Still Some Hope Left von Lady_Red-Herb ================================================================================ Kapitel 6: Back to the Roots ---------------------------- „Chris…? Chris, wachen Sie auf. Na los, kommen Sie zu sich…!“ Chris blinzelte ein paar Mal und versuchte, die Stimme, die ihn da rief, zu identifizieren. Es dauerte etwas, dann aber erkannte er sie. Sie gehörte zu Albert Wesker, natürlich. Ein wenig ungewohnt klang sie, irgendwie älter, vielleicht aber auch einfach nur müder. So oder so war es zweifellos die Stimme seines Captains, die ihn da zum Aufwachen bewegte. „Captain... Captain Wesker...?“, nuschelte er, und auch seine eigene Stimme klang irgendwie fremd. „Ganz ruhig, Chris. Keine hektischen Bewegungen, machen Sie langsam…“ Die Stimme des Blonden wirkte besorgt aber gefasst, ruhig, wie es nicht anders zu erwarten war. Wesker ließ sich durch kaum etwas aus der Ruhe bringen. Er konnte sich aufregen, durchaus, aber eigentlich blieb er immer so gefasst, durchdachte jeden einzelnen Schritt, ohne sich von irgendetwas ablenken lassen. Er war ein guter Captain, er war Chris’ Vorbild. „Was ist passiert?“ Chris’ Kopf dröhnte, und als er sich aufsetzte, verdankte er es nur Weskers schnellen Reflexen, dass er nicht einfach wieder nach hinten kippte. Der Blonde hielt ihn in letzter Sekunde fest und ermahnte ihn erneut, nun in leicht schärferem Ton, es ruhig angehen zu lassen. Er wartete einen Moment, bis Chris halbwegs sicher saß und nicht mehr so sehr zitterte, dann ließ er ihn los und lehnte sich leicht gegen die Wand. „Ich habe Sie draußen im Wald gefunden. Sie lagen auf dem Boden, bewusstlos. Als ich Sie nicht wach bekam, habe ich Sie hergebracht“, erklärte Wesker nun, ohne bei dieser Lüge auch nur mit der Wimper zu zucken. Es hatte geklappt, alles war nach Plan verlaufen. Auf die ehemaligen Umbrella-Wissenschaftler war eben Verlass. Viele davon gab es nicht mehr, und Wesker hatte lange suchen müssen, bis er welche gefunden hatte, die bereit gewesen waren, ihm zu helfen. Der Konzern und er hatten sich ja nicht unbedingt im Guten voneinander getrennt. Aber es hatte doch einige Wissenschaftler gegeben, die Umbrella im Nachhinein ebenso sehr verachteten wie er selber, und die in Wesker ihren Meister gefunden hatten. Es war fast schon zu leicht gewesen, diese für seine Sache zu gewinnen. Und die Kerle vertrauten ihm auch noch, wie armselig. Aber der Blonde beschwerte sich da nicht, wozu auch? Wenn sie ihm vertrauen wollten, dann sollten sie doch. Sie würden ja sehen, was sie davon hatten. Solange sie brav gehorchten, solange sie von Nutzen waren, würde Wesker sie am Leben lassen. Aber sobald irgendeiner Zicken machte, oder sobald sie unbrauchbar geworden waren, würde er ihre Leben beenden. Jeder, den er nicht brauchte, war ein potenzieller Feind und konnte sich gegen ihn stellen. Auch das hatte er in der Vergangenheit lernen müssen. Er seufzte leise, dann schüttelte er den Kopf und verdrängte diese Gedanken erst einmal. Im Moment interessierte ihn nur Chris. Er musste vorsichtig sein. Das Mittel hatte gewirkt wie Wesker es geplant hatte. Es hatte Chris die Erinnerungen an alles geraubt, was nach, und teilweise auch während, seiner Zeit bei S.T.A.R.S. passiert war. Er sah in Wesker nun keinen Feind mehr, sondern einen Verbündeten, seinen Captain. Einen Piers Nivans gab es für ihn nicht mehr, ebenso wenig einen Leon S. Kennedy. Die einzigen Leute, die er neben Wesker noch kannte, waren die Mitglieder von S.T.A.R.S., allen voran Jill Valentine und Barry Burton. Und natürlich seine Schwester Claire. Vielleicht hier und da noch ein paar Freunde, von denen der Blonde aber nichts wusste, und die ihn auch nicht interessierten. Aber dieser Plan konnte auch ganz schnell nach hinten losgehen. Sie befanden sich nun einmal nicht mehr im Jahr 1998, sondern gingen bereits auf das Jahr 2014 zu. Eine große Spanne lag zwischen diesen beiden Jahren, in der sich unglaublich viel verändert hatte. Und alles, was sich da draußen befand, konnte Chris dabei helfen, seine Erinnerungen wieder zurück zu gewinnen. Darum musste Wesker auf der Hut sein. Er durfte nicht von Chris’ Seite weichen, er durfte sich nicht verdächtig verhalten. Und zudem musste ihm etwas einfallen, wie er Chris von dem möglichen Bedürfnis abhielt, Jill oder eines der anderen S.T.A.R.S.-Mitglieder sehen zu wollen, oder auch seine Schwester. Von ihnen allen musste Wesker den Soldaten fernhalten. Und das konnte sich als durchaus schwierig erweisen. Chris durfte nicht einmal eine Zeitung anschauen oder den Fernseher oder das Radio einschalten. Das Beste wäre gewesen, ihn im Haus einzusperren, aber das ging nun einmal auch nicht, das war zu verdächtig. Aber wenn tatsächlich irgendetwas schief ging, dann konnte Wesker Chris immer noch töten. Jetzt wollte er erst einmal mit ihm spielen und ihn nach und nach gegen seine Freunde ausspielen. Beginnen wollte er da mit denen, die aus seinem Gedächtnis gelöscht worden waren. Da war zum Einen dieser Leon, der ebenso lästig war wie Chris selber. Wesker hatte persönlich noch nicht wirklich mit dem Mann zu tun gehabt, aber sein Ruf als Special Agent der amerikanischen Regierung eilte ihm voraus, und auch durch Ada Wong hatte er damals eine Menge über ihn erfahren. Allerdings hatte Wesker auch gemerkt, dass die Asiatin, sobald es um Kennedy gegangen war, gerne einmal herumgedruckst hatte. Auf ihre Informationen konnte er sich also nicht unbedingt verlassen. Scheinbar hatte sie irgendetwas für diesen Agenten übrig. Das konnte auch noch zum Vorteil werden, wenn sein momentaner Plan doch scheiterte. Und dann gab es da noch Piers Nivans. Aus den Informationen, die Wesker sich besorgt hatte, hatte er herauslesen können, dass der 26-Jährige sich in einem heftigen Kampf mit einer BOW mit dem C-Virus infiziert und sich anschließend geopfert hatte. Doch Wesker hatte beobachtet, wie Chris vor gut zwei Wochen einen jungen Mann an der Küste gefunden hatte. Und er hatte ihn als eben diesen tot geglaubten Piers erkannt. Da dieser Mann nach über drei Monaten noch immer am Leben gewesen war, ging der Blonde davon aus, dass er noch immer infiziert war. Und so stellte der Scharfschütze eine Gefahr für ihn dar. Sicherlich konnte er das Virus nicht bewusst nutzen, nicht, wie Wesker das tat, aber dieser wollte den jungen Mann auch nicht unterschätzen. „Wo sind wir hier überhaupt, Captain?“ Die Frage ließ Wesker zusammenzucken und riss ihn aus seinen Gedanken. Er räusperte sich leicht, rückte die Sonnenbrille zurecht und verschränkte leicht die Arme, während er sich halb auf die Platte des Tisches setzte, der neben der Couch stand, auf der Chris lag. „Wir sind in meinem Haus“, antwortete er dann und lächelte schmal. „Ich hatte überlegt, Sie ins Krankenhaus zu bringen, aber da Sie nicht wirklich verletzt zu sein schienen, entschied ich mich dagegen.“ Noch eine Lüge, die er Chris, ohne eine Miene zu verziehen, auftischte. Und dieser glaubte sie ihm natürlich in seiner künstlich erzeugten jugendlichen Naivität. Es war so leicht, dass Wesker am liebsten laut losgelacht hätte. Aber das verkniff er sich lieber. Es hätte den Jüngeren vermutlich doch sehr stutzig gemacht. Und er wollte nichts tun, was Chris irgendwie dabei helfen konnte, sich zu erinnern. Aus diesem Grund hatte er ihn auch hergebracht. Es war durchaus Weskers Haus, aber er hatte einige Veränderungen vornehmen müssen. Die Möbel, die er besaß, waren ohnehin recht alt, und hatten deshalb bleiben können, wie sie waren. Jedoch hatte der ehemalige S.T.A.R.S.-Captain Radio und Fernseher gegen alte Modelle tauschen müssen, ebenso Küchengeräte, Computer und Uhren. Das Haus wirkte nun wie ein Haus, das Ende der 90er Jahre durchaus so hätte existieren können. Kurz sah sich Chris in dem Raum, in dem er lag, um. Er war geräumig, aber eher spärlich eingerichtet. An einer Wand erstreckten sich Regale, in denen nur ein paar Bücher standen, daneben ein Schrank mit Glastür, hinter der sich ein wenig Geschirr verbarg. Die helle Couch, auf der Chris lag, stand an der Wand daneben, davor ein kleiner Tisch, auf dem eine S.T.A.R.S.-Akte lag, und daneben befand sich ein Sessel. An der gegenüberliegenden Wand gab es dann noch ein kleines Regal, auf dem ein Fernseher und eine recht neue Musikanlage standen. Ansonsten war der Raum weitestgehend leer. Am Fenster, das nun die vierte Wand zierte, stand nur noch eine kleine Palme, die dem Raum immerhin ein wenig Lebendigkeit verlieh. Aber so in etwa hatte sich Chris ein Wohnzimmer seines Captains auch vorgestellt. Modern aber einfach, nichts, das irgendetwas über Albert Wesker preis gab. Chris’ Blick wanderte nun zu der Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag, und er fragte sich, was wohl darin stehen mochte. Sicherlich ging es um die Morde im Raccoon Forest, um diese Tier-Angriffe oder was auch immer das war. Chris hatte da immer noch seine Zweifel, und er hatte sich vorgenommen, Wesker diese während der Besprechung auch mitzuteilen. Die Besprechung, wann war die noch gleich? Welcher Tag war überhaupt? Chris schüttelte den Kopf. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er versuchte, sich daran zu erinnern, was er getan hatte, bevor Wesker ihn gefunden hatte, warum er wohl bewusstlos dort im Wald gelegen hatte. Der Wald… war er dort angegriffen worden? Hatte er versucht, auf eigene Faust heraus zu finden, was dort vor sich ging? Ein leises Stöhnen kam über die Lippen des Soldaten, und er griff sich leicht an den Kopf. „Vielleicht sollte ich Sie doch ins Krankenhaus bringen…“ „Nein, nein, es geht schon wieder, wirklich, Captain“, murmelte Chris und ließ die Hand sinken. Er musste nicht ins Krankenhaus. Er wollte nicht schwach wirken. Was sollte Wesker nur von ihm denken? Er musste jetzt eben einfach die Zähne zusammenbeißen und die Schmerzen verdrängen. „Ich habe nur gerade versucht, mich zu erinnern, was ich im Wald gemacht habe“, erklärte er nun und ließ ein leises Seufzen hören. „Ich weiß es einfach nicht mehr. Und ich habe wohl jegliches Zeitgefühl verloren…“ Wesker runzelte die Stirn, löste seine verschränkten Arme und beugte sich etwas zu Chris hinab, um eine Hand an seine Stirn zu legen. Er wusste ja, was wirklich los war, musste aber wohl oder übel den besorgten Captain spielen. „Fieber haben Sie nicht, möglicherweise aber eine Gehirnerschütterung. Was Sie im Wald wollten, kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich bin sicher, Sie werden sich bald wieder erinnern“, fuhr der Blonde fort, ehe er die Hand wieder weg nahm und sich wieder halb auf den Tisch setzte. „Vermutlich brauchen Sie einfach nur ein wenig Ruhe, um sich wieder richtig zu erholen. Sie sollten auf jeden Fall etwas trinken.“ Chris schwieg einen Moment, dann nickte er brav und hob den Blick. „Danke, Captain. Und verzeihen Sie die Umstände, die ich Ihnen bereite.“ ‚So naiv, so verletzlich…’, dachte Wesker sich nur verächtlich, ließ sich diese Gedanken aber in keinster Weise anmerken. Stattdessen schüttelte er nur den Kopf, erhob sich vom Tisch und ging auf die Tür zu, die in die Küche führte. „Sie werden sicherlich eines Tages einer meiner besten Männer sein. Ich weiß um Ihre Fähigkeiten. Für jemanden wie Sie mache ich mir die Mühe gerne. Zudem bin ich Ihr Captain und somit für Sie verantwortlich“, meinte der Blonde dann, als er kurz in der Tür stehen blieb. Ihm wurde fast ein wenig übel von den Worten, die er da von sich gab, und er verengte leicht die Augen, was Chris in dem Moment natürlich nicht sehen konnte. Dieses Theater war widerlich, es war erbärmlich. Und irgendwie machte es nicht annähernd so viel Spaß, wie Wesker sich eigentlich erhofft hatte. Es war durchaus amüsant, wie einfach Chris im Grunde zu seiner Marionette geworden war, aber dass er sich selber dafür so verstellen musste, gefiel Wesker überhaupt nicht. Aber da musste er nun durch, er hatte sich das selber eingebrockt. Und um jetzt schon aufzugeben, alles ab zu blasen und Chris einfach zu töten, war der Blonde zu stur. Dafür hätte er sich die ganze Mühe nicht zu machen brauchen. ‚Ich werde es einfach ertragen müssen. Ich muss eben schnell dafür sorgen, dass mir das Ganze wieder Spaß macht. Leon oder diesen Piers finden... und Chris dann gegen einen der Beiden aufhetzen. Ich werde ihn schon dazu bringen, seine Freunde zu hassen. Und dann kann ich ein paar Störenfriede los werden, ohne mir dabei selber die Hände schmutzig zu machen. Ich habe alles unter Kontrolle. Und wenn doch etwas schief läuft, habe ich immer noch genug Kraft, um Chris einfach zu töten. Es kann nichts schief gehen’, sprach Wesker sich in Gedanken selber Mut zu, während er den Kühlschrank öffnete, eine Flasche Wasser herausnahm und diese zusammen mit einem Glas zurück ins Wohnzimmer brachte. Er musste sich eben einfach ein wenig gedulden und dieses Theater noch eine Weile ertragen. Dafür würde es sich im Nachhinein aber auf jeden Fall lohnen. Ja, das Ergebnis war diese Strapazen allemal wert, da war er sicher. „Hier, trinken Sie ein wenig und ruhen Sie sich dann noch etwas aus. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber davon sollten Sie sich nicht stören lassen.“ Wesker stellte das Glas ab, füllte dieses mit Wasser und hielt es Chris dann hin, der es dankend entgegen nahm. Er schöpfte wirklich keinerlei Verdacht. Der Jüngere leerte das Glas, stellte es wieder ab und ließ sich zurück sinken. Er war unglaublich müde und fühlte sich einfach nur schlapp. Noch immer versuchte Chris, herauszufinden, was überhaupt passiert war, doch er kam einfach nicht drauf. Nach und nach wurden ihm dann ohnehin die Augenlider schwer, ehe sie ihm ganz zufielen, und er in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Wesker wartete einen kurzen Moment ab, und als er sicher war, dass Chris tief und fest schlief, griff er nach der Akte auf dem Tisch, ging mit dieser zu seinem Computer und schaltete ihn ein. Geübt klickte er sich durch ein paar Ordner, ehe er einen von ihnen öffnete. Ein Fenster öffnete sich, und Wesker gab ein Passwort ein, woraufhin der Bildschirm erst einmal schwarz wurde. Dann flackerte er auf und anschließend öffnete sich eine Datei, die vom Layout her der Akte glich, die Wesker neben sich gelegt hatte. Das Bild eines dunkelblonden Mannes befand sich auf der ersten Seite, und unter diesem Bild stand in fett gedruckter Schrift -Der Fall Kennedy-Massenmörder wieder auf freiem Fuß-. Ein breites Grinsen huschte über Weskers Lippen, als er den Drucker einschaltete und die gefälschte Akte über Leon Seite für Seite ausdruckte. Dann tauschte er vorsichtig den Inhalt der S.T.A.R.S.-Akte aus, heftete die ausgedruckten Blätter ein und betrachtete sein Werk zufrieden. Es war gar nicht mal dumm gewesen, dass er diese eine Akte aufbewahrt und immer gut gepflegt hatte. Er hatte sich wirklich unglaublich viel Mühe gegeben, aber am Ende würde es sich lohnen, das wusste er genau. Der Blonde schaltete PC und Drucker wieder aus, legte die neue Akte auf den Tisch und ließ die alte verschwinden, ehe er sich in den Sessel setzte, die Arme verschränkte und erneut auf Chris’ Erwachen wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)