Zwischen all den Zeilen von Demonhuntress (Sag mir, was du fühlst) ================================================================================ Kapitel 1: Der Aufprall ----------------------- Für mich war es nie bloß meine Pflicht gewesen, alte Menschen zu pflegen, nur weil es zu den Aufgaben meines Berufes gehörte. Wo andere bloß den erloschenen Blick einer bald von der Erdoberfläche getilgten Existenz zu erkennen glaubten, sah ich die Weisheit und die Güte, über die Senioren in so viel größerem Maße verfügten als wir. Ich hörte mir immer gerne die Geschichten an, die sie zu erzählen hatten, insbesondere angesichts der Tatsache, dass für mich ein Mensch erst dann von der Welt verschwindet, wenn das, was erlebt hat, nie mehr weitergegeben wird. Täglich überprüfte ich vor meiner Schicht in der großen Scheibe, die in das Kabuff unseres Empfangsbereiches eingelassen war, ob meine Frisur noch richtig saß. In meiner Freizeit trug ich meine Haare offen, doch ich wusste nur zu gut, dass es meiner Vorgesetzten lieber war, sie für die Arbeit hochzustecken. Manchmal spielten meine Patienten mit den losen Strähnen, die sich aus dem Knoten gelöst hatten, und ich tat ihnen oft den Gefallen, sie ausgiebig die ungewöhnliche rosa Farbe betrachten zu lassen. Viele hätten spätestens dann die Geduld verloren, wenn sie dieselbe Person mehrmals am Tag aufgefordert hätte, die Spange aus den Haaren zu nehmen, doch mir machte das nichts aus. Im Vergleich zu meinen Kolleginnen war ich noch nicht allzu alt. Mit 21 Jahren hatte ich meine Ausbildung abgeschlossen, was vor etwa vier Monaten gebührend gefeiert worden war. Ich dachte immer, dass wäre schon mehr, als ich vom Schicksal erwarten könnte: für immer in dem Beruf zu arbeiten, den ich mir schon von Kindesbeinen an gewünscht hatte. Doch so, wie sich mir die Situation ein Jahr später darbot, hielt es noch mehr für mich bereit. Jemand fragte mich einmal, ob es eigentlich auch Bewohner im Heim gäbe, denen bewusst sei, dass sie ihren Lebensabend dort verbringen würden und deswegen grollten, dass die eigenen Verwandten für die Unterkunft dort gesorgt hatten und ihnen kein Leben zu Hause ermöglichten. Diese Frage war bloß deswegen leicht zu beantworten, weil es nur eine solche Bewohnerin gab: eine noch recht agile alte Dame namens Chiyo, die sich allerdings ausschließlich mit Miss Chiyo anreden ließ. Das graue Haar immer zu einem Dutt gebunden, der hoch oben auf ihrem Kopf thronte, stolzierte sie durch die Gänge, als gehöre ihr das Gebäude und als dulde sie uns hier alle bloß. Sie besaß ein für ihr Alter enormes Organ und zögerte auch nicht, davon Gebrauch zu machen, wenn ihr etwas nicht passte. Allerdings musste man ihr lassen, dass sie einen ausgeprägten Sinn für Humor besaß. Hin und wieder stellte sie sich tot und jagte damit den Pflegerinnen einen unglaublichen Schrecken ein, was diese überhaupt nicht witzig fanden. Es kam nicht ein einziges Mal vor, dass sich jemand als Besuch für sie anmeldete. Von ihrer Familie sprach sie überhaupt nicht, obwohl auf ihrem Nachttisch zwei Fotos standen, die sicher einen Teil ihrer Verwandten abbildeten. Auf dem einen waren ein Ehepaar und augenscheinlich ihr neugeborenes Baby abgebildet. Es schien die roten Haare seines Vaters geerbt zu haben, dessen Hand liebevoll auf der Schulter seiner Frau lag. Zuerst glaubte ich, es sei Chiyo, die dort ihr Kind im Arm hielt, doch dazu war das Foto zu modern. In dem anderen Bilderrahmen steckte ein Bild von zwei vermutlich etwa gleichaltrigen Jungen und einem etwas älteren Mädchen mit straßenköterblonden Haaren, die verwegen in die Kamera grinste und wie aus einem Beschützerinstinkt heraus die anderen beiden an sich drückte. Tatsächlich würde ich zwei Jungen von diesen Aufnahmen kennenlernen, doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Von den männlichen Exemplaren auf diesem Planeten hatte ich sowieso erst einmal die Schnauze voll, schließlich lag es mir immer noch schwer im Magen, dass die Liebe, die mich durch meine gesamte Pubertät begleitet hatte, wohl auf ewig unerwidert bleiben würde. Ich gebe ja zu, dass es sowieso nicht sonderlich aussichtsreich ist, sich von dem Klassenlehrer etwas zu erhoffen, doch ich lief Kakashi Hatake jedes Mal nach dem Unterrichtsende hinterher, um vielleicht noch ein nettes Wort von ihm zu hören. Sogar einen Liebesbrief hatte ich ihm geschrieben, doch Gott sei Dank nie abgeschickt. Bis heute noch erschauere ich bei dem Gedanken daran, was passiert wäre, wenn ich ihn doch abgegeben hätte. Umso mehr stürzte ich mich nach meinem Schulabschluss in die Arbeit, denn auf dem Ball zur Feier der bestandenen Prüfungen, auf dem ich ihm letztendlich meine Liebe gestehen wollte, tauchte Kakashi nicht einmal auf. Diese Enttäuschung konnte ich nur durch andauernde Ablenkung wieder ausgleichen. An einem der wenigen Abende, an dem ich einmal ausnahmsweise nicht an die Schmach dachte, die ich erlitten hatte, heftete ich den an diesem Tag entstandenen Papierkram in die dafür vorgesehenen Ordner und stellte diesen ordentlich in den Schrank zurück, als mein Blick durch die leicht offenstehende Tür nach draußen auf den Flur fiel, wo gerade jemand vorbeigehuscht war, der definitiv nicht zu unserem Team gehörte. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen und entschlossenen Schrittes folgte ich dem unerwünschten Besucher. Er war gerade um die Ecke verschwunden und ich musste rennen, damit er mir nicht entkam. Die flachen Absätze meiner weißen Arbeitsschuhe verursachten klackernde Geräusche, die von den ebenso hellen Wänden widerhallten. Gerade als ich die Halskette, die unangenehm auf meiner Brust auf und ab hüpfte, in meinen Ausschnitt gestopft hatte, holte ich den Eindringling ein. „Entschuldigen Sie“, begann ich und holte tief Luft. Meine nicht vorhandene Kondition setzte mir wieder einmal schwer zu und ich musste die Arme anlegen, um das nervige Seitenstechen zu lindern. Der Mann drehte sich herum und schaute mich fragend an, als könne er sich nicht vorstellen, dass es einen Grund gäbe, ihn anzuhalten. Seine kurzgeschnittenen und zerzausten Haare leuchtenden rot im kalten Licht der Deckenlampen und lenkten mich für kurze Zeit von meinem Anliegen ab. Er räusperte sich, um mein Starren zu unterbrechen, und mit einer leichten Röte, die meinen Hals hinaufkroch, fuhr ich fort. „Die Besuchszeit ist vorbei. Ich muss Sie leider bitten zu gehen. Kommen Sie morgen wieder.“ Der Unbekannte verzog das Gesicht zu einem kühlen Lächeln und antwortete bedächtig: „Vielleicht könnten Sie ja für mich eine Ausnahme machen.“ Seine goldbraunen Augen ließen ihn fast harmlos wirken, wären da nicht diese harten Gesichtszüge, die ihm ein strenges Aussehen verliehen, obwohl er eher lässig gekleidet war. Er konnte nicht viel älter sein als ich selbst. „Sie werden um diese Zeit die Patienten stören“, beharrte ich und nahm wahr, wie er unmerklich seine Haltung veränderte. Erst glaubte ich, mein Tonfall hatte ihm endlich den nötigen Respekt abverlangt, bis ich feststellen musste, dass er auf etwas hinter mir fixiert war. „Sasori...“, sagte jemand mit leiser, aber bedrohlich klingender Stimme. „Lass deine Großmutter in Ruhe.“ Ich fuhr herum und entdeckte einen weiteren rothaarigen Mann, dessen Strähnen jedoch einen etwas dunkleren Ton aufwiesen. Offensichtlich schien es hier irgendetwas zu geben, das Männer mit dieser Haarfarbe anzog, denn es konnte kein Zufall sein, dass sich ausgerechnet heute zwei von der Sorte hier einfanden. Gerade dann, wenn sie eigentlich nicht hier sein durften. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die zwei auf möglichst höfliche Weise loswerden konnte. Die Tatsache, dass sie jetzt betont locker, aber mit angespannten Mienen aufeinander zu schlenderten, machte es mir nicht gerade leichter. Nicht grob, aber entschieden schob mich derjenige, den der Neuankömmling Sasori genannt hatte, beiseite. Ich öffnete gerade den Mund, um mich zu beschweren, da schaute der Kerl mich so scharf an, dass ich ihn bereitwillig wieder zuklappte und stattdessen nach dem Funkgerät in meiner Tasche tastete, das ich als Pflegerin immer dabei haben musste. Nur zur Sicherheit. „Ich denke, ich habe das Recht, meine Großmutter zu besuchen, wann es mir beliebt, oder etwa nicht, Gaara?“ Das letzte Wort sprach er übertrieben gedehnt aus, als hätte er ihn lange nicht mehr benutzt. „Nicht um diese Uhrzeit!“, wagte ich einzuwerfen, doch keiner ging auf meinen Kommentar ein. „Soll das ein Witz sein? Seit Jahren besuchst du sie nicht und jetzt plötzlich, da sie nicht mehr allzu lange zu leben hat, tauchst du wieder auf?“, fragte Gaara mürrisch, blieb aber bemerkenswert ruhig. Und das, obwohl die knisternde Spannung zwischen den beiden quasi mit den Händen zu greifen war. „Sie hat mich eingeladen“, gab Sasori zurück und bleckte die Zähne, was ihm wohl eigentlich einen freundlichen Ausdruck verleihen sollte, den Zweck aber verfehlte. „So ein Zufall. Mich auch.“ „Moment mal“, mischte ich mich ein und trat mit erhobenen Händen zwischen die beiden. „Wie hat sie überhaupt von hier aus mit Ihnen Kontakt aufgenommen?“ Ich fühlte mich unwohl, weil nun beide ihre Aufmerksamkeit auf mich richteten, doch ich hatte ja wohl das Recht, auch etwas zu sagen. „Per Brief natürlich“, sagte Gaara schließlich und Sasori nickte zustimmend. Wenigsten eine Sache, in der sie sich einig waren. „Also, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich überfordert die Situation hier langsam“, verkündete ich und ergriff kurzerhand je einen Hemdzipfel der beiden, um sie zum Mitkommen zu bewegen. Ich wusste, dass ich mir solch ein Verhalten unter Umständen nicht hätte erlauben können, aber ich war müde, körperlich erschöpft und hätte eigentlich schon längst Schichtende. Tatsächlich folgten die beiden Männer mir sogar achselzuckend, was in mir die Hoffnung aufkeimen ließ, dass wir das Problem vielleicht schnell würden klären können. Tja. Wäre auch zu schön gewesen, wenn das so leicht geklappt hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)