Wie durch die Hölle von Aredra ================================================================================ Kapitel 5: Heiße Quellen und Auseinandersetzungen ------------------------------------------------- {Ein paar Tage später, nahe einem Dorf auf dem Weg nach Kyoto} [Bankotsu] „Heiße Quellen?“, fragte Akira heiter und klatschte in die Hände. Dann klopfte er Jakotsu leicht auf die Schulter, während er weiterhin lächelte. Bankotsu hob seine Augenbrauen. Er hätte nicht gedacht, dass der Kupferhaarige sich so sehr über diese Neuigkeiten freuen würde. Auf eine gute Art und Weise. Es war allerdings noch besser, dass ein Dorf in der Nähe war. Dort konnten sie dann ihre Vorräte aufstocken. „Hier gibt es heiße Quellen? Es ist schon eine Weile her, dass ich heiß gebadet habe.“ Er blitzte den jungen Anführer warnend an, bevor sich sein Gesicht wieder entspannte und zufriedenere Züge annahm. Bankotsu grinste. Manchmal waren seine Gesichtsausdrücke wirklich lustig. „Ich meine ein RICHTIGES Bad, nicht nur das heiße Wasser in den Dörfern, die wir durchqueren...“ „Wenn du so darauf aus bist, ein Bad zu nehmen, kannst du gleich mit mir gehen.“, schlug der Schwarzhaarige vor, während die anderen das Nachtlager vorbereiteten. Er hatte sich für eine Wiese mit einem kleinen Fluss, dem Dorf, das nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt war, und einem angrenzenden Wald entschieden. Und dort im Wald verbargen sich auch die heißen Quellen. Auch er selbst war überrascht gewesen, als Suikotsu sie vorhin entdeckt hatte. Dann konzentrierte sich Bankotsu erneut auf den jungen Mann, dessen Gesicht wieder einmal knallrot angelaufen war. 'Was ist denn jetzt?', fragte er sich überrascht. Es war doch vollkommen normal, mit anderen Männern zu baden, wenn es nicht anders ging? Ihm hatte es nie etwas ausgemacht. „Nein, danke... Ich glaube, ich passe.“, antwortete Akira schüchtern und betrachtete den Boden, als wäre dieser das Interessanteste der Welt. Er wirkte sehr verlegen. Bankotsus Grinsen vertiefte sich aufgrund dieser Entwicklung. Der Kupferhaarige hatte immer eine große Klappe bewiesen, aber wenn es um das Thema Mann und Frau ging, wurde er scheu. „Außerdem wollte ich eh mit Jakotsu gehen, wenn es dir nichts ausmacht. Und er hat versprochen...“ „Du bist so prüde.“, verkündete der Schwarzhaarige und blickte dem Kupferhaarige nach, der in Richtung seines besten Freundes ging. Seine Wangen zierte noch immer ein leichter Rotschimmer. „Dann bin ich es halt. Wen KÜMMERT'S?“ Nach diesem Kommentar begann Bankotsu leise zu lachen. Es war immer wieder lustig, den Kerl zu ärgern, auch wenn es eher selten in einen richtigen Streit ausartete. Er wandte sich seinen eigenen Dingen zu und überlegte, was er mit zu den Quellen nehmen sollte. Auf einmal fiel ihm etwas anderes ein, während er nach einer bestimmten Person Ausschau hielt. [Renkotsu] Der Feuerbruder verstand noch immer nicht vollkommen, warum sie überhaupt diesen Auftrag angenommen hatten. Natürlich gab es den Aspekt des Geldes – es würde ziemlich viel einbringen. Außerdem war es leicht zu verdienen, ohne zu Kämpfen. Aber... es kam ihm seltsam vor. Seit er den Jungen zum ersten Mal gesehen hatte, misstraute er ihm irgendwie. Es war nicht der Junge an sich. Nein, vielleicht mochte er ihn sogar. 'Immerhin haben Jakotsu und er uns gerettet.', musste er unglücklicherweise zugeben. 'Wie auch immer, irgendetwas stimmt nicht. Wie er geht, wie er spricht, sein Aussehen, sein ganzes Benehmen ist... manchmal etwas eigenartig.' Renkotsu wollte den Kupferhaarigen im Auge behalten. Deshalb begleitete er den Jungen auch zum nächsten Dorf. Er wollte Besorgungen machen oder so. 'Es sind zwar nur einige Minuten zu Laufen, aber es...' Er schnaubte leicht, während er die einfachen Dächer und den Markt erblickte. Oder etwas, das ein „Markt“ mit zwei bis drei Ständen zu sein schien. Sie schienen eher Landwirtschaft zu betreiben. Aber wenn es einige Stände gab, mussten hier entweder viele Reisende durchkommen oder ein größeres Dorf beziehungsweise eine Kleinstadt in der Nähe sein, vielleicht einige Tage entfernt. Seine Begleitung lief schnell auf einen der Stände zu. Als würde sein Leben davon abhängen. „Hey, Renkotsu, brauchst du nicht neue Zutaten oder so was?“, fragte Akira ihn freundlich lächelnd, als er ihn endlich erreichte. Er hatte es nicht für nötig gehalten, loszurennen. Bis jetzt war er immer freundlich gewesen, nur manchmal etwas distanziert. Ein weiterer Grund, ihm zu misstrauen. Aber neue Zutaten? Meinte er für seine Waffen. Renkotsu schaute über die Verkaufsgegenstände. 'Nur Gewürze und andere Haushaltsgegenstände? Was denkt der sich denn, was ich benutze?' „Nein.“ Er schüttelte seinen Kopf, um seine Aussage zu bestärken. Der Kupferhaarige betrachtete das Angebot gründlich und nachdenklich. „Das solltest du eher Mukotsu zeigen. Er benutzt eher natürliche Dinge. Du weißt schon, um Gift herzustellen.“ Endlich schien er was gefunden zu haben. Es war ein Stoff und eine braune Umhängetasche. „Dann magst du also lieber Feuer und Explosionen?“, fragte sein Begleiter weiter neugierig, während er bezahlte. Renkotsu verschränkte seine Arme und schaute den Verkäufer prüfend an. Aber der schien sich nicht für ihre Konversation zu interessieren. Natürlich nicht. „Ja, schon immer.“, erwiderte der Feuerbruder. Er dachte weiter darüber nach. Ja, seit er denken konnte, war er schon immer vom Feuer fasziniert gewesen. Und jetzt... Die Kontrolle über eine Naturgewalt zu haben, war einfach nur... aufregend. Auch wenn Feuer wirklich launisch war und man sich sehr leicht daran verbrennen konnte. Der Kupferhaarige nahm seine Einkäufe an sich, schmiss ihm dann aber den Stoff zu. Der Glatzkopf fing es einfach und betrachtete die Baumwolle verwirrt. „Was soll das sein?“ „Ich dachte, du wärst die klügste Person im ganzen Land.“, zog Akira ihn auf, während er ironisch grinste. Aber ihn kümmerte es nicht. Immerhin hatte der junge Mann keinen Kommentar abgelassen wie Jakotsu es immer tat. Und das war nervtötend genug. In diesem Augenblick verwandelte sich Akiras Grinsen in ein Lächeln. Warum lächelte er die ganze Zeit? Das war genauso lästig wie Jakotsus Eifersüchteleien, Bankotsus Angeberei oder Mukotsus Suche nach einer Braut. Sie schlugen immer über die Stränge. „Du magst Explosionen. Das Ding explodiert. Es ist ein alter Trick und mehr nicht.“ Der Junge zuckte mit den Schultern und schlenderte zu dem nächsten Stand, wo nur gewöhnliche Waffen verkauft wurden – ein paar Bögen, Nunchakus und einige Katanas. Waffen für Farmer und Leute vom Land. Es war keine große Auswahl, allerdings ließ sich der Kupferhaarige viel Zeit. Renkotsu stand noch immer vor dem Gewürzstand und betrachtete die Baumwolle. Es sah normal aus – genau wie weiße Baumwolle eben. Aber was war das für ein Geruch? Säure? Etwas anderes, hoch entflammbares? Der Feuerbruder befestigte es an seinem Obi. Vielleicht würde es ja doch nützlich sein und der Junge veralberte ihn nicht. Vorerst würde er ihm allerdings nicht danken. Der Glatzkopf näherte sich langsam dem Jüngeren. „Mach mal etwas schneller. Ich werde auch bezahlen, aber wir sollten langsam zurückgehen.“ „Was? Warum?“ Der Kupferhaarige beäugte ihn kritisch und argwöhnisch. Seine Fragen trafen genau ins Schwarze. Er hatte sich die ganze Zeit dasselbe gefragt. Aber ihr Anführer hatte ihn speziell angewiesen, dass der Junge einen neuen Bogen bekommen sollte. Das war auch der einzige Grund, weshalb sie hier waren. Es war zwar nicht allzu schwer gewesen, Akira zu überzeugen, herzukommen, doch für ihn war es eigentlich Zeitverschwendung. „Laut Jakotsu ist dein Bogen während des letzten Kampfes kaputt gegangen.“, wiederholte er einfach Bankotsus Worte. Die Augen des Jungen wurden etwas schmaler. Dann drehte er sich auf einmal vom Stand weg. Renkotsu verdrehte genervt seine Augen. Wenn der Kupferhaarige wieder auf seinem Stolz beharrte, war es absolut nicht auszuhalten. „Nun... Danke. Aber nein, danke. Ich brauche keine Almosen.“ Akira schloss seine Hand fest um sein Katana. Für eine Sekunde dachte Renkotsu, er hätte einen dunklen Blitz aus dem Schwert austreten sehen, aber das war nicht möglich. Normale, für Menschen gemachte Schwerter hatten keine besonderen Fähigkeiten. Sie mussten von speziellen Schmieden angefertigt werden, wie Bankotsus Hellebarde. Oder Jakotsuto. Und Yokaischwerter überwältigten Menschen, die sie versuchten zu kontrollieren. Er schüttelte abermals seinen Kopf. Aber vielleicht war es doch mehr als eine Einbildung gewesen. Der Junge begann in die Richtung ihres Lagers zu gehen. „Aber du hast Recht: Wir sollten langsam zurück.“ Das Lächeln kehrte zu Akiras Gesicht zurück. Er schien wirklich keine neue Waffe haben zu wollen – auch wenn es nur aus Stolz war. „Außerdem kann ich auch mit meinem Schwert kämpfen.“ [Bankotsu] Letztendlich war Jakotsu mit Akira zu den Quellen gegangen, während er etwas darüber gemurmelt hatte, wie unfair die Welt nur sein konnte. Das brachte den jungen Anführer wieder zum Grinsen. Er konnte noch immer nicht wirklich glauben, dass die Zwei tatsächlich verwandt waren. Mittlerweile waren sie schon mindestens eine halbe Stunde weg und es begann, langweilig zu werden. Aber... warum hatte Renkotsu keine neue Waffe für den Jungen besorgt? Der Feuerbruder hatte gesagt, dass der Kupferhaarige zu stolz sei, um „Almosen anzunehmen“. Was für ein Quatsch! Er verdrehte seine Augen. „Hey, Aniki!“, riss Renkotsu ihn aus seinen Überlegungen. Bankotsu drehte seinen Kopf zu dem Feuerbruder um. Heute kochte er – er hatte gleich nach seiner Rückkehr aus dem Dorf begonnen – weil Akira mit seinem Bruder Baden gehen wollte. Außerdem war sein Essen auch nicht schlecht. „Kannst du Jakotsu und dem Jungen Bescheid sagen, dass das Essen fertig ist? Ich glaube, sie haben sich genug im heißen Wasser entspannt.“ „Warum ich? Frag doch Suikotsu oder wen anders.“, antwortete er nur und blickte seinen Kameraden gelangweilt an. Eigentlich hatte er nichts anderes zu tun, aber er wollte nicht von seinem Begleiter herumkommandiert werden. ER war der Anführer. Darüber hinaus bemerkte er ein weiteres Mal, dass Renkotsu nicht wirklich begeistert über diese Mission zu sein schien. 'Für ihn wahrscheinlich zu viel Reden und zu wenig Töten... aber was sollen wir anderen dann sagen? Immerhin hat er am wenigsten Spaß am Töten...', dachte Bankotsu und schloss seine Augen. „Weil...“ „Okay, ich gehe ja schon. Aber auf deine Verantwortung, falls was passiert.“, seufzte er und stand mit einem Schwung auf. Renkotsu nickte nur, während er in die Richtung der Quellen ging, wo auch er eine Stunde zuvor gebadet hatte. Eigentlich war es sogar sehr schön und entspannend gewesen und er konnte sogar die Begeisterung ihres Schützlings nachvollziehen. Jetzt bemerkte er auch den weißen Wasserdunst, der die Quellen umgab, und schaute sich um auf der Suche nach seinen zwei Begleitern. Der Schwarzhaarige schritt langsam zur ersten Quelle, aber dort schien niemand zu sein. 'Huh? Wo könnten sie sonst sein? Das ist doch die nächstliegende Quelle...' Er lief gemächlich zu der nächsten Quelle, wo er auch endlich eine Gestalt erblickte. Offenbar war die Person dort menschlich, da er überhaupt keine dämonische Energie in der Nähe spüren könnte. 'Endlich...', dachte er nur. 'Das fing an, ätzend zu werden...' Aber als sich der Zopfträger noch etwas näherte, konnte er erkennen, dass es keiner seiner Freunde, sondern eine Fremde war. 'Eine Frau aus dem Dorf?', fragte er sich überrascht und hob seine Augenbrauen. Da stand sie wirklich mit dem Rücken zu ihm, komplett unbekleidet. Ihre nassen, braunen Haare fielen über ihre linke Schulter, über ihren zierlichen Körper. Aus irgendeinem Grund konnte sich Bankotsu nicht bewegen, bis jemand nach ihm rief. „Aniki, was machst du hier?“ Der Kopf der Frau ruckte hoch, als sie die Stimme des Transvestiten hörte. Jakotsus plötzliches Auftauchen überraschte ihn aber auch und brachte ihn endlich dazu, sich fast schon flüchtend zu seinem Freund umzudrehen. Der Transvestit schaute ihn nur aus neugierigen, großen Augen an. 'Wo kam er denn auf einmal her?', fragte er sich, während er sich so schnell wie möglich fing. Innerhalb einer Sekunde bemerkte Bankotsu auch, dass sein Freund komplett trocken war. So schnell? Wie war das möglich? „Euch sagen, dass das Essen fertig ist. Mal wieder.“, sagte der Schwarzhaarige irritiert. 'Seit wann spiele ich eigentlich den Dienstboten?!', fragte er sich und entschied, es nie wieder zu tun. Dann konzentrierte er sich wieder auf Jakotsu. „Wer ist eigentlich die Frau?“ Noch während er redete, bemerkte er Akiras Abwesenheit. „Und wo ist Akira?“ „Was meinst du? Welche Frau?“ Jakotsu legte seinen Kopf schief und wirkte nun unschuldig oder naiv. Dann drehte der junge Anführer seinen Kopf wieder in Richtung der nächsten Quelle, aber die hübsche Frau war mittlerweile weg, was aber kaum überraschend war. Allerdings war es erstaunlich, dass sie weder geschrien noch Dinge nach den beiden Männern geworfen hatte. Auf einmal hörten sie ein Platschen im nahen Wasser. So viel zu nichts werfen... Aber es gab momentan noch etwas wichtigeres Problem. „Wo ist unser Schützling, Jakotsu?“, fragte Bankotsu so ruhig wie möglich. Wenn der Junge tatsächlich abgehauen wäre – was das erste Mal wäre - , dann... Gleichzeitig hörte er ein Keuchen hinter sich. Daraufhin drehte er sich im. Da stand Akira schwer atmend, während er ihn anfunkelte. Der junge Anführer konnte die Art des Blicks, den er ihm zuwarf, nicht wirklich einschätzen. Seine dunklen Klamotten waren teilweise durchweicht, sein Haar klatschnass und er hielt seine Teilrüstung in einer Hand. „Hier, du...!“ Akira versuchte, aufgebracht zwischen den tiefen Atemzügen zu klingen. Aber es wirkte nicht so glaubwürdig, wie er es bestimmt gern gehabt hätte. Der Scharzhaarige fing an, leicht zu grinsen, als den leicht komischen Anblick sah, während sein bester Freund eher schockiert oder besorgt aussah. Warum war er bloß so nass und warum atmete er so schwer? Eine Ahnung formte sich in seinem Kopf. „Hey, hey, hast du diese Frau beobachtet?“ „W-was?“ Der Kupferhaarige zuckte zusammen, während er heftig den Kopf schüttelte. Schon beinahe zu heftig. Wasser verteilte sich um ihn herum. Bankotsus Grinsen wurde offensichtlicher und er drehte seinen Kopf leicht, als er ein Seufzen vernahm. Jakotsu schien schon von ihrem aufkommenden Streit genervt zu sein, weshalb er zurück zum Lager ging und die Beiden alleine zurückließ. Ihm war es recht. Es war sowieso interessanter mit Akira zu streiten, wenn sie schon nicht Kämpfen konnten. Irgendwie machte es sogar Spaß. Der Jüngere suchte anscheinend nach einer Ausrede. „Nein, hab ich nicht, du Perversling! Warum sollte ich?!“ „Ich wette, du hast sie beobachtet. Und ich dachte, du wärst nicht an Frauen interessiert.“, zog er seinen Begleiter noch weiter auf. Der junge Anführer wollte ihn auf die Palme bringen. Das wäre immerhin eine Herausforderung. Der Junge war der Erste, der den Mut hatte, ständig einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Daher wollte er nun diese Auseinandersetzung genießen. Es war wie ein Spiel, wobei man die Oberhand erhalten musste. Nur ohne zu töten. „Das geht dich NICHTS an!! Nur mich!“ Akira wurde lauter, aggressiver, seine Augen glühten nur so vor Wildheit. Perfekt. [Akira] Seine blauen Augen funkelten vor Schalk. Akira konnte es kaum glauben: Er tauchte einfach so auf, beobachtete sie ungeniert beim Baden und dann machte er sich auch noch über sie lustig?! So leicht würde sie den jungen Anführer nicht davonkommen lassen! 'Naja, er hat ja nicht mit Absicht gespannt. Und er kann ja auch nur deinen Rücken gesehen haben...', meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Kopf zu Wort, die sie allerdings diesmal vollkommen ignorierte. Die junge Frau schnaubte und drehte sich leicht zitternd um. Es war kälter im Schatten, als sie geahnt hatte. Und es würde keine so gute Idee sein, noch länger pitschnass hierzubleiben. Daher ging nun auch sie zügig in Richtung ihres Lagers. Bankotsu lief ihr hinterher. „Wir sind noch nicht fertig!“, betonte der Schwarzhaarige geradewegs. Anscheinend wollte er ihren Streit fortsetzen. Ihr war es nur recht, sie hatte noch ein Huhn mit ihm zu rupfen. Aber Akira schwieg weiterhin, da sie wusste, dass er ihr Nichtantworten hassen und auch ihn aufregen würde. Das Spiel konnten Zwei spielen. „Du kannst mich nicht einfach ignorieren. Was ist dein Problem?!“ „Nichts.“, antwortete sie mit einem kühlen Lächeln im Gesicht. Die junge Frau wusste, dass es gekünstelt aussah und sich auch so anhörte. Der eigentliche Grund für ihre Wut waren ihre eigenen Gefühle gewesen, nicht seine dreisten Kommentare. Nun hatte sich die Kupferhaarige wieder einigermaßen unter Kontrolle. „Ich glaube nicht, dass du so erwachsen bist, wie du den anderen immer vormachen willst. Ganz im Gegenteil. Du bist ruppig und unreif für einen selbsterklärt erwachsenen Mann.“ „Und ganz offensichtlich bist du ausgesprochen empfindlich.“, gab er leicht angegriffen zurück. Anscheinend war ihm ihre Feststellung unter die Haut gegangen. 'Wenn wir uns nur noch beleidigen, können wir auch aufhören zu streiten. Das wäre sonst reine Zeitverschwendung...', dachte sie und war auf einmal gar nicht mehr in der Stimmung. „Wie eine kleine Zicke!“ „Okay... Wir sind uns einig, uneinig zu sein.“, sagte sie ungemein gelassen, um zu versuchen, den Konflikt zu beruhigen. Der junge Anführer folgte noch immer dicht hinter ihr, aber Akira schaute nicht einmal in seine Richtung. Wenn sie das täte, würde sie wieder ausflippen. Es war immer nur eine Frage der Zeit bis die junge Frau ausrastete, wenn es um den Schwarzhaarigen ging. In den letzten paar Tagen hatte sie mehr gestritten als in den letzten Jahren. „Dann können wir aufhören...“ „Nein, auf keinen Fall. Dieser Streit ist noch nicht vorbei. Nicht bis du dich entschuldigt hast.“, Bankotsu klang angespannt, zumindest seine Stimme. Die Kupferhaarige beschleunigte ihre Schritte, während sie noch immer triefte. Glücklicherweise war das Lager mittlerweile in Sicht- und bestimmt auch in Hörweite. „Ich? Das ist nicht dein Ernst, oder?“ „Natürlich musst du!“ Der Anführer packte ihren Unterarm – nicht zu heftig, aber fest genug, um sie ruckartig zu ihm umzudrehen. Es war anscheinend heftiger als erwartet. Akira knallte beinahe gegen ihn, weil seine plötzliche Aktion zu stark ausgefallen war. Und es hatte zusätzlich auch noch wehgetan. „Wofür? Weil ich dir meine Meinung gesagt habe?“ Nun, da sie wieder in seine Augen blicken konnte, tauchte ihre Wut wieder auf. Warum war dieser starrköpfige Idiot immer so grob?! Auch der Schwarzhaarige blickte sie böse an. „Okay, tut mir leid, dass ich EHRLICH war!“ „Siehst du? War das SO schwer?!“, fragte Bankotsu gespielt zufrieden. Sogar sie hörte es, aber sie konnte nicht glauben, dass er sogar eine nicht ernst gemeinte Entschuldigung annehmen würde. Das würde heißen, er hätte sie wieder reingelegt. „Ich war sarkastisch!“, zischte die Kupferhaarige und riss sich von seinem kräftigen Griff los. Vielleicht hatte der junge Anführer sie auch losgelassen, aber es spielte keine Rolle. Er wirkte irgendwie erstaunt, dann kehrte die Wut auf sein Gesicht zurück. „Kannst du nicht das kleinste Stückchen Sarkasmus erkennen? Wie hast du bis jetzt unversehrt überlebt?!“ „Weil ich offensichtlich das Verhalten von Menschen gut einschätzen kann. Ich glaube nicht, dass ein abgestumpfter Eisklotz wie du das verstehen könnte!“ Ihr Streit hatte wirklich einen Wendepunkt genommen. Hatte er nichts Besseres auf Lager? Das musste Akira sich nun wirklich nicht anhören. „Eisklotz, huh? Und das kommt von einem anmaßenden Hitzkopf.“ Sie wandte sich von ihm ab und versuchte zu ihren Begleitern zu flüchten. Vielleicht blieben der Kupferhaarigen so weitere Beleidigungen und Vorwürfe erspart. „Tut mir leid, dass ich Zweifel an deiner Menschenkenntnis habe!“ „Weißt du was? Das Einzige, was dich am Leben hält, ist das Geld. Also halt einfach deine Klappe oder du bist in einer Sekunde tot.“ Seine Stimme war gefährlich leise geworden, aber auch das machte die junge Frau nicht ängstlich, wie Bankotsu es vielleicht gern gehabt hätte, sondern nur noch wütender. Ein Teil von ihr fragte sich, wie weit es noch gehen konnte, ohne in Gewalt auszuarten. Akira drehte sich ihm wieder zu. „Ich habe keine Angst vor dir.“, erklärte die Kupferhaarige absolut ernst, woraufhin sich seine Verärgerung auf seinem Gesicht vertiefte. Sie war offensichtlich zu respektlos gewesen, was sie aber nicht im Geringsten juckte. „Du denkst wirklich, ich würde dir nichts antun, oder?“ „Wollen wir wetten?“, zischte Akira leise, als auf einmal Renkotsu zwischen den Beiden auftauchte, ohne auch nur von einem von Beiden bemerkt worden zu sein. Vielleicht waren sie zu sehr mit Streiten beschäftigt gewesen. Auf jeden Fall trat er zwischen sie und drängte sie etwas auseinander, damit sie nicht übereinander herfielen. Was wahrscheinlich war. „Das reicht, ihr Beiden!“, schaltete sich Renkotsu nun ein. Er klang genauso gereizt, wie Jakotsu es vorhin gewesen war. Die Kupferhaarige richtete ihren – wie sie wusste noch immer zornigen – Blick auf ihren anderen Begleiter, genauso wie Bankotsu es tat. Unter ihrem Blick verkrampfte es sich etwas, wich allerdings kein Stück zurück. „Vertragt euch gefälligst.“ [Jakotsu] Er eilte zu den anderen Dreien, um ebenfalls einschreiten zu können. Als die Beiden sich vorhin wieder angefangen hatten zu streiten, hatte er sie es selbst klären lassen wollen, aber anscheinend war dies für die Beiden nicht möglich, weil die Zwei gleichermaßen ausgereifte Sturköpfe waren. „Kommt gar nicht in Frage.“, murrte sein bester Freund störrisch. Endlich erreichte er Renkotsu, der zwischen den beiden Streithähnen stand, um sie auf Abstand zueinander zu halten. Jakotsu legte Bankotsu beruhigend eine Hand auf seinen Oberarm, während Akira tief Luft holte, um sich zu beruhigen. „Lasst mich für eine Weile einfach in Ruhe, okay?“, murmelte die Kupferhaarige entschieden und verschwand in Richtung Fluss, während ihr Anführer in eine andere Richtung schaute und abfällig schnaubte. Offensichtlich war der Streit dieses Mal heftiger ausgefallen als andere in der letzten Woche. Doch das war ihre Sache, solange die Beiden sich nicht gegenseitig umbrachten. „Dann wäre das ja geklärt.“, meinte Renkotsu erleichtert und wollte wieder zu seinem Kochtopf zurückkehren. „Und wir können essen.“ „Aniki, Akira würde ich an deiner Stelle in Ruhe lassen. Jeder, der jetzt in ih... seine Nähe kommt, reißt er förmlich den Kopf ab.“ Der Feuerbruder nickte nur zur Kenntnisnahme, wirkte allerdings nicht sehr interessiert. Genauso wenig wie Bankotsu, der erstaunlicherweise noch immer neben dem jungen Transvestiten stand. „Ich habe keinen Hunger mehr...“, brummte dieser und wollte gerade in die entgegengesetzte Richtung abhauen. Er wirkte allerdings eher nachdenklich als wütend. „Aniki...“, begann Jakotsu zögerlich, um ihn aufzuhalten. Bankotsu hielt kurz inne, schenkte ihm noch mal seine Aufmerksamkeit. Er wollte nicht, dass sich zwei für ihn wichtigen Personen so sehr an die Gurgel gingen. Außerdem waren die Reisen sonst immer ruhiger, lustiger und nicht so angespannt. Und der Transvestit musste normalerweise keine Geheimnisse bewahren, was an sich ja eigentlich nicht schlimm war. „Eure Streitereien zehren an den Nerven, das weißt du. Könntest du dich nicht einfach bei meiner... bei Akira entschuldigen?“ „Der Streit war nicht meine Schuld.“, schnaubte er nur als Antwort. [Akira] Die junge Frau saß nun unter dem weiter entfernten, großen Baum und ließ ihren Blick über die Landschaft wandern. Akira hielt sich lieber von der Gruppe fern, weil sie noch immer zu beschämt und zu wütend war, um dem jungen Anführer entgegen zu treten. Eine Stunde zuvor war sie noch zornig genug dafür gewesen, aber jetzt... Sie schüttelte ihren Kopf und stützte ihn dann auf ihren Händen ab, während sie beobachtete, wie das grüne Gras im Wind wehte und wie einige Vögel herumflogen. Es war ein schöner, friedlicher Anblick. Aber etwas störte sie dann doch: Surudoi begann zu pulsieren. Die unheilvolle Aura kam wieder auf. Akira berührte es beiläufig und ließ etwas von ihrer Energie in das Schwert fließen. Es beruhigte sich, aber es strahlte dennoch eine Aura aus. Ihre Hand blieb, wo sie war. Die Energie, die Surudoi von dem Dämon vor Tagen absorbiert hatte, war nicht abgeklungen, sondern war beständig geblieben, als hätte es ein eigenes Jyaki*. Aber wenn das wahr war, hieß das, ihr Katana hatte sich in ein Yōtō* – eine dämonische Klinge – verwandelt. Darüber hinaus hätte es dann auch einen eigenen Willen. 'Aber warum und warum jetzt? Es hat vorher doch auch Yokai getötet.', dachte Akira besorgt und schaute auf Surudoi, das sie momentan noch leicht kontrollieren konnte. Dann fiel ihr eine andere Person ein. Eine, die ihr vielleicht helfen konnte. 'Vielleicht kann mir der alte Schwertschmied verraten, was mit meinem Schwert passiert ist und was ich dagegen tun kann. Das ist mir nicht ganz geheuer...' Allerdings würde das für ihre nicht ganz freiwillige Reise einen Umweg von mehr als einer Woche bedeuten. Die junge Frau seufzte nachdenklich. 'Sie werden dem nie zustimmen...' Ihre Augen weiteten sich auf einmal, als etwas Hölzernes direkt vor ihrem Gesicht auftauchte. „Hier.“ Die Stimme des Anführers erklang neben ihr, dieses Mal ruhig. Akira schaute hoch. Er hielt einen Langbogen in einer Hand und in der anderen einen Köcher mit Pfeilen. Was sollte das denn jetzt? Eine Wiedergutmachung? Sie wusste, dass sie gerade verständnislos aussah. Akira war zu überrascht, um die Emotionen zu fühlen, die sie fühlen wollte. „Ich brauche keine neue Waffe. Oder eine Entschuldigung.“, antwortete sie einfach und starrte wieder in die Ferne. Wenn die Kupferhaarige etwas brauchte, konnte sie es selbst kaufen. Als er seine Stimme erneut erhob, blickte sie ihn wieder an. „Nimm ihn einfach.“ Bankotsu klang im Moment fahrig. Er warf ihr einen ebenfalls ungeduldigen Blick zu und wedelte mit dem Bogen ein paar Mal vor ihrem Gesicht herum. Akira konnte sogar einen leichten Windzug spüren. Ein leises Kichern entwich ihr, woraufhin sie sich schnell die Hand vor den Mund schlug. Der Schwarzhaarige benahm sich aber auch immer zu bizarr. „Als Geschenk.“ „Mhm.“, antwortete die junge Frau wieder ruhig und unverständlich. Dann nahm sie den Bogen aus seiner Hand. Dieser war größer als ihr alter und hatte eine dunklere Farbe. Aber es würde seinen Zweck erfüllen. Ohne eigenen Willen. „Danke.“ Bankotsu ließ sich neben ihr auf den Boden fallen, während er noch immer den Köcher in der Hand hielt. Er murmelte irgendetwas, wovon die junge Frau jedoch nicht ein Wort verstehen konnte. So weit die Kupferhaarige wusste, würde sich ihr Begleiter nicht entschuldigen. Das war einfach nicht seine Art. Aber er konnte wenigstens versuchen, netter zu sein. Das stand außer Frage. Sie wusste allerdings, ob sie dauerhaft netter sein konnte... „Freunde?“, fragte der junge Anführer stattdessen. Im Augenblick konnte Akira sein Gesicht nicht mehr lesen, daher schaute sie wieder auf den Bogen und strich behutsam über das Holz. „Ja, das wäre schön, Ban.“, antwortete die junge Frau leise nach einer Minute des Schweigens. Ihr Gesprächspartner lachte leise, als hätte sie ihm einen Witz oder so erzählt. Sie runzelte daraufhin die Stirn. „Und sehr viel einfacher.“, erwiderte der Schwarzhaarige, etwas erleichtert und etwas enttäuscht. Nun war er derjenige, der in die Ferne starrte. Die junge Frau wusste sofort, wovon er redete. Der junge Anführer stritt anscheinend gerne mit ihr. Ein kleines Lächeln kehrte auf ihre Lippen zurück. „Das heißt aber nicht, dass wir überhaupt nicht mehr streiten werden.“, erklärte Akira amüsiert und spürte den Blick seiner blauen Augen wieder auf sich, welchen sie dieses Mal auch erwiderte. Irgendwie fühlte sie sich von der Situation überwältigt, ohne den Grund dafür zu kennen. „Definitiv nicht.“ Bankotsu grinste sie an. Aber dieses Mal war es anders: Sein schiefes Grinsen wirkte freundlich, fast schon einnehmend, weshalb ihr Lächeln auch ehrlich wurde. Der Kupferhaarige wurde klar, dass sie den jungen Anführer sogar mochte. 'Natürlich nur, wenn er nett ist.', schränkte sie schnell ihre Gedanken ein. Ihre Scham war längst verschwunden, der Streit vergessen. „Also als Nächstes gibt es das Hanami*? Wir kommen bestimmt durch ein Dorf, das das feiert. Für einen Mann vielleicht nicht spannend, aber...“ „Warum nicht? Es heißt, es soll sehr schön sein.“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ *Jyaki: die bösartige Aura um einen Yokai, etwas wie ein Yoki. Je stärker der Dämon ist, desto ausgeprägter ist sein Jyaki. *Yōtō: Ein Yokaischwert; eine Klinge, die dämonische Kräfte inne hat. *Hanami: Blütenschau; Kirschblütenschau; Betrachten der Kirschblüten (meist verbunden mit Essen und Trinken unter den blühenden Bäumen). Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)