Seconds Of Sorrow (Teil 2) von Lina_Kudo (Sekunden des Leids (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 12: Meaning Of Death ---------------------------- Kapitel 12: MEANING OF DEATH Der Sinn des Todes Shinichi schreckte aus seiner Trance hoch, als sich Ran allmählich regte. Endlich. Zwar war sie wenigstens nicht im Koma gelegen wie beim letzten Mal, sondern war ›nur‹ ohnmächtig, und trotzdem wäre er vor Sorge abermals beinahe umgekommen. Benommen öffnete sie ihre Augen. Ihre Muskeln fühlten sich so steif an, als hätte sie ewig geschlafen. Irgendwie … kam ihr das alles verdammt bekannt vor. Als ob sie diese Situation schon einmal erlebt hätte. Langsam, weil ihr Körper nichts Schnelleres zuließ, drehte sie ihren Kopf nach links. Shinichi saß am Bettrand und starrte sie wie gebannt an. Tiefe Augenringe zierten seine Augen. Er sah ziemlich fertig aus. Wahrscheinlich hatte er wieder tagelang kein Auge zugemacht. Wieder ein ziemlich bekanntes Bild. Obwohl … irgendetwas war anders. Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Endlich bist du aufgewacht.« Da traf es Ran fast wie ein Schlag, als sie wieder klar genug denken konnte, um die folgende Erkenntnis zu erlangen: Er war groß. Er war tatsächlich wieder groß! Sie wollte sich schon aufsetzen, doch ein durchzuckender Schmerz durch ihren gesamten Körper ließ ihren Kopf wieder qualvoll ins Kissen zurücksinken. »Seit wann bist du wieder groß?« Shinichi lächelte nur müde. »Seit gestern. Einige Tage, nachdem wir die Organisation zerschlagen haben, hat Ai es endlich geschafft, das Gegenmittel herzustellen«, gab er ihr die nötige Auskunft und grinste sie freudig an. Ran rechnete sich die Zeitspanne in Allerkürze mit gerunzelter Stirn zusammen. »Ich habe also … so lange durchgeschlafen?« Doch kaum, als sie diese Feststellung ausgesprochen hatte, bereute sie es auch schon. Ihr schwante Böses. Und wie sie es vorhergesehen hatte: Das Lächeln Shinichis erstarb für kurze Zeit. »Jep«, antwortete er knapp und sah sie abschätzend aus den Augenwinkeln an. »Musst du mir immer so eine Angst einjagen?« Der Vorwurf in seiner Tonlage war nicht zu überhören. Aber auch die Tatsache, dass seine Strenge nur aufgesetzt war. Ran spielte sein Spiel mit und sah ihn aus unwiderstehlich unschuldigen Augen an. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich kleinlaut. Ran war so schon ein süßes Mädchen. Doch wenn sie auch noch absichtlich so süß tat, war sie einfach unwiderstehlich. Warm lächelte er sie an und tätschelte ihren Kopf. »Schon gut, jetzt ist ja alles wieder gut«, raunte er zärtlich, und als Ran einladend zur Seite rutschte, ließ er es sich nicht nehmen, sich neben sie zu legen und sie sanft in seine Arme zu schließen. Glücklich kuschelte sie sich in den Arm ihres Freundes. Endlich war es vorbei. Endlich waren sie an ihrem Ziel angekommen. Wie lange hatten sie darauf warten müssen? Und doch gab es eine Tatsache, die dieses grenzenlose Glück trübte. Das Glück wie einen durchsichtigen, finsteren Schleier umhüllte. Fast unsichtbar, und doch existent. »Sharon …«, begann Ran, sich an dieses heikle Thema heranzutasten. Beruhigend strich Shinichi ihr den Rücken herunter. »Sie ist von uns gegangen, ja«, antwortete er bedauernd und schloss seine Augen. Auch, wenn sie zu der bösen Seite gehört hatte: Sie hatte sich für Ran geopfert und hatte ihr Leben gelassen – das würde er niemals vergessen. Für immer würde er deswegen in ihrer Schuld stehen. Ran würde nie hundertprozentig darüber hinwegkommen, dass ihretwegen ein Mensch sein Leben verloren hatte. Sie würde sich immer verantwortlich und schuldig dafür fühlen. »U– Und wo …«, setzte sie zögerlich an. »Sie wurde bei uns in Tokyo beigesetzt.« Ernst sah sie zu ihrem Freund. »Erfüllst du mir einen Wunsch?« Ohne zu zögern antwortete Shinichi, ihr dabei tief in die Augen blickend: »Jeden.« Mit einem großen Blumenstrauß mit Grabblumen starrte sie in das weiße Marmor vor ihr. Ihre Beine zitterten leicht, sowie auch ihr gesamter Körper. Starr den Namen lesend, der in diesem Marmor eingemeißelt war. Sharon Vineyard. Sie wusste ja, dass sie tot war. Ihretwegen. Doch nun vor ihrem Grab zu stehen, in so einer ruhigen Minute, war, als ob sie nun diesen Tod akzeptieren musste. Und das fiel ihr schwer. Schwerer, als sie je gedacht hätte. Schon öfters hatte sie im Leben Menschen kennengelernt, die früher als erwartet den Tod gefunden hatten. Doch keines dieser Tode ging ihr so nahe wie dieser. Was bestimmt auch daran lag, dass ihr Tod einzig und allein ihre Schuld war. Wäre sie nicht gewesen, wäre diese Frau noch am Leben. Sharon hatte es im Leben noch nie leicht gehabt. Nie. Und dann musste sie auch noch so ein schrecklicher Tod ereilen. Das Leben war einfach so unfassbar ungerecht. Ohne es zu merken bildeten sich Tränen in ihren Augen. Tränen, die plötzlich unaufhaltsam ihre Wangen hinabliefen und ihr Gesicht dazu brachten, sich gequält zu verzerren. Auffangend legte sich ein starker Arm um sie und drückte sie an die Brust ihres Freundes, der die ganze Zeit schweigend direkt neben ihr gestanden hatte. »Sie war im Grunde kein schlechter Mensch. Nur eine einsame Frau, die leider nur die hässlichste Seite des Lebens kennenlernen durfte. Ich werde ihr ewig dankbar sein, dass sie dir das Leben gerettet hat, auch wenn sie unverzeihliche Taten begangen hat. Bitte sei nicht traurig: Ihr geht es bestimmt gut, jetzt, wo sie fort ist. Bestimmt hat sie nun endlich einen Ort gefunden, an dem sie glücklich ist. An dem es ihr besser geht. Sie wollte sterben. Um dein Leben zu retten, war es ihr wert gewesen. Damit hat sie es geschafft, trotz all ihrer Sünden in Würde zu sterben, denn sie hat einem Engel das Leben gerettet.« Minuten später löste sich Ran langsam aus den Armen ihres Freundes, um sich vor dem Grab hinzuknien und den Blumenstrauß demütig auf ihr Grab zu legen. »Auch, wenn Sie eine Mörderin waren: Sie haben mich gerettet. Ich werde darauf aufpassen und es hüten; das verspreche ich Ihnen. Dank Ihnen weiß ich mein Leben jetzt nur noch mehr zu schätzen. Ihr Tod war ganz bestimmt nicht umsonst gewesen«, versprach sie ihrer Lebensretterin leise, während sie sich ihre Tränen mit dem Handrücken wegwischte. Noch lange standen sie da und gedachten an die Frau, bevor Shinichi mit einem leisen »Lass uns gehen« den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt eröffnete. Mit einem Lächeln nickte Ran, und so verließen sie Arm in Arm den Friedhof und sahen zuversichtlich in ihre gemeinsame, glückliche Zukunft. Ein letztes Mal drehte sich Shinichi kurz zu dem Grab zurück. Das, was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod Sinn. Danke, Sharon. Für alles. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)