An die Zurückgebliebenen von Felicity (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 5: Armin -> Eren ------------------------ Armin hatte sich in den hinteren Winkel der Bibliothek zurückgezogen. Seit er Zugang zu diesen Räumen hatte, waren sie schnell seine Zuflucht geworden, wenn er Ruhe brauchte. Oder Zeit zum Nachdenken. Oder auch beides. Auch wenn es im Augenblick wohl müßig war, denn das, was ihm Kopfzerbrechen bereitete, war etwas, das er niemals durch Grübeln würde lösen können. Schlicht, weil es keine Lösung gab. Es gab Antworten auf die Fragen, aber sie warfen neue Fragen auf, insbesondere die, wie man damit umgehen, wie nun handeln sollte. Und auch wenn er nicht verhindern konnte, dass er darüber wieder und wieder nachdachte, so war Armin unheimlich froh, dass nicht er es war, der eine Entscheidung treffen musste, vollkommen gleich, wie sie aussah. Er beneidete Kommandant Erwin wirklich nicht. Wie viele Soldaten waren sich wohl im Klaren darüber, wie schwer es war, wie viel dahinter steckte, bis ein Befehl gegeben wurde? Armin schüttelte langsam den Kopf und wand sich etwas anderem zu. Etwas, das er schon längst hätte tun sollen, aber bisher nicht über sich gebracht hatte. Er lächelte traurig, als er in sauberer Handschrift langsam seine Gedanken zu Papier brachte. Es tat irgendwie gut sie loszuwerden, zu wissen, dass sie im Falle eines Falles nicht verloren gingen. Aber es stimmte ihn traurig, dass es gar nicht so unwahrscheinlich war, dass diese Briefe sehr bald gelesen werden würden.   Eren,   ich weiß nicht, was es sein wird, das mich am Ende umbringt. Wahrscheinlich etwas Dummes, das ich getan habe, obwohl ich genau wusste, dass ich es nicht kann. Vielleicht war es auch ein Missgeschick oder ein Unfall. Wir wissen beide, wie schwach ich eigentlich bin und dass ich ohne deine und Mikasas Hilfe niemals so weit gekommen wäre. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich weit vor euch sterbe und dafür bin ich dankbar. Nicht, weil ich sterben will, sondern, weil ich sicher sein kann, dass du mich überleben wirst. Dass du alt werden, vielleicht einmal Nachkommen haben wirst. Und wenn schon nicht das, dann doch zumindest älter werden als ich. Und wenn du diesen Brief in Händen hältst, dann heißt das auch, dass ich nicht noch einmal zusehen musste, wie du stirbst. Ich weiß, wie unheimlich schmerzhaft es ist, einen guten Freund sterben zu sehen und ich hoffe wirklich, dass du nicht dabei warst, als es passiert ist. Ich hoffe auch, dass die anderen da sind, um dich abzulenken, dir Halt zu geben und zu zeigen, dass es weitergeht, dass da noch mehr Menschen sind, die dich brauchen und für die du stark sein kannst. Denn du musst weitermachen. Du musst weiterleben, eines Tages nach draußen kommen, die Titanen besiegen und all die wunderbaren Orte sehen, von denen wir immer geträumt haben. Ich erinnere mich noch immer gerne daran zurück, wie wir schon vor annähernd zehn Jahren zusammen auf den Stufen saßen und uns die Bilder angesehen und diese Welt dort draußen vorgestellt haben. Die kochende Erde, das Eisland, die Seen so groß, dass man das Ende nicht sieht. All diese fantastischen, unvorstellbaren Orte dort draußen – du musst sie eines Tages sehen. Und du musst sie dir genau einprägen, denn ich werde dich einmal danach fragen. Irgendwann, in ferner Zukunft, wenn wir uns wieder sehen, musst du mir davon erzählen, damit wir endlich all den Spöttern von damals ins Gesicht lachen und ihnen sagen können, dass sie wahr sind. Dass wir nicht nur Träumer und Spinner sind, sondern an etwas geglaubt haben, das es wirklich gibt. Wenn ich nun nicht mehr mitkommen kann, dann musst du das für uns beide übernehmen. Ich werde darauf warten. Solange lebe, denk nicht zu viel an mich außer an die angenehmen Erinnerungen. Du warst in meiner Kindheit der Einzige, der nicht gelacht, sondern mir zugehört hat. Ich denke, du weißt es, aber ich möchte es dennoch einmal direkt sagen: Danke, Eren, danke für deine Freundschaft.   Ich werde auf dich warten, aber, bitte, lass dir Zeit.   Armin   Armin lachte leise, als er sich vorstellte, er würde Eren heute diesen Brief zeigen. Sicher würde er ihm den Kopf waschen für diese Worte und die Tatsache, dass er auch nur einen Gedanken daran verschwendete, dass er sterben könnte. Er würde ihm etwas erzählen von wegen er würde auf ihn aufpassen und er solle aufhören an den Tod zu denken. Es wäre so typisch Eren. Aber Armin wusste, wie sterblich und schwach er war und früher oder später würde auch Eren das wohl merken. Langsam und bedacht faltete er den Brief zusammen, steckte ihn in den bereitliegenden Umschlag und versiegelte ihn, ehe er Erens Namen darauf schrieb und ihn langsam zur Seite legte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)