Lesson for the Lover von pusteherz ================================================================================ Kapitel 6: Gemischte Gefühle ---------------------------- „Ich hab Brötchen geholt“, rief Kari durch die Wohnung, als sie am Sonntag kurz vor Mittag wieder nach Hause kam. Tai hatte sich kurz zuvor aus seinem Bett geschleppt und ein Glas Milch geholt, welche er nun müde am Esstisch trank. Das Wochenende war schon wieder fast vorbei und er hatte mehr Zeit schmollend im Zimmer verbracht als sich zu amüsieren. Das würde heute nicht der Fall sein. Heute würde er raus in die Welt gehen und aufhören Trübsal zu blasen. Seine Schwester legte die Tüte mit dem Gebäck auf den Tisch, sodass sich Tai gleich ein Brötchen herausnahm und herzhaft hineinbiss. Kari gesellte sich zu ihm und begann ebenfalls zu frühstücken. „Mh, die schmecken köstlich! Danke, Schwesterherz“, meinte er mit halbvollem Mund und grinste über beide Ohren. „Da hat wohl jemand gute Laune?“, schlussfolgerte Kari skeptisch und beobachtete ihren Bruder. „Bei dem Wetter kann man ja gar nicht anders“, erklärte er und zeigte mit dem Finger auf das Fenster. Es war ein wirklich schöner Tag. Die Sonne schien, keine einzige Wolke bedeckte den Himmel und warm war es auch noch. Tai konnte sich gar nicht richtig entscheiden, was er denn unternehmen sollte. Erst wollte er Fussball spielen gehen, aber dann fiel ihm ein, dass er Soras SMS gar nicht beantwortet hatte. Er hatte es die letzten Tage gemieden jeglichen Kontakt mit ihr aufzunehmen. Dafür war er viel zu verletzt und das wollte er sie nicht bemerken lassen. Natürlich ging es ihm immer noch nicht viel besser, aber nun hatte er das Gefühl es überspielen zu können. Er konnte sie nicht bis auf sein Lebensende meiden, spätesten morgen in der Schule würde er sie wiedersehen und er wollte nicht, dass es ein unangenehmes Nebeneinandersitzen wird. Nachdem er mit dem Essen fertig war, stand er auf und griff zum Telefon, wo er Soras Nummer eintippte. Er musste nicht lange warten, bis das Mädchen endlich abnahm und sich meldete. „Hey Sora, sorry, hab‘ vergessen auf deine Nachricht zu antworten“, begann Tai. „Das macht doch nichts. Schön, dass du dich meldest“, gab sie von sich. „Hast du Lust auf ein Eis? Wir könnten dann an den Strand oder so“, schlug er lässig vor. „Ja, wieso nicht? Gerne!“ „Cool! Ich hol‘ dich dann nachher gleich ab“, meinte er noch und beendete danach das Gespräch. Kari sass verdattert in der Küche und schaute ihren Bruder nur ungläubig an. Hatte er soeben wirklich Sora angerufen und mit ihr geredet, als sei nie etwas gewesen? Was hatte er denn über Nacht getrunken? Ungläubig stand sie auf und legte die benutzten Teller in den Geschirrspüler. „Warum hast du das gemacht?“, fragte sie ihn und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Warum nicht? Darf ich mich nicht mit ihr treffen?“, gab er fast schon beleidigt von sich. Sie antwortete ihm nicht, beobachtete ihn weiterhin skeptisch und lief dann in ihr Zimmer. Irgendetwas stimmte da nicht. Er konnte nicht von heute auf morgen einfach über Sora hinweg sein und die Situation verdaut haben. Schliesslich hatte er sich gestern noch beinahe mit seinem besten Freund gekloppt. Aber Kari wollte eigentlich nicht gross darüber diskutieren. Er war alt genug, um selber zu entscheiden, was für ihn das Richtige war. Wenn er Sora also sehen wollte, obwohl sein Herz gerade zerbrach, dann sollte er das eben tun. Natürlich war Tai bewusst, dass seine Handlung etwas schräg war. Er konnte auch nicht wirklich zuordnen wie er sich gerade fühlte. Ein wenig nervös war er schon, als er sich die Schuhe anzog und aus der Wohnung lief. Tai wollte Sora eine Chance geben ihm die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen. So schwer es auch war, er musste lernen zu akzeptieren, dass sie und sein bester Freund ein Paar waren. Dies würde einfacher für ihn werden, wenn er die Situation wenigstens ein bisschen nachvollziehen könnte. Es dauerte nicht lange bis er das Haus seiner Klassenkameradin erreicht hatte und die Klingel betätigte. Sora öffnete ihm gleich die Tür und liess ihn hinein. „Schön, dass du da bist“, begrüsste sie ihn etwas verlegen. Tai lächelte sie nur angespannt an und setzte sich auf den Hocker im Flur, während das rothaarige Mädchen noch rasch ihre Tasche zusammenpackte und nach dem Schlüssel griff. „Wir können losgehen“, meinte sie schliesslich und lief gemeinsam mit dem Jungen wieder raus. Zu Beginn war die Atmosphäre sichtlich angespannt und keiner der Beiden getraute sich wirklich gross ein Gespräch aufzubauen. Stattdessen redeten sie über das Wetter und ähnliche belanglose Dinge, während sie nebeneinander spazierten. Wenig später erreichten sie glücklicherweise die Eisdiele, wo sie sich einen Tisch mit zwei freien Plätzen ergattern konnten. Es dauerte nicht lange bis sie eine Kellnerin bediente und die beiden ihre Bestellung aufgeben konnten. Freundlich gab Tai die beiden Karten zurück und beobachtete seine Begleitung. Diese war sichtlich müde und gähnte herzhaft. „Da scheint wohl jemand müde zu sein“, meinte Tai und grinste keck. „Nur ein wenig“, meinte sie und schmunzelte schüchtern beim Gedanken an gestern Nacht. Am liebsten hätte sie ihm davon erzählt, aber dafür war Tai nun wirklich nicht die richtige Ansprechperson. Das wollte sie lieber Mimi mitteilen. Für Sora war der Tag danach komisch. Sie fühlte sich glücklich, immerhin hatte sie nun ihr erstes Mal hinter sich und es war mit ihrem Freund, welchen sie von Herzen liebte. Aber andererseits hatte sie ein seltsames Gefühl und sie war sich nicht sicher, ob es Matt wirklich gefallen hatte. Gleich nach dem Verkehr hatte er sich zum Schlafen hingelegt. Seither hatten die beiden nicht mehr gross miteinander gesprochen, schon gar nicht erst über dieses Geschehnis. Die Kellnerin brachte die beiden Eisbecher an den Platz, wodurch Sora aus ihren Gedanken gerissen wurde. „Wow, das sieht ja toll aus“, meinte sie begeistert und nahm sich den Löffel. „Na dann, guten Appetit!“, entgegnete Tai und leckte sich vorfreudig über die Lippen. Die beiden liessen sich ihr Eis sichtlich schmecken. Immer wieder unterhielten sie sich über die Schule und ähnliche Dinge, aber ein Thema beschäftigte Sora nun brennend. Sie wollte unbedingt wissen, was mit ihm los war am Freitagabend. „Ich muss dich was fragen“, begann sie, nachdem sie sich den letzten Löffel Vanilleeis gegönnt hatte. „Klar, schiess los“, meinte Tai und nickte ihr zu. „Warum hast du am Freitag so plötzlich den Club verlassen?“, fragte sie ihn zögerlich. Er antwortete nicht sofort, liess sich die Frage durch den Kopf gehen und überlegte, was nun die beste Erklärung wäre. Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Tai wollte ja eigentlich, dass sie wusste was los war. Andererseits wollte er ihr kein schlechtes Gewissen machen, schliesslich konnte sie grundsätzlich nicht viel dafür. Seine Wut richtete sich mehr an Matt. Immerhin war ihm bewusst, welche Gefühle Tai für Sora hegte. „Ach, das war nichts Schlimmes“, erklärte er. „Mir war nur etwas übel und da wollte ich nur noch schnell nach Hause.“ Ihm fiel in diesem Moment keine bessere Ausrede ein. Dennoch war es nur eine Halblüge, schliesslich hat ihm der Anblick der beiden Turteltauben wirklich den Magen verstimmt. „Warum hast du nichts gesagt?“, hakte Sora aber nach. „Ich wollte euch die Stimmung nicht verderben“, meinte er. „Ausserdem war das ja halb so wild.“ Wenn sie weitere Fragen stellen würde, kämen Tai bald keine klugen Argumente mehr in den Sinn. Mit jeder weiteren Begründung, die er ihr auftischen musste, zog sich sein Herz innerlich etwas zusammen. Er konnte nur schwer überspielen wie verletzt er war. Das war nun wirklich ein komischer Tag. Heute Morgen hatte er noch das Gefühl gehabt, ihm ginge es besser, aber da schien er sich geirrt zu haben. Nachdem die beiden ihr Eis fertig verputzt hatten und die Rechnung von Tai übernommen wurde, machten sie sich auf den Weg zum Strand, welcher glücklicherweise nur wenige Strassen entfernt war. Dort setzten sie sich auf den weichen Sand und sahen den leichten, rauschenden Wellen zu. Sora umschlang ihre angezogenen Beine und legte ihren Kopf müde auf die Knie. „Ach, Tai“, murmelte sie lächelnd, „weisst du, es gibt glaube ich wirklich nichts Schöneres als verliebt zu sein. Mit Matt habe ich eine unglaublich schöne Zeit und er könnte mich nicht glücklicher machen. Er ist einfach perfekt.“ Tai schwieg eine Weile und blickte weiterhin in die Ferne des Meeres. Er wollte es nicht hören. Nicht von Sora. Seine Wunde, von welcher er meinte, sie würde bald wieder anfangen zu heilen, wurde soeben kaltblütig aufgerissen. Das war einfach nicht fair. „Hast du das eigentlich auch schon erlebt?“, riss Sora ihn schliesslich aus seinem Kummer. „Was meinst du?“, fragte er verwirrt nach. „Na, verliebt sein. Gibt es jemanden, der dir gefällt?“ Sora wurde soeben bewusst, dass sie sich nie mit Tai über dieses Thema unterhalten hatte. Nicht, dass das irgendwie Tabu war, aber es hat sich seltsamerweise nie wirklich ergeben. Es gab für die beiden immer andere interessante Themen zu besprechen, aber dieses wurde ignoriert. „Hm, ja“, begann Tai nach einer kurzen Denkpause. „Es gibt da wirklich jemanden.“ Sora wurde sofort hellhörig und wendete sich mehr ihrem Sitzpartner zu, indem sie ihren Kopf zu ihm drehte. Das musste sie schon genauer erläutert bekommen. Der Gedanke, dass Tai Schmetterlinge im Bauch hatte, machte sie glücklich. „Erzähl mir mehr davon!“, befahl sie ihm neugierig. „Wer ist sie? Wie läuft es bis jetzt?“ „Na ja“, stotterte Tai, „das ist etwas kompliziert. Ich mag sie wirklich, aber da gibt es etwas, das zwischen uns steht.“ Der Junge überlegte kurz, wie er ihr die Geschichte clever verpacken sollte. Er wollte ihr nicht zu viel verraten, schon gar nicht seine Liebe beichten. Aber er wollte sie in dieser Hinsicht nicht anlügen und liess stattdessen einfach wichtige Details weg. „Sie empfindet nicht das Gleiche für mich.“ „Woher willst du das wissen? Hast du ihr davon erzählt?“, bohrte Sora wundernd weiter und runzelte nichtsahnend ihre Stirn. „Nein, also, nicht so direkt. Aber sie liebt jemand anderen“, fuhr er enttäuscht fort. Es machte ihm doch mehr zu schaffen darüber zu reden, als er zu Beginn dachte. „Ach, lassen wir das einfach. Das lässt sich jetzt nicht ändern, egal…“ Natürlich bemerkte Sora gleich, dass ihr bester Freund tatsächlich Liebeskummer hatte. Deshalb fragte sie auch gar nicht mehr weiter nach, auch wenn sie zu gerne wüsste, wer es war. Wer konnte Tais Herz brechen? Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen. Mitleidig legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und schweigend beobachteten sie wieder das rauschende Meer. Tais Gefühle spielten innerlich verrückt und er hatte überhaupt keinen Durchblick mehr. Welche Ironie war es, Sora neben sich zu haben. Trotzdem schien sie gleichzeitig ganz weit weg. Er wollte sie nahe bei sich haben, wirklich. Aber nicht bloss auf körperlicher Ebene. Er wollte sie auf so viele andere Arten. Aber vor allem wollte er ihre Liebe. Nach einer Weile des Schweigens beschlossen die Beiden sich auf den Rückweg zu machen und spazierten daher langsam nach Hause. Das Thema war nun auf die Schule gelenkt, welche morgen wieder auf dem Plan stand. Sora erinnerte Tai daran, dass er noch Physikaufgaben lösen musste, was ihn enttäuscht stöhnen liess. Das rothaarige Mädchen kicherte bloss. Das war Tai, wie sie ihn kannte. Er hat sie nach Hause begleitet, was er immer tat. Das war für ihn einfach selbstverständlich. Bei der Wohnung angekommen lächelte Sora ihn glücklich an und umarmte ihn fest. „Das war ein schöner Nachmittag“, meinte sie und liess von ihm los. Auch Tai wurde nun ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Es tat ihm schon fast leid, wie nichtsahnend sie doch war. Dennoch war er froh, hatte er den Tag einigermassen erträglich mit ihr überstanden und würde morgen kein schlimmes Erwachen erwarten. Er wusste, dass Matt ihr nichts von dem Vorfall gestern erzählen würde. Das würde nur weitere Probleme bereiten, auf welche der Blondschopf wahrscheinlich getrost verzichten konnte. In dieser Hinsicht war Matt wahrhaftig nicht das grösste Vorbild. „Aber Tai“, fuhr Sora fort, nachdem sie sich eine Weile Gedanken darüber machte. „Eins würde ich schon noch gerne wissen.“ Sie schmiegte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen und musterte ihr Gegenüber leicht grinsend an. Tai schaute sie bloss erwartungsvoll an und blickte etwas verdattert zurück. „Wer ist denn dieses Mädchen, in das du verliebt bist?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)