I want you by my side von Lelu ================================================================================ Kapitel 13: ------------ „Bist du sicher, dass es funktionieren wird?“, fragte Erik und sah Charles an, der neben ihm auf dem Boden saß. Dieser schüttete den Kopf. „Ganz und gar nicht. Es sind zu viele. Ich kann einen Teil einschläfern und den anderen einfrieren. Aber nicht so lange, wie ihr benötigt, um die anderen zu befreien und zu den Helikoptern zu schaffen“, erklärte Charles. Einen Moment herrschte Stille und sie sahen alle zu dem Gebäude, welches sich vor ihnen erhob. M2 war nicht viel größer, als M1 und 3, ähnelte aber in seiner Bauweise eher einer trutzigen Burg, als einem hochmodernen Labor. Man hätte meinen können, sie würden mit einer ganzen Armee aufmarschieren, so viele Soldaten waren hier stationiert. „Tja, eine große Lichtung mag das perfekte Versteck für so eine Einrichtung sein. Aber sollte sie mal angegriffen werden, wandelt sich dieser Vorteil in sein riesen Nachteil um. Die Bäume geben den Angreifern Deckung und nicht mehr den Verteidigern“, hatte Erik gesagt, als sie sich an das Gebäude herangeschlichen hatten. Das hatte die Regierung wohl auch gedacht, als sie die gefühlte Hälfte ihrer Armee abgestellt hatte, um M2 zu beschützen. Es war egal. Sie waren hier und würden nicht gehen, bevor sie alle Mutanten befreit und das Labor zerstört hatten. „Hank du bleibst bei…“ „Erik. Du bleibst bei Erik“, unterbrach Charles seinen Freund und wandte sich dann an die acht Schüler, welche hinter ihnen, im Schutz der Bäume wartete. „Ihr alle werdet mit Erik mitgehen. Er wird jede helfende Hand benötigen und denkt daran, vergießt kein Blut, wenn ihr eine Situation anders regeln könnt.“ „Irgendjemand muss hier bei dir bleiben, Charles. Ich lass dich nicht alleine hier sitzen“, warf Erik ein. „Du wirst keine andere Wahl haben, denn ich werde jeden wegschicken, den du hier lässt. Du brauchst wirklich jeden, um da drinnen zurecht zu kommen.“ Erik nickte wiederwillig und wandte sich wieder dem Gebäude zu. „Wenn du soweit bist, sag es. Dann werden wir anfangen.“ Charles legte zwei Finger an die Schläfe und konzentrierte sich auf die Menschen in dem Labor. Einige Minuten lang war nichts zu hören, außer der Atem, der anwesenden Personen. Dann nickte Charles Erik zu. „Ich habe die Soldaten am Tor einschlafen lassen, dort kommt ihr ungehindert vorbei. Den Rest werde ich einfrieren, bis ihr drinnen seid. Aber es sich so viele, ich kann sie maximal eine halbe Stunde bewegungsunfähig machen.“ „Wenn wir uns beeilen, reicht die Zeit, um alle raus zu schaffen“, erwiderte Erik und gab den anderen ein Zeichen ihm zu folgen. Charles schloss die Augen, um sich auf die Menschenmenge im Labor zu konzentrieren. Er benötigte ungefähr fünf Minuten, bis er alle ausfindig gemacht hatte und sie erstarren ließ. Aber es gab bestimmte Bereiche, in welche er nicht eindringen konnte. Sie waren nicht groß, allerdings groß genug, dass sich dort ein oder zwei Personen verstecken konnten. Nachdem er es, nach mehreren Versuchen, nicht geschafft hatte, in diese Bereiche vorzudringen, informierte er Erik. Sie sind eben doch lernfähig. Passt auf euch auf! Charles hasste es abseits des Geschehens zu sitzen und die ganze Szenerie nur aus der Ferne zu beobachten. Ein weiterer Grund, warum er seine Beine verfluchte. Aber er konnte daran nichts ändern. Deshalb gab e sich nur umso mehr Mühe, wenn es darum ging, Hank, Erik und seinen Schülern aus der Ferne zu helfen. Er würde die Menschen solange einfrieren, wie es ihm möglich war und wenn er danach völlig erschöpft sein sollte und sich gar nicht mehr bewegen konnte. „Wir teilen uns auf. Von euch gehen immer zwei zusammen. Hank und ich werden jeweils alleine weitergehen. Wenn irgendetwas ist, lasst es Charles wissen oder macht euch anders bemerkbar, dann kommen wir und helfen euch. Öffnet jede Zelle, jeden Raum, an dem ihr vorbei kommt und sagt den Mutanten, dass sie zum Wald laufen sollen“, erklärte Erik, als sie das Labor betraten. Sofort folgten die anderen seinen Anweisungen und teilten sich auf. Sie mussten sich beeilen. Auch wenn Charles es schaffen würde, die Menschen länger als vermutet einzufrieren, würden sie doch jede Sekunde benötigen. Von Labor M2 schienen keine Blaupausen zu existieren, kein Lageplan, gar nichts. Deshalb mussten sie die Zellen alle von Hand öffnen. Wenn sie Glück hatten, stolperte einer zufällig über den Zentralraum und konnte sie alle auf einmal entriegeln. Aber Erik machte sich da keine allzu große Hoffnung. Dass sie keinen Gebäudeplan hatten war frustrierend. Aber noch frustrierender war, dass es hier allem Anschein nach, kein Metall gab. Was Erik im Nachhinein nicht wunderte. Das Labor war immerhin auf Mutanten spezialisiert, die bestimmte Materialien bewegen, kontrollieren und manipulieren konnten. Aber so viele Mutanten wie hier festgehalten wurden, konnten die Professoren gar nicht an Material beseitigen. Da hätten sie das ganze Gebäude abreisen müssen. Allein Mutanten, welche die Luft beeinflussen und kontrollieren konnten, waren so zahlreich, dass sie diese in ein Vakuum hätten einsperren müssen, um ihre Kräfte zu blockieren und das war nicht möglich. Da fiel ihm plötzlich wieder ein, was die Professoren in M3 getan hatten, um Charles‘ Kräfte zu blockieren. Was wenn es so ein Betäubungsmittel auch für diese Arten von Mutation gab und was, wenn die Mutanten im selben Zustand waren, wie Charles damals? Wie sollten sie diese dann aus dem Labor schaffen? Erik trat gegen eine Tür zu seiner linken und stellte fest, dass sein Gedankengang vielleicht nicht verkehrt war, aber nicht alle Mutanten so ruhig gestellt wurden. Vor ihm saßen fünf Kinder, er schätzen sie zwischen neun und elf Jahre, und sahen ihn erschrocken an. Er ging zu ihnen und hockte sich vor sie. „Ihr braucht keine Angst zu haben. Ich will euch helfen…“ „Das haben die anderen Männer auch gesagt, aber sie haben uns nur weh getan“, unterbrach ihn ein Junge mit grünlichen Haaren. „Ich werde euch nichts tun. Ich bin hier um euch hier weg zu holen. Ich bin wie ihr.“ „Beweis es“, sagte der Junge. Erik spürte und hörte ein Knistert, welches sich in der Luft verbreitete und seine Haare elektrisch auflud. Das war wirklich interessant. Aber wie sollte er diesen Kindern beweisen, dass er ein Mutant war, wenn er doch kein Metall bei sich hatte. Es stimmt, er ist wie ihr und ich bin es auch, genauso wie die anderen, die euch helfen. Ihr müsst mit ihnen gehen, sonst werden die anderen Männer zurückkommen. Du sollst ihnen keine Angst einjagen, Charles. Hatte ich nicht vor. Ich hab dir Lena und Nick geschickt. Die beiden werden die Kinder zu mir bringen. Dann Kannst du dich auf den Rest konzentrieren. Gut. Wann kommen… „Erik! Charles hat gesagt wir sollen dir helfen“, erklang in diesem Moment Lenas Stimme hinter ihm. Erik wandte sich zu den beiden um und nickte. Dann deutete er auf die Kinder. „Bringt sie zu Charles und kommt wieder zurück, so schnell ihr könnt“, meinte er und verschwand aus der Zelle, um die nächsten zu öffnen. Zu seiner Überraschung fand er nicht in jeder einen Mutanten, viele standen leer oder sahen so aus, als wären ihre Bewohner erst vor kurzem von dort weggeholt worden. Erik erinnerte sich daran, was Charles gesagt hatte. Was, wenn die ganzen Mutanten in den Bereichen waren, in die Charles nicht eindringen konnte. Aber warum hätten sie die Kinder dann hier lassen sollen? Erik trat die nächste Tür ein und musste ein Würgen unterdrücken. Der Geruch nach Blut schlug ihm entgegen, wie etwas das man greifen konnte und veranlasste ihn dazu, der Zelle noch einmal den Rücken zuzuwenden. Tief atmete er die vergleichsweise frische Luft auf dem Gang ein und schickte dann einen Gedanken in Charles Richtung. Ich weiß nicht, was ich dort drinnen finden werde. Vielleicht lässt du mich alleine dort hinein gehen. Ich kann gar nicht anders. Der Raum gehört zu einem der Bereiche, in die ich nicht vordringen kann. Ist vielleicht besser so. Erik holte noch einmal Luft und betrat erneut die Zelle. Augenblicklich stockte ihm er Atem. Auf drei Tischen lagen drei reglose Körper. Er konnte nicht sagen, ob es Männer oder Frauen waren. Dazu waren sie zu entstellt. Mann hatte ihnen die Haare rasiert und bei zwei der dreien sah das Gesicht aus, als hätte man es verbrannt oder verätzt. Um ihren blutverschmierten Oberkörper und um die Hüften schlangen sich Eisenbänder und hielten sie so an den Tisch gefesselt. Es schien keinen Millimeter Haut mehr zu geben, an dem sie nicht verletzt waren. Erik zwang sich noch einen Augenblick die drei anzusehen, bevor er sich abwandte und zu dem Tisch ging, welcher noch im Raum stand. Dort fand er drei Akten, eine über jeden der Mutanten. Er griff nach der ersten und schlug sie auf. Schnell überflog er die Seiten und erfuhr, dass der Mutant jegliche Art von Steinen zu kontrollieren. Es waren unterschiedliche Test an ihm durchgeführt worden. Zuletzt hatte an ihn, natürlich an den Tisch gekettet, unter einen Steinbrocken geschoben und verlangt er solle ihn abfangen. Das Experiment war geglückt, aber nur für wenige Minuten. Dann war der Steinbrocken auf ihn herabgefallen und hatte ihn zerquetscht. Nur durch unverschämtes Glück und ein grausames Schicksal überlebte er es und lag jetzt hier. Erik stockte. Er hatte überlebt… aber das hieß er war jetzt und hier, in diesem Zustand, gar nicht tot. Die Menschen hatten ihn nur sediert, um mit ihm zu experimentieren. Schnell schlug er die beiden anderen Akten auf, um nachzusehen, ob die zwei weiteren Mutanten auch nur betäubt waren. Als er sah, dass das der Fall war, schmiss Erik die Akten auf den Boden und fuhr sich wütend durch die Haare. Er konnte den Anblick der drei nicht länger ertragen. Was sollte er tun? Er konnte von keinem der Schüler verlangen, dass sie einen Bruder oder eine Schwester in diesem Zustand sahen oder gar zum Jet tragen mussten. Selbst wenn er sie dorthin bringen würde, würden die Drei wahrscheinlich noch nicht einmal den Rückflug überleben. Erik wandte sich ihnen wieder zu und fasste einen Entschluss. Jede lebensverlängernde Maßnahme bedeutete Qualen für sie und er würde niemals zulassen, dass sie weiter leiden mussten. Er ging zum Ersten und legte vorsichtig eine Zeige- und Mittelfinger auf dessen Hals, um den Puls zu ertasten. Er wollte sie überzeugen, dass er wirklich noch lebte, denn es wollte nicht glauben, dass Menschen so etwas tun konnten. Natürlich waren sie grausam und schreckten nicht davor zurück Experimente an Mutanten durchzuführen. Aber irgendwo hatte doch alles seine Grenzen, oder? Als er den Herzschlag des Mutanten spürte, verlor er jeden Glauben daran, dass Menschen sich Grenzen setzten, zumindest was die Grausamkeiten an Mutanten anging. Erik griff entschlossen mit zwei Händen nach dem Kopf des Mutanten, als dieser plötzlich die Augen aufschlug und ihn aus schmerzverschleierten Augen ansah. Doch es war kein Schmerz, den Erik in seinen Augen erkannte, es war etwas viel schlimmeres. Er musste pure Höllenqualen erleiden. Erik wandte den Blick einen Moment ab und stellte fest, dass ihn die beiden anderen, mit eben demselben qualvollen Ausdruck in den Augen ansahen. Er hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen, brachte aber keinen Ton heraus. Stattdessen nahm er den Kopf des Mutanten wieder in die Hände und brach ihm, mit einem schnellen Ruck, das Genick. Das wiederholte er bei den beiden anderen und verließ dann, schnellen Schrittes, den Raum. Er hatte den dreien noch einmal ins Gesicht geschaut und das selige, erlösende Lächeln welches auf ihren Lippen lag, brannte sich in sein Gehirn. Er hatte Charles versprochen keinen der Menschen zu töten, welche in dem Labor arbeiteten oder stationiert waren. Aber dieses Versprechen war aus seinen Gedanken und Erinnerungen verschwunden, als er die Zelle verlassen hatte. Mit festem Schritt lief er durch die Gänge und befreite die Mutanten. Zu seiner Erleichterung waren die meisten nur an ihre Zellenwand gekettet und konnten selbst laufen. Diejenigen, die dies nicht mehr konnten, wurden von ihren Brüdern und Schwestern getragen oder gestützt. Erik erklärte ihnen, wo sie Charles und die Helikopter finden konnten und dass sie den Menschen keine Beachtung schenken sollten. Er würde sich um sie kümmern. Wie im letzten Labor verteilte er auch hier Sprengsätze, hatte aber nicht vor zu warten, bis die Menschen in Sicherheit waren, um sie zu zünden. Charles würde davon auch nichts mitbekommen, solange er selbst nicht daran dachte. Noch vier Mal fand er Zellen, in denen schwerverletzte Mutanten festgehalten wurden und jedes Mal waren es Bereiche die für Charles nicht zugänglich waren. Schweren Herzens erlöste Erik die Mutanten von ihrem Leid. In der letzten Zelle, die Erik öffnete, war eine junge Mutantin, sie war vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, auf ein Metallgitter gekettet, welches unter Strom gesetzt werden konnte. In der Zelle roch es nicht nach Blut, so wie in den anderen, sondern nach verbranntem Fleisch. Die Begegnung mit ihr trieb seinen Hass auf die Menschen noch weiter, wie er ohnehin schon war, seit er die Labore gesehen hatte. Sie hing kraftlos in den Ketten und konnte kaum mehr sprechen, aber dennoch brachte sie wenige Worte heraus. Erik musste bis auf wenige Millimeter an sie heran treten, um sie überhaupt zu verstehen. „Töte mich…bitte…ich will…keine Schmerzen spüren…mach…das die Qualen…aufhören…“ Erik sah sie fassungslos an. Sie hatte noch eine Chance zu überleben. Natürlich würde sie noch eine ganze Weile Schmerzen haben. Ihre verbrannte Haut musste heilen. Aber sie konnte leben! „Ich kann dir helfen. Du musst nicht sterben. Ich bring dich an einen sicheren Ort, wo du in Frieden leben kannst“, versuchte er sie umzustimmen. Sie schüttelte schwach den Kopf. „Ich…will nicht leben…nicht mehr fühlen…“ Erik sah, wie ihre Hand zuckte und plötzlich bewegte sich seine eigene auf ihren Hals zu. Verwirrt und fast schon entsetzte sah er zu, wie sich seine Hand, wie von selbst, um ihre Kehle legte und zudrückte. Er konnte nichts dagegen tun, hatte sich selbst nicht unter Kontrolle. Es war nicht so ein Gefühl, wie wenn Charles seinen Körper führte, die Kontrolle war nicht in seinem Kopf. Vielmehr fühlte es sich so an, als würde etwas sein Blut und somit seinen gesamten Körper kontrollieren. „Bitte, hör auf. Ich kann dir wirklich helfen! Dir wird nie wieder jemand etwas tun! Du musst auch nie wieder unter Menschen, dafür sorge ich! Wirf dein Leben nicht weg!“ Er redete weiter auf das Mädchen ein, aber sie hörte nicht auf ihn. Sie verdrehte die Augen und wurde ohnmächtig, aber ihre Kontrolle ließ nicht nach. Erik konnte seine Hand nicht zurückziehen, bis sie aufgehört hatte zu atmen. Zitternd und entsetzt über die Tat dieses jungen Mädchens ließ er sich in die Hocke sinken und verbarg das Gesicht einen Moment in den Händen. Was musste man einem Mädchen in ihrem Alter antun, damit es Selbstmord beging? Erik machte sie von dem Gitter los und ließ sie sanft zu Boden sinken. Er konnte sie nicht mitnehmen, sie nicht beerdigen, das konnte er bei keinem der Mutanten, die er zu töten gezwungen war. Aber er konnte sie Rächen und das würde er tun! Mit entschlossenen Handbewegungen verformte er das Eisengitter so, dass er am Ende ein Messer erhielt. Dieses schloss er fest in die Hand und verließ die Zelle. Sein Weg führte ihn zu den Menschen, welche er gesehen hatte. Sie standen alle noch wie versteinert da und starrten in Leere. Den ersten beiden durchstach er einfach den Hals und sah zu, wie sie in sich zusammensackten. Als er sich dem dritten zuwandte, spürte er Charles in seinen Gedanken. Was tust du da, Erik?! Ich räche unsere Brüder und Schwestern! Er schnitt dem Mensch vor sich die Kehle durch und lief den Gang entlang um den nächsten ausfindig zu machen. Du hast es mir versprochen, Erik! Charles Stimme klang enttäuscht, das war Erik allerdings egal. Er würde sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen, auch nicht von Charles. Schon war er bei der nächsten Gruppe von Professoren angekommen und wollte gerade dem ersten das Messer ins Herz rammen, als er sich nicht mehr bewegen konnte. Lass mich los, Charles! Dann hör mit diesem Abschlachten auf! Abschlachten? Weißt du, wer hier abgeschlachtet wird? Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe! Du musstest keine Mutanten töten! Du hast das Blut nicht gerochen, oder das verbrannte Fleisch! Dann zeig es mir. Charles Gedankenstimme zitterte vor Anstrengung und Erik wusste, dass er ihn nicht mehr lange festhalten konnte. Nein, das werde ich nicht tun. Du wirst es nicht ertragen. Du warst beim letzten Mal schon so geschockt, dass du Tage lang nicht schlafen konntest. Ich werde dir das nicht antun. Er erhielt keine Antwort, konnte sich aber vom einen auf den anderen Moment wieder bewegen und führte seine begonnene Attacke fort. Nachdem er die Gruppe getötet hatte, lief er weiter. Es tut mir leid, Charles, aber dafür kann ich ihnen nicht verzeihen. Wieder bekam er keine Antwort und auch, als er versuchte ihm zu erklären, dass sie es nicht anders verdient hatten, blieb Charles Gedankenstimme stumm. Außerdem spürte er, wie er sich aus seinem Geist zurückzog. Im ersten Moment dachte er das sein Tun der Grund dafür war und Charles beschlossen hatte ihn zu ignorieren. Im nächsten wusste er das dies nicht der Fall war, denn die Menschen konnten sich wieder bewegen und starrten ihn erschrocken und feindselig an. Charles hatte die Kontrolle über sie verloren. Oder zumindest über einen Teil von ihnen, denn die Soldaten blieben weiter wie versteinert stehen. „Erik! Schnell, wir müssen zu Charles zurück!“, erklang plötzlich ein Ruf und Erik wirbelte herum. Am Ende des Ganges stand Julia und winkte hektisch. Erik rannte zu ihr und wollte gerade eine Frage stellen, als sie auch schon weiterredete. „Wir haben drei Mutanten entdeckt, die sich seltsam verhalten hatten, haben uns aber nichts dabei gedacht und sie zu Charles geschickt. Vor ungefähr zwei Minuten hat Charles einen Ruf geschickt, dass die drei ihn und die anderen angreifen. Ich hab gedacht du wärst schon unterwegs zu ihm.“ Erik sparte sich eine Antwort und rannte los. Er achtete nicht darauf, ob Julia mit ihm mithalten konnte, auch nicht auf seine Umgebung oder die Menschen, welche er einfach aus dem Weg stieß. In weniger als fünfzehn Minuten hatte er das Labor verlassen und rannte Richtung Waldrand. Panik ergriff ihn, dass er zu spät kam und Charles schon etwas passiert war. Das würde er sich niemals verzeihen! Der Weg zum Wald kam ihm Meilenweit vor, obwohl es nur etwa zwei oder dreihundert Meter waren. Auch wenn es ihm nicht so vorkam, benötigte er nur wenige Augenblicke, um diese zurückzulegen. „Charles!“ Schon von weitem sah er drei Gestalten am Waldrand stehen. Als er näher kam, erkannte er Charles, der auf dem Rücken lag. Seine Lippe war aufgeplatzt und Blut sickerte aus einer Platzwunde an seinem Kopf. Einen Arm hatte er gegen die Brust gepresst, mit dem anderen stütze er sich am Boden ab. Die drei Mutanten, welche um ihn herumstanden, bewegten sich keinen Millimeter. Erik riss den ersten zu Boden und trat dem zweiten die Beine weg. Dieser stürzte blöd und schlug mit dem Kopf auf einen spitzen Stein. Ein widerliches Knacken erklang und Erik und Charles wussten, dass der Mutant sich das Genick gebrochen hatte. Von Charles kam ein schmerzvolles Keuchen, während Erik dafür sorgte, dass der Mutant, welchen er umgestoßen hatte, in den nächsten Stunden nicht wieder aufstehen würde. Dann wandte er sich dem dritten zu und stieß ihn ebenfalls zu Boden, um ihm einen Schlag gegen die Schläfe zu verpassen. „Charles, alles okay?“, fragte er und wandte sich ihm zu. „Ja…ja, bis auf die Tatsache, dass er tot ist, sowie etliche Menschen auch“, knurrte Charles und deutete auf den Mutanten vor sich. Erik holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Selbst wenn es Charles nicht gutgehen würde, würde er es in diesem Moment nicht zugeben. Erik musste kein Telepath sein, um zu wissen, dass er wütend auf ihn war. „Charles, du verstehst das nicht. Sie haben Mutanten zu Tode gequält!“ „Das waren vielleicht Väter und Mütter! Willst du ihren Kindern sagen, dass sie nicht wieder nach Hause kommen und dass ein Mutant sie getötet hat? Was glaubst du, wen diese dann hassen werden, ihre Eltern oder uns Mutanten?“ Erik knirschte mit den Zähnen und wandte sich ab. Es nützte nichts mit Charles über dieses Thema zu diskutieren. Er würde niemals einsehen, dass diese Menschen es verdient hatten zu sterben. Er würde sie immer in Schutz nehmen, sich immer neue Ausreden einfallen lassen, warum die Mutanten nicht gegen sie kämpfen durften. Solche Gespräche liefen immer auf dasselbe hinaus, nämlich darauf, dass sie getrennte Wege gingen und das wollte Erik nicht. Deshalb ging er wieder Richtung Labor. Er hatte kaum zehn Meter zurückgelegt, als plötzlich ein schmerzvolles Stöhnen hinter ihm erklang. Schnell wirbelte er herum und sah, wie sich einer der Mutanten, welche er eigentlich bewusstlos geschlagen hatte, über Charles beugte und ihn zu erwürgen drohte. Allerdings bewegte sich der Mutant im nächsten Moment schon nicht mehr. Erik wusste, dass Charles ihn lähmte, aber das änderte nichts daran, dass der Mutant ihn töten wollte. Nicht, Erik! Doch Charles Schrei kam zu spät. Eriks Messer hatte sich schon in das Herz des Mutanten gebohrt. Ein Schrei erklang in seinen Gedanken und Erik sank auf die Knie. Er sah zu Charles, der nach Atem rang und eine Hand auf die Brust drückte, genau auf sein Herz. Erst da begriff Erik, dass Charles den Schrei ausgestoßen hatte, zudem der Mutant nicht mehr fähig gewesen war. Er spürte die Schmerzen und den Tod, welche der Mutant in diesem Moment auch spürte. Erik rappelte sich auf und lief zu Charles, um ihm zu helfen. Er wusste, dass er Charles von seinen Schmerzen befreien konnte. Er redete auf ihn ein und tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis Charles Blick sich klärte. „Professor!“ „Professor, alles in Ordnung?“ „Charles, Erik! Was ist passiert?“ Hank und die anderen erschienen hinter Erik und sahen die beiden besorgt und fragend an. Charles atmete zitternd und bedachte Erik mit einem Blick, den dieser nicht einschätzen konnte. „Ja, alles okay. Die drei haben Charles angegriffen und ich habe…“ „Zwei von ihnen getötet. Der dritte ist bewusstlos. Könnt ihr ihn bitte zu den Helikoptern bringen?“, fragte Charles und sah seine Schüler an. „Die Toten müssen wir leider hier lassen. Ich schaffe noch die Menschen aus dem Labor, dann…“ Der Rest seiner Worte wurde von einem ohrenbetäubenden Knall übertönt. Hank und Charles Schüler wurden von einer Druckwelle von den Füßen gerissen und Erik konnte sich gerade noch abfangen, bevor er auf Charles fiel. Erschrocken und fassungslos starrten sie alle zum Labor zurück, oder zu dem, was noch davon übrig war. Denn sehr viel mehr als ein Trümmerhaufen war nicht mehr zu sehen. Charles schloss kurz die Augen und Erik erkannte den traurigen Ausdruck in ihnen, als er sie wieder öffnete. „Sie sind tot…sie sind alle tot…“, flüsterte Charles. „Aber wie…?“, begann Hank, wurde aber von Charles unterbrochen. „Du hast sie alle umgebracht!“, schrie dieser Erik an. „Ich habe an der Zeiteinstellung der Sprengsätze nichts ändern können, ich war hier und hab dir geholfen. Sie waren auf eine Stunde eingestellt“, sagte dieser ruhig. „Du hättest es verhindern können, stimmt`s? Und lüg mich nicht an…“ Erik gab es auf, sich Ausreden zu überlegen. Er konnte Charles nicht belügen und wollte es auch nicht. „Ja, ich hätte es verhindern können. Aber ich wollte es nicht. Diese Menschen haben es verdient zu sterben. Sie haben so viele von uns gequält, verstümmelt und getötet. Ich habe gesehen, was sie mit Mutanten tun. Keiner von ihnen war unschuldig.“ „Aber den Tod hat keiner verdient. Wenn man nach deinen Richtlinien geht, würdest du auch den Tod verdienen, so viele wie du von ihnen umgebracht hast. Sieh doch endlich ein, dass du unsere Situation damit nicht verbesserst!“, meinte Charles. „Sieh du ein, dass ich das nicht kann. Ich kann ihnen nicht verzeihen.“ „Du hast es ja noch nicht einmal versucht! Versuch doch zu verstehen, warum ich noch mehr Tote unter den Menschen verhindern möchte.“ Erik presste die Lippen zusammen und stand auf. Er sah zu Charles hinab und einen Moment lang sah es so aus, als würde er sich wieder neben ihm auf die Knie sinken lassen. Doch dann wandte er sich von ihm ab. „Ich fürchte das kann ich nicht. Immerhin kannst du auch nicht verstehen, warum ich sie hasse, spätestens seit ich gesehen habe, was in diesem Labor mit ihnen gemacht wurde.“ Ohne ein weiteres Wort verschwand Erik zwischen den Bäumen. „Dann zeig es mir, Erik!“ Charles bekam keine Antwort und ihm wurde schmerzhaft bewusst, dass er diese wahrscheinlich nie erhalten würde. Erik! Bleib hier…bitte! Ich…ich verstehe dich! Ich werde nicht mehr über das Thema reden! Bitte komm zurück! Wieder erhielt er keine Antwort und musste sich beherrschen, dass ihm keine Tränen in die Augen traten. Er wusste nicht wieso Erik so reagierte. Sie kannten ihren gegenseitigen Standpunkt und hatten diesen akzeptiert. Zumindest hatte Charles das geglaubt, aber jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Er sagte nichts, nicht in diesem Moment, nicht auf dem Rückflug zur Schule und auch nicht, als Hank ihn fragte, ob alles in Ordnung sei, bevor Charles in seinem Zimmer verschwand. Er wusste noch nicht einmal, wie die Helikopter zur Schule gekommen waren, da er sich komplett von dem Geschehen abgeschottet hatte. Wochen später war ihm klar, dass Erik sich nicht wieder melden würde und dass mit ihm auch seine Hoffnung auf ein glückliches Leben verschwunden war. Erik hatte ihm seine Hoffnung genommen. In diesem Moment, in dem ihm das klar wurde, fasste Charles einen Entschluss. Er wollte nicht mehr nachts wachliegen und darauf warten Eriks Gedanken zu hören. Er wollte auch nicht mehr die Gedanken der anderen hören. Sollten sie doch mit ihren Schmerzen selbst fertig werden, er musste es schließlich auch. Er würde alles dafür machen, nie wieder irgendwelche Gedanken, von irgendwelchen Leuten hören zu müssen. Zehn Jahre später… „Du hast deine Gabe geopfert, nur um laufen zu können?“, fragte Erik fassungslos. „Ich habe meine Gabe geopfert, um schlafen zu können“, erwiderte Charles. „Du hast mir alles genommen, was mir etwas bedeutet hat.“ „Vielleicht hättest du härter darum kämpfen sollen!“ Charles sah nur Eriks Augen, die fast schon angriffslustig funkelten. Erik wollte ihn aus der Reserve locken. Er brauchte seine Kräfte nicht, um das zu wissen. Er wollte herausfinden, wie viel Kampfgeist noch in ihm steckte und ob er zu gebrauchen war und Charles hatte nicht vor sich zurückzuhalten. „Wenn du einen Kampf willst, Erik, werde ich dir einen Kampf geben!“, sagte Charles lauter, als beabsichtigt. Was hatte der andere nur an sich, dass er gleich so emotional wurde, wenn er ihn sah. Erik war aufgestanden und im selben Moment sprang auch Charles auf. „Du hast mich im Stich gelassen!“, schrie Charles und packte Erik am Kragen. „Du hast sie mir weggenommen und dann hast du mich im Stich gelassen!“ Ihm war egal, was Hank und Logan dachten. Ihm war egal, ob sie glaubten er sprach über Raven, seine verlorenen Beine oder seine verlorenen Kräfte. Ihm war alles egal, denn Erik wusste genau wovon er sprach. Er wusste, dass Charles seine Hoffnung und seine Liebe meinte. In dem Moment, in dem Erik gegangen war, hatte er Charles beides genommen und hatte damit, dass er nie wieder zurückgekommen war, dafür gesorgt, dass Charles beides nie wieder zurückgewinnen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)