Kiss in the Moonlight von Piratenqueen ================================================================================ Kapitel 1: Taten sprechen mehr als Worte ---------------------------------------- Kiss in the Moonlight   -Taten sprechen mehr als Worte   Hektisch schritt ein rosahaariges Mädchen in einer kleinen Hütte auf und ab. Ihr Gesicht war sehr besorgt. Ihre Laune fiel auch dementsprechend aus. Leicht reizbar und gedankenverloren starrte sie während ihres Ganges auf den Boden zu ihren Füßen, als könnte dieser ihr die Sorgen nehmen. Immer wieder lief sie dieselbe Strecke auf und ab. Manch einer würde denken, das Holz des Bodens wäre mittlerweile schon abgenutzt und eingedellt, so lange wie sie schon ihre Runden dort drehte. Die Sorge ließ sie nicht ruhig sitzen. Ihre Beine mussten bewegt werden, ansonsten wäre sie auf ihrem Stuhl oder gar auf dem Boden auf dem Hintern herumgerutscht. Schon immer war sie ein Mensch gewesen, der schnell Panik schob und mit ihren Gefühlen oft nicht wusste, wohin. Es war ihre Art. Manch einer, wie zum Beispiel Bon, meckerte deshalb oft, weil er es in so manchen Situationen nicht gebrauchen konnte. Aber, es war nun einmal das Einzige, was sie gerade tun konnte. Diese Situation machte ihr Gehirn fast wahnsinnig. Nicht so wahnsinnig, dass sie einen ihrer Kollegen mit einem Jagdmesser durch den Schnee jagen würde. Aber wahnsinnig. „Sakura, es ist bestimmt alles in Ordnung.“, versuchte Konekumaru sie zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen. Er hatte zwar selbst ein komisches Gefühl bei der Sache, ließ seine Teamkollegin davon jedoch nichts wissen. Sie war ohnehin schon so beunruhigt, was gänzlich an den ganzen Umständen und der Mission an sich lag. Die Beiden waren hier in dieser Hütte geblieben, natürlich nur auf Shuras Befehl hin, um die alte Besitzerin zu beschützen, falls nötig. Ohnehin waren sie so wenige Leute. Yukio, Shima, Takara und Shiemi waren zur selben Zeit zu einer anderen Mission aufgebrochen und während sie hier in der Hütte vor Sorge fast starben, jagten Rin, Shura, Suguro und Izumo einem Dämon nach. Aber, es war eben nicht irgendein Dämon. Es war ein seltsamer Dämon in der Gestalt eines riesigen Wolfes. Er war schnell, schlau und ziemlich gerissen. Die Landbewohner hier in der Schneelandschaft Assiahs beschwerten sich über den Dämon. Das friedlich wirkende Dorf wurde von dem Dämon sehr tyrannisiert. Er riss Kühe und Schafe, zerstörte ganze Häuser, hatte sogar schon einige Dorfbewohner auf dem Gewissen. Sie wollten ihn hier nicht mehr haben. Deswegen waren sie ja hier. Sie sollten den Dämon „austreiben“, also verscheuchen oder töten. DAS war aber nicht das Problem der jungen Medizinerin. Nein, zwei andere Dinge plagten sie. Die erste Sache war, dass die Gruppe schon viel zu lange, für ihren Geschmack, weg war. Die zweite Sache war, dass Shura den Beiden hoffentlich unnötige Angst gemacht hatte. Es gäbe vielleicht noch einen zweiten Dämon dieser Art, hatte sie gemeint. Sakura geriet bei diesem Gedanken leicht in Panik. Was sollte sie denn dann tun? Mehr als eine Nahkampfattacke hatte sie gar nicht drauf! Außerdem war Konekumaru ein angehender Area-Meister. Würde er zu rezitieren beginnen, wäre er das Angriffsziel des Dämons. Und genau dort lag das Problem. Sakura musste ihm dann Deckung bieten können, aber das konnte sie nicht. Sie war Medizinerin, keine große Kämpferin. Das Einzige, was sie wirklich konnte, war Heilen. Ja, sie heilte Lebewesen, sie verletzte sie nicht. Seufzend wendete sie sich an den angehenden Exorzisten. „Aber, sie sind doch schon so lange weg! Ihnen ist bestimmt etwas passiert!“ Sie malte sich in ihren Gedanken schon die schlimmsten Dinge aus. Was war, wenn sie allesamt von den riesigen, spitzen Krallen des Dämons aufgeschlitzt worden waren und gerade eben verbluteten? Und sie konnten ihnen nicht mehr helfen… Ein schrecklicher Gedanke, wenn man es sich, so wie Sakura, bildlich vorstellte. Sie erschauderte, was zum einen an der Vorstellung, zum anderen aber an einem kleinen Luftzug, welcher durch die kleine Rille unter der Tür in den Raum eingedrungen war, lag. Der Winter hier in den Bergen war irgendwie noch kälter als unten in der Stadt. „Ach Kind, zerbreche dir deinen Kopf doch nicht. Trink, das beruhigt die Nerven.“ Aufmunternd lächelnd bot die alte Dame der rosahaarigen einen Tee an. Durchatmend und dankend nahm sie den Tee an und setzte sich im Schneidersitz neben die Ältere. Vorsichtig nippte sie an der warmen Flüssigkeit. Ein Beruhigungstee für die Nerven, das schmeckte sie heraus. Genau die richtige Menge an Kräutern, nicht zu viel, nicht zu wenig. Zu viel machte benommen, zu wenig drang nicht richtig zu den Nerven durch, um diese zu beruhigen. Genau die perfekte Dosis. Sakura war begeistert. So perfekt schafften es nur wenige Menschen. Herzzerreißend seufzte sie und ging zu dem kleinen Fenster der Hütte und sah hinaus, während sie die Tasse Tee auf dem Fensterbrett abstellte. Der Schneefall war in den letzten zwanzig Minuten wieder heftiger geworden. Ihre Sorge wurde größer. Was, wenn sie sich im Schneesturm verliefen? Es herrschte in den letzten Tagen Dauerfrost in diesem Ort. Wenn die Jacke von irgendjemandem bei Kampf kaputt gehen würde, würde diese Person sich doch den Arsch abfrieren! Er würde erfrieren, höchstwahrscheinlich. Ihre Hand umklammerte fest ihre Tasse. Sie spürte dabei gar nicht, wie heiß diese war und verbrannte sich unbemerkt die Hand. Ihr fiel es nicht auf. Zu große Sorgen machte sie sich. In letzter Zeit war dies auch nicht sehr selten bei ihr. Einige Wochen war es nun her, dass Rins Identität ans Licht gekommen war. Erst hatten sich alle, abgesehen von Yukio und Shura, die es ja bereits gewusst hatten, von ihm fern gehalten. Auch sie, doch schnell hatte sie gemerkt, dass der Halbdämon sich keineswegs verändert hatte. Offen war sie wieder auf ihn zu gegangen und wollte etwas mit ihm allein unternehmen. Die Freude darüber hatte man ihm angesehen. Die Beiden waren einfach nach dem Unterricht ein Eis essen gegangen. Unsicher war sie anfangs ja schon gewesen, doch lockerte sie sich mit der Zeit und sie hatten nach langer Zeit wieder miteinander gelacht. Für sie blieb Rin einfach Rin. Außerdem konnte er für seine Herkunft doch nichts. Wer wünschte sich schon, der Sohn Satans zu sein? Naja, die Kräfte waren ja wirklich eine Klasse für sich. Noch einmal seufzte sie und wollte sich wieder auf die heiße Tasse konzentrieren, als sie nun endlich die enorme Erwärmung ihrer Hand bemerkte. Sofort ließ sie die Tasse los. „Bullshit!“, fluchte sie und rieb sich über die verbrannte Handfläche. Die Haut ihrer rechten Handfläche war dunkelrot angelaufen, während sie schon bemerkte, wie sich minimale Brandblasen bildeten. Weiterhin fluchend lief sie zu der kleinen Spüle in der Küche und stellte das kalte Wasser an. Aus ihrer Hosentasche fischte sie eine Packung Taschentücher, aus welchem sie eines herauszog. Unter dem Wasser befeuchtete sie es etwas und stellte das Wasser dann ab. Vorsichtig tupfte sie mit dem Tuch über ihre Handfläche, bis dieses sich an die kühlende Temperatur gewöhnt hatte und legte es anschließend gänzlich auf die minimale Verbrennung. Innerlich verfluchte sie sich. Mann, war sie manchmal ein Tollpatsch! Seufzend lehnte sie sich wieder gegen das Fensterbrett und versuchte sich zu entspannen. Einfach mal an etwas anderes denken, das wäre eine Erleichterung gewesen. Doch plötzlich wackelte die gesamte Hütte, als wäre es ein Erdbeben gewesen. Mit gemischten Gefühlen sahen die Beiden sich an und nickten sich zu. Auf geradem Wege rannten sie nach draußen und blieben sofort wieder wie angewurzelt stehen. Warum hatte Shura immer so oft Recht, wenn es um solche Dinge ging? Machte sie das etwa absichtlich? Hart schluckte die rosahaarige. Ein riesiger schwarzer Wolf stand vor ihnen. Scharfe Klauen und gefletschte Zähne standen ihnen gegenüber. Noch bevor die Beiden etwas tun konnten, holte der Dämon mit einer seiner Pranken aus. Gerade noch rechtzeitig wichen sie ihr aus. Auffordernd sah Sakura zu ihrem Partner hinüber. Er musste zu rezitieren beginnen, selbst wenn er dabei wegrennen musste. Doch die Reaktion auf ihre Aufforderung, machte die Medizinerin panisch. „Ich kenne die Todesverse des Dämons nicht!“, rief er ihr entgegen. Geschockt sah sie zu dem angehenden Area-Meister hinüber. Das konnte doch nicht sein Ernst sein, oder? Was sollten sie denn jetzt bitte tun? Der Dämon würde sich eher tot lachen, als dass ihre Angriffe irgendeine Wirkung bei ihm zeigen würden. Konekumaru rollte sich zur Seite um einem Angriff des Dämons zu entgehen. Entsetzt und panisch stand das Mädchen da und suchte fieberhaft nach einer passenden Lösung für dieses Problem. Hier oben gab es keinen Handyempfang, also konnte sie Shura und die Anderen nicht erreichen. Mit dem Vieh in einen Nahkampf zu gehen wäre der reinste Selbstmord gewesen. Ohne richtige Todesverse, kein toter Dämon. Was sollten sie tun? Ohne ihre Teamkollegen waren sie verloren! So sehr wünschte sie sich jetzt den Halbdämon an ihrer Seite. Schon einmal hatte er ihr das Leben gerettet. Damals war ein Naberius in die Räume des Kollegs eingedrungen und hatte sie in die Enge getrieben. Er hatte den Dämon erledigt und sie somit gerettet. Rin…Shura…Irgendwer…bitte rettet uns!, betete sie in Gedanken und verlor dadurch für einen Augenblick die Konzentration. „Sakura! Vorsicht!“ Erst jetzt realisierte sie den alarmierenden Schrei ihres Kollegen. Erschrocken sah sie zu dem Wolfsdämon, welcher soeben mit seiner riesigen Pranke ausholte und sie frontal angriff. Zu spät bemerkte sie dies, versuchte jedoch noch immer auszuweichen. Ein schmerzlicher Aufschrei gefolgt von einer Landung im kalten Schnee erfolgte. Zwei dicke, blutige, diagonale und parallele, tiefe Kratzer zierten den zierlichen Arm des Mädchens. Das Blut lief an ihr hinab und färbte den weißen Schnee in ein dunkles Rot. Die Zähne zusammenbeißend setzte sie sich auf, als der Dämon plötzlich erneut ausholte. Panisch hob sie schützend ihren unverletzten Arm vor ihr Gesicht und schloss die Augen. Es war zu spät um auszuweichen. Ängstlich wartete sie auf den schrecklichen Schmerz des Todes. Plötzlich spürte sie etwas. Es war warm um sie herum, aber kein Schmerz. Vorsichtig öffnete sie die Augen wieder und wurde überrascht. Umgeben von blauen Flammen lag sie im Schnee und vor ihr…stand Rin. Sie senkte den Arm wieder. Der Dämon verbrannte in blauen Flammen und Rin bewegte sich kein Stück. Er sagte nicht einmal etwas. Was im ersten Moment Erleichterung war, wurde schnell zur Besorgnis. Sein weißes Hemd war total zerrissen, die schwarze Jacke war nicht mehr da. Bei genauerem Hinsehen erfasste sie sogar Blut an seiner Kleidung. Mit einem Klacken wurde das Kurikara wieder zurück in seine Scheide gesteckt, wodurch die Flammen am Körper des Jungen und in der unmittelbaren Umgebung verschwanden. Schweigend stand er da, bis er sich dann doch noch rührte. Mit seinen Kräften am Ende kippte er nach hinten um. Geschockt reagierte das Mädchen hinter ihm sofort. Sie fing seinen Sturz ab. Mit einem lauten Knall und einem leichten Beben der Erde ging der Wolfsdämon zu Boden und auch diese Flammen verschwanden. Der hatte definitiv genug. „Okumura!“, hörte sie Suguros Stimme, welcher mit dem Rest der Gruppe zu ihnen gerannt kam. Auch Miwa machte sich schnellstmöglich auf den Weg zu den beiden Verletzten. Noch immer leicht panisch besah Sakura die Wunden an Rins Körper. Einige heilten schon langsam, doch sie waren tief. Kratzer und tiefere Schnitte überzogen seine Arme. Das weiße Hemd war mit Blut befleckt. Im Großen und Ganzen sah es einfach schlimm aus. Vorsichtig öffnete sie die Knöpfe seines Hemdes, da sie noch weitere Verletzungen vermutete und sie sollte sogar, wie immer, Recht behalten. Ein Schnitt zierte seine muskulöse Brust. Zwar heilte diese Wunde ebenfalls, jedoch nur sehr langsam. Nebenbei machte sie sogar einige minimale Erfrierungen auf seiner Haut aus. Ihre Augen weiteten sich. Er könnte verbluten! Sofort wendete sie sich an Suguro und Shura. „Ihr müsst ihn sofort in die Hütte bringen! Beeilt euch!“ Suguro und Shura packten sich den Verletzten und trugen ihn sofort in die Hütte und legten ihn auf einer Decke, die ihnen die alte Dame ausbreitete. Ohne auf ihre eigene Wunde zu achten kniete sie sich neben ihn und erlangte im Bruchteil einer Sekunde ihre Konzentration zurück. Kurz atmete sie durch.  Konzentriert legte sie ihre Hände nebeneinander auf die Wunde auf seiner Brust. Ihre Hände leuchteten in einem grünen Licht auf. Das war ihre besondere Fähigkeit. Sie hatte es nicht erlernt, sie hatte es geerbt. Ihre Mutter war eine große Medizinerin gewesen, welche jedoch in der „blauen Nacht“ umgekommen war. Dies war auch einer der Gründe gewesen, warum sie sich erst von Rin fern gehalten hatte. Leise schloss sich die Wunde ein wenig, sodass die Blutung allmählich gestoppt wurde. Ihre Augen fuhren die Wunde noch einmal ab. Vorsichtig drückte sie ihren Zeigefinger, welcher noch immer grün leuchtete, ein klein wenig in sein Fleisch, ohne ihm weh zu tun, um zu überprüfen, ob die Blutung wirklich an allen Stellen gestoppt hatte und ob es weitere innere Blutungen gab. Glücklicherweise war dies nicht der Fall. Schnell kümmerte sie sich noch um die übrigen tieferen Schnitte und seufzte anschließend. Es musste nichts genäht werden, was sie erleichtern ließ. Darin war sie eine absolute Niete. Aus einer kleinen Tasche kramte sie einige Verbände und band diese um seine Verletzungen. Sicher war sicher, falls sie noch einmal aufgingen. „Haben Sie noch weitere Decken im Haus?“, fragte sie die alte Dame, welche nur nickte und aufstand. Wenige Minuten später kam sie mit einem großen Stapel Decken wieder. Dankend nahm sie eine der Decken und legte sie um Rin. Somit sollten die Erfrierungen langsam verschwinden. Suguro und Izumo saßen an der Wand gelehnt am Boden. Sie waren ihre nächste Station. Izumo ließ es ohne zu zicken über sich ergehen, Bon hingegen meckerte die ganze Zeit nur rum. Es ginge ihm gut und  man müsse sich nicht um ihn kümmern. Sakura sah das aber immer ganz anders. Verletzungen jeglicher Art waren für sie ein Dorn im Auge. „Wo ist Shura?“, fragte sie, nachdem sie fertig war. „Draußen. Sie wollte ein Lagerfeuer an der kleinen Feuerstelle machen.“, antwortete Konekumaru ihr. Schnell schnappte die rosahaarige sich zwei Decken und legte sich eine um die Schultern. Auf direktem Wege verließ sie die Hütte und ging in die Kälte. Sie machte Shura an der kleinen Feuerstelle aus, wo mittlerweile ein Lagerfeuer brannte. Zitternd ging sie zu ihr hinüber durch den eiskalten Schnee. „S-S-Shura, du h-holst dir den T-T-Tod!“, bibberte sie und schmiss ihr die zweite Decke entgegen. „Lass uns reingehen, damit ich deine W-W-Wunden behandeln k-kann.“     Die Sonne war längst untergegangen, als Sakura noch einmal Rins Wunden besah. Sie waren fast verheilt, doch noch immer war er nicht aufgewacht. Wie gut es Dämonen doch manchmal hatten. Wunden heilten von selbst, was sie ziemlich faszinierend fand. Etwas erschöpf von den Geschehnissen gesellte sie sich zu der alten Dame in die kleine Küche der Hütte. Der Wasserkocher pfiff ein wenig, was bedeutete, dass das Wasser weit genug erhitzt war. Seufzend sah sie zu dem Gasherd. Wäre Rin wach gewesen, hätte sie ihn gebeten, etwas zu kochen. Wie aufs Stichwort knurrte ihr Magen laut. Kichernd drehte die Ältere sich zu ihr um. „Setz dich. Ich mache eine Suppe.“, lächelte sie freundlich. Dankend setzte sie sich an den Tisch und seufzte erneut. „Machst du dir Sorgen um deinen tapferen Teamkollegen?“ Die Dame klang amüsiert, während Sakuras Gesicht etwas rötlich anlief. „Ach Quatsch. Der hat schon einiges mehr eingesteckt.“, winkte sie ab. Es war ihr ein wenig unangenehm, dass sogar einer Fremden so etwas auffiel. Sie schlich ständig um Rin herum, das hatte sogar die alte Dame bemerkt. Rin war ihr nun einmal wichtig. Erst letzte Woche hatte sie es sich eingestehen müssen, da sie sich selbst dabei erwischt hatte, wie sie den blauhaarigen Jungen im Unterricht beobachtet hatte. Ein langgezogener Seufzer erfüllte den Raum, als Sakura durch die offene Tür schaute. Shura gab sich mal wieder die Kante, obwohl sie es ihr ausdrücklich untersagt hatte. „Diese Säuferin…“, seufzte sie und schüttelte den Kopf über ihre Teamführerin. Während die Suppe auf dem Herd vor sich hin kochte, stellte die Dame eine Tasse Tee vor die Nase der Medizinerin und folgte ihrem Blick. Die Exorzistin lachte auf ihre betrunkene Art und machte sich über Bon lustig, welcher sich über ihr Verhalten aufregte. „Er ist sauer! Er ist sauer!“, lachte sie. Die Ältere kicherte und setzte sich mit einem Tee der rosahaarigen gegenüber. „Diese junge Frau trinkt anscheinend öfter, oder?“ Kurz nippte Sakura an dem Tee. Wieder ein Beruhigungstee. Der Tee von vorhin war längst kalt gewesen. Dann nickte sie ihrem Gegenüber zu. „Wenn es eine Sache gibt, die man ihr nicht verbieten kann, dann ist es Alkohol. Dass Rin bei dem Lärm, den die da machen, nicht aufwacht…“ Nachdenklich starrte sie die Flüssigkeit vor ihrer Nase an. „Der hat wohl einen gesunden Schlaf. Ach, sag, wie geht es deiner Wunde?“ Ihr Blick schweifte zu ihrem Arm. Sie hatte sich einen Verband angelegt und die Blutung vorher natürlich gestoppt. Den Schmerz hatte sie mit einer Tablette gelindert. „Mir geht es gut soweit. Den anderen auch.“ Nach der Suppe wollte sie sich eigentlich zu dem Rest der Gruppe gesellen, doch waren diese schon eingeschlafen. Kein Wunder. Es war spät, der Tag war hart gewesen. Mit einer Decke bewaffnet schritt sie nach draußen, wo noch immer das Lagerfeuer brannte. Sie setzte sich auf einen der Baumstämme, welche als Sitzplätze dienten und verschneit waren, und starrte ein wenig ins Feuer. An Schlaf war noch nicht zu denken. Der Schneefall hatte wieder aufgehört, doch die Kälte war geblieben. Ihr Blick schweifte durch den Schnee, bis zu einer gewissen Stelle. Eine dunkle Stelle. Dort hatte sie gekniet, hatte ihr Leben verlieren können. Wenn Rin nicht gewesen wäre… Er war rechtzeitig da gewesen. Bei ihr gewesen. Hatte sie beschützt, obwohl er so schwer verletzt gewesen war. Schwer seufzte sie und schüttelte den Kopf leicht. Ihr Blick galt nun den Sternen am Himmel und dem schönen Vollmond. Der dunkle Horizont erstreckte sich über ihr. Der Vollmond strahlte in einem stechenden Weiß, genau wie die Sterne. Ein toller Anblick. „Wunderschön…“, meinte sie zu sich selbst und betrachtete das schöne Bild. „Das finde ich auch.“ Erschrocken schweifte ihr Blick zur Seite. In eine Decke eingehüllt saß Rin neben ihr und lächelte sie an. Sie spürte die aufsteigende Wärme in ihrem Gesicht und war froh, dass sie diese peinliche Farbe auf die Kälte schieben konnte. Es wäre einfach peinlich geworden, da man ihr Gesicht in dem strahlenden Mondlicht gut sehen konnte. Apropos Mondlicht und gut sehen: Rin sah im Mondlicht wirklich gut aus. Seine schönen, ehrlichen, blauen Augen funkelten im Glanz des Mondlichtes. Er grinste, sodass sie seine spitzen, perlweißen Eckzähne betrachten konnte. Ein Dämon im Licht des Vollmondes und neben ihm ein schüchternes Mädchen, in dessen Augen man erkennen konnte, wie sehr sie diesen Anblick genoss. Sie waren allein, alle anderen schliefen. Ihr Herz begann bei diesem Gedanken schneller zu schlagen. Allein… Sakura mit Rin… Ihre Gesichtsfarbe färbte sich noch ein bis zwei Töne dunkler. „Ist jemand zu Hause? Hallo?“ Sie schreckte auf, als sie bemerkte, wie Rin mit einer Hand vor ihren Gesicht herumwedelte. Schnell sah sie irgendwo anders hin. Sie hatte ihn total angestarrt. „Wie peinlich…“, nuschelte sie zu sich selbst und starrte in die Flamme. Obwohl es eisigkalt war, wurden ihre Hände schwitzig. Ihre Nervosität stieg stetig an. Was sollte sie tun? Warum war er hier? Aber vor allem, wollten sie sich nur anschweigen oder miteinander reden? Doch, was sollte sie reden? Immer mehr Fragen ließen ihren Schädel fast explodieren. „Hier, für dich.“, hörte sie ihn plötzlich sagen. Neugierig sah sie zu ihm auf, als ihr auch schon eine Tasse vor die Nase gehalten wurde. Automatisch roch sie an der Flüssigkeit und lächelte glücklich darüber. Eine heiße Schokolade, genau das brauchte sie jetzt. Bekanntlich machte Schokolade ja glücklich. „Danke, Rin.“, grinste sie und nahm ihm die Tasse ab. Im nächsten Moment verfluchte sie sich und ihre Unaufmerksamkeit. Ihre Wunde schmerzte, was ihren Arm sofort zucken ließ. Der Ruck brachte die Tasse zu Fall. Vor Schreck hielt sie die Luft kurzzeitig in den Lungen. Oh nein, die gute heiße Schokolade, bei welcher sogar einige Marshmallows an der Oberfläche schwammen. Plötzlich hielt etwas die Tasse jedoch in der Luft. Irgendetwas Schwarzes… „Alles klar? Tut dein Arm immer noch weh?“, erklang die besorgte Stimme des Jungen neben ihr. Jetzt erkannte sie auch das Etwas, welches ihre Tasse aufgefangen hatte. Es war Rins Dämonenschwanz gewesen. Genau dieser bewegte sich nach oben und hob die Tasse vor ihr Gesicht. „Es geht schon. Vielen Dank.“, lächelte sie beruhigend und nahm die Tasse diesmal in die linke Hand, um sie nicht wieder fallen zu lassen. Sie nippte einmal an dem heißen Getränk und gab einen zufriedenen Laut von sich. Wieder trat Schweigen ein. Die rosahaarige ohrfeigte sich innerlich. Warum musste das in genau diesem Moment passieren? „Wie…geht es deinen Verletzungen?“, fragte sie zögerlich nach und riskierte einen Blick nach rechts, genau in seine Augen. Ihre Blicke trafen sich. Grinsend sah er sie an und antwortete: „Es tut schon nicht mehr weh. Wunden sind bei mir schon immer schnell verheilt.“ Sie lächelte leicht und sah wieder in die Flamme des wärmenden Lagerfeuers. „Ja, ich weiß…“ Sie nahm einen größeren Schluck ihres warmen Getränks und schwieg kurzzeitig. Ihr fiel kein Gesprächsthema ein. Unauffällig fiel ihr Blick auf ihn. Die kleinen Pflaster in seinem Gesicht reichten schon komplett aus, um ihr ein schlechtes Gewissen einzubringen. „Es tut mir leid…“ Es war eigentlich nicht mehr als ein leidiges Flüstern, welches über ihre Lippen kam. Dennoch hatte er ihre Worte klar und deutlich vernommen, weswegen er sich nun verwirrt gänzlich zu ihr drehte. Die Situation nicht verstehend besah er sie. Was tat ihr denn bitte leid? Sie war die Ärztin und kümmerte sich um jede einzelne und noch so kleine Verletzung des Teams. Ihre Aufmerksamkeit widmete sich immer ihren Freunden und sie selbst kam, seiner Ansicht nach, oft einfach zu kurz. „Was tut dir leid?“ „Ich bin eine Last.“ Eine Träne kullerte an ihrer Wange herunter und tropfte auf ihre Decke. Sie fühlte sich wie ein riesiger Klotz am Bein des Teams. Verteidigen konnte sie sich kaum, das Einzige, was sie wirklich konnte, war sich in Gefahr zu bringen und Verletzungen heilen. Sonst war sie nur eine Last für die Anderen. Schluchzend verlor die rosahaarige eine salzige Träne nach der Anderen. Sakura machte einen ziemlich verzweifelten Eindruck auf ihn. Weinend presste sie ihre Hände auf ihre Augen und verzweifelte nur noch mehr. Jetzt heulte sie auch noch vor ihm. Er musste sie schon für eine Heulsuse halten, so oft wie sie dies schon in seiner Nähe getan hatte. Doch entgegen ihrer Erwartungen spürte sie seine Hände an ihren, welche sie noch immer gegen ihre tränenden Augen presste. Vorsichtig löste er ihre Hände von ihrem Gesicht, doch das wollte sie nicht. Er sollte sie nicht ansehen. Das wäre einfach erbärmlich. Was glaubte er, wieso sie ihre Augen verdeckte? Auch wenn sie es nicht wirklich wollte, wollte er es dennoch. „Sieh mich bitte an.“ Es war eher eine Bitte, als ein Befehl. Seine Stimme war ruhig, sanft und sogar mitfühlend, wie sie empfand. Zögerlich nahm sie ihre Hände von ihrem Gesicht, sah jedoch nicht auf, während die Tränen einfach nicht stoppen wollten. Seine warmen Hände ruhten an ihren Wangen und seine Daumen wischten sanft einige Tränen weg. „Du bist keine Last.“, lächelte er. Verdutzt durch diese Worte sah sie nun doch auf. Sein Lächeln war ehrlich, keinesfalls gestellt oder gespielt. Der meinte das wirklich ernst! „D-Doch, bin ich wohl… Ich kann mich nicht mal selbst verteidigen…“, schluchzte sie und wich seinem Blick wieder aus, indem sie wieder ins Feuer sah. Seine Hände, welche weiterhin auf ihren feuchten Wangen ruhten, waren warm und weich. Sie hätte nie vermutet, dass ausgerechnet der Halbdämon solch weiche Hände besaß. Eine Weile war wieder Stille. Unangenehme Totenstille. Nur ab und an knackte das Holz des Lagerfeuers und im Hintergrund waren aus dem Wald einige Grillen zu hören. Sakura konnte nicht anders und blickte unauffällig zu dem Jungen, welcher weiterhin ihr Gesicht zwischen seinen Händen hielt. Er lächelte aufmunternd als er ihren Blick bemerkte. „Du musst dich doch gar nicht verteidigen müssen. Wofür bin ich denn im Team, hm?“ Sie sah deutlich den Rotschimmer auf seinen Wangen. Konnte das denn sein? Rin Okumura war wirklich rot geworden! Doch, als sie seine Worte realisierte, lief ihr Kopf tomatenähnlich an. Was hatte er da gesagt? Sollte das etwas heißen, er wolle sie beschützen? Noch bevor sie etwas darauf erwidern konnte, sprach er weiter. „Guck doch mal, du tust doch viel für das Team. Du kümmerst dich um jede Verletzung und achtest dabei manchmal gar nicht auf dich selbst. Außerdem bist du echt mutig. Erinnerst du dich daran, als wir damals dieses Trainingscamp im Wald gemacht haben? Du hast versucht, Amaimon abzulenken, damit ich fliehen konnte. Oder heute. Statt dich in der Hütte zu verstecken, bist du bei Konekumaru draußen geblieben und hast nach einer Lösung gesucht. Du bist vielleicht nicht stark, aber du bist mutig.“ Auch auf ihre Gesichtszüge legte sich ein leichtest Lächeln. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Ihre Tränen verstärkten sich wieder. Erschrocken und nicht wissend, was mit ihr los war, besah Rin sie. Hatte er etwas was Falsches gesagt? „Danke, Rin…“, schluchzte sie, ein Lächeln im Gesicht habend. Jetzt verstand er. Das waren Freudentränen… Da hatte er sich ja umsonst Gedanken gemacht. Doch, sein Bauchgefühl sagte ihm, er müsse ES ihr jetzt sagen. Er musste es ihr sowieso irgendwann mal sagen. Es musste gesagt werden. Auf jeden Fall. Er öffnete den Mund, um irgendwie zu beginnen, doch kam erstens nichts über seine Lippen und zweitens kam die rosahaarige ihm zuvor. Sie nahm seine Hände von ihren Wangen und legte diese auf seinen Schoß. Lächelnd sah sie ihn an, nachdem sie sich einmal über ihre Augen gewischt hatte. „Schließ mal kurz deine Augen.“, lächelte sie, einen fetten, unübersehbaren Rotschimmer auf ihren Wangen habend. Ohne zu zögern tat er das, worum sie ihn gebeten hatte. Er schloss die Augen und hielt sie geschlossen. Er wartete. Auf was? Das hätte er auch gern gewusst. Was hatte seine Kollegin denn jetzt vor? Plötzlich spürte er etwas auf seinen Lippen. Etwas Warmes und Weiches. Erschrocken von der plötzlichen Wärme riss er die Augen auf und blickte verwirrt auf seine Freundin. Ihre Augen waren geschlossen, während sie sanft ihre Lippen an seine gelegt hatte. Erst jetzt realisierte er, was hier gerade abging. Sie küsste ihn. Sanft und zaghaft. Zögerlich ging er auf den Kuss ein. Das hätte er selbst nicht besser sagen können. Er hatte es mit Worten ausrücken wollen, aber wie man so schön sagte: Taten sprechen mehr als Worte. Langsam lösten sie sich wieder voneinander und sahen dem jeweils anderen in die Augen. Er hatte mit dem Kuss nicht gerechnet, sie hingegen nicht mit der Erwiderung. „Rin…I-Ich…“, stotterte sie mit rotem Kopf und suchte panisch nach den passenden Worten. Kichernd schüttelte er den Kopf und zog sie sanft in seine Arme. „Ich liebe dich auch.“, grinste er und legte den Kopf auf ihrem ab. Glücklich vergrub sie ihren Kopf an seiner Brust. „Das ist schön…“, nuschelte sie schon im Halbschlaf, als ihre Müdigkeit sie schon übermannte. Sie hatte gar nicht richtig gemerkt, wie erschöpft sie eigentlich von den ganzen Geschehnissen gewesen war. Die einzigen Zeugen der schönen Szene hier waren einzig und allein das helle Vollmondlicht und die alte Dame, welche in der Hütte an dem kleinen Fenster stand und vor sich hinlächelte. Zwei junge Leute, die sich unheimlich ineinander verliebt hatten, und es bis heute nicht gemerkt hatten. Solch schöne Dinge sah sie hier nur noch selten, weswegen sie umso fröhlicher war, dass Rin und Sakura genau hier zueinander gefunden hatten… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)