Meine bessere Hälfte von DasWoelfchen ================================================================================ Kapitel 5: Nightmare before....Easter? -------------------------------------- Am nächsten Tag wachte ich erst auf, als Jay mit ihrer Gitarre im Anschlag mein Zimmer stürmte und in voller Lautstärke 'Oh happy Day' sang. Müde blinzelte ich sie an. „Was ist los?“ „Es ist halb eins~, steh jetzt auf~!“, sang sie. „Oh Mann.“, stöhnte ich in mein Kopfkissen. Ich hatte zwölf Stunden gepennt! Kurze Zeit später saß ich fertig angezogen – diesmal im weißen Tanktop und blau gemusterten Wickelrock – am Frühstückstisch. Gut, zum Frühstücken war es etwas spät, aber wir mussten etwas essen, bevor der Horrortrip anfing. Da mein Rock keine Taschen hatte, verstaute ich Schlüssel, Handy und Portemonaie in meiner braunen Ledertasche, in die ich sonst meine Schulsachen packte. Jamie trug, genau wie ich, ein weißes Tanktop und einen, in ihrem Fall rot gemusterten, Wickelrock. Keine Ahnung, warum sie plötzlich auf den Partnerlook stand. Nach dem Zähneputzen und dem, bei dieser Hitze notwendigem, Pferdeschwanz-binden, klingelte es schon an der Haustür. Nahezu euphorisch wurden wir von den anderen begrüßt. Ich war nur froh, dass keiner der Jungs mitgekommen war, denn auf einen Streit mit Stripes konnte ich heute verzichten – das würde meine Aussicht auf Brownies gefährden. In der Einkaufsstraße durchstöberten wir ausnahmslos jeden Modeladen, bis wir in Nummer 'gleich-fall-ich-tot-um' endlich Kleider fanden. K.O. setzte ich mich auf einen der Sessel, die vor den Umkleidekabinen standen und wartete auf Maka und Tsubaki, die sich gerade umzogen. Patty saß neben mir auf einem anderen Sessel und Jay und Liz durchstreiften weiterhin den Laden. „Was meinst du?“, sprach mich Maka an, als sie in einem dunkelblauen, gerade geschnittenem Kleid die Kabine verließ. „Ich glaube nicht, dass dir blau besonders gut steht.“, antwortete ich aufrichtig. „Oder der Schnitt.“ „Du hast recht, ich probiere ein anderes.“, stimmte sie mir zu und verschwand wieder. Verwirrt blinzelte ich. Ich war nicht besonders freundlich gewesen, genau genommen war ich eher beleidigend. Gaben normale Mädchen wirklich so viel auf die Meinung anderer Mädchen, wenn es um Klamotten ging? Seltsam... „Ray-chan?“, kam es von Tsubaki. Dunkelrot, eng und seeeehr kurz.  „Nein.“, schüttelte ich den Kopf.  „Sieh mal, Ray!“, hielt mir Liz einen Albtraum in schwarz entgegen. „Das sieht aus, als würde es meiner Mum gehören! Was ist das?“ „Ein Etuikleid.“, erklärte sie. „Okay.“, atmete ich tief durch. „Es geht hier um eine Schulveranstaltung. Noch dazu gibt es auf einer Osterfeier auch ein Osterfeuer. Niemand, der noch richtig tickt, donnert sich dafür dermaßen auf und trägt ein Abendkleid, in dem man schwitzt, sich nicht richtig bewegen kann und das außerdem kein Feuer verträgt!“ „Kein Kleid verträgt Feuer.“, warf Liz ein. „Das stimmt. Aber es macht einen Unterschied, ob man für ein Kleid, das eventuell Brandflecken abbekommt, ein halbes Vermögen bezahlt oder nicht.“, konterte ich nach einem Blick auf das Preisschild. Nachdenklich sah sie mich an. „Was schlägst du vor?“ „Ein Sommerkleid.“, antwortete ich entschlossen. „Es ist luftig, locker und normalerweise erschwinglich.“ Außerdem konnte man Chucks dazu tragen, dachte ich mir. „Einverstanden!“, sagte Liz überzeugt. „Mädels, wir tragen Sommerkleider!“ Und schon ging die Kleidersuche von vorne los, nur blieben wir zum Glück im selben Geschäft. „Guck mal, Ray!“, sprang Patty aus der Kabine. Das Kleid, das sie trug, war in einem hellen orange und hatte am Saum rote Querstreifen. Irgendwie stand es ihr, auch wenn ich niemals orange tragen würde. Ich mochte grün und blau viel lieber. Nach und nach fand jeder ein passendes Kleid, bis nur noch Jay und ich übrig waren. Meine Partnerin war zwischen den Kleiderständern verschwunden, während ich von Liz mit Kleidern bombardiert wurde. „Wie ist das?“, hielt mir die Waffe ein braun-orange gemustertes Kleid hin. „Nein.“, meinte ich. „Und das?“, folgte ein altrosanes. „Nein.“ „Und das hier?“, kam ein schwarz-grünes an die Reihe. „Das hatten wir schon.“, seufzte ich. Ich wusste schon, warum ich Shoppen nicht mochte. „Ray!“, rief meine Waffe plötzlich nach mir. Das Kleid, das sie mir entgegenhielt, war weiß und hatte ein Muster aus kleinen, blauen Blumen. Über und unter der Brust war es zusammengerafft, wurde von dünnen Trägern gehalten und schien bis zu den Knien zu reichen. Erleichtert nickte ich – das sah noch am normalsten aus. „War's das jetzt?“, fragte ich hoffnungsvoll, als wir die Kasse hinter uns ließen. „Nein, wir brauchen noch Schuhe.“, erklärte Tsubaki. „Und Accessoires.“, flötete Liz. Verzweifelt stöhnte ich. „Wieso~?“ „Weil morgen die Geschäfte geschlossen sind.“, beantwortete Maka meine rhetorische Frage. Im nächsten Laden angekommen stürzten sich die anderen förmlich auf Ketten, Ohrringe und Co. Gelangweilt blieb ich vor einer Wand stehen, an der tonnenweise Ketten hingen. Wer brauchte das alles? Ich würde mir sicher keine neue Kette kaufen, mir gefielen die, die ich schon hatte. Und Ohrringe trug ich sowieso nicht, genauso wie normale Ringe oder Haarspangen. Als wir aus dem Laden gingen, war das einzige, das die anderen mir aufschwätzen konnten, ein dünner, brauner Taillengürtel. Mit dem konnte ich am Sonntag notfalls Stripes erwürgen, wenn er mich stresste. Richtig schlimm wurde es erst im Schuhgeschäft, da ich mich partout weigerte, Absatzschuhe zu tragen. Die einzigen Schuhe, die ich trug, waren, abgesehen von Chucks, Flipflops am Strand und Stiefel im Winter. Gut, es gab noch ein Paar braune Halbstiefel, die ich manchmal trug, aber das war es auch schon. „Aber Absätze machen schöne, lange Beine.“, versuchte Liz, mich zu überreden. „Und was bringt mir das?“, wollte ich wissen. „Die Jungs stehen drauf.“ „Dann sollen die in Stöckelschuhen rumrennen!“, erwiderte ich sauer. „Mensch Ray, das sind doch nur Schuhe.“, versuchte es jetzt Maka. „Mir doch egal. Ich hab keine Lust, mich in diesen Mörderhacken aufs Maul zu legen.“ „Was ist mit Ballerinas, ohne Absätze?“, wollte Jay die Situation mit einem Kompromiss retten. Stur schüttelte ich den Kopf. Ballerinas waren unbequem. „Was möchtest du denn für Schuhe tragen?“, fragte mich Tsubaki. „Chucks.“ Patty brach in lautes Gelächter aus, als mich die anderen wie Mondkälber anstarrten. „Ray, du kannst da nicht in Chucks hingehen!“, sagte Jay. „Wohl!“, blieb ich stur. „Wer ist dafür, dass Ray Ballerinas statt Chucks trägt?“, fragte Liz in die Runde. Jeder hob die Hand. „Also ist es beschlossene Sache.“ „Fieslinge.“, knurrte ich leise. Immer noch sauer schlürfte ich meinen Pfefferminztee, als wir uns in einem kleinen Café ausruhten. Das Shoppen anstrengend war, wusste ich schon vorher, aber mit diesen Weibern war es die Hölle. „Wisst ihr schon, wie ihr eure Haare machen wollt?“, fragte Tsubaki. Ich verkniff mir ein theatralisches Aufstöhnen, was mir wahrscheinlich nur Probleme gemacht hätte. „Ich glaube, ich stecke sie mir hoch.“, fuhr die dunkelhaarige fort. „Ja, ich auch.“, stimmte Liz zu. „Und du, Maka?“ „Ich weiß es noch nicht.“, antwortete die Meisterin. „Ich werde sie mir wohl flechten.“, gab meine rotblonde Waffe ihre Meinung preis. Schön, dachte ich genervt. Konnten wir nicht endlich nach Hause gehen? „Hey Leute!“, schrie plötzlich eine bekannte Stimme über die Straße. Gleichzeitig drehten wir unsere Köpfe in die Richtung, aus der die Stimme kam und entdeckten einen gewissen blauhaarigen Chaoten. Mit Soul und Stripes im Schlepptau. „Oh nein!“, jammerte ich verzweifelt und schlug meinen Kopf auf die Tischplatte. Das durfte doch alles nicht wahr sein! „Hey Mädels.“, begrüßte uns der weißhaarige, als die drei bei uns ankamen. „Hi.“, grüßten die 'Mädels' im Chor zurück. Oh Gott, wo war ich hier nur gelandet? „Euer Tag war ohne mich ja total langweilig.“, kommentierte Black*Star die Erzählungen der anderen. „Oh ja.“, bestätigte ich ihm. „Es war ein Albtraum!“ „Keine Sorge, jetzt bin ich ja da!“, legte er mir breit grinsend einen Arm um die Schulter. „Und der Albtraum geht weiter...“, murrte ich leise. „Du wolltest allen ernstes Chucks zu einem Kleid anziehen?“, sprach mich der Totengott an. „Kann dir das nicht egal sein?!“, motzte ich ihn an. „Niemand trägt zu einem Kleid gammelige Sneakers!“, ging er gleich darauf ein. „Meine Schuhe sind nicht gammelig!“ „Gestern hatte sie doch auch Chucks zu dem Kleid an, oder?“, wandte sich Soul an seine Meisterin. „Genau!“, rief ich. „Sah das so furchtbar aus?“ „Eigentlich nicht...“ „Ha! Soul ist auf meiner Seite!“, freute ich mich. „Ich bin auf gar keiner Seite...“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, was ich komplett überging. „Und jetzt trage ich auch Chucks!, verwies ich auf meine blauen Treter. „Das sieht unmöglich aus.“, beschwerte sich der schwarzhaarige. „Wer bist du, die Modepolizei?“, spottete ich. „Ray, du kannst tragen, was du willst. Nur am Sonntag eben nicht.“, erklärte Tsubaki. „Hmpf.“, machte ich genervt. „Habt ihr schon etwas gefunden?“, sprach Maka die Jungs auf ihre Einkaufstaschen an. „Jepp.“, antwortete Soul. „Aber Kid hat ewig gebraucht..“ Ein Lachen konnte ich nicht unterdrücken. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie der Totengott panisch durch die Läden lief, auf der Suche nach einem symmetrischen Outfit. Spinner. „Ich lege wenigstens Wert darauf, wie ich herumlaufe!“, giftete er mich an. „Das glaube ich dir sofort.“, lachte ich immer noch. „Rasierst du dir auch brav die Beine, so wie die anderen Mädchen?“ „Ich bin kein Mädchen!“, meckerte er. „Natürlich nicht, Prinzessin.“ Schon war er auf 180. Stripes ließ sich noch leichter provozierten als ich... „Wir gehen dann mal nach Hause.“, ging Jay dazwischen. „Tja, wenn's am schönsten ist, soll man aufhören.“, lachte ich weiter. „Bis Sonntag!“, riefen uns die anderen noch hinterher. „Bin ich nicht brav geblieben?“, wandte ich mich an meine Waffe, als wir zu Hause waren. „Ich habe mich nicht geprügelt, niemanden beleidigt und nicht ein einziges Mal gesagt, dass ich Heim will.“ „Dafür hast du bei den Schuhen einen ziemlichen Aufstand gemacht.“, erwiderte sie. „Das hättest du auch, wenn dich jemand in High Heels gezwungen hätte!“ „Und du hast dich mit Kid gestritten!“ „Stimmt nicht. Ich habe bloß meine Schuhe verteidigt und ihn dann ausgelacht.“ Erschöpft seufzte sie. Den Freitag verbrachte Jay größtenteils mit Backen, sowohl Kuchen für Ostern als auch meine hart verdienten Brownies. Ich half ihr dabei, so gut ich konnte, was sich in meinem Fall aufs Schneebesen- und Löffel-ablecken beschränkte. Zum Mittagessen gab es, ganz Karfreitag-typisch, Fisch, was mich ungewollt an Blair denken ließ. Ich wollte auch eine Katze... Am Samstag telefonierten wir die meiste Zeit mit Jays Granny und meinen Brüdern, von denen wir erfuhren, dass über Ostern meine gesamte Familie zusammen feierte. Das waren, neben meinen Eltern und meinen vier Brüdern, meine drei Opas und fünf Grannys, acht Onkel, zehn Tanten und sage und schreibe 25 Cousins und Cousinen – kurz gesagt: alle Mitglieder der Familie Bennett, plus die Familien von Schwagern und Schwägerinnen. Und ich war stolz darauf, dass ich mir alle Namen merken konnte. Sogar Granny Smith würde mit meiner Familie feiern, und Charlies Freundin Julie, die sowieso schon zur Familie gehörte.  Frustriert futterte ich die Brownies von Jay. Meine gesamte Familie war in England, und ich versauerte in der Wüste und durfte mich mit einem übellaunigen Todesgott streiten. Na gut, gestern und heute hatte ich ihn nicht gesehen, aber dafür würden wir wohl morgen aufeinanderprallen. Tolle Aussichten. Was hatte ich eigentlich verbrochen, das so etwas rechtfertigte? Genervt stand ich auf und ging zur Wohnungstür. „Ich bin unterwegs!“, rief ich meiner Partnerin zu und verschwand nach draußen. Es war am besten, wenn ich etwas gegen meine schlechte Laune tat, und für mich bedeutete das: Training.  Ich lief in den kleinen Wald, der sich unterhalb der Shibusen befand und den ich letzte Woche von dem Amphitheater aus gesehen hatte. Soweit ich wusste, gehörte dieses Wäldchen zum Campus der Shibusen, und da ich sowieso trainieren wollte, ging das sicher in Ordnung. Schließlich konnte ich nicht im Stadtpark trainieren, und sonst war es mir überall zu sonnig. Hier, in diesem kleinen Wäldchen, war es angenehm kühl und schattig und es duftete nach Wald. Als ich eine kleine Lichtung erreichte, beschloss ich, dort zu bleiben. Mit meinen Kopfhörern in den Ohren und Beethoven im Kopf drosch ich, wie ich es auch in einem Kampf tun würde, auf einen Baumstamm ein. Faust, Unterarm, Handkante, Knie – jedes Körperteil wurde eingesetzt. Ich übte meine Sprünge, Drehungen und alles, was mir sonst noch einfiel, bis es dunkel wurde. Erschöpft kam ich erst nach Mitternacht nach Hause und wurde von meiner stinkwütenden Waffe sofort unter die Dusche geschickt. Ich konnte verstehen, warum sie sauer war, denn ich hatte ihr nicht gesagt, wohin ich ging. Nachdem ich wieder sauber war, ging ich in mein Bett und schlief bis zum nächsten Vormittag. „Sieh mal, Ray!“, begrüßte mich Jay fröhlich vom Esstisch. Scheinbar war sie wegen gestern nicht mehr sauer. Auf dem Esstisch lagen zwei kleine Päckchen, von denen eins schon geöffnet war.  „Was ist das?“ „Deine Brüder haben uns etwas geschickt.“, lächelte sie breit. „Guck dir das an!“ Sie hielt mir ein dunkelrotes Halstuch hin, das mit weißen Blüten bestickt war und eine weiße Spitzenborte hatte. Der typische Bauernmädchen-Look, den Jay so mochte. Nachdenklich starrte ich mein Paket an, ohne es zu öffnen. Seit wann schenkten wir uns etwas zu Ostern? Normalerweise gab es nur an Weihnachten und unseren Geburtstagen Geschenke. Wurden die Jungs etwa sentimental, weil sie uns jetzt kaum noch sahen? „Ist das eine Smartphone-Hülle?“, hielt Jamie einen braunen Gegenstand in die Höhe, den sie aus meinem mit Schokolade befüllten Päckchen gefischt hatte. „Lass mal sehen...“, nahm ich den Gegenstand, der tatsächlich eine Hülle für mein Smartphone war, genauer unter die Lupe. Sie war im, für meinen Bruder Ron typischen, Steampunk-Look gehalten. Es schien, als würde sie aus Holz bestehen, was durch die Maserung verstärkt wurde. Die Ecken waren messingbeschlagen und auf der Rückseite waren mehrere ineinander verhakte Zahnräder befestigt, die sich sogar bewegen ließen. „Wie cool!“, freute ich mich, fühlte mich gleichzeitig aber auch etwas schuldig, weil ich nicht daran gedacht hatte, meinen Brüdern etwas zu schenken. „Glaubst du, die Jungs haben die Sachen selber gemacht?“, sprach mich Jay wieder an. „Wahrscheinlich.“, meinte ich. Ich konnte förmlich meine Brüder vor mir sehen, wie sie zu Hause an unserem großen Esstisch saßen und einen Bastelabend veranstalteten. Da die Osterfeier erst am frühen Abend beginnen würde, verbrachten wir den Rest des Tages damit, uns Ice Age anzusehen. Als wir gerade im vierten Teil waren, sprang Jamie erschrocken auf und stammelte etwas von 'zu spät'. „Die Feier beginnt doch erst um fünf.“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Aber es ist schon vier und wir sind noch nicht umgezogen!“, rief sie panisch und rannte in ihr Zimmer. „Oh Mann, bloß kein Stress...“, murmelte ich schwerfällig und folgte ihrem Beispiel. Innerhalb einer Viertelstunde war ich fertig. Zumindest fast.  Von dem Kleid, das Jay mir ausgesucht hatte und das ich mit dem schmalen Gürtel trug, rutschte mir ständig der linke Träger herunter, was mich aber nicht sonderlich störte. Das Zahnrad-Armband schmückte mein rechtes Handgelenk – wie immer – und eine Kette mit rundem Anhänger, in deren Mitte sich ein von Wellen umringter Kelpie befand, hing an meinem Hals – auch fast wie immer. Denn wenn ich diese Kette nicht am Hals trug, hing sie entweder an meinem Handgelenk oder meinem Gürtel. Ich hatte sie immer bei mir, denn Jamie hatte ihre Kette, auf der sich jedoch statt eines Kelpies ein Einhorn befand, auch immer bei sich. Es war unsere Version einer Freundschaftskette. Meine Haare ließ ich offen, wie sie waren, und schminken tat ich mich auch nicht. Wofür brauchte man schon Make-up? Eine Handtasche brauchte ich nicht, denn ich würde mein Handy einfach in Jays Tasche stecken. Das einzige, was fehlte, waren meine Schuhe, und daran wollte ich nichts ändern. Ganz egal, was die anderen sagten, ich würde niemals Ballerinas tragen. Im Bad putzte ich mir die Zähne, während meine Partnerin hektisch versuchte, sich zwei Flechtsträhnen am Hinterkopf zu befestigen. „Brauchst du Hilfe?“, bot ich ihr an. Nach einem Nicken ihrerseits nahm ich ihre dunkelrote, blütenförmige Spange und klemmte die beiden Strähnen fest. Kaum, dass die Frisur saß, schnappte sich Jay ihr neues Halstuch und band es sich um. Sie trug das gleiche Kleid wie ich, ebenfalls mit einem braunen Gürtel, nur mit dem Unterschied, dass ihr Blümchenmuster rot war. „Willst du nichts mit deinen Haaren machen?“ fragte sie mich skeptisch. Ich hatte kaum mit dem Kopf geschüttelt, als sie mich auf den Badewannenrand schob und irgendetwas mit meinen Haaren anstellte. Das Ergebnis waren zwei dünne Flechtsträhnen, je eine auf der linken und eine auf der rechten Seite meines Scheitels, in denen weiße Federn befestigt waren. „Gehen wir als Cowgirl und Indianer?“, scherzte ich. „Na, Blumen magst du ja nicht in den Haaren.“, rechtfertigte sie sich. „Was ist mit Make-up?“ „Ich warne dich!“, rief ich erschrocken, woraufhin sie mich auslachte. „Ich bin eben eher der natürliche Typ...“ „Dafür gibt es auch die passende Schminke.“, meinte sie. „Trotzdem. Ich stehe nicht drauf, anderen vorzumachen, ich hätte endlos lange Wimpern oder eine strahlende Haut ohne Sommersprossen. Solange ich keine Pickel habe, schminke ich mich auch nicht.“ Selbst wenn ich Pickel hätte, würde ich mich nicht schminken, das stand fest. Kurz bevor wir die Wohnung verließen, hielt mich Jamie auf. „Was ist mit den Schuhen?“ „Du trägst doch welche.“, wich ich ihrer Frage aus und deutete auf ihre braunen Halbstiefel, aus denen rote Socken herausschauten. „Mich meine ich damit nicht.“ „Ich trage auch Schuhe.“, tat ich unschuldig. „Aber nicht die, die wir abgemacht hatten!“, erwiderte sie streng. „Ach komm schon! Ballerinas sind total unbequem, die schneiden sich immer in meine Hacken!“, jammerte ich, „Du wirst da nicht in Chucks hingehen!“ „Bitte~“, versuchte ich es weiter. „Entweder du trägst Ballerinas oder du gehst Barfuß, aber nicht in Chucks!“ Ergeben seufzte ich und zog meine Schuhe aus.  „Na gut.“, meinte ich. „Ich gehe Barfuß!“ Als wir an der Schule ankamen, war meine rotblonde Waffe absolut entnervt, versuchte aber, meine nackten Füße zu ignorieren. Auf dem Schulhof stand ein großer, ordentlich geschichteter Holzhaufen, der wohl erst später angezündet werden würde. Die Feier selbst schien sowohl draußen auf dem Schulhof als auch drinnen, in einem großen Saal im Erdgeschoss der zur Hofseite hin geöffnet war, stattzufinden. Obwohl es noch gar nicht fünf Uhr war, waren schon eine menge Leute da – ich hasste solche großen Veranstaltungen. Die einzigen Partys, auf denen ich je war, waren die Familienfeiern in unserem Garten. Aber hier kannten wir fast niemanden... „Hey ihr beiden!“, rief uns Maka zu, als sie uns entdeckte. „Hi.“, begrüßte sie Jamie, während ich still blieb. Der Rest des Chaoten-Trupps war auch hier und begrüßte uns ebenfalls. „Deine Haare sind schön.“, versuchte Tsubaki, mir ein Kompliment zu machen. „Keine Ahnung, ist mir egal.“, antwortete ich so wie auf fast alles andere, was ich gefragt wurde. „Du bist ja noch schlechter drauf als sonst.“, bemerkte Soul. „Wahnsinn, Sherlock, wie hast du das bloß herausgefunden?“, versuchte ich, mir ein Lächeln abzuringen. „Intuition.“, meinte er nur. „Coole Schuhe!“, lachte plötzlich Black*Star los, als er meine Füße sah. „Was ist denn aus den Ballerinas geworden?“, wollte Liz wissen. „Nichts. Ich hab sie einfach nicht angezogen.“ „Du kannst doch nicht Barfußauf eine Abendveranstaltung gehen!“, entsetzte sich die Prinzessin der Kleiderordnung. „Du siehst doch, dass ich es kann.“, antwortete ich stur. „Das geht doch nicht! Das hier ist doch nicht Woodstock!“, rief er entrüstet. „Hast du Angst vor Hippies, Prinzessin?“, grinste ich leicht. Irgendwie machte es Spaß, ihn zu ärgern. „Natürlich nicht!“, rang er um Fassung. „Was ist dann dein Problem? Panische Angst vor Füßen?“, riet ich. Wütend sah er mich an, doch ich wartete nicht auf seine Antwort und ging an ihm vorbei. Die anderen hatten sich zerstreut und ich suchte das Buffet, denn ich hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Das Buffet befand sich im Saal und wurde schon von Black*Star geplündert, der sich voll schaufelte, als gäbe es kein Morgen. Kopfschüttelnd ließ ich ihn stehen und schnappte mir einen Teller, auf den ich Frühlingsrollen, Mini-Sandwiches und vor allem Sushi lud. Da es hier weder indisches oder englisches Essen gab, musste ich mich eben damit begnügen. Nachdem ich die erste Ladung erfolgreich vernichtet hatte, entdeckte ich auf dem Kuchenbuffet einen Schokoladenbrunnen, in dem ich verschiedene Obststücke ertränkte. Als das gefühlt 50. Bananenstück auf den Boden des Brunnens sank, gab selbiger einige ungesund klingende Geräusche von sich, bis er sich nicht mehr regte und die Schokolade zu Stillstand kam. Oops...Besser ich verschwand vom Tatort, bevor es noch jemand bemerkte. Gerade, als ich mich umdrehen und verduften wollte, stieß ich mit irgendeinem Typen zusammen. „Sorry!“, meinte ich sofort und sah mich nach einem Fluchtweg um. „Schon in Ordnung.“, lächelte mich der Typ an. „Hast du Lust, zu Tanzen?“ Was?! Ich rannte ihn fast über den Haufen und er wollte tanzen? Was lief denn mit dem schief? „Äh, nein danke.“, wich ich seiner Frage aus und verschwand, so schnell ich konnte. Draußen angekommen blieb ich in der Nähe des Osterfeuers stehen, das jetzt lichterloh brannte. „Entschuldigung?“, sprach mich ein Junge in meinem Alter an. Das war aber nicht der Kerl von eben...„Möchtest du tanzen?“ „Nein, ich kann nicht tanzen.“, log ich den Fremden dreist an und spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend. Warum wollten die denn alle tanzen? Klar, auf der Tanzfläche war schon einiges los, aber warum wollten die mit mir tanzen? Ich hatte nicht mal Schuhe an! An meiner alten Schule hätte sich niemand getraut, mich zum Tanzen aufzufordern...Ich vermisste meinen Ruf als Schlägerbraut. „Entschuldigung, Miss?“ Oh nein, nicht noch einer! „Ich kann nicht tanzen, sorry.“, wies ich ihn gleich ab. „Ich könnte es dir beibringen.“, bot er mir mit einem seltsamen Lächeln an, das vermutlich verführerisch sein sollte. „Nein, danke.“, sagte ich jetzt mit mehr Nachdruck und hielt mich davon ab, gewalttätig zu werden. Das hielt doch keiner aus! „Du siehst aus, als ob du einen Tanzpartner suchst.“, versuchte es der nächste. „Nein.“, knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Kam es mir nur so vor, oder stürzten die sich wie Geier auf jedes Stück Fleisch, das sie sahen? Jetzt verstand ich auch, warum die meisten Mädchen in Gruppen zusammenstanden. Kein normaler Kerl traute sich so etwas vor mehreren gleichzeitig. „Hey, möchtest du -“ „Nein!“, unterbrach ich Nummer fünf. Wo waren Maka und die anderen, wenn man sie mal brauchte? Ich kam mir fast vor wie auf einem Minenfeld. „NEIN, ICH MÖCHTE NICHT TANZEN!“, brüllte ich den nächsten an, bevor er überhaupt gefragt hatte. „Das war ganz schön grob, findest du nicht?“ Maka! Erleichtert drehte ich mich zu ihr um. „Die sind selbst schuld, wenn sie mit mir tanzen wollen.“, gab ich zurück. Der nächste, der mich ansprach, würde wohl meine Faust zu schmecken bekommen... „Es ist ja auch eine Tanzveranstaltung!“, lachte die dunkelblonde Meisterin. „Trotzdem bin ich nicht scharf darauf, mit jemandem zu tanzen, den ich nicht kenne.“ Zusammen gingen wir zum Rand des Schulhofs und beobachteten von dort aus das Geschehen. Mit den Augen suchte ich das Getümmel nach Jamie ab, während ich mich auf das Geländer setzte. „Du magst wohl keine Partys, oder?“, bemerkte Maka nach einer Weile. „Nicht wirklich.“, stimmte ich ihr zu und schaukelte mit meinen Füßen. „Es ist laut, es sind zu viele Leute, man kennt fast niemanden...nur das Essen ist ganz in Ordnung.“ „Vorausgesetzt, Black*Star hat nicht alles aufgegessen.“, fügte sie lachend hinzu. „Kannst du überhaupt tanzen?“ „Na, was denkst du wohl?“, grinste ich leicht.  Nachdenklich zog sie ihre Stirn in Falten. „Dass du dich jedem Versuch, dir das Tanzen beizubringen, kratzend und beißend widersetzt hast, weil es dir zu mädchenhaft ist.“ Ich lachte auf. „Naja, das hätte ich wohl, wenn es mir jemand anderes beigebracht hätte.“ „Du kannst also tanzen?“, hakte sie nach. Ich nickte. „Ja, ich hab es von meinen Brüdern gelernt.“, leise prustete ich los. „Meine Brüder! Die vier sind weibischer als ich, und ich bin ein Mädchen!“ Leicht lächelte Maka. „Du tanzt also gerne mit deinen Brüdern?“ „Hmm.“, bestätigte ich. „Und du? Tanzt du gerne?“ „Es ist gut, um die Seelenwellen in Einklang zu bringen.“, meinte sie. „Dann sollte ich wohl mit Stripes tanzen, vielleicht verstehen wir uns dann besser.“, lachte ich. „Ich glaube, das würde bei euch in einer Katastrophe enden.“, lachte jetzt Maka. „Jedes Mal, wenn ihr euch seht, kracht es zwischen euch. Eure Seelen sind wie Feuer und Wasser.“ „Ich schätze, dass ich in diesem Fall das Feuer bin.“ „Macht dir das denn gar nichts aus?“ „Was denn?“ „Dass du und Kid ständig aneinandergeratet.“ „Warum sollte mir das etwas ausmachen? Zu einem Streit gehören immer zwei, und ich weiß selbst, dass ich nicht gerade einfach bin. Aber irgendwie macht es mir Spaß, ihn immer wieder auf die Palme zu bringen.“, grinste ich frech. „Das beruht sicher nicht auf Gegenseitigkeit.“, stellte sie fest. „Nein, bestimmt nicht.“, gab ich ihr Recht. „Aber ich habe kein Problem damit, dass er mich nicht mag. Was wäre das Leben ohne einen Erzfeind?“, lachte ich. „Außerdem kann ich ihn ja auch nicht leiden, und ich werde ganz sicher nicht so tun, als ob.“ „Auch, wenn es einfacher wäre, als sich immer zu streiten?“, runzelte meine Gesprächspartnerin die Stirn. „Für mich wäre das nicht einfacher. Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch und sage immer, was ich denke.  Das erwarte ich auch von anderen, denn ich hab etwas dagegen, wenn jemand nur so tut, als würde er mich mögen. Zu lügen ist für mich, als würde ich mich selbst verraten.“ „Hmm.“, machte sie nachdenklich. „Aber Ehrlichkeit kann einem ziemliche Probleme machen.“ „Ich weiß.“, grinste ich wieder. „Du glaubst nicht, wie oft ich mich schon geprügelt habe, nur weil jemandem meine Meinung nicht passte. Trotzdem bin ich zu stur, um mich zu ändern, nur damit mich jemand mag. Ich bin wie ich bin und wenn das jemanden stört, ist das nicht mein Problem.“ Maka lachte leise. „Mich stört es nicht.“, meinte sie dann. Skeptisch sah ich sie an. „Im Ernst? Nicht mal meine Mum kommt mit mir klar.“ „Das macht mir nichts aus, ich bin ja auch mit Black*Star befreundet.“ Ich musste lachen. „Soll das heißen, wir sind jetzt Freunde?“ „Ich dachte, das wären wir schon längst.“, lächelte sie mich an. Irgendwie fühlte ich mich seltsam. Bisher war Jamie meine einzige Freundin gewesen, sie zählte ich schon zu meiner Familie. Und ich war immer der Ansicht, als bräuchte ich niemanden außer meiner Familie, doch es war kein schlechtes Gefühl, jetzt auch eine andere Freundin zu haben. „Okay, jetzt wo wir Freunde sind.“, fing ich an und sprach etwas aus, was mir schon lange auf der Zunge brannte. „Was für eine Waffe ist eigentlich Soul? Oder Tsubaki oder Liz oder Patty?“ „Haben wir euch das nicht erzählt?“, sah sie mich verwirrt an, worauf ich den Kopf schüttelte. „Also, Soul ist eine Sense, Liz und Patty sind Pistolen und Tsubaki kann sich in eine Kettensichel, einen Ninjadolch, eine Rauchbombe und in die Teufelsklinge verwandeln.“, zählte sie auf. Ich hatte noch nie von jemandem gehört, der mehrere Waffenformen besaß, aber das war schon ziemlich cool. Vor allem, weil sie eine Schwertform hatte. Es wäre sicher ein gutes Training, mal gegen einen anderen Schwertkämpfer zu kämpfen... „Ist das nicht Jamie?“, holte mich die Stimme der Sensenmeisterin aus meinen Gedanken. „Wo?“, wollte ich wissen und sie wies in Richtung des Osterfeuers. Es war tatsächlich Jay, die dort stand, und sie schien sich mit einem Jungen zu unterhalten. Misstrauisch zog ich die Brauen zusammen – sie traute sich nie, allein mit einem Jungen zu reden. Was war da los? Ich sprang vom Geländer und bahnte mir zielsicher einen Weg durch das Getümmel, bis ich zwischen meiner Partnerin und dem Kerl stand. „Ähm, hi Ray.“, meinte die rotblonde, während ich ihr Gegenüber abwartend anfunkelte. Er war blond, schlaksig und groß, doch trotz der Piercings in seinen Ohren schien er kein bisschen Gefährlich. Im Gegenteil, er wirkte wie ein verschüchtertes Hündchen und ich war mir sicher, dass ich ihn schon mal irgendwo gesehen hatte. „Das ist Hiro.“, stellte sie ihn vor, der unter meinem Blick förmlich zusammenschrumpfte. „Er ist in unserer Klasse.“ Ach, das war die Sportniete! „Hi.“, grüßte ich ihn, sah ihn aber trotzdem noch misstrauisch an. Man konnte ja nie wissen... „Hi.“, schluckte er. Hatte er Angst vor mir? Gut so. „Bist du Waffe oder Meister?“, begann ich, ihn auszuhorchen. „Meister.“ „Und wer ist dein Waffenpartner?“ „Niemand, ich habe keine Waffe...“, meinte er leise. „Hast du keine Waffe, weil du ohne kämpfst, oder weil dich niemand als Meister haben will?“ Betreten schaute er auf den Boden. Also letzteres. „Warum will dich niemand als Meister?“, sprach ich es aus, bekam aber nur einen mitleiderregenden Blick als Antwort. „Na gut.“, seufzte ich. Hiro war offensichtlich ein Schwächling. „Wieso redest du mit meiner Partnerin?“, bohrte ich weiter. „Ich darf doch wohl reden, mit wem ich will!“, mischte sich Jamie ein. „Und es gibt keinen Grund, warum du so unfreundlich sein musst!“ „Ich bin nicht unfreundlich!“, rechtfertigte ich mich. „Ich versuche nur, dich vor irgendwelchen verrückten Freaks zu beschützen!“ Genervt seufzte sie und sah mich abwartend an. Ergeben hielt ich dem waffenlosen Meister meine Hand hin. „Sorry, wenn ich unfreundlich rüberkam. Ich bin Ray und normalerweise beiße ich nicht.“, lächelte ich leicht, als er vorsichtig meine Hand schüttelte. Vielleicht war er ein Schwächling, aber er schien in Ordnung zu sein. Zumindest kannte ich keinen sechzehnjährigen, der dermaßen harmlos wirkte. „Also, worüber habt ihr euch unterhalten?“, fragte ich in die Runde. „Über die Schnitzeljagd am Dienstag.“, sagte Jay. „Welche Schnitzeljagd?“ „Die, über die Doktor Stein am Montag geredet hat.“, lachte sie mich aus. Ich hatte nur vom Osterfeuer etwas mitbekommen... „Und wie soll das ablaufen?“, wollte ich wissen. „Wie eine normale Schnitzeljagd eben. Nur mit dem Unterschied, dass es mehrere Zweier- und Dreierteams geben wird, die gegeneinander antreten und ausgelost werden.“ Ausgelost?! Bei meinem Glück kam ich noch mit Stripes in ein Team... „Und sie wird in einem Wald in Washington stattfinden.“, fügte Hiro hinzu. „Stimmt.“, erinnerte sich Jamie. „Weil sich dort niemand auskennt und die Chancen so für jeden gleich sind.“ Ja, die Chancen, sich zu verlaufen, standen gut. Am Ende würden doch sowieso die Teams gewinnen, die jemanden mit Seelenspürsinn dabei hatten. Fair Play sah anders aus. „Wofür soll so eine Schnitzeljagd eigentlich gut sein?“, stand plötzlich Back*Star bei uns. Wo kam der denn her? „Damit wir lernen, uns auch in fremden Gebieten zu orientieren.“, erklärte meine Waffe ruhig. „Außerdem ist es ein Wettbewerb, bei dem man etwas gewinnen kann.“ „Dann findet euch schon mal damit ab, dass ihr verlieren werdet. Wenn nämlich jemand gewinnt, dann bin ich es! HYAHAHAHAHA!“, lachte der Idiot. „Was kann man denn gewinnen?“, ignorierte ich den blauhaarigen völlig. „Das soll eine Überraschung werden.“, meinte Jay. Na toll, wenn es eine Überraschung war, konnte sonstwas dabei herauskommen. Wahrscheinlich war der Gewinn an der Sache, dass man etwas lernen konnte wie 'Wettbewerbe bringen das Schlechte im Menschen zum Vorschein' oder 'Freundschaft ist wichtiger als ein Sieg'. Letztenendes  war es mir egal, ob ich gewann oder nicht, denn ich hatte schließlich nichts zu verlieren. Warum sollte ich mich dann anstrengen? Desinteressiert ignorierte ich den Rest des Gespräches und starrte in die Flammen des Osterfeuers. Schulveranstaltungen waren langweilig, das merkte ich jetzt. Das interessanteste, was an diesem Abend passiert war, war der Tod des Schokoladenbrunnens und meine damit zusammenhängende Flucht vor tanzwütigen Kerlen. Es war zwar ganz nett gewesen, sich mit Maka zu unterhalten und von der Schnitzeljagd zu erfahren, aber sich dafür den gesamten Donnerstag wegen einem Outfit die Füße wund zu laufen, war echt unnötig. „Das Feuer ist wirklich schön, oder Ray?“, sprach mich Tsubaki an. Sie und die anderen standen jetzt bei uns, doch Hiro war verschwunden. Ich hatte wirklich nichts von dem mitbekommen, was um mich herum passiert war, während ich in das Feuer gesehen hatte. „Naja.“, meinte ich nur. „Ich hab schon schönere gesehen.“ „Aber es brennt perfekt symmetrisch!“, mischte sich der Totengott ein. „Wahrscheinlich gefällt es mir deshalb nicht.“, erwiderte ich bissig. So wie es aussah, war er für das Feuer verantwortlich. „Symmetrie ist langweilig.“, fügte ich hinzu. „Übrigens habe ich keine Angst vor Füßen.“, wechselte er zähneknirschend das Thema. Versuchte er, die Fassung zu bewahren? „Wer hat schon Angst vor Füßen? Dass dein Problem ein anderes ist, ist offensichtlich.“ „Wie bitte?“ „Na, heute ist immerhin Ostern.“, meinte ich. Verständnislos sah er mich an. „Was macht man an Ostern?“, versuchte ich, ihm auf die Sprünge zu helfen. Seinem Gesicht nach zu urteilen hatte er keine Ahnung, worauf ich hinaus wollte. Ergeben seufzte ich. „Man sucht Eier, Prinzessin, aber du hast deine wohl nicht gefunden.“ Im Hintergrund hörte ich leises Lachen, als ihm für einen kurzen Augenblick die Gesichtszüge entgleisten. Doch kurz darauf wich der schockierte Ausdruck einem wütendem. Einem stinkwütendem, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ und an mir abprallte, wie an einer Gummimauer. Ich zwang mich, nicht über meinen eigenen Witz zu lachen, auch wenn es eher eine Beleidigung gewesen war. „Okay!“, sprang meine Waffe dazwischen, kurz bevor der Totengott explodieren konnte. Schade, das wäre lustig geworden... „Es ist schon ziemlich spät, wir sollten langsam nach Hause gehen. Morgen haben wir schließlich Unterricht.“, erklärte sie. Widerstandslos ließ ich mich von ihr vom Schulgelände ziehen, die anderen folgten uns. „Sag mal.“, sprach mich Liz an. „Ist der Boden nicht heiß?“ „Nö, nur ein bisschen warm.“ „Bist du dir da sicher?“, zog sie skeptisch eine Augenbrauen hoch. „Sicher bin ich sicher, warum?“ Ich lief schließlich schon seit Stunden barfuß herum. Wäre der Boden heiß, hätte ich es schon längst - „Weil deine Fußsohlen voller Brandblasen sind.“ „Was?!“, blieb ich erschrocken stehen und hob vorsichtig einen Fuß. Es stimmte, sie waren übersät mit dicken, roten Pusteln. Bisher hatte ich davon nichts mitbekommen, aber als ich mit einem Finger neugierig eine Blase berührte, spürte ich den Schmerz – überall. „Shit!“, fluchte ich und ließ mich auf den Boden fallen, um meine Füße zu entlasten. Warum hatte ich das nicht früher bemerkt? „Das ist echt typisch.“, seufzte Jay. „Ständig verletzt du dich, weil du absolut nicht auf dich aufpasst!“ „Ja ja.“, wank ich ab. „Und was soll ich jetzt machen?“ „Auf jeden Fall solltest du nicht weiterlaufen.“, meinte Maka. „Am besten, jemand trägt dich nach Hause.“ „Bloß nicht!“, wies ich ihren Vorschlag sofort ab. „Ich lass' mich von niemandem wie ein Baby durch die Gegend tragen!“ „Und wie willst du dann nach Hause kommen?“, warf Soul ein. „Ha!“, rief ich, als mir eine Idee kam. Ich stellte mich auf alle Viere  und begann hoch erhobenen Hauptes, loszukrabbeln. „Back to the Roots!“ Ich hatte erst einige Meter geschafft, als ich einen Arm um meiner Taille spürte und hochgehoben wurde. Im nächsten Moment hing ich auf Souls Schulter. „Hey!“, beschwerte ich mich gleich. „Was soll das? Lass mich wieder runter!“ „Nein!“, bestimmte Maka. „Der Boden ist immer noch heiß, am Ende hast du auch noch an Händen und Beinen Brandblasen. Wir bringen euch nach Hause.“ Schlaff ließ ich mich hängen. Auf noch mehr Pusteln hatte ich wirklich keine Lust. Rückblickend wäre es wohl doch besser gewesen, wenn ich die Ballerinas getragen hätte... Zu Hause angekommen, wurde ich von Soul bis ins Bad getragen, in dem er mich auf dem Wannenrand absetzte. „So.“, fing Maka an, die mitgekommen war. „Als erstes müssen wir dir kaltes Wasser über die Füße laufen lassen.“ Erleichtert seufzte ich, als das kühle Nass über meine Blasen floss. Das tat gut...Dank der Kälte spürte ich den Schmerz kaum noch.  Einige Zeit später wurde das Wasser abgedreht, als die Sensenmeisterin irgendein grünes Pflanzenblatt auf meine Füße drücken wollte, die ich sofort wegzog. „Was ist das?“, beäugte ich die Pflanze misstrauisch. Grün und stachelig war sie und diente sonst nur als lebendige Deko – nicht gerade vertrauenserweckend. „Aloe Vera.“, antwortete mir die dunkelblonde. „Das hilft bei der Heilung.“ Widerwillig ließ ich mir den Pflanzensaft auf die Sohlen schmieren, der den wiederkehrenden Schmerz förmlich aufsaugte. Es fühlte sich fast besser als das Wasser an. Als Maka und Soul endlich gingen, legte ich mich müde auf mein Bett. Ich deckte mich nicht zu, dafür war es mir zu warm und außerdem musste ich aufpassen, dass nichts an meine Blasen kam. Hoffentlich konnte ich morgen wieder laufen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)