Pompadour! von Lewis ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Er geht, wenn der Tag anbricht Aufhalten darfst du ihn nicht Er kann zärtlich zu dir sein Doch lässt er dich danach allein „Mmmh~“ seufzte Elizaveta, die Augen noch halb geschlossen, im dämmrigen Zustand zwischen Schlaf und Wachsein, das Wohlbehagen der letzten Nacht kroch immer noch in ihrer Haut hoch. Es war so schön, es wäre noch schöner wenn... Mit einem Schlag floh das sanfte Gefühl, das sie bis vor wenigen Sekunden so glücklich gemacht hatte. Ihre Hand kroch über das erwärmte Laken, das in der letzten Nacht einen wunderbaren Mann neben der Ungarin beherbergt hatte. Schwer seufzend presste sie die Lippen aufeinander, krampfte die Hände zusammen, nur um ihren Frust irgendwie zu verarbeiten, wenngleich es nichts brachte.  Und das jeden Morgen, sobald sie ihre Augen aufschlug. Wenn du zusammen mit ihm bist Denkst du, es ist schön, wie es ist (doch) In dir ist so viel Platz für mehr Doch es gibt kein Hinterher Noch ein letzter Wisch mit dem Pinsel und Schon verschwand das letzte Stückchen Haut, das vergossene Tränen verriet.  Gerade noch rechtzeitig, denn schon in der nächsten Sekunde schrillte die Wohnungsklingel. Aufschreckt wuselte die Ungarin zur Wohnungstür.  Sie konnte diese Tür so oft öffnen wie sie wollte, ihn so oft sehen wie sie wollte, jedes Mal versagte ihre Stimme bei seinem wunderbaren Anblick.  „Roderich, wie schön...“ flüsterte Elizaveta ergriffen, ihr Blick hing an sein so edles Gesicht, dessen Haut wunderbar glatt war, seine violetten Augen, die wunderbar funkelten wie das Meer unter dem vollen Mond Sie konnte ihn so oft ansehen, jedes Mal fielen ihr kitschigere Assoziationen zum Äußeren ihres Liebhabers ein.  Während sie sprachlos vor ihm stand, lächelte er, zog ihr Gesicht zu seinen Lippen, verwickelte ihn einen atemberaubenden Kuss. Du sagst ihm nicht, was du fühlst Weil du ihn nicht verlieren willst Du bleibst stark - du wahrst den Schein Und wirst doch nur seine Maitresse sein Du kennst ihn, wie ihn keiner kennt Und doch bleibt er dir immer fremd Er nennt es Freiheit und gerecht Das fandest du auch erst nicht schlech Du hast dich nach ihm gesehnt Er hat sich schnell an dich gewöhnt Zweifelsohne, Roderich Edelstein war bisweilen ziemlich spießig, doch gleichzeitig verbarg hinter seinem immer steifen Auftreten eine unbändige Bestie, die grausam, brutal und wild war. Seine ungarische Geliebte gehörte zu den wenigen, die davon wussten. Dieses Wissen war wertvolles Geheimnis und geteilte Bürde zugleich.  Der Österreicher küsste wunderbar, sein Liebesspiel war kompromisslos, dominant und makellos. Das war einer der Gründe, weshalb Elizaveta so an ihm hing. Neben all den kleinen, unzähligen Dingen, die ihn noch so faszinierend machten. Verwöhnend, allerdings eher als nebensächliche Geste, kraulte der Brünette die Ungarin am Nacken, bevor er abrupt abbrach. Sie schreckte auf, sah ihn aus grün funkelnden Augen nervös an. „Ich muss los.“, meinte er ruhig, während er nach seiner Brille auf den Nachttisch griff und aufsetzte „bist du damit einverstanden?“ Ihr ironisches Lachen füllte schleichend das Zimmer aus, ihre Seelenspiegel wechselten so rasch die Emotionen, dass es so aussah, als wären keine vorhanden. Oder traf Letzteres zu? „Du würdest sowieso nicht bleiben, selbst wenn ich meckern würde, du notorischer Zufrühkommer!“ grinste Elizaveta, an seine Angewohnheiten gewöhnt. Bestätigend nickte er, erhob sich.  Verbissen biss die Ungarin sich auf ihre ohne schon aufgeplatzten Lippen, um ihre Tränen zurückzuhalten, zwang sich selbst hinter seinem Rücken sich nicht das Geringste anmerken zu lassen.  Würde er es merken, selbst wenn er direkt vor ihr stünde, sie es ihm ins Gesicht schreien würde? Auch als sie ihn das erste Mal getroffen hatte, hatte er nichts gemerkt. Winselnd hatte er sich zusammengekauert, in voller Angst vor den schrecklichen Ungaren, noch erschütterter, ihre nimmer unterzukriegende Personifizierung anzutreffen. Doch egal wie provozierend schwach der Brillenträger auch wirkte, er war wie eine kleine Pflanze inmitten von Trümmern, so verletzlich, doch hübsch. In ihr blühte ein zärtliches Gefühl, das im nächsten Moment niederschmetternde Wellen schlug. Auch damals, als er die Habsburger auf den leeren Thron des ungarischen Reiches setzten wollte, hatten zwischen ihnen heftige Kämpfe begonnen, die an den Kräften beider Parteien gezehrt hatten – in ihr vor allem seelische, was sie durch erbitterte Schläge zu kompensieren zu suchte. Am Ende war ihr jedoch nichts übrig geblieben, als sich zu fügen, doch letzten Endes war alles gänzlich anders gekommen. Das mächtige Haus der Habsburger beherrschte so viele, selbst der mächtige, freiheitsliebende Don Spanien respektierte ihn, Nur Frankreich stellte sich als mindestens ebenso ebenbürtig dar, und nur Preußen besaß die Unverfrorenheit sich gegen Roderich zu Stellen. Doch der Bebrillte war nicht allein. Er selbst, mit einer naturgegebenen Ausstrahlung seriöser Autorität sowie seinen Ehepartnern, der gesamte Balkan, Tschechien, die Slowakei und seine Löwin, Ungarn. Wie er sie nach jedem Sieg gelobt hatte, getadelt hatte, es ruiniere ihre schöne Haut, er befürchte, bald könnte eine ihrer grazilen Hände im Kampf abgeschlagen werden.  Bedeuten diese Worte etwas?  Vielleicht nicht, denn auch seine anderen Ehegatten, -Gattinnen  sollten durch sein charmantes Lächeln besänftigt werden. Sie, Elizaveta Hédavárey, war nur eine von vielen, eine wertvolle Weggefährtin, ein Statusobjekt, wie alle hohen Herrscher eine Maitresse brauchten, um überhaupt zu diesen Zeiten respektiert zu werden. Du sagst ihm nicht, was du fühlst Weil du ihn nicht verlieren willst Du bleibst stark - du wahrst den Schein Und wirst doch nur seine Maitresse sein Sämtliche Männer drehten die Köpfe nach der hübschen Frau, in deren kastanienbraunem Haar dunkelrote Blumen eingeflochten waren, die farblich herrlich mit ihrem weinroten Kleid harmonierte. Der Mann neben ihr, an dessen Arm sie eingeharkt war war elegant, allerdings im Vergleich zu ihr legerer gekleidet. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch das grüne Laub, das so frisch grün wirkte, wie die leuchtenden Augen der Ungarin. Trotz seines Zustandes als emotionaler Eisklotz bemerkte der Österreicher, wie Elizaveta fröhlich summte, lächelte, eine Aura der Freude verbreitete, die blühender wirkte als dieser Sommerabend. Fragend sah Roderich sie, was sie mit einem unschuldigen Blick erwiderte.  „Liebchen, sag mir, was dich so freut.“ forderte er sie auf, blieb stehen, um sie genauer zu betrachten. Sie erblühte, erblühte schöner als jede Lilie, als jede Rose, als jede Dahlie, einfach wunderschön. Welch’ unverschämtes Glück, das er so ein herrliches Mädchen sein eigen nennen konnte.  „Heute ist der achte Juli...“ hauchte sie ergriffen, gefolgt von einer Stille tieferer Bedeutung. Angestrengt suchte Roderich in seinem sonst wie eine Rolex laufendes Gedächtnis nach einer Verbindung auf diese kryptische Antwort. Der 8 Juli, eine Bedeutung, etwas Bedeutsames... „Unser Hochzeitstag!“ fiel es ihm schlagartig ein, was Elizaveta die Tränen der Freude aus den Augen wie in Sturzbächen fließen ließ. Schöner Leib - Zeitvertreib Doch am Ende nichts, was bleibt „I-ich habe gehört, dass die Amerikaner dies mit dem Ausdruck >Wow!< betiteln.“ keuchte Roderich, von dem kleinen physischen Abenteuer von gerade eben überwältigt. „Nicht mal das trifft es.“ merkte Elizaveta atemlos an, kuschelte sich an der immer noch bebenden Körper ihres Gatten. „Keiner hätte gedacht, dass hinter deiner spießig-unflexiblen Haltung so ein lüsternes Biest steckt~“, schnurrte die Ungarin vergnügt „Aber das ist ein wirklich ausgefallenes Hochzeitsgeschenk, mein Herz.“ Schöner Leib - Zeitvertreib Doch am Ende nichts, was bleibt Mit geschlossenen Augen spürte der Österreicher wie die weichen Haare der Ungarin auf seine nackte Brust fielen, ihr warmer Atem auf seiner Haut kitzelte. Was für eine wunderschöne Frau sie doch war. In diese Stille, schwerer als kalte Vanillesoße, warf er dieses Damoklesschwert in den Raum.  „Du weist, was sie alle sagen werden, oder?“ Sie nickte gequält, ungnädig fuhr er fort, einfach weil es ihn selber wurmte. „Nach diesem Krieg müssen die Deutschen großteilig Bürgschaft leisten, aber die wir keineswegs unbeteiligt sind, werden wir sicher auch bitter bezahlen müssen...“ Die Ungarin blieb weiterhin verstummt, allerdings krallten sich ihre Fingernägel krampfhaft in die Bettdecke, riss sie zu kleinen Löchern auf. „Es ist unwahrscheinlich, das man das Königreich Österreich-Ungarn bestehen lässt. Die Balken* werden sicher nicht zu uns zurückkehren, doch Tschechien und Slowakei dürfen nicht bleiben, dazu sind sie wirtschaftlich zu wichtig und gerade das wollen die Alliierten als schmerzhafte Buße ausnutzen. Ich muss mich von den Balken, Slowakei sowie Tschechien werde verlieren... Und vor allem dich.“ Aus heiterem Himmel drückte Elizaveta dem Brillenträger ihre Lippen auf seine, so heftig, eine heftige Welle der Verzweiflung ging von ihr aus, überwältigte ihn selbst. Jedes Geräusch, selbst das Kleinste verlor an Stimme, nur der Herzschlag seiner Frau hämmert dröhnend in das Leere hinein. Nach gefühlten, bittersüßen Ewigkeiten löste sie sich von ihm. Überrascht blickte er sie an, ihre Augen funkelten wie nasses Glas.  „Wirst... Wirst du mich vermissen?“ flüsterte Roderich der Ungarin zu, aber sie schüttelte den Kopf.  Dies war das erste Mal, das aller Erste Mal in ihrer langjährigen Ehe sah Roderich Elizaveta weinen.  „Nein, nie wird es schmerzen... Das hat es auch sonst nie.“ Du bleibst stark - und bleibst allein Du musst dich von ihm befrein ::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::: *Sämtliche Staaten des Balkans Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)