On the Rise von Votani ================================================================================ II. Ankunft auf Harlan. Boyd Crowder. Geschäfte. ------------------------------------------------ 4 Vor ihnen lag Harlan. Der kleine Mond befand sich im Gravitationsfeld von Poseidon, einem Planeten von enormer Größe, der aus einem Meer aus gelbem Sand bestand. Unter dessen Bewohnern war Harlan auch als der kleine Hirte bekannt. Er gab in der Form Acht auf Poseidon, in dem er Besucher anlockte und die Wirtschaft ankurbelte. Selbst die Allianz war sein Kunde, denn Harlan war berüchtigt für seine Kohleminen. Doch Mal sah nur mit Missmut auf den dunklen Brocken Gestein herunter, der vor ihnen im All hing. Das lag jedoch viel eher damit zusammen, dass die Präsenz der Allianz auf Harlan ihnen mit zwei Gesuchten an Bord Probleme bereiten könnte, und nicht etwa mit Tom Paris’ Flugkünsten. Er hatte kein Genie hinter dem Steuer erwartet, aber genau das hatte er bekommen. Der Vergleich mit Wash lag nahe, obwohl Mal diesen Gedanken in den letzten Tagen, die ihre Reise in Anspruch genommen hatte, zu vergessen versuchte. Tom war nicht Wash und Wash war nicht Tom. Die jeweiligen Flugarten unterschieden sich wie Tag und Nacht. Trotz seines trockenen Humors hatte Wash dem Fliegen eine gewisse Art an Vorsicht und Ernsthaftigkeit entgegengebracht, während Tom hinter dem Steuer wie ein Kind mit seinen ersten Bausteinen wirkte. Ebenso wie die Serenity zu Wash geflüstert hatte, tat sie es zu Tom, nur eben auf eine ganz eigene Weise. Mal hatte die richtige Entscheidung getroffen, ob Zoe oder die anderen ihm das ausnahmsweise nun eingestehen wollten oder nicht. Seine Hand lag auf der Lehne von Toms Stuhl, als die Serenity in den Orbit von Harlan eindrang. Ein leichtes Schaukeln erschütterte die Firefly, bevor sie unter blauem Himmel auf dem Hangarplatz landete, auf dem bereits zwei Transportschiffe und ein kleines Shuttle ruhten. „Gute Arbeit“, bemerkte Mal und klopfte seinem Piloten locker auf die Schulter. „Wenn ich dich nicht bereits angeheuert hätte, würde ich es glatt noch einmal tun.“ Tom drehte sich in seinem Stuhl herum, ein Grinsen auf den Lippen. „Hoffentlich mit mehr Prozentanteil am Gewinn.“ „Werd’ nicht übermütig“, mahnte Mal, obwohl sich ein Mundwinkel seinerseits hob. „Und mach dich bereit. Du kommst mit, wenn wir die Lieferung übergeben.“ Er schlenderte aus dem Cockpit und bis nach hinten zum Laderaum durch. Die Metallstufen heruntersprintend wanderte sein Blick über die Ladung. Es waren die letzten zwei Holzkisten mit teuren Zigarren, die es abzuliefern galt. Der kleine Auftrag brachte nicht so viel ein, wie Mal lieb gewesen wäre, doch es war ohnehin nur der erste gewesen, damit ihr Auftraggeber sehen konnte, dass sie vertrauenswürdig waren. Und jeder, der bereits mit Mr. Kunitz zu tun hatte, wusste, dass er wert auf Zuverlässigkeit legte. Obwohl er von einem kleinen Randplaneten mit einer kaum brauchbaren Wirtschaft agierte, war er mit dem Export seiner Zigarren aus den seltenen Rosewell-Blättern berüchtigt geworden und hatte ein ansehnliches Netzwerk aus Kontakten hergestellt. Ein Netzwerk, von dem sie profitieren konnten, wenn sie es richtig anstellten. Summend wurde die Laderampe heruntergelassen und ließ das Tageslicht in den Bauch des Schiffes hinein. Jayne und Mal luden die Kisten auf den Rücksitz des Roovers, während River wie festgefroren und ohne Schuhe auf der Rampe stand und sich die Sonne in das Gesicht scheinen ließ. „Die nehmen wir aber nicht mit?“, entrann es Jayne mit einem abgehackten Kopfnicken zu ihr herüber und Mal betrachtete den Rücken des Mädchens. „Dieses Mal nicht.“ Jeder an Bord (abgesehen von Tom vielleicht) wusste, dass River sich besser verteidigen konnte, als sie alle zusammen, doch Harlan war kein Planet für Simon und seine Schwester. „Tom wird sich uns anschließen. Umso schneller er sich in unserem Geschäft auskennt, umso besser.“ „Ich mag ihn immer noch nicht“, brummte Jayne, als er die Stricke festzog, welche die Ladung davon abhielten, bei rasanter Fahrt im Rover hin und her zu rutschen. Mal schnaubte belustigt. „Falls es dir ein Trost ist, zuerst war auch niemand aus der Crew sonderlich von dir angetan.“ „Ja, aber der Kerl verbirgt etwas.“ Jayne sah über seine Schulter, um sicherzugehen, dass ihr neuer Pilot nicht plötzlich hinter ihnen stand. „Hinter seinem breiten Lächeln. Das sieht selbst ein Blinder. Ich kenn mich mit Geheimnissen aus, Mal.“ Ein abwesendes Nicken war Mals Antwort, als er sich hinter das Steuer des Rovers schob. Er konnte nicht leugnen, dass da etwas Wahres dran war. Ob Jayne auf seinen versuchten Hinterhalt auf Ariel anspielte oder nicht, konnte er nicht sagen, doch daran musste Mal unwillkürlich denken. Doch Tom schrieb er eine größere Intelligenz zu, obwohl er bisher nichts getan hatte, was Mal an seiner neuen Loyalität der Serenity und seiner Mannschaft gegenüber zweifeln ließ. „Und ich dachte, ihr seid schon ohne mich weg“, ertönte hinter Mal Toms Stimme. Wenn man vom Teufel sprach... „Würde sich Jayne etwas mit dem Festschnüren beeilen, wären wir das vielleicht sogar“, erwiderte er, als Tom sich auf den Beifahrersitz schob und Jayne letztendlich zwischen den Holzkisten Platz nahm. „Dann wollen wir mal“, murmelte Mal, als er den Rover startete und aus der Serenity ins Freie manövrierte. „Und du passt besser in meiner Abwesenheit auf mein Schiff auf“, rief er zu River zurück. Ihr langes Haar wirbelte herum, als der Rover an ihr vorbei und die Rampe heruntersauste. Sie salutierte, verweilte jedoch unter der auf sie herunterbrennenden Sonne. Fern von dem kleinen Hangarplatz senkte sich ein Tal ab. Ein Pfad zwischen halb vertrockneten Sträuchern, die aus dem harten Boden gesprossen waren, führte direkt in die verschlafene Stadt hinein, die sich vor ihnen abzeichnete. Der kleine Gemischtwarenladen war leicht zu finden, als sie durch die engen Gassen sausten und den Sand aufwirbelten. Die Bewohner würdigten ihnen jedoch nicht mehr als einen Blick, nur eine Horde an Kindern hielt in ihrem Ballspiel inne, um dem Rover mit großen Augen hinterher zu sehen. Vor dem kleinen Laden im Zentrum der Stadt machten sie Halt und schwangen die Beine über den Rand. „Nettes Städtchen. Man merkt, dass sie Reisende gewöhnt sind“, entrann es Mal und sein Blick wanderte die Passage hinauf, die auf dem Markplatz mündete. Dort tummelten sich die meisten Menschen und leise Musik drang herüber, welche sich verdächtig nach dem Klang einer Flöte anhörte. „Hey, Mal, können wir einen Abstecher dorthin machen?“, entwich es Jayne mit einem Ächzen, als er die erste Kiste vom Rücksitz des Rovers lud. Vera lag mit dem Gurt um seinen Schultern auf seinem Rücken. „Nachdem wir unser Geld kassiert haben“, erwiderte Mal. Auch Tom und er schnappten sich eine Kiste, wobei das Grinsen bereits wieder den Weg auf die Lippen des Piloten gefunden hatte. „Natürlich erst danach. Ansonsten hat ja auch keiner von uns Geld, was wir ausgeben können“, sagte er und Jayne grunzte zustimmend. Gemeinsam trugen sie die Kisten in den Laden hinein, wobei eine blecherne Glocke an der Tür ihr Eintreten signalisierte. Ein einziger Ventilator drehte sich an der Decke, doch er konnte die trockene Hitze im Inneren kaum vertreiben. „Aber hallo da, meine Herrschaften“, begrüßte sie die Inhaberin. Die alte Dame kam aus dem Hinterzimmer getreten, das mit einem Kettenvorhang vom Rest abgeschirmt war, und strich ihren Faltenrock glatt. „Was kann ich für euch tun?“ Ihr trüber Blick fiel auf die Kisten und sie setzte die Brille auf, die ihr um den Hals hing. „Seid ihr gekommen, um etwas einzutauschen?“ „Nein, M’am“, sagte Mal, nachdem Tom und er ihre Kiste abgestellt hatte, „wir sind nur hier, um die Lieferung von Mr. Kunitz zu überbringen.“ „Ach, Mr. Kunitz... Ein guter Mann, ein sehr guter Mann. Immer zuverlässig und überpünktlich mit seinen Lieferungen.“ Sie lachte leise auf, wobei sie Mal eher an eine niedliche Großmutter als eine Geschäftsfrau erinnerte. Es war verwunderlich, dass ausgerechnet ein Mann wie Kunitz, der so fest an Regulierungen glaubte und diese notfalls mit Gewalt untermauerte, mit jemandem wie ihr Handel betreiben sollte. „Ja, ein sehr netter Mann“, antwortete Mal der Höflichkeit halber, als die alte Dame hinter dem Tresen in die Hocke ging. Er beugte sich etwas vor, um sie im Auge zu behalten, doch sie zückte keine Waffe hervor, sondern hob nur ein Stück des Holzbodens heraus. Darunter lag eine wahre Goldmine versteckt. Jedenfalls hatte Mal selten so viele Yen auf einem Haufen gesehen. Wenn sie nächstes Mal an Geldnot litten, sollten sie anstatt einer Bank einfach eine alte Dame mit einem eigenen Geschäft überfallen. Am besten eine, die mit Kunitz Geschäfte am Laufen hatte, denn scheinbar hatte der Mann tatsächlich einen Riecher für so etwas. „Und ich dachte, sie wäre senil“, flüsterte Tom, der einen Blick über Mals Schulter riskierte. Er lachte auf, während Jaynes Finger nach seiner Vera lechzten. Wahrscheinlich verbrachte Mal doch zu viel Zeit mit ihm, dass er das Zucken seiner Hand bereits derartig gut interpretieren konnte. Mal schüttelte den Kopf in Jaynes Richtung, dessen Gesicht sich automatisch verfinsterte. Ob ein Mann, der die selbstgestrickte, vor allem aber grausige, Mütze seiner Mutter mit Stolz trug, letztendlich jedoch in der Lage war, eine alte Frau um ihr Erspartes zu bringen, war zu bezweifeln. Jayne mochte große Sprüche klopfen, aber trotzdem schien sich in ihm irgendwo ein Funken Ehre zu verstecken. Vergraben unter dem Egoismus und Wunsch nach schnellem Profit. Inzwischen schob die Frau das Brett wieder über das Versteck im Boden. Mal, Tom und Jayne traten einen unauffälligen Schritt zurück, als sie sich aufrichtete und die Scheine vor ihnen auf dem Tresen zu zählen begann. „Und ein bisschen extra für den gutaussehenden Service“, fügte sie hinzu und packte drei weitere Scheine mit einem Augenzwinkern auf die eigentliche Summe. Mal nahm das Geld entgegen. „Das ist sehr großzügig von Ihnen, M’am.“ Nein, senil war sie auf keinen Fall, obwohl auch er anfangs mit diesem Gedanken gespielt hatte. Sie verabschiedeten sich und traten wieder hinaus ins Freie. Auf Jaynes geldhungrigen Blick hin zahlte Mal Tom und ihm den Anteil aus, bevor sie sich dem Markplatz annährten. Das Flötenspiel lag noch immer in der Luft und erhob sich mit majestätischem Klang über das allgemeine Stimmengewirr. Sie mischten sich unter die Leute, wobei Jayne sich zu einem Stand mit gegrillten Fleischspießen herüberkämpfte. Mal verlor ihn bei dem Menschenauflauf schnell aus den Augen, so dass Tom und er allein weiterschlenderten. „Allianz auf elf Uhr“, murmelte der Pilot in einem wegwerfenden Ton. Die Männer stachen mit ihren dunklen Uniformen und den strengen Blicken hervor, doch schlenderten an ihnen vorbei. Kurz sah Mal ihnen nach, bevor er sich an Tom wandte. „Du bist nicht besonders gut auf die Allianz zu sprechen?“, fragte Mal, doch Tom antwortete nicht. Ein Seitenblick verriet, dass er bereits eine hübsche Frau mit hochgesteckten Haaren und Tätowierungen an Armen und Beinen anvisiert hatte. Er schlug die Richtung der Dame ein, während Mals Schritte ihn zu einem der Stände führten. Die verschiedensten Klingen wurden angeboten. Einige wiesen Ähnlichkeiten mit stumpfen Brotmessern auf, andere waren prunkvolle Dolche, deren Griffe mit Diamanten abgesetzt waren. „Was soll es sein, werter Herr?“, fragte der rundliche Verkäufer. Mal winkte ab. „Ich bestaune nur die Auswahl.“ „Falls—“ Die darauffolgende Antwort des Verkäufers ging in einem spitzen Schrei unter, der auch Mal durch Mark und Bein ging. Sein Kopf ruckte herum und seine Hand fand instinktiv den Griff seines Revolvers. Die Menschen tuschelten untereinander, als sie einen Kreis zu bilden begannen. Sehen, was den Aufruhr ausgelöst hatte, konnte Mal nicht, doch hatte sich Tom nicht dort in der Nähe aufgehalten? Rasch sah sich Mal um, aber von dem blonden Haarschopf war nichts mehr zu sehen. Mal drängelte sich bereits zwischen den Besuchern durch, bevor sein Gehirn diese Tatsache verarbeitet hatte. Er überging die Proteste, die ihm folgten, und durchbrach die Reihen, um einen Blick auf den Tumult zu erhaschen. Tom hockte auf dem Boden, hielt sich die blutende Stirn, als seine zwei Angreifer ihn unter den Achseln packten und ihn in die Gasse zwischen zwei Ständen zogen. Sie trugen staubige Kapuzenmäntel und auch die Schatten, die sich in der engen Passage sammelten, machten es unmöglich sie zu erkennen. Der Revolver lag schwer in seiner Hand, als Mal hinter ihnen herjoggte. „Ihr wollt doch nicht einfach so verschwinden, ohne ‚Auf Wiedersehen’ zu sagen, oder?“, rief er ihnen in einem barschen Ton hinterher, als die Dunkelheit zwischen den Häusern auch ihn verschluckt hatte. Die Leute folgten ihnen nicht, doch das überraschte Mal nicht. Jeder, der nicht betroffen war, hielt sich heraus. Für gewöhnlich verhielt sich Mal nicht anders. Die Fremden hielten inne. Sie ließen von Tom ab, der mit dem Gesicht und einem Ächzen im Staub landete. Der erste zog die Kapuze vom Kopf und entblößte ein junges Gesicht. Mal schätzte ihn auf Anfang Zwanzig ein, doch das, was ihn irritierte, war viel eher das siegreiche Grinsen, welches sich auf seinen Lippen ausbreitete, obwohl er sich nicht einmal die Mühe machte und eine Waffe zückte. Mal schwante Übles. Er wollte herumfahren, doch da traf ihn bereits ein gezielter Schlag am Hinterkopf. Seine Knie gaben nach und Schwärze umfing ihn, den Aufprall mit der Erde bemerkte er gar nicht mehr. 5 Binnen weniger Sekunden war Jayne dem Zauber, den jeder Markt für ihn ausstrahlte, verfallen. Der Geruch von gegrilltem Fleisch stahl sich ungefragt in seine Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Seine Beine trugen ihn zu dem breiten Grill herüber, um den sich, wie um jeden anderen Stand, eine Menschentraube gebildet hatte. Eine Kreidetafel zeigte die Preise an. Im selben Moment, in dem Jaynes Augen sich auf sie hefteten, verschluckte er sich an seiner eigenen Spucke. Ein ersticktes Husten drang aus seiner Kehle, das in den Unterhaltungen, die in der Luft lagen, fast gänzlich unterging. Irgendjemand schien es jedoch zu hören, denn eine Hand klopfte ihm auf den Rücken. Mit tränenden Augen sah zu seinem Retter. Seiner Retterin, wie sich herausstellte. Das Haar der Dunkelhäutigen war zu einem strengen Zopf gebunden und das Symbol auf ihrer ohnehin alles aussagenden Uniform machte sie zu einem Mitglied der Allianz. „Das ist ein ganz schön heftiges Kaliber für einen Touristen“, fasste sie in einem sachlichen Ton zusammen, als Jayne schwer atmend Sauerstoff in seine Lungen sog. Ihr ausdrucksloser Blick galt seiner Waffe, die ihm noch immer mit dem Gurt um den Schultern hing. „Man weiß nie was für... diebische Taschendiebe unterwegs sind“, presste Jayne schließlich hervor. Ein schiefes Grinsen breitete sich auf seinen spröden Lippen aus, welches jedoch keinen sichtlichen Effekt auf die Frau hatte, die Jayne gerade mal bis zu seinen Schultern hinauf reichte. Sie im Notfall zu überwältigen stellte kein Problem dar. Ihm juckte es bei diesem Gedanken instinktiv in den Fingern, wobei die Allianz-Agentin eine Hand locker auf der Pistole an ihrem Gürtel liegen hatte. Es war eine stumme Warnung, die selbst Jayne verstand und ihn geräuschvoll mit den Zähnen knirschen ließ. Sein Blick glitt umher über die Menschen um ihn herum. Wo war Mal, wenn man ihn mal brauchte? Eine feine Augenbraue ihrerseits hob sich ein Stück. „Ach so? Dann ist es sicher kein—“ Das Knacken ihres Funkgeräts, welches auf der anderen Seite ihrer Hüfte saß, unterbrach sie. Es war gefolgt von einer Männerstimme, die nur schnarrend erklang. „Lieutenant Brooks?“ Jayne mit einem Blick fixierend hob sie das Funkgerät an ihre Lippen. „Was ist los?“ „Die Mine, Lieutenant“, presste der Mann am anderen Ende der Leitung atemlos hervor. „Ein Tunnel ist eingebrochen und hat die Arbeiter verschüttet.“ Nur für einen winzigen Moment huschte so etwas wie Besorgnis über das Gesicht von Lieutenant Brooks und ihre Augen wanderten zum Black Mountain, der in der Ferne über die Stadt herausragte. Man mochte Jayne eine lange Leitung zusprechen, doch in dem Augenblick preschte er los. Er schubste die Leute beiseite, darunter einen kleinen Jungen, stolperte beinahe über einen Korb voller Äpfel, kam ins straucheln, hielt jedoch nicht an. Nur gelegentlich sah er zurück, doch er konnte Brooks nicht ausmachen. Sie folgte ihm nicht. Ein verstohlenes Lachen drang atemlos aus seiner Kehle, als er langsamer wurde, um unter der einkaufenden Menge nicht weiter aufzufallen. Wenn man Jayne schnappen wollte, musste man eben früher aufstehen, jawohl! Gut gelaunt bog er in eine enge Passage zwischen einigen Ständen ab und schlenderte durch sie hindurch, um dem Markt den Rücken zu kehren und sich heimlich davon zu stehlen. Mal und sein neuer Möchtegernkumpel konnten den Rover auch allein zurück zur Serenity fahren. Dass sie nicht ohne ihn losfliegen würden, wusste er. Die Gasse mündete auf ruhigeren und vor allem engeren Straßen, in denen vergleichsweise wenig los war. Um genau zu sein, konnte Jayne nur ein paar Leute weiter vorn ausmachen, die etwas hinter sich herschliffen. Jayne sah einmal hin, dann ein zweites Mal, die Augen gegen das grelle Sonnenlicht, welches die Luft flimmern ließ, zu schmalen Schlitzen geformt. War das Mal? Oder bloß jemand, der verdächtige Ähnlichkeit mit seinem Captain hatte? Weiter vorn lief ein weiterer vermummter Kerl, der einen Mann, der sich die Stirn hielt, hinter sich herzerrte. Es war dieser straßenköterblonde Haarschopf, auf den Jaynes Radar reagierte: Tom Paris, Pilot mit einem nervtötenderen Humor, als Wash ihn besessen hatte. Der Typ, der sich einfach in ihre Mannschaft drängte und mit Mal auf lieb Kind machen wollte. Seit ihr zartbesaiteter Doktor mit seiner verrückten Schwester an Bord gekommen war, war es mit ihrer Mannschaft bergab gegangen. Aber wer hörte schon auf ihn? Niemand. Genau das war das Problem! Mit finsterem Blick und Vera im Anschlag schlich Jayne hinter den Männern her, die sich einfach an seiner Crew vergriffen. Und da sollte noch mal jemand sagen, dass er nichts für sie tat... Hoffentlich würden sie sich wenigstens als dankbar erweisen, wenn er sich schon die Mühe machte und sie aus ihrer Misere befreite. Jayne tauchte hinter einer Hauswand ab, als einer der Männer die Umgebung scannte. Vorsichtig lugte er um die Ecke, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie Mal und Tom in eines der Häuser bugsierten. Es stellte sich als eine Bar heraus, wie Jayne beim Näherkommen erkannte. Das Schild gab dem Lokal seinen Namen: Johnny’s Bar. Wer war Johnny? Hatte Johnny die Entführung angeordnet? Er würde es nicht herausfinden, wenn er weiter hinter der Regentonne hockte. Jayne sah sich um und sprintete auf die Bar zu. Unter dem ersten Fenster duckte er sich, bevor er durch die staubige Scheibe ins Innere spähte. Sie gab Sicht auf den Schankraum, leer und nur von einsamen Tischen und Stühlen bewohnt. Um die Bar herumschleichend schielte Jayne auch in das zweite Fenster, welches sich auf der Rückseite des Hauses befand. Aha! Da war er, dieser Johnny. Einer von ihnen musste es zumindest sein. Die zwei Männer, die am Tisch des Hinterzimmers gesessen hatten, erhoben sich. Einer von ihnen mit braunem Haar, welches in alle Himmelsrichtungen abstand, der andere ein grauhaariger Kerl mit einem Gehstock. Mal und Tom knieten vor ihnen, während ihre Angreifer die Mäntel abstreiften und über die nächstgelegenen Stuhllehnen warfen. Die Stimmen drangen so leise und unverständlich nach draußen, so dass Jayne kein einziges Wort ausmachen konnte. Doch das spielte keine Rolle. Jayne entsicherte seine Waffe mit einem Klicken, als er sich über die Lippen leckte. Er würde das Zimmer einfach stürmen, alle Anwesenden (vielleicht auch Tom, den er als Kollateralschaden abstempeln konnte) niedermähen und Mal retten. Dann hatte er nicht nur bei ihm einen Stein im Brett, sondern Malcolm Reynolds war ihm etwas schuldig. Wie oft kam das schon vor? Das Adrenalin pumpte längst durch Jaynes Arterien, als er den Countdown seines Angriffs herunterzählte. „Zehn, neun, acht, sieben, sechs—“ „Was denkst du, was du da tust, Freundchen?“ Eine Frauenstimme fuhr ihm über den Mund. Verwirrt sah Jayne zu der blonden Frau auf, die sich an ihn herangeschlichen hatte. Er hob Vera, doch da sauste die Bratpfanne bereits auf seinen Kopf zu. Schmerz explodierte in seinem Schädel, als er zur Seite in den Sand fiel und betäubt liegen blieb. Ein Kater nach einer durchgezechten Nacht war kein Vergleich. „Boyd! Wir haben Besuch!“, rief die Frau laut aus. „Da wollt ich nur das heiße Öl draußen auskippen und sieh an, da hockt dieser Kerl unter’m Fenster wie ein billiger Einbrecher, der uns unser Erspartes stibitzen will.“ Nur verschwommen nahm Jayne die Schritte wahr, das plötzliche Stimmengewirr oder wie er an den Armen gepackt wurde. Er wurde auf die Beine gezogen und vor seinen Augen drehte es sich wie auf einem Karussell. Das nächste, was er spürte, war ein harter Boden unter seinen Knien. Er blinzelte verloren und versuchte das Klingeln in seinen Ohren zu ignorieren, als eine vertraute Stimme von rechts ertönte. „Ich hab’ mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist, Jayne“, sagte Mal. „Obwohl ich ein bisschen gehofft hatte, dass du uns retten kommst, wenn ich ganz ehrlich sein soll.“ „Du redest fast so, als ob ich vorhätte, euch hier und jetzt die Kehlen durchzuschneiden und meinen schönen Läufer zu ruinieren“, antwortete jemand anderes. „Hältst du mich wirklich für einen solch unhöflichen Gastgeber, Mal? Und ich habe immer angenommen, dass du mich besser kennen würdest.“ „Es ist schwer, in schönen Erinnerungen zu schwelgen, wenn man Kopfschmerzen hat, weil einem etwas über den Schädel gezogen wurde, Boyd.“ „Das tut mir ehrlich leid. Meine Jungs hatten die klaren Anweisungen, Tom hierher zu bringen. Dass er ein paar neue Freunde gefunden hat, war darin nicht einkalkuliert.“ Boyd hob die Schultern in unschuldiger Manier und strich sich die feine Weste glatt, die er über einem dunklen Hemd trug. „Du und dein“, er hielt inne und deutete auf Jayne, der ihn finster anstarrte, „was-auch-immer können gehen. Tom bleibt. Da gibt es leider kein Drumherum. Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen. Nicht wahr, mein Lieber?“ Der Pilot antwortete nicht, doch sein ohnehin blasses Gesicht war noch einen Deut bleicher geworden und die Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst worden. 6 „Das kommt schon eher an Gastfreundlichkeit heran“, bemerkte Mal, als die Pistole gesenkt wurde, deren Lauf bis gerade eben noch gegen seinen Hinterkopf gepresst war. Der junge Mann hinter ihm trat zur Seite und ließ ihn aufstehen. „Findest du nicht, Jayne?“, fragte er, als er diesem schwankend auf die Beine half. Jayne stieß ein unzufriedenes Grunzen aus und tätschelte seine schmerzende Wange, während Tom die Hände an seinen Seiten zu Fäusten ballte und als einziger kniend verweilte. Zur Warnung presste die Pistole sich enger an Toms Kopf und machte ihm sein herannahendes Ende bewusst. Wie hatte er nur so dumm sein können? Wie hatte er vergessen können, dass Harlan Boyd Crowders Hauptstützpunkt war? Und woher kannten sich Mal und Boyd überhaupt? Das Universum erschien doch kleiner, als man immer annehmen mochte. „Ava-Darling, würdest du so nett sein und uns etwas zu Trinken holen?“, fragte Boyd derweil an die blonde Frau gewandt. Sie stand noch immer mit der Bratpfanne in der Hand nahe des zweiten Ausgangs der Bar und hob die Brauen. Anstatt zu diskutieren verschwand sie jedoch im Schankraum, während Boyd den massiven Schreibtisch umrundete und auf dem Stuhl dahinter Platz nahm. „Also, Mal, was treibt dich nach Harlan? Du bist der Erste von damals, der hier aufgetaucht ist, seit ich nach Hause zurückkehrt bin.“ „Wir hatten eine Lieferung zu übergeben“, erwiderte Mal und klopfte Jayne auf die Schulter, bevor er von ihm abließ. „Wir erledigen neuerdings ein paar Aufträge für einen werten Herren, der unter dem Namen Kunitz bekannt ist. Ich weiß ja nicht, ob du schon mal von ihm gehört hast.“ Doch Boyd nickte, wobei das selbstgefällige Lächeln keine einzige Sekunde aus seinem braungebrannten Gesicht wich. Tom hätte es gern mit seiner Faust fortgewischt. Als ob der Kerl hinter ihm seine Gedanken gelesen hatte, wurde die Pistole abermals fester gegen seinen Hinterkopf gepresst, bis Tom den feinen Läufer unter sich betrachten durfte. Er biss die Zähne so fest aufeinander, dass sie hätten splittern müssen. „Es gibt keinen in unserem Geschäft, der nicht schon mal von Kunitz gehört hat“, erwiderte Boyd und machte eine ausschweifende Bewegung zu dem Mann mit dem Gehstock. „Hattest du nicht sogar mal einen Deal mit ihm, Cousin Johnny? Um den Vorrat deiner Bar aufzustocken?“ Johnny hatte längst wieder am Tisch Platz genommen, da ihn das Stehen überstrapazierte. Seine Haare und sein Bart waren grau und die Narben im Gesicht kennzeichneten ihn als einen Überlebenden der Pocken, die auf Harlan vor Jahrzehnten grassiert hatten. „Ja, aber das ist schon länger her“, murmelte dieser ohne den Blick seines Cousins zu erwidern. „Das war bevor du die Bar übernommen hast.“ Bitterkeit schwang in seinen Worten mit, die Boyd zu überhören schien, denn er grinste Mal an. „Dann scheint es so, als läuft es gut für dich, Mal. Das freut mich zu hören.“ Die Unterhaltung wurde weitergeführt, als wollte Boyd Mals neuem Piloten nicht doch am liebsten hier und jetzt eine Kugel verpassen. Hatte Mal tatsächlich vor, ihn auszuliefern? Mit Loyalität bauen konnte Tom dabei nicht, da sie sich kaum kannten. Mal hatte keinen Grund, Jayne oder sein eigenes Leben für ihn zu riskieren. Zeitgleich konnte Tom nicht leugnen, dass er selbst Schuld an dieser Misere hatte. Er hatte sich Boyd Crowder, der ebenso wie Mal und Kunitz seine Finger in illegalen Geschäften hatte, zum Feind gemacht. Natürlich hatte Boyd den längeren Arm, immerhin kontrollierte er inzwischen den Kokainhandel auf Harlan und den umliegenden Planeten. Ava Crowder kehrte mit einem Tablett zurück und verteilte die Gläser an Boyd und Mal. Zum Schluss kam sie bei Jayne zum Stehen und reichte ihm nicht nur das Glas, sondern obendrein noch einen kalten Lappen. „Für deine Wange. Ich hab’ dich gut erwischt, wie ich sehe.“ Es tat ihr nicht leid, doch sie wusste, wie man sich um Boyds Gäste kümmerte. „Vielleicht kann eines meiner Mädchen dir nachher helfen, den Schmerz zu vergessen.“ Sie deutete auf das Fenster zu dem Nebengebäude, welches keine zehn Schritte von der Bar entfernt war. „Mir gehört das Audrey’s. Das einzige Freudenhaus auf ganz Harlan.“ Sie zwinkerte, bevor sie sich das letzte Glas auf ihrem Tablett genehmigte und sich den Alkohol in einem Zug den Rachen herunterkippte. Jaynes Mund stand offen, als sein Blick von Ava zu dem Freudenhaus hin- und herwechselte. „Um zum eigentlich Thema zu kommen und... sagen wir, meine Neugierde zu befriedigen“, unterbrach Mal schließlich und nippte an seinem Getränk. „Was für eine Rechnung hast du mit Tom offen?“ Die Gelassenheit verflog binnen weniger Sekunden und zum ersten Mal zeigte sich Boyds wahres Gesicht. Er ließ sich Zeit mit dem Antworten, als er sich wieder aus seinem Stuhl erhob und sein Glas lautlos auf dem Schreibtisch abstellte. „Nun ja, Mal... Mr. Paris hat mich in eine reichlich unangenehme Situation gebracht. Obwohl ich ihn in meinen Reihen willkommen hieß und Zeit investiert habe, um ihm die Branche zu erklären, damit er sich in ihr zurechtfindet, hat er sich bereits beim ersten Auftrag von der Allianz aufgreifen lassen.“ Boyd gestikulierte mit der Hand, als er mit langsamen Schritten auf Tom zuging und ihn mit einem starren Blick fixierte. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, doch es war gerade diese Tatsache, die dafür sorgte, dass sich Toms Puls beschleunigte. „Aber das hätte ich sogar noch verzeihen können. Das war jedoch bevor er der Meinung gewesen ist, mich an die Allianz zu verraten und dafür einen Deal für sich selbst auszuarbeiten.“ Eine künstlerische Pause folgte, in der Boyd zu Mal aufschaute. „Ich konnte zwar alle Beweise rechtzeitig verschwinden lassen, aber dafür sitzt mir die Allianz nun im Nacken. Bis vor kurzem saß sie genauer gesagt noch dort draußen an der Bar und hat sich meinen Whiskey genehmigt – der im Übrigen aufs Haus gegangen ist, weil man ja nicht unfreundlich erscheinen möchte.“ „Das mag ja alles schön und gut sein...“, begann Mal. Er hatte sein Glas geleert und trat vor, um es ebenfalls auf Boyds Schreibtisch abzustellen, „aber er ist mein Pilot, Boyd. Es ist schwer, einen anständigen Flieger zu finden. Meinst du nicht, dass wir einen Weg finden, Toms Schuld zu begleichen, ohne sein Blut gleich zu vergießen?“ Eine Stille folgte, in der beide Männer sich anstarrten. Toms Herz schlug ihm bis zum Hals und er presste die Lider aufeinander, um es zur Ruhe zu zwingen. „Um der guten alten Zeiten willen?“, fügte Mal hinzu. „Guten Zeiten?“, wiederholte Boyd mit Belustigung. „Du findet die Schlacht und Niederlage auf Serenity waren gute Zeiten?“ „Wenigstens waren wir da noch unabhängig. Frei“, erwiderte Mal mit dem Heben seiner Schultern. Hinter ihnen stieß Johnny ein Schnaufen aus, obwohl keiner der Anwesenden seine Worte in Frage stellte oder gar korrigierte. Mitreden konnte Tom in dieser Hinsicht nicht. Während des Unabhängigkeitskriegs war Tom noch im Internat gewesen, in das sein Vater ihn abgeschoben hatte, da es ein guter Platz war, um Disziplin zu lernen. „Weißt du was, Mal?“, durchbrach Boyd schließlich das aufgekommene Schweigen und deutete zu Mal herüber. „Weil du es bist, bin ich bereit eine Ausnahme zu machen und dir ein Angebot zu unterbreiten.“ „Das ist wahre Gastfreundlichkeit“, bemerkte Mal gutgelaunt. Ein Blick ging in Jaynes Richtung, der seine Wange mit dem Lappen kühlte, jedoch hibbelig von einem Bein aufs andere trat. „Hast du das gehört, Jayne? Das nenne ich Gastfreundlichkeit.“ „Ja, sehr freundlich zu ihren Gästen...“, murmelte dieser und sah zu Ava herüber, die ihm ein amüsiertes Lächeln schenkte. Selbst aus der Ferne und aus seiner Position am Boden vermochte Tom Jaynes errötete Ohrenspitzen zu sehen. „Ich habe da eine Ladung in einem Lagerhaus nicht weit von der Stadt entfernt, die abgeliefert werden will. Darauf scheinen deine Crew und du spezialisiert zu sein, wenn ich das richtig verstanden habe“, kam Boyd sogleich auf den Punkt, obwohl man bei jemandem wie ihm sicher sein konnte, dass ihm die Idee nicht gerade erst gekommen war oder er Mal diesen Vorschlag aus der Güte seines Herzens unterbreitete. Allerdings machte Mal nicht den Eindruck auf Tom, als ob er sich einfach über den Tisch ziehen ließ und nicht selbst das ein oder andere einkalkulierte. Hoffen durfte man schließlich noch. „Was beinhaltet die Ladung?“, fragte Mal, doch Boyd schüttelte sogleich den Kopf. „Das ist nicht wichtig. Was wichtig ist, dass sie unversehrt bei den Koordinaten ankommt, die ich euch geben werde“, erklärte der Geschäftsmann weiter. „Ich würde meine eigenen Männer damit losschicken, aber – wie ich bereits erwähnt habe – kontrolliert die Allianz mein Gehen und Kommen auf Genauste. Wenn ihr das für mich macht, erlasse ich Mr. Paris hier seiner Schuld und wir sind quitt.“ „Klingt einfach. Leicht ausführbar.“ Mal streckte Boyd die Hand entgegen, um den Deal zu besiegeln, doch Boyd zögerte und verriet in dieser winzigen Geste, dass die Sache noch einen Haken hatte. „Ich hoffe, du kannst verstehen, dass ich dich nicht einfach mit Mr. Paris und meiner Ladung von Harlan verschwinden lassen kann. Die Jahre nach dem Krieg haben mich zu einem misstrauischen Mann werden lassen, Mal. Johnny wird euch begleiten und mich darüber zu informieren, ob alles nach Plan verläuft.“ Mals Blick ging über seine Schulter hinweg, als er Boyds grauhaarigen Cousin am Tisch musterte. Auch diese beiden schienen sich mindestens einmal im Leben über den Weg gelaufen zu sein, das konnte Tom in dem Gesicht seines Captains ablesen. „Einverstanden“, sagte Mal. Beide Männer schüttelten einander die Hände, ehe Boyd dem Mann hinter Tom signalisierte und die Pistole von seinem Hinterkopf verschwand. Mit knackenden Knien kam Tom auf die Beine und wischte sich das halbgetrocknete Blut von der Platzwunde an seiner Schläfe mit dem Ärmel seines Hemdes fort. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, doch seine Augen hafteten auch weiterhin auf Mal. Warum machte er sich die Mühe? Tom kannte seinen Wert als Pilot, doch er bezweifelte, dass irgendwer es wert wäre, unter diesen Umständen ein Geschäft mit Boyd Crowder einzugehen. Insbesondere, wenn man ein unfreiwilliges Crewmitglied kostenlos dazu bekam. Doch Toms Fragen blieben unausgesprochen und unbeantwortet. Boyd umrundete ein zweites Mal an diesem Nachmittag den Schreibtisch, um eines der Schubfächer zu öffnen und darin herumzukramen. Er zog eine Karte hervor, die er ausbreitete. Sein Finger markierte einen Platz am Rand der Stadt. „Hier befindet sich das Lagerhaus. Es liegt ziemlich versteckt und läuft unter einem anderen Namen. Johnny wird euch die Kisten zeigen, die ich transportiert haben möchte. Wie ihr ungesehen auf euer Schiff bekommt, ist jedoch euch überlassen. Niemand kann wissen, dass die Ladung von mir kommt. Niemand außer die Person, bei der ihr sie abliefert.“ Einen Stift ergreifend kritzelte Boyd einen Namen und ein paar Koordinaten an den Kartenrand. Tom stand zu weit entfernt, um sie entziffern zu können. Spätestens beim Losfliegen würde er ihren Zielort jedoch kennen lernen. Erst in diesem Moment traf Tom die Erkenntnis, dass er in diesem Hinterzimmer doch nicht sterben würde. Dass er ein weiteres Mal hinter das Steuer eines Raumschiffes schlüpfen durfte. Seine Finger kitzelten allein bei dem Gedanken daran und seine angespannten Schultern lockerten sich ein wenig, obgleich des Hämmerns in seinem Schädel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)