Seconds Of Sorrow (Teil 2) von Lina_Kudo (Sekunden des Leids (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 5: Dream Or Reality? ---------------------------- Kapitel 5: DREAM OR REALITY? Traum oder Wirklichkeit? Lange starrten sich Conan und Ran nur stur in die Augen. Keiner der beiden dachte auch nur daran, nachzugeben. Ein entnervtes Aufstöhnen Rans durchbrach letztendlich die Stille zwischen den beiden. »Jeden Abend das gleiche Theater mit dir! Jetzt geh schon endlich nach Hause. Du warst doch schon den ganzen Tag hier und siehst echt müde aus. Morgen ist Schule. Willst du etwa wieder dort einschlafen und nichts vom Unterricht mitbekommen?«, hielt sie ihm eine nicht ganz ernst gemeinte Predigt. Sie musste sich schon sehr zusammenreißen, um nicht loszukichern. Unbeeindruckt sah er sie abschätzend an. »Das ist wohl nicht dein Ernst, oder? Selbst, wenn ich die nächsten zehn Jahre nicht in die Schule gehen würde, würde ich absolut nichts verpassen. Stell dir mal vor, du müsstest noch mal die Schulbank der ersten Klasse drücken. Ich fand es ja schon früher, als ich regulär in die jeweilige Jahrgangsstufe gegangen bin, immer sterbenslangweilig.« Ran schmunzelte. Oh ja, er war schon damals öfters im Unterricht eingeschlafen, aber das hatte keinerlei Auswirkungen auf seine Spitzennoten gehabt. Er hatte stets überdurchschnittlich gute Leistungen erbracht und war zweifelsohne immer der Jahrgangsbeste gewesen. Aber mit seiner Intelligenz, die ja bereits als Hochbegabung galt, war das auch nicht weiter verwunderlich gewesen. Ran seufzte leise, als er immer noch keine Anstalten machte, zu gehen. »Was soll mir hier denn schon passieren? Du bist viel zu ängstlich und wohl noch von den vergangenen Vorfällen traumatisiert, das ist alles. Die Besucherzeit ist schon längst vorbei. Du musst jetzt dann wohl oder übel gehen, ob du nun willst oder nicht. Oder möchtest du dir wieder Ärger mit der Schwester einhandeln? Nicht, dass sie irgendwann die Schnauze voll hat und dir Hausverbot erteilt.« Leicht genervt verdrehte der kleine Junge seine Augen. Ihm fielen zwar noch zahlreiche schlagfertige Argumente ein, doch er hatte nun keine Lust mehr auf eine weitere Diskussion und gab sich daher schließlich seufzend geschlagen. Es hatte ja sowieso keinen Zweck. Es war jeden Abend das gleiche Theater mit immer dem gleichen Ende: dass er früher oder später gehen musste. »Aber wenn …«, setzte er bereits an, doch Ran schnitt ihm das Wort ab und beendete den Satz für ihn. »Wenn etwas sein sollte, rufe ich dich natürlich sofort an, mein Lieber.« Widerwillig beugte er sich zu ihr vor, um sich von ihr zu verabschieden und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Dann sehen wir uns morgen, Ran.« Ran ließ den Tag mit entspannender Musik von ihrem iPod ausklingen. Heute würde sie zum Glück keine weitere Untersuchung mehr über sich ergehen lassen müssen. Und so landete sie kurze Zeit später schon bereitwillig im Land der Träume, wo Shinichi – in seiner wahren Gestalt – bereits voller Ungeduld auf sie wartete. »Ran? Ran, wach auf!« Vor Schreck öffnete Ran sofort die Augen und saß kerzengerade auf ihrem Bett. Es war dunkel im Zimmer. Für ihre Verhältnisse war sie äußerst schnell wach geworden. Normalerweise bekamen sie ja keine zehn Pferde wach, wenn sie wirklich mal im Tiefschlaf war. Doch diesmal … diesmal war etwas anders. Die Stimme, die sie gerade gerufen hatte. Sie kam nicht aus ihrem Traum. Und doch … hätte diese Stimme nur in ihrem Traum ertönen können. Eigentlich. Genau das war der Grund, warum sie wohl auch gleich aus ihrem Traum erwacht war: Er hatte sie gerufen. Aber … wie konnte das möglich sein? Konnte sie jetzt nicht mehr den Traum von der Realität unterscheiden? Hatte sie diesen Ruf nun nur geträumt oder nicht? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, blinzelte sie sich durch den Raum, gewöhnte ihre Augen erst einmal an die Dunkelheit, bevor sie auch nur Umrisse erkennen konnte. Ihr Herz klopfte wie wild. Nur ihr schwerer Atem war in diesem Zimmer zu hören. Diese Stimme … Als sie endlich mehr als nur grobe Umrisse sehen konnte, erkannte sie eine Statur an der Tür. Ihr Herz machte einen Satz, als die Gestalt näher kam. Sie … kam ihr so bekannt vor. So sehr. Aber war das im Bereich des Möglichen? Sie wurde blass wie der Tod höchstpersönlich, als sie ihn allmählich sicher identifizieren konnte, als er nun mit einem verschmitzten Lächeln direkt vor ihr stand. Verlegen räusperte er sich kurz. »Es hat geklappt, Ran! Ich war vorhin noch bei Professor Agasa, weil Ai noch unbedingt mit mir sprechen wollte. Und da hat sie mir das Gegengift einfach in die Hände gedrückt. Sie hat es tatsächlich geschafft, Ran!«, sagte er mit belegter Stimme, und selbst in dieser Finsternis konnte sie sein kindliches Strahlen erkennen. »Sh– Shinichi …« Wie betäubt saß sie da, unfähig, irgendetwas zu tun. Es kam ihr alles so unwirklich vor. Passierte das alles tatsächlich? Wie konnte das sein? Allerspätestens, als Shinichi sie plötzlich in seine Arme schloss und liebevoll an sich drückte, war es um sie geschehen. Es war kein Traum. Dafür fühlte es sich viel zu schön an. So schön konnte nicht einmal ihr schönster Traum sein. Er war wieder da. Er war wirklich wieder zurück! Ran konnte sich nicht erinnern, jemals so unfassbar glücklich gewesen zu sein. Freudentränen bildeten sich in rekordverdächtiger Geschwindigkeit in ihren Augen, bevor auch sie endlich ihre Arme um ihn legte und sich haltsuchend an ihn krallte. »Shinichi …«, wimmerte sie leise und ließ ihren Emotionen mit einem Mal freien Lauf. Es war ihr egal, dass sie vor ihm heulte. Es war ihr egal, wenn er sie tatsächlich später damit aufzog, was für eine Heulsuse sie doch war. Ihretwegen konnte er sie später permanent damit ärgern – sie würde es liebend gerne in Kauf nehmen. Es war ihr einfach alles egal. Denn die Hauptsache war doch, dass er endlich wieder bei ihr war nach so langer Zeit. »Ein bisschen frische Luft tut dir sicherlich gut, meinst du nicht auch?« Ungläubig über diesen Vorschlag löste sie sich noch etwas benommen aus der Umarmung und sah ihren Freund aus Kindertagen skeptisch an. »A– Aber ich darf doch nicht raus«, raunte sie ihm etwas unsicher entgegen. Shinichi hatte für ihre Ängstlichkeit nur ein spitzbübisches Augenzwinkern übrig. Wie sehr sie seine freche Art doch liebte. »Es muss ja niemand erfahren, oder? Man muss sich ja nicht immer an die Vorschriften halten. Ist doch langweilig.« Ran kicherte herzhaft. Seit wann brach Shinichi denn Regeln? Das sah ihm ja überhaupt nicht ähnlich – so lange es nicht zum Wohle der Allgemeinheit diente oder dafür, irgendwelche Kriminalfälle aufzuklären oder was zumindest ansatzweise in diese Richtung ging, verhielt er sich doch stets vorbildlich, der olle Moralapostel. Zumindest seit Neuestem, denn früher war er schon ein richtig frecher Bengel gewesen, der seine Eltern und Lehrer beinahe zum Verzweifeln gebracht hatte. Verfiel er etwa wieder in alte Verhaltensmuster? Darauf sprach sie ihn auch mit einem verschmitzten Grinsen an. Abermals strich Shinichi sanft durch ihre langen, braunen Haare. »Das war ein Witz. Ich habe mich schon im Vorfeld um deine Entlassungspapiere gekümmert, musst du wissen. Es war alles geplant, um dich zu überraschen«, gab er milde lächelnd zu. Diese Tatsache verwunderte die junge Frau doch sehr. Er war aber auch immer für eine Überraschung gut. »Soll das etwa heißen, es war schon länger geplant? Dass du dich heute zurückverwandelst? Also hast du nur geflunkert, als du behauptet hast, dass das Gegenmittel erst noch geschaffen werden muss von Ai?« Ein wenig abschätzend blickte er sie an. »Sonst wäre es ja keine Überraschung gewesen, oder?« »Alles klar; ich habe verstanden«, entgegnete sie mit einem Kopfschütteln. Sie war einfach viel zu glücklich darüber, dass er wieder zurück war, dass sie ihm gar nichts übel nehmen konnte. Auch nicht, dass er ihr mal wieder einen Bären aufgebunden hatte. Außerdem hatten sich dahinter ja keine bösen Absichten verborgen. Doch wenn sie recht überlegte: Er hatte noch nie ernsthaft böse Absichten gehabt, wenn er schon tatsächlich nach so drastischen Mitteln wie Lügereien griff. »Wow, es ist so wunderschön!«, brachte Ran lediglich ehrfürchtig heraus, als sie gemeinsam durch den Park schlenderten und über ihnen ein atemberaubend schöner Sternenhimmel schwebte. Der Himmel war so klar und wolkenlos, dass sie freie Einsicht zu all den Sternen hatten, die noch heller zu leuchten schienen als jemals zuvor. »Ich glaube, der Sternenhimmel war noch nie so schön wie heute.« »Hmm«, kam es nur verträumt von Shinichi, der ebenfalls zu den Sternen raufschaute. »Mit einem wahren Engel an der Seite erscheint alles so wunderbar friedlich und harmonisch.« Dieser Satz war eher an sich selbst gerichtet als an sie. Er schien mit seinen Gedanken nämlich ganz woanders zu sein. Und auch … das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden; schaffte Platz für einen betrübten, rätselhaften Ausdruck. Ran bemerkte, dass etwas nicht stimmte und blieb besorgt in der Bewegung verharren – seine Hand dabei nicht loslassend. »Shinichi? Alles in Ordnung?« Auch er blieb stehen und wandte sich ganz ihr zu; sein Blick an ihre Augen geheftet. Stumm musterte er sie. Das unaufdringliche Licht des Mondes strahlte auf sie hinab, ließ sie wunderschön leuchten. Wahrlich wie ein Engel … Immer noch wortlos hob er ihre Hand und küsste zärtlich ihren Handrücken. Ran kam das langsam ziemlich merkwürdig vor. Warum sagte er denn nichts? Warum … strahlten seine Augen so etwas … Trauriges aus? Schmerz und Trauer? Es war doch gerade so schön. Was war passiert? Was hatte er? »Shinichi, sag mir doch, was los ist!«, bat sie ihn und bekam es langsam aber sicher mit der Furcht zu tun. Hier stimmte etwas nicht. Irgendetwas Schreckliches war vorgefallen, da war sie sich plötzlich absolut sicher. Ein Lächeln bildete sich auf den Lippen des jungen Mannes, doch seine Augen blieben weiterhin … melancholisch. »Ran … Versprichst du mir bitte etwas?«, hauchte er leise, doch trotzdem verstand die Oberschülerin jedes Wort. »Ja, was denn?«, erwiderte sie ebenfalls hauchend und blickte ihn erwartungsvoll an. Es beunruhigte sie nur noch mehr, dass seine Augen weiterhin Schmerz zeigten. Shinichi trat noch näher auf sie zu, legte zärtlich seine Hand um ihren Nacken und näherte sich ihrem Gesicht. Er holte tief Luft, bevor er folgende Bitte aussprach: »Bitte vergib mir.« Perplex blinzelte Ran im ersten Augenblick ratlos und verstand nicht sofort, was er genau damit meinte. Sprach er von seinen Lügen? Aber darüber hatten sie sich doch schon längst unterhalten. Da war doch schon alles geklärt. Etwas anderes … kam ihr nicht in den Sinn. Also ging sie auf ihren ersten Gedanken ein und lächelte ihn aufmunternd an. »Aber du weißt doch, dass ich dir schon längst verziehen habe«, entgegnete sie, während ihre Augenbraue einen noch steileren Winkel annahm und sie reflexartig ein wenig zurückging. Irgendetwas war faul hier. Obwohl Shinichi ihr so nahe kam, fühlte sie sich alles andere als wohl. Irgendwie verströmte er schlagartig eine andere Aura als sonst. Er hatte irgendetwas Bedrohliches an sich. Sie konnte es nicht in richtige Worte fassen. Sanft verstärkte er seinen Griff um ihren Nacken und zückte mit der anderen Hand ein weißes Tuch aus seiner Hosentasche. »Bitte vergib mir«, hörte Ran ihren Gegenüber noch wispernd wiederholen, bevor sie nur noch merkte, wie er ihr das Tuch gegen das Gesicht drückte und mit einem Mal alles um sie herum schwarz wurde. Shinichi hatte sie noch rechtzeitig aufgefangen, bevor sie zu Boden stürzen konnte und trug sie nun auf Händen. Eine kleine Träne verließ sein rechtes Auge, was ihn selbst überraschte. Dass er noch dazu fähig war, Tränen zu bilden. Dabei war er sich sicher, dass er das Weinen schon längst verlernt hatte. Schon seit Jahrzehnten hatte er keine einzige Träne mehr geweint. Dazu war einfach er nicht mehr fähig, denn in ihm schlug das Herz eines kaltblütigen Killers. Oder besser gesagt: Einer Killerin. »Please forgive me, my angel …« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)