare waren ihm ins Gesicht gefallen und verdeckten dieses, aber Erik konnte sehen, dass er die Augen geschlossen hatte. Beim näher kommen sah er, dass diese sich schnell unter seinen Lidern bewegten. Anscheinend träumte Charles gerade. Erik ballte die Hände zu Fäusten und blieb mitten im Raum stehen. Verzweiflung machte sich in ihm breit. Charles lag hier, angeschlossen an Maschinen und Infusionen, die ihm wahrscheinlich die Schmerzen nehmen sollten und doch hatte er das Gesicht in stummer Qual verzogen. Er konnte nichts für ihn tun, fühlte sich so nutzlos wie schon lange nicht mehr. Aber vor allem fühlte er sich schuldig. Wenn er bei ihm geblieben wäre, wenn er doch nur nicht gegangen wäre. Wie selbstsüchtig war er gewesen? Er hatte nur daran gedacht, dass ihn die Polizei nicht noch einmal zu fassen bekommen durfte. Er würde nicht noch einen weiteren Tag in diesem Gefängnis ohne Metall aushalten und das war ihm wichtiger gewesen als Charles. Außerdem hatte er sich schon wieder nicht bei ihm gemeldet. Er hatte eine Woche verstreichen lassen, dann eine zweite und selbst dann wäre er nicht auf die Idee gekommen sich bei Charles zu melden, wenn diese Gruppe in der Bar nicht gewesen wäre. Am liebsten hätte er die Zeit zurückgedreht. Wie sollte er das nur je wieder gut machen? Wie sollte Charles ihm jetzt noch einmal verzeihen können? „Und?“ Hanks Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn zu diesem herumfahren. Er stand da, die Hände vor der Brust verschränkt und sah zwischen Erik und Charles hin und her. Er sah nicht überrascht aus, dass Charles immer noch schlief, aber auch nicht glücklich. Vielleicht hatte er wirklich gehofft, dass Erik ihn zum Reden bringen konnte. „Nichts, ich wollte ihn nicht wecken. Er sieht aus, als würde er den Schlaf brauchen“, erwiderte Erik ungewohnt leise und sanft. Hank sah ihn aufrichtig verwirrt an. Konnte es wirklich sein, dass er nicht bemerkt hatte, was zwischen ihm und Charles gelaufen war? So blind konnte Hank doch nicht sein, oder etwa doch? Wenn dem so war, dann sollte noch mal einer sagen Grips sei alles. Auf der anderen Seite, Hank war in solchen Dingen noch nie der Schnellste gewesen. „Das bräuchte er nicht, wenn du dich gemeldet hättest“, knurrte Hank, der sich schnell wieder gefasst hatte. „Wahrscheinlich“, kam die knappe Antwort. Jetzt sah Hank noch verwirrter aus. Mit aller Wahrscheinlichkeit fragte er sich, warum Erik sich nicht wehrte. Doch dieser hatte keine Lust zu streiten, nicht hier, nicht vor Charles. Also wandte er sich wieder von Hank ab, doch dieser schien das nicht einzusehen. „Warum musstest du das wieder tun? Warum hast du nicht einfach wieder nach Westchester kommen können?!“, wollte Hank wissen und man konnte die unterdrückte Wut in seiner Stimme hören. „Ich konnte nicht…Charles…Er hörte sich an, als wollte er mich nicht mehr sehen“, antwortete Erik und wandte sich nun doch wieder zu dem anderen um. „Kannst du vielleicht etwas leiser reden? Charles schläft so schon unruhig genug, auch ohne das du hier herumbrüllst.“ „Jetzt ist dir seine Gesundheit auf einmal wichtig, wie?! Vorm weißen Haus, war es dir doch auch egal, genauso wie auf Kuba!“ Nun war es an Erik verwirrt drein zuschauen. Was meinte er damit? Charles hatte doch keine Verletzungen gehabt, als er den Platz vorm weißen Haus verlassen hatte. Er war zwar in Hanks Armen gehangen, wie ein Schluck Wasser, aber das war normal. Schließlich konnte er ja nicht stehen. Außer einer kleinen Platzwunde am Kopf, hatte er keine Verletzungen bei dem Telepathen gesehen. „Wie…wie meinst du das?“, fragte Erik jetzt mehr als verwirrt. „Ganz einfach! Er…“ „Hank…“ Charles Stimme war leise, aber genau das ließ sie durch den ganzen Raum hallen, so als ob er geschrien hätte. Hank starrte Charles verwundert an, während Eriks Blick tiefe Erleichterung ausdrückte. „Lässt du uns bitte alleine?“, flüsterte Charles an Hank gewandt. Dieser nickte, ließ es sich aber nicht nehmen Erik einen warnenden Blick zuzuwerfen. Dieser hielt ihm kurz stand, sah dann aber zu Boden. Hank wusste nicht, was er davon halten sollte. Erik hatte noch nie vor ihm den Blick abgewandt. Mit einem Stirnrunzeln verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Erik wandte sich Charles zu, der ihn aus glasigen und müden Augen ansah, die ihm immer wieder zufielen. Er überlegte sich, was er zu ihm sagen sollte. Sollte er sich entschuldigen? Aber wollte Charles das überhaupt hören? Er hatte sich schon so oft entschuldigt und der kleinere hatte ihm mehr als einmal deutlich gemacht, dass er diese Worte nicht hören wollte. Also entschied er sich für etwas anderes. Er zog sich einen Stuhl an das Bett und sah Charles vorsichtig lächelnd an. „Was machst du nur immer für Sachen, wenn…“ „Erik, bitte, ich bin kein kleines Kind“, murmelte Charles. Er sah ihn nicht an und das irritierte Erik. Charles sah ihm normalerweise immer in die Augen. Nur selten, wenn ihm etwas zum Beispiel peinlich war, hatte er den Blick gesenkt. Aber vielleicht war ihm das Ganze ja peinlich. „Charles, ich weiß du willst das bestimmt nicht hören, aber…“, wieder wurde Erik von dem Kleineren unterbrochen. „Tut mir leid, Erik. Ich wollte nicht…dass du hier her kommst. Wenn dich jemand erkennt…Ich könnte mir nicht verzeihen…wenn sie dich wegen mir schnappen würden. Du…musst gehen!“ „Das kannst du vergessen.“ Erik schüttelte den Kopf. Glaubte Charles wirklich, er würde ihn alleine lassen, jetzt da er gesehen hatte, wie schlecht es ihm ging? Eher würde er sich in dem Zimmer verbarrikadieren, als jetzt zu gehen. Charles Husten zog Eriks Aufmerksamkeit auf sich und er runzelte die Stirn, als der Telepath keuchend einen Arm um den Leib schlang. Vorsichtig, so als hätte er Angst ihm weh zu tun, legte Erik eine Hand auf seine Schulter, bis der Hustenanfall vorbei war. Stumm schlug Charles die Decke zurück und zog sein Oberteil hoch. Er musste wohl Eriks Gedanken gelesen haben. Dieser sog scharf die Luft ein, als er den großen blauen Fleck sah, der die linke Hälfte von Charles Oberkörper bedeckte. Der Fleck hatte alle möglichen Schattierungen von Blau, Grün, Gelb und Lila angenommen, an manchen Stellen war er sogar schwarz unterlaufen. „Der Stahlträger des Flutlichtes…hat mir eine Rippe gebrochen“, erklärte Charles mit zittriger Stimme, als Erik ihn erschrocken ansah. „Warum hast du nichts gesagt? Verflucht, Charles, ich hätte dir helfen können. Ich wäre geblieben, wenn ich gewusst hätte, dass du verletzt bist!“ „Genau deswegen habe ich ja…auch geschwiegen“, Charles lächelte, sah ihn aber immer noch nicht an. „Ich wollte nicht, dass du wieder gefasst wirst…was zweifellos passiert wäre, wenn du…geblieben wärst. Es ist auch…nicht weiter schlimm. Die Rippe heilt gut und der blaue…Fleck ist schon besser geworden.“ Besser geworden? Wenn er schon am heilen war, wollte Erik sich gar nicht erst ausmalen, wie er vorher ausgesehen hatte. Verständnislos schüttelte er den Kopf. Wie hatte Charles das tun können? Mit gebrochenen Rippen ging man nicht so leichtfertig um. Er hätte dabei sterben können und das Ganze nur, damit Erik fliehen konnte? Charles war verrückt. „Bist du dir denn selbst so unwichtig, dass du für meine Sicherheit sterben würdest? Wie kommst du darauf? Seit wann ist dir dein Leben weniger Wert als meines?“, wollte Erik wissen und legte eine Hand an Charles Wange. Dieser schmiegte den Kopf in seine Hand und schloss einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, hatten sie ein bisschen von ihrem alten Glanz zurückbekommen, aber es lag auch noch etwas anderes in ihnen, ein leiser Hauch von Schmerz, der rein gar nichts Körperliches zur Ursache hatte. „Vom ersten Moment an, sonst wäre…ich nicht ins Wasser gesprungen“, antwortete Charles leise, aber deutlich. „Erik, ich weiß, ich kann dich…nicht dazu zwingen zu bleiben oder mich zu lieben. Aber bitte, wenn du…es nicht tust, dann mach es mir nicht noch schwerer. Sag es mir, damit…ich nicht wieder aus Verzweiflung etwas tue…dass ich später bereue.“ Ein weiteres Mal konnte Erik nur verwirrt in Charles Gesicht schauen. Was meinte er damit? Ihn zwingen, ihn zu lieben? Er liebte seinen kleinen Telepathen doch, mehr als alles andere auf dieser Welt. Deswegen hatte er ja auch den Krieg verhindern wollen, damit Charles in Frieden leben konnte. Wie konnte er nur glauben, er würde ihn nicht lieben? Erik schüttelte den Kopf. Natürlich! Charles glaubte das, weil er sich nicht gemeldet hatte. Er hatte keinen Kontakt mehr zu ihm gesucht und der Kleinere hatte das falsch verstanden. „Ich liebe dich doch, Charles“, lächelte Erik sanft. „Ich wollte nur nicht, dass du mit mir in Verbindung gebracht wirst und habe deshalb beschlossen, nicht nach Westchester zu kommen oder mich auf anderem Wege bei dir zu melden. Ich wollte einfach, dass du endlich in Frieden dein Leben leben kannst, mehr nicht. Das geht nicht, wenn herauskommt, dass du mit Magneto zusammen bist. Ich weiß doch, wie wichtig es dir ist bei den Menschen gut dar zustehen, auch wenn ich das immer noch nicht begreife. Ich wollte nur, dass du glücklich bist.“ Charles sah ihn mit Tränen in den Augen an. Er konnte es nicht fassen. Erik hatte das Gleiche für ihn getan, wie er für den Größeren. Er hatten ihn schützen wollen, in dem er jeden Kontakt zu ihm abbrach. Das Charles das nicht gleich begriffen hatte! Anstatt sich Vorwürfe zu machen, warum Erik sich nicht meldete oder sich einzureden, dass er diesem egal war, hätte er lieber sein Gehirn anstrengen und besser nachdenken sollen. Nur leider kam diese Einsicht ein bisschen zu spät. Charles wusste nicht, ob die Menge an Serum, welche er sich gespritzt hatte, zu bleibenden Schäden führte. Genau genommen, wussten das noch nicht mal die Ärzte, da sie das Serum nicht kannten. Hank musste es selbst herausfinden, aber trotzdem blieb Charles in der Klinik, bis es ihm besser ging und er nicht mehr Tag und Nacht überwacht werden musste. Momentan bestand immer noch die Gefahr, dass er einfach wieder in Ohnmacht fallen konnte. „Wie viel Spritzen hast du dir eigentlich gesetzt?“, riss Erik ihn aus seinen Gedanken. Charles, der endlich den Blick gehoben hatte, senkte diesen wieder auf seine Hände. Einige Minuten lang starrte er auf die Kanülen, durch die unaufhörlich Schmerzmedikamente und ein Gegenmittel von Hank liefen. Dann nuschelte er die Zahl. Erik konnte ihn unmöglich verstanden haben und deshalb folgte auch gleich ein fragendes „Was?“ „Zwölf“, wiederholte Charles leise. Als sich die Stille in die Länge zog, wagte Charles doch zu Erik aufzusehen. Dieser starrte ihn mit offenem Mund an. Charles konnte sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Konnte er nicht endlich reagieren? Warum starrte er ihn so lange an? Für Charles war das Ganze irgendwie unwirklich. Durch die Schmerzmittel waren seine Gedanken leicht benebelt und er war sich immer noch nicht sicher, ob das wirklich passierte. War Erik wirklich hier, oder bildete er es sich ein, wie die Tage zuvor? Aber in den letzten Tagen hatte er nur Wut empfunden, wenn er ihn sich eingebildet hatte. Jetzt empfand er…Erleichterung und Freude. Er war erleichtert, dass es Erik gut ging, dass er frei war und freute sich, weil er gesagt hatte er liebte ihn immer noch. „Spinnst du, Charles?!“, platze es da aus Erik heraus. „Zwölf Spritzen? Du hättest sterben können! Nach acht Spritzen warst du schon kurz davor! Ich…weiß nicht, was ich getan hätte, wenn…wenn du…“ Er stockte und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Wenn Charles noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Erik wirklich hier war, dann bekam er ihn jetzt. Ihm schlug eine ganze Welle Verzweiflung entgegen, als der Größere sich vorstellte, dass Charles hätte sterben können und er dann plötzlich alleine gewesen wäre. In Eriks Gedanken kristallisierten sich immer wieder dieselben Worte heraus. Ich brauche ihn! Nur er versteht mich und kann mich akzeptieren, wie ich bin! „Wie hast du dir überhaupt so viele Spritzen geben können? Du warst das letzte Mal doch schon nach vieren ohnmächtig“, meinte Erik, der seine Stimme wieder unter Kontrolle hatte. „Naja…mein Körper hat sich an das Serum gewöhnt und…ich kann mir locker acht bis neun Spritzen geben, bevor ich abdrifte. Die letzten habe ich mir auf einmal verabreicht…Ich wollte einfach nur…“ „Deine Ruhe haben?“ Erik konnte nicht verhindern, dass in seiner Stimme ein Hauch von Vorwurf mitschwang. Er hatte gedacht, Charles hätte das hinter sich. Er hatte ihm sogar versprochen nie wieder das Serum zu nehmen. Aber als er sich nicht gemeldet hatte, hielt es der Kleinere wahrscheinlich nicht mehr aus. Insofern konnte er ihm keine Vorwürfe machen, sondern nur sich selbst. „Ja, ich wollte meine Ruhe haben. Ich wusste nicht, ob du wieder kommen würdest oder ob du mich überhaupt noch liebst. Ich hatte gehofft dich durch das Serum…zu vergessen. Ich bin froh, dass es nicht geklappt hat.“ Erik schüttelte den Kopf und schenkte Charles ein Lächeln, bevor er aufstand, sich zu ihm hinab beugte und ihm einen Kuss gab. Es war unglaublich, wie viel Macht dieser Telepath über ihn hatte. Sobald sich ihre Lippen trafen, fragte er sich nur noch, wie er ihn jemals hatte alleine lassen können. Begierig, fast so als wäre er ausgehungert nach dieser Berührung, vertiefte Charles den Kuss. Erik hatte das Gefühl, dass eine kleine Ewigkeit verstrich, ehe sich die warme, einladende und beruhigende Präsenz von Charles Gedanken über seine legte. Der Kleinere hatte gezögert, warum auch immer, es war ihm egal. Hauptsache jetzt war er da und erfüllte seinen grauen Geist mit Licht. Erik spürte, dass es Charles genauso ging. Sie brauchten sich gegenseitig, um glücklich zu sein. Brauchten sich, um komplett und ganz zu sein. Eine tiefe Beruhigung machte sich in ihm breit und er zog Charles zu sich heran, um ihn so fest zu umarmen, wie er sich traute. Von fern drang ein gleichbleibendes, nervendes Piepsen zu ihnen durch, aber weder Erik, noch Charles achteten darauf. Zu sehr waren sie in ihren Kuss vertieft, zu sehr achteten sie nur auf sich selbst. Erst ein lautes Räuspern ließ sie erschrocken auf sehen. In der Tür stand ein blonder Mann, der einen Arztkittel trug und angewidert das Gesicht verzog. Hinter ihm tauchten Hank und Raven auf, die beide leichenblass waren. Als sie Charles jedoch sahen, machte sich Erleichterung auf ihren Gesichtern breit. Wobei Hank überrascht drein schaute, als er sah wie sich Charles und Erik schnell voneinander zurückzogen. Erik sah verstimmt zu den Neuankömmlingen, die sie beide gestört hatten, während Charles, mit hochrotem Gesicht, zur Seite schaute. „Wie ich sehe, ist bei Ihnen alles in Ordnung. Es muss sich wohl ein Kabel gelöst haben“, meinte der Arzt und die Abscheu in seiner Stimme war nicht zu überhören. Er ging zu Charles, tastete seine Brust ab und klebte eines der weißen Plättchen wieder auf seine Haut, welches sich in seinem Hemd verfangen hatte. Danach ging das Piepsen wieder im Takt von Charles Pulsschlag weiter und der Arzt verließ das Zimmer wieder. Einen Moment herrschte Schweigen zwischen den vieren, dann musste zuerst Charles lachen und schließlich stimmten sie alle mit ein. Nun kam Erik fast jeden Tag, um Charles zu besuchen und nach einer weiteren Woche durfte dieser sogar wieder nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)