Still Some Hope Left von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 28: Von Blut und Wasser ------------------------------- Als er Geräusche an der Tür hörte, hob Jake stirnrunzelnd den Kopf. Wer war das? Erwartete sein Vater Besuch? Oder hatte man ihn gesucht? Kurz warf er einen Blick auf Wesker, der jedoch noch immer schlief. Und so ließ er ihn und stand auf, um nachzusehen. Jake seufzte leise, zog seine Waffe und ging zur Tür, leise und vorsichtig. Er wusste ja nicht, wer da vor dieser stand. Es hätte jeder sein können, auch dieser unbekannte Feind. Aber natürlich war dem nicht so, und das erkannte der Söldner nun auch, nachdem er die Tür aufgerissen und die Waffe direkt auf Sherry gerichtet hatte. Die junge Frau erschrak ziemlich und zuckte merklich zusammen, vor allem, als sie Jakes Blick begegnete. Jake erkannte sie durchaus, und er senkte auch die Waffe, weil er Sherry sicherlich nicht umbringen wollte. Dennoch schimmerte in seinen Augen eine leichte Unsicherheit, als wäre er alles andere als begeistert über ihr Erscheinen. Sie hatten also wirklich nach ihm gesucht und wollten ihn offenbar vor Wesker retten. Aber Jake brauchte keine Hilfe. Wesker wollte ihn nicht töten. Wie sollte er Chris und den Anderen das klar machen? Er hatte genau diese Situation vermeiden wollen. Jake war nun einmal einfach unsicher. Nicht, dass er Wesker seine Taten vergab, aber der Mann war sein Vater. Er war ihm gegenüber ehrlich gewesen und hatte von sich aus davon abgesehen, Jake mit seinem Mittel zu manipulieren. Die Gefühle, die er in den Augen des Blonden gesehen hatte, waren echt gewesen. Und nun befand er sich in einer Zwickmühle. Der Söldner würde nicht zulassen, dass Chris seinen Vater umbrachte, aber genau so wenig wollte er den Soldaten oder die Anderen töten. Am allerwenigsten Sherry. Aber was sollte er tun? „Verschwindet. Verschwindet, solange mein Vater schläft. Lasst uns… einfach in Ruhe“, murmelte er deshalb und blickte Chris fast schon flehend an. Dieser seufzte leise und blickte unsicher an Jake vorbei. Er konnte etwas weiter hinten Wesker erkennen, der im Sessel saß und etwas zusammengesunken war. Wie er so schlief wirkte er ungewöhnlich friedlich, aber Chris wusste, wie es wirklich in diesem Mann aussah. Er war und blieb ein verrücktes Monster. „Also hat er das verdammte Mittel genutzt, ja?“ „Er hat gar nichts genutzt, du kleiner Schoßhund. Er hat es von sich aus gelassen. Er war verdammt noch mal ehrlich zu mir!“, fuhr Jake Piers bei dessen Vermutung genervt an. Diese Leute hatten doch keine Ahnung. Hier ging es um seinen Vater, Monster oder nicht. Warum konnten Chris und die Anderen sie nicht einfach in Ruhe lassen? Wesker tat ihnen im Moment doch auch nichts. Warum musste ausgerechnet er nun so zwischen den Fronten stehen? Piers wollte gerade noch etwas sagen, doch Chris schüttelte den Kopf und hielt mit einer knappen Geste zurück. Er merkte, dass der junge Soldat noch immer ziemlich geladen war, und dass er das liebend gerne an jemandem wie Jake ausgelassen hätte. Aber das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für einen Wutausbruch. Es hätte einfach zu nichts geführt. Höchstens zu noch mehr Problemen. Es war offensichtlich, dass sich Piers’ Befürchtung bestätigt hatte. Wesker hatte Jake für sich gewonnen, zumindest teilweise. Doch er schien die Gruppe nicht angreifen zu wollen, er wollte einfach nur seine Ruhe haben. Und Chris war wirklich versucht, ihm diese auch zu gönnen. Im Moment stellte Wesker allem Anschein nach keine Gefahr für sie dar. Aber er war eben noch immer der Feind. Und woher sollten sie auch wissen, dass Weskers väterliche Gefühle seinem Sohn gegenüber nicht nur gespielt waren? Und selbst wenn sie es gewusst hätten, war der Hass ihnen gegenüber noch immer da, und er würde immer bleiben, so lange, bis eine Seite endgültig vernichtet war. Sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass Wesker sie einfach in Ruhe lassen würde. Das war viel zu riskant. „Wir können nicht gehen, Jake. Nicht ohne dich. Wir können dich nicht bei Wesker lassen. Er ist ein Monster…“ Sherry hatte sich etwas an Chris vorbei geschoben und sah den Söldner nun mit ernstem und flehendem Blick an. Sie konnte ihn ja verstehen. Auch sie selber konnte ihren Vater nicht abgrundtief hassen, auch wenn er mit dem G-Virus wirklich Mist gebaut hatte. Aber das hier war etwas Anderes. Hier ging es um einen Mann, der die Welt vernichten wollte, der so viele Menschen getäuscht und verletzt hatte. Es war zu gefährlich, ihn einfach herumlaufe zu lassen. Und das musste Jake nun einmal einsehen. Für väterliche Zuneigung und Vergebung, um die Wesker ohnehin nicht beten würde, war es schlicht und ergreifend zu spät. Aber sie konnten ja dennoch davon absehen, Wesker nun zu töten, wenn Jake wenigstens mit ihnen ging und nicht bei ihm blieb. „Er ist aber auch mein Vater.“ „Und das ändert, was er getan hat?!“ „Nein, aber…“ „Verdammt, sieh es endlich ein!“ Piers war wirklich außer sich, das war nicht zu übersehen. Und auch Chris verlor langsam aber sicher die Geduld. Wie Sherry konnte auch er den Jüngsten verstehen. Aber Wesker war ein Massenmörder, ein Verrückter, der mit Viren herum spielte. An diesen Mann durfte er sich einfach nicht binden. „Jake, bitte. Ich kann verstehen, dass…“ „Halt du dich verdammt noch mal da raus, Chris!“ Jake schrie beinahe, als er die Waffe wieder anhob und auf Chris’ Brust richtete. „Du… wolltest meinen Vater töten. Du hast mir gesagt, ich solle nicht zu ihm gehen. Du hast mir eingeredet, dass er ein Monster ist!“ „Aber genau das ist er auch…“ „Was weißt du schon!?“ Jakes Hände zitterten, ebenso wie der Rest seines Körpers, als er den Finger enger um den Abzug legte. „Dir kann es ja egal sein, nicht wahr? Für dich ist Wesker nur ein Feind, nichts weiter. Dir bedeutet er nichts!“ „Das ist nicht wahr…“, murmelte Chris und schüttelte leicht den Kopf. „Mag sein, dass er nicht mein Vater ist, aber er war mein Captain. Ich habe ihm vertraut und ein Vorbild in ihm gesehen. Es war alles andere als leicht zu begreifen, dass dieser Mann die ganze Zeit über nur mit uns gespielt hatte.“ Jake lachte leise und freudlos auf und schütte leicht den Kopf. „Dann müsstest du es erst recht verstehen, Chris.“ „Und das tue ich auch. Ich verstehe durchaus, dass es für dich nicht leicht ist, es zu akzeptieren, aber im Grunde weißt du, dass ich, dass wir alle, recht haben. Wesker ist ein Monster, das vernichtet…“ Aber weiter kam Chris nicht. Ein leises Knurren entwich Jakes Kehle, gefolgt von einem hasserfüllten ‚Nein!’, und noch ehe Piers oder einer der Anderen irgendetwas hätte tun können, hatte Jake den Finger ganz um den Abzug gelegt und abgedrückt. Und dieses Mal hatte er die Waffe nicht zur Seite gehalten, um Chris knapp zu verfehlen. Dieses Mal war es kein Warnschuss gewesen. Der Schuss traf, und die Kugel bohrte sich durch Chris’ Brust, durchdrang seinen Körper und stanzte ein Loch in die Wand hinter ihm. „Captain!“, schrie Piers erschrocken auf und richtete die eigene Waffe auf Jake, die dieser nun aber einfach mit einem gezielten Tritt nach oben aus seiner Hand auf den Boden beförderte. Sherry schlug sich die Hände vor den Mund, und Jill hastete nach vorne, um Chris aufzufangen, als dieser mit einem leisen Keuchen zusammensackte Hustend presste er eine Hand auf die Wunde, aus der eine beachtliche Menge an Blut quoll, und auch über seine Lippen floss etwas von der zäh-roten Masse. Jake hatte sein Herz nur knapp verfehlt, und die Verletzung konnte nach wie vor tödlich sein. „Halt durch, hörst du…?“, flüsterte Jill und blinzelte die Tränen weg, die über ihre Wangen rannen. Das durfte einfach nicht wahr sein, das musste ein Albtraum sein. So hatte sie sich diese Begegnung wirklich nicht vorgestellt. Während Jill nun versuchte, Chris irgendwie zum Wachbleiben zu bewegen und eine Hand auf seine drückte, um die Blutung irgendwie aufzuhalten, versuchte Piers verzweifelt, sich gegen Jake zu behaupten. Aber auch, wenn er selbst ohne Waffen ein verdammt guter Kämpfer war, kam er gegen die Stärke und Erfahrung des Söldners einfach nicht an. Und natürlich war durch den Lärm nun auch Wesker aufgewacht, der die Lage schnell durchschaut hatte und sich in den Kampf einmischte. Gegen beide zusammen hatte Piers erst recht keine Chance. Sherry hatte ihren ersten Schrecken halbwegs überwunden, war aber dafür leichenblass vor Sorge um Chris. Dennoch hob sie mit zitternden Händen ihre Waffe an, um auf Wesker zu schießen. Aber da dieser sich in den Kampf zwischen Piers und Jake eingemischt hatte, traute sie sich einfach nicht, abzudrücken. Sie wollte nicht am Ende noch den Scharfschützen treffen, und trotz dessen Tat ebenso wenig Jake. Was der soeben getan hatte, konnte sie ihm nicht verzeihen, aber dennoch verstand sie, dass es einfach eine Kurzschlussreaktion gewesen war. Nicht, dass sie so weit gegangen wäre, zu behaupten, Chris wäre selber schuld gewesen, aber so, wie das Gespräch sich entwickelt hatte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis bei irgendwem die Sicherungen durchbrennen würden. Und da Jake im Gegensatz zu Piers niemanden hatte, der ihn zurecht wies, war es nur klar gewesen, dass es bei seinem Temperament seine Sicherungen sein würden, die zuerst durchbrannten. Und so urplötzlich wie Jake geschossen hatte, hätte niemand verhindern können, dass er Chris traf. „Chris…? Chris, nicht einschlafen, bitte. Mach die Augen auf!“ Ein leises Schluchzen kam über Jills Lippen, und sie biss sich auf diese, bis sie Blut schmeckte. Wenn Chris nun starb, wenn er wegen diesem verdammten, sinnlosen Mist starb, dann würde Jake der Nächste sein, das schwor sie sich. Es war nun wirklich nicht Jills Art, solch grausame Gedanken zu hegen, aber auch ihre Nerven lagen nun einfach blank. Immerhin lag hier der ihr wichtigste Mensch in ihren Armen und verblutete langsam vor sich hin. Wie konnte sie da ruhig bleiben? Wie konnte sie da nicht an Rache denken? „Bitte…“, flüsterte sie leise und streich mit vor Angst zitternden und kalten Fingern über Chris’ Wange. Tatsächlich öffnete der Soldat leicht die Augen, doch als er etwas sagen wollte, hustete er nur noch mehr Blut aus und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Er wusste, dass er diese Verletzung nicht überleben würde. Und er machte Jake dabei nicht einmal die geringsten Vorwürfe. Wie damals in China war Chris der Meinung, dass Jake jedes Recht gehabt hatte, abzudrücken. Trotz allem was Wesker getan hatte, verstand er noch immer Jakes Gefühle für diesen. Er war sein Vater, Monster oder nicht. Und dagegen konnte Chris nichts ausrichten. Blut war und blieb dicker als Wasser. „Du verdammter Mistkerl! Ich schwör dir, dass ich dich eigenhändig umbringe!“ Piers zitterte mittlerweile selber am ganzen Körper, im Gegensatz zu Chris und Jill jedoch nicht aus Angst oder Schwäche, sondern einzig und allein aus Wut und Hass. Blut lief über seine Stirn und seine Lippen, und dem jungen Soldaten war anzusehen, dass er höllische Schmerzen hatte. Jake hatte ihm ordentlich zugesetzt, und Piers hatte sich auch eine ganze Weile lang gegen Wesker behaupten müssen, ehe dieser sich nun Sherry zu gewandt hatte, die noch immer wie in Trance da stand. Er sprintete auf die junge Frau zu, die nun aber doch endlich den Mut fand, abzudrücken; leider ein wenig zu spät. Denn natürlich kümmerte das den Blonden nicht im Geringsten. Die Kugeln trafen ihn bei seiner Schnelligkeit ja nicht einmal, nun, da er vorgewarnt war und genau sah, dass Sherry auf ihn schoss. Er schnellte vor, schlug der Agentin die Pistole aus der Hand und rammte ihr anschließend die Faust in den Magen. Keuchend klappte Sherry zusammen, wurde von Wesker festgehalten, der nun den Arm anhob und die sie mit einem festen Hieb mit dem Ellbogen in ihren Rücken auf den Boden beförderte, wo sie wimmernd und sich krümmend liegen blieb. Und das war der Auslöser, den es gebraucht hatte. Fassungslos sah Jake mit an, wie sein Vater Sherry ausschaltete, und es war sein Glück, dass Piers von dem Geschehen ebenso abgelenkt gewesen wa, und daher nicht mehr daran dachte, den Söldner anzugreifen. Dessen Blick fiel nun auf Jill, die mit tränennassem Blick auf den sterbenden Chris hinab blickte, der sich kaum noch rührte, seinen Blick aber dennoch erschreckend direkt erwiderte, ohne dass auch nur der geringste Vorwurf darin lag. „Verdammt…“ Jake taumelte etwas, griff sich an den Kopf und schloss die Augen, ehe er die eigene Waffe einfach fallen ließ und sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. Was hatte er nur getan, was hatte er angerichtet? Wie hatte er nur wirklich glauben können, sein Vater würde sich ihm zuliebe vielleicht ändern? Nein, das war dumm gewesen, mehr als dumm. Aber nun war es zu spät für diese Einsicht, zu spät für jegliche Entschuldigung. Er hatte Chris getötet, und wenn er nicht endlich irgendetwas tat, würde sein Vater Sherrys Leben auch noch beenden. „Es reicht. Hör auf!“, schrie er deshalb energisch, während er seine Waffe doch wieder aufhob und auf Wesker richtete, der tatsächlich in seiner Bewegung innehielt und sich herumdrehte. Und der Ausdruck auf seinem Gesicht ließ den Söldner tatsächlich für einen kurzen Moment doch noch einmal zögern. Wesker war ernsthaft erschrocken. Sein Blick fiel auf die Waffe, und er schien gar nicht fassen zu können, dass sein Sohn diese wirklich auf ihn richtete, dass er bereit war, ihn zu erschießen. Kurz sah er auf Sherry hinab, die in Embryohaltung da lag und sich den Bauch hielt, dann sah er zu Chris, der schwer atmend und leichenblass in Jills Armen lag. Und schlussendlich fiel sein Blick auf Piers, der seine eigene Waffe ebenfalls wieder aufgehoben hatte, sich aber wohl noch nicht ganz entscheiden konnte, ob er diese nun auf Jake oder ebenfalls auf ihn richten sollte. Und noch immer zitterte der Scharfschütze am ganzen Körper, mittlerweile durchaus doch auch vor Schwäche. Es war ein Wunder, wie er sich tatsächlich eine Zeit lang gegen Jake und Wesker hatte behaupten können. „Manchmal… scheint Wasser doch dicker zu sein als Blut, nicht wahr, Jake…?“, murmelte Letzterer nun leise, und tatsächlich ließ er von Sherry ab, ließ die Arme sinken und sah seinen Sohn einfach nur an, ohne etwas zu tun. Er wartete ab, doch nichts passierte. Jake schoss nicht, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund zögerte auch Piers noch immer. Auch, wenn dieser sich zumindest dazu entschieden hatte, die Waffe nicht auf Jake richten, sondern tatsächlich auf Wesker. Was aber kaum etwas änderte, solange er sie nicht auch nutzte. Jake konnte es einfach nicht. Er konnte seinen Vater nicht erschießen, ganz gleich, was auch eben passiert war. An Chris’ Zustand war dieser nicht schuld, das hatte er ganz alleine zu verantworten. Er, Jake, hatte den Soldaten auf dem Gewissen. Und sonst niemand. Und im Grunde war er auch schuld daran, dass Sherry beinahe ebenfalls mit dem Leben hatte bezahlen müssen. „Verschwinde, Vater. Verschwinde einfach, bevor ich es mir anders überlege!“, knurrte der Söldner nun und hob die Waffe weiter an, sodass ihr Lauf direkt auf die Stirn des Blonden gerichtet war. Dieser seufzte nur leise, wandte sich um und wollte tatsächlich gehen, als eine Kugel seine Schläfe streifte und ihm ein leises Zischen entlockte. Piers hatte also doch noch den Abzug seiner Waffe gefunden. Aber anstatt sich nun umzudrehen, um den Kampf erneut aufzunehmen, hielt Wesker sich mit einer Hand den Kopf, während er mit der anderen nach der Türklinke griff, diese etwas unbeholfen herunter drückte und dann durch die Tür nach draußen verschwand. Er musste sich erst einmal zurückziehen, er konnte hier nicht weiter machen. Er schaffte es einfach nicht, in Jake einen Feind zu sehen. Und so war er nicht in der Lage, diesen zu bekämpfen oder gar zu töten. Wesker musste sich einen anderen Plan überlegen. Und während er nun, durch den Streifschuss doch etwas taumelnd, die Straße entlang ging, bemerkte er gar nicht mehr, wie sich dem Haus von der anderen Seite her eine BOW näherte. Eine BOW, die wie ein knochengepanzerter, teilweise schleimiger Säbelzahntiger wirkte, und die sich geschickt und beinahe lautlos zu dem Haus begab, in dem sich Chris und die Anderen noch befanden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)