Live von abgemeldet (Lebe dein Leben) ================================================================================ Prolog: ein schwerwiegender Verlust ----------------------------------- Ich musste umziehen. Weit weg von meiner Heimat. In ein anderes Land, auf der anderen Seite dieser Welt. Zu fremden Menschen, die mit mir zwar verwandt waren, mit denen ich aber zuvor in meinem Leben noch nie etwas zu tun hatte. Glücklich war ich darüber nicht, aber ich hatte keine Wahl. Hier hatte ich niemanden mehr. Ich war ich alleine. Von dem einen auf den anderen Moment hatte sich alles schlagartig geändert und noch immer hoffte ich es wäre nur ein schrecklicher Albtraum, aber das war es nicht. Leider. Viele Leute hatten mir in den letzten Monaten versucht zu helfen, aber das konnte niemand. Nicht in dieser Situation. Konnten sie doch nicht im Geringsten verstehen was gerade in mir vorging. Wie sehr ich darunter litt, besonders da ich daran schuld war. Ja, das alles war allein meine Schuld. Ganz allein meine. „Chiyuko!“, holte mich eine sanfte Frauenstimme aus meinen Gedanken. Ausdruckslos sah ich zu der Gestalt vor mir auf und eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über meine Wange nach unten. Tropfte schließlich auf meine Hand und versiegte dort. „Du weinst ja schon wieder“, sprach sie nun mit ruhiger Stimme und ein leiser Seufzer entwich der jungen Frau dabei. Ohne ein Wort zu sagen drehte ich meinen Kopf zur Seite. Mit ihr zu sprechen wäre unnötig. Sie würde mich sowieso nicht verstehen. „Ich möchte dich zu wirklich nichts drängen, aber findest du nicht auch, Chiyuko.“ Sie hielt kurz inne und sah mich nun eindringlich an, ehe sie weitersprach. „Das es langsam einmal Zeit wird über den Tod deiner Eltern hinwegzusehen und dein Leben endlich wieder weiterzuführen. Ich meine, du sprichst seit Monaten kaum ein Wort mehr und ziehst dich immer mehr zurück. Das kann doch nicht so weiter gehen. Du solltest versuchen sie zu vergessen.“ Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Was dachte sich diese Person überhaupt Sie verstand mich überhaupt nicht. Verstand kein bisschen wie sehr ich unter diesen Verlust litt, wie groß meine Schuldgefühle waren und wie Elend ich mich fühlte. Wutentbrannt stand ich auf. Tränen standen mir in den Augen und ich ballte meine Hände wütend zu Fäusten. Am liebsten hätte ich ihr sofort meine Meinung gesagt. Mir alles was mich bedrückte ihr entgegen geschrien, doch konnte ich mich schlussendlich wieder fassen. Hätte diese Aktion doch sowieso nichts gebracht, außer der Blicke der Menschen um mich herum auf mich zu ziehen. Und Aufmerksamkeit war das letzte was ich momentan haben wollte. Ich wollte alleine sein. Sie sollten mich bloß alle in Ruhe lassen, aber das verstanden sie einfach nicht. Mit noch immer geballten Fäusten ließ ich mich wieder auf meinen Platz nieder. Würdigte, trotz des Öfteren Zuspruchs der jungen Frau keinen einzigen Blick. Vertiefte mich ganz in meine Gedanken, dachte über die früheren Zeiten nach. In den Zeiten als alles noch in Ordnung war, in den Zeiten wo wir einfach glücklich waren. Kapi Ende Kapitel 1: Das Leben geht weiter... ----------------------------------- Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die spärlich mit Vorhängen bedeckten Fenster des alten Zuges hindurch und erhellten so das dunkle Zugabteil. Die ersten Passagiere erwachten dadurch aus ihren Schlaf und weckten durch die nun zunehmende Lautstärke auch die anderen auf, bis schließlich jeder außer natürlich Fräulein Shina, die noch immer wie ein Baby leise schnarchend neben mir schlief mehr oder weniger sanft geweckt wurde. Es war mir noch immer ein Rätsel wie man nur solch einen tiefen Schlaf haben konnte, sodass nicht einmal der Start eines Düsenjets einen aus diesen befördern konnte. Leise gähnend bäumte ich mich vor ihr auf und betrachtete sie leicht schmunzelnd. Ich hatte ihr in den letzten Monaten wirklich viele Probleme bereitet. Ich wusste zwar dass sie mir nur helfen wollte um den Tod meiner Eltern besser zu verarbeiten. Das war auch immerhin ihre Aufgabe, aber ihre harten Worte regten mich jedes Mal aufs Neue auf. Sie war zwar wirklich nett und hilfsbereit, aber wenn sie eines nicht konnte so wie ich fand und wie ich sie auch kennengelernt hatte, dann war es sich in andere und deren Probleme hineinzuversetzen. Also nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine angehende Kinderpsychologin, auch wenn sie momentan noch im Studium feststeckte und ich nur so eine Art Versuchskaninchen, als Test für ihre Fähigkeiten im Umgang mit solchen „traumatisierten“ Kindern, wie mich die Leute auch bezeichneten darrstellte. Ein leiser Seufzer entwich meinen Lippen und ich ließ meinen Blick kurz durch das fast vollkommen leere Zugabteil schweifen. Die meisten Menschen waren bereits in Strömen aus dem Abteil marschiert und hatten sich sogleich hastig zum Frühstück in den nächsten Wagon begeben, als ob sie Angst hätten jeden Moment zu verhungern, was nun wirklich lächerlich war. Nur einige Menschen waren noch geblieben, lasen ein Buch, tippelten auf ihren Handy oder Laptop herum oder schlugen einfach irgendwie die Zeit tot. „Wir müssten eigentlich bald da sein“, ertönte auf einmal die Stimme meiner Begleiterin neben mir. Verwundert drehte ich mich zu ihr um. Da saß sie, wie üblich in einen kurzen Minirock und eine weiße Bluse gekleidet, die langen blonden Haare fein säuberlich, kerzengerade nach hinten gekämmt und mit jeder Menge Schmuck, wie ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum behangen neben mir und grinste mich wie ein Honigkuchenpferd fröhlich an. Anscheinend hatte sie heute mal wieder einen guten Tag und war nicht wie es sonst der Fall war mit den falschen Fuß aufgestanden, doch wie sich der sonstige Morgenmuffel so schnell fertig gemacht hatte, sollte mir wohl ein Rätsel bleiben. „Chiyuko“, fing sie plötzlich leise zu sprechen an, „Tut mir Leid, wegen gestern. Ich habe das alles nicht so gemeint, aber….“ „Ist schon Ordnung.“, unterbrach ich sie, in der Hoffnung nicht länger über dieses äußerst heikle Thema reden zu müssen, denn auf dies wäre es wohl schlussendlich hinausgelaufen. „Gut“, kam es noch ihrerseits, ehe dieses äußerst kurze Gespräch beendet war und wir uns ebenfalls zum Frühstück in den vollgestopften Wagon begaben. _*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_*_ Die Sonne war bereits untergegangen, als der Zug endlich den Bahnhof in Miyada erreichte. Man konnte dieses kleine Städtchen wirklich nur schwer mit der Großstadt Tokio, der Stadt in der ich früher gelebt und aufgewachsen war vergleichen. Miyada war nur ein kleiner, unwichtiger Fleck auf der Landkarte und gerade einmal neuntausend Menschen lebten hier. Und trotz einer Autobahn und einer Bahnstrecke, die hier verliefen, verirrten sich nur äußerst selten Touristen oder gar Menschen hier her, darum war es auch nicht weiter verwunderlich das wir die einzigen waren, die hier den Zug verließen. Innig seufzend und mit zwei schweren Koffern bepackt trat ich ein wenig schwerfällig zusammen mit Shina ins Freie. Kaum aus den stickigen Zug befreit, stach mir sofort ein älteres Ehepaar ins Auge. Ob das meine Großeltern waren? Doch die Frage hatte sich eigentlich bereits erübrigt. Winkend und mit einer Fotokamera bewaffnet kamen beide schnellen Schrittes auf uns zu. Skeptisch legte ich meine Stirn in Falten. „Komm Chiyuko!“ Mit unruhiger, fast schon hibbeliger Stimme sprach sie diese Worte aus und schien bei diesen Zusammenreffen hundert Mal aufgeregter zu sein als ich selbst. Fest umfasste Shina mein Handgelenk und zog mich stürmisch, ohne große Gegenwehr meinerseits mit sich. Was hatte sie nur auf einmal? Hastig stürmte die junge Frau, mich hinter sich im Schlepptau auf die beiden Leute zu und kam schließlich kurz vor ihnen zum Stehen. Ein breites Grinsen umspielte ihre Lippen, ehe sie waghalsig auf die ältere Frau zuschritt und dieser stürmisch die Hand schüttelte. Diese wusste gar nicht so Recht wie ihr geschah und ihr war die Situation sichtlich unangenehm, dennoch tat sie es Shina gleich und lächelte sie freundlich an, schien ihr doch endlich klargeworden zu sein, warum sie sich so seltsam benahm. Ganz Im Gegenteil zu mir. Ich verstand nur Bahnhof und mir war ihr seltsames Verhalten einfach unerklärlich. Erst als sie endlich die Hand der älteren Frau losließ, sich tief vor ihr verbeugte und anfing zu sprechen: „Ich weiß es ist nicht angemessen nun mit diesen Thema anzufangen. Erst gar nicht in dieser Situation. Aber bitte. Bitte.“ Sie ging vor der Frau auf die Knie. „Bitte geben sie mir ein Autogramm.“ Flehend hielt sie ihr einen Zettel und einen Stift vor die Nase, kniff die Augen dabei fest zusammen und wartete hoffend auf ein Autogramm. Ein leiser, kaum hörbarer Seufzer war von der alten Frau zu vernehmen. „Na sicher. Für meine Fans mache ich doch alles.“ Mit diesen Worten nahm sie sichtlich genervt den Zettel entgegen und gab ihr das gebetene Autogramm. Aufgeregt und mit Tränen in den Augen sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf und verbeugte sich erneut tief vor ihr. „Ich danke ihnen. Vielen herzlichen Dank. Ich bin ihnen so dankbar.“ Sichtlich verwirrt wanderte mein Blick durch die Runde. Ich konnte mir wirklich keinen Reim auf die ganze Sache machen. Fragend blickte ich zu Shina auf, in der Hoffnung dass mir die ganze Sache erklärte. Das tat sich schließlich auch. Vollkommen fassungslos sah sie auf meine Wenigkeit herab, senkte den Kopf dabei ein wenig und hielt ihr Autogramm fest in den Händen. „Sag mir jetzt bitte nicht, dass du Haruka Ogoni nicht kennst.“ Ich schüttelte nur geistesgegenwärtig meinen Kopf. „Das ist doch unglaublich. Haruka Ogoni ist einfach die beste Autorin auf der ganzen Welt. Von ihr stammen die Ashigani Bücher. Sag nicht das du die auch nicht kennst.“ Erneut schüttelte ich nur meinen Kopf. Ein lauter Aufschrei ertönte. Fassungslos fuhr sich die junge Frau in die Haare und schüttelte wie wild ihren Kopf hin und her. „Das glaub ich jetzt nicht. Wie kannst du sie denn nicht kennen, immerhin ist sie doch deine Großmutter. Ach, so eine Großmutter hätte ich auch gerne.“ Bei den letzten Worten leuchteten ihre Augen förmlich auf. „Jetzt reicht es aber“, schaltete sich nun aufgebracht die alte Frau ein. „Ich finde es zwar schön, dass dir meine Bücher gefallen und das du so ein großer Fan von mir bist, aber ich bin eigentlich hier um nach all den Jahren endlich meine Enkeltochter kennen zu lernen.“ Stumm schaute sie Haruka an. Nickte nur leicht auf ihre eindeutigen Worte hin, sah dann schließlich betrübt zu Boden. „Nimm es nicht so hart mein Kind“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme. Tröstend legte der alte Herr ihr seine Hand auf die Schulter, schenkte ihr ein tröstendes Lächeln, ehe sie ihren Kopf hob und es ihm gleich tat. „Dann lass uns gehen. Wir haben so viel Zeit nachzuholen. Na komm, Chiyuko!“ Mit diesen Worten forderte sie uns zum Gehen auf. Ohne Widerworte folgten wir ihr in Reih und Glied zum Auto. Kapitel 2: Von Ehekriegen, Hanulisationen und einer ausgeklügelten Rache ------------------------------------------------------------------------ Gespannt sah ich aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft die an uns vorbeizog. Die vielen Felder, Wiesen und Wälder, die sich vor uns erstreckten. Dies war eine ganz andere Seite Japans. Nicht so wie in Tokio, wo die Landschaft hauptsächlich aus Beton bestand. Nicht aus riesigen Hochhäusern und Gebäuden, die wie Unkraut aus den Boden schossen und so alles überdeckten, nicht aus Autos und Lkws mit ihren lärmenden und stinkenden Motoren und Getrieben, nicht aus Abermillionen von Menschen, die sich eilig ihren Weg durch die Stadt bahnten. Hier bestand alles noch aus purer Natur und man sah deutlich, dass der Mensch noch nicht viel Hand angelegt hatte. Wir waren schon weit vom Zentrum des Dorfes entfernt, vereinzelt konnte man noch einige Bauernhöfe oder einfache Hütten in der grünen Landschaft entdecken, aber sonst gaben nur die vielen Reis und Getreidefelder Anzeichen für Menschenleben in diesem naturbelassen Örtchen. Im Auto herrschte während der Fahrt Totenstille, denn keiner wagte es nach dem Zusammentreffen auch nur ein Wort zu sagen. Die Atmosphäre war beinahe bedrückend und jedem äußerst unangenehm. Nicht einmal Shina fragte ihre Heldin über die zahlreichen Bücher Löcher in den Bauch, obwohl sie es sicherlich gern getan hätte, soviel zumindest ihre zahlreichen Blicke, die sie des Öfteren möglichst unauffällig auf Haruka ruhen ließ verrieten. „Du siehst deiner Mutter wirklich sehr ähnlich, Chiyuko“, war plötzlich die hörbar traurige Stimme der älteren Frau zu vernehmen. Kurz sah ich zu ihr auf, senkte den Kopf schließlich aber wieder. „Ja, ich weiß. Das sagen alle.“ Ruckartig drehte sie sich zu mir um und ein sanftes Lächeln umspielte dabei ihre Lippen. „Ich bin mir sicher dass dein Vater und Chihiro gewollt hätten, dass wir wieder glücklich sind und unser Leben weiter leben. Immerhin hatten wir bereits lange genug Zeit damit abzuschließen, auch wenn es für uns alle hart war. Findest du nicht auch? Ich senkte meinen Kopf weiter, in der Hoffnung dass sie nicht sahen, dass ich schon wieder kurz davor war in Tränen auszubrechen. Musste sie auch schon wieder mit diesem Thema anfangen, konnte sie es denn nicht einfach belassen. Ich wollte darüber nicht sprechen. Verstand das denn keiner. Leise seufzte ich. „Vielleicht hast du hast Recht.“ Stirnrunzelnd sah Shina auf mich herab. Anscheinend verstand sie als einzige in diesem Moment, dass ich nun wirklich keine Lust hatte darüber zu sprechen, was mich nun wirklich wunderte, da sie nun wirklich keine Person war, die sich, trotz ihres Berufes gut in andere hineinversetzen konnte. „Ich denke sie sollten es darauf belassen, Frau Ogino“, legte sie Haruka zu Herzen und schaute sie dabei eindringlich und mit vielsagendem Blick an. Doch die dachte gar nicht erst daran aufzuhören, stattdessen durchlöcherte sie mich weiter mit Fragen über meinen Vater, die vergangenen Jahre und insbesondere über meine Mutter, was ich ihr ja nicht einmal verübeln konnte. Immerhin hatte sie ihre Tochter mehr als 10 Jahre nicht mehr gesehen, da sie soviel ich wusste mit meinem Vater zu diesen Zeiten ins Ausland ausgewandert war. Genaueres war mir aber nicht bekannt, da meine Mutter auf dieses Thema immer schlecht zu sprechen war, aber so viel wie ich mitbekam und soviel sie mir auch verriet, hatte sie aus „bestimmten“ Gründen, so wie sie es nannte den Kontakt zu meinen Großeltern abgebrochen. Es hing wohl damit zusammen das sie stets gegen eine Beziehung meiner Eltern waren, aber das war legendlich eine Vermutung. Nach einer gefühlten Ewigkeit war sie dann endlich fertig mit ihren teils unmöglichen Fragen, auf die ich nun besser nicht einging und es herrschte wieder weitgehend Stille im Wagen. Doch dieses Mal waren alle, bis auf Frau Ogino äußerst froh darüber, denn dieser Frau beim Reden zuzuhören war mehr als anstrengend und forderte wirklich Nerven. Einmal angefangen zu Reden, prasselte sie wie ein Wasserfall mit den unterschiedlichsten Themen, welche sie alle paar Minuten wieder wechselte auf einen ein und hörte einfach nicht mehr auf. Gähnend ließ ich mich zurück in den Sitz fallen. Mein ganzer Körper schmerzte bis auf den kleinsten Muskel und das einzige was ich nun wollte war schlafen. Schlafen, das hörte sich wie Musik in den Ohren an. Einfach wundervoll. Kurz wanderte mein Blick aus dem Fenster, ehe ich diesen wieder auf den Boden gerichtet ruhen ließ. Die Sonne war bereits untergegangen und ohne die Scheinwerfer des Autos wäre es wohl stockdunkel, sodass man nicht einmal die eigene Hand vor Augen erkennen könnte. Beinahe wäre ich eingeschlafen, doch ein lauter Aufschrei ließ mich wieder hochschrecken. „Sonntagsfahrer!“, vernahm ich die aufgebrachte und sogleich stinkwütende Stimme des Mannes. „Was ist passiert?“, erkundigte ich erschrocken und sah mich dabei fragend, in der Hoffnung auf eine Antwort in der Gegend um. „Wir haben wohl einen Wagen gestreift“, kam die ziemlich unbeeindruckte Feststellung seitens Shina. „Wie aus dem Nichts ist dieser Idiot plötzlich mit seiner Schrottkarre vor mir aufgetaucht und hat einfach die Fahrbahn verlassen. Wenn ich jetzt einen Kratzer an meinen neuen Auto habe, dann knöpfe ich mir das nächste Mal diesen Möchtegern Fahrer höchstpersönlich vor!“, war nur das lautstarke Gefluche, des früher so stillen und schweigsamen Mannes zu vernehmen. „Beruhig dich Schatz. Es ist doch nichts passiert und immerhin bist du auch nicht ganz unbeteiligt daran“, schaltete sich nun auch seine Ehefrau ein und versuchte ihn weitgehend zu beruhigen. Offensichtlich aber mit den falschen Worten. „Beschuldigst du mich jetzt etwa. Es ist doch nicht meine Schuld dass dieser Idiot kein Auto lenken kann. Ich möchte gar nicht wissen woher der seinen Führerschein her hat. Eine Gefährdung für die Allgemeinheit sind solche Typen.“ Die Frau seufzte tief und überdrehte dabei genervt die Augen. „Mit dir Auto zu fahren ist wirklich ein Martyrium. Und es wird immer schlimmer.“ „Was soll das schon wieder heißen, immerhin bin ich hier der einzige vernünftige Autofahrer hier!“ „Ach wirklich!“ „Sicher!“ „Träum weiter!“ Verblüfft verfolgte ich den sagen wir ziemlich amüsanten Ehekrieg der beiden und konnte mir dabei ein Lachen nur schwer verkneifen. Shina ging es wohl ähnlich, denn sie brach plötzlich Hals über Kopf in lautes Gelächter aus, welches aber jäh unterbrochen wurde, als der Mann plötzlich das Bremspedal vollkommen durchtrat und das Steuer mit einem lauten Aufschrei so weit es nur ging herumriss. Ein lautes Quietschen ertönte, der Wagen drehte sich mit diesem schrecklichen Geräusch beinahe einmal um sich selbst, ehe es schließlich mitten auf der Straße zum Stehen kam. „Bist du nun von allen guten Geistern verlassen!“, meldete sich nun Haruka aufgebracht zu Wort. Schwer schluckte der Mann und sah wie gebannt durch die Frontscheibe nach drau0en. „Das ist unmöglich! Ich könnte schwören, dass da eben noch jemand war!“ Laut seufzte Frau Ogino und legte schließlich nach einem unübersehbaren und äußerst genervten Augenrollen ihren Mann mit einem sanften Lächeln ihre Hand auf die Schulter. „Das hast du dir sicher nur eingebildet Schatz, du weißt dass deine Augen nicht mehr die besten sind. Lass mich lieber fahren.“ Weit riss der alte Mann seine Augen bei den Worten der Frau auf. „Das kommt gar nicht in Frage! Ich lass niemand an mein Auto ran. Nicht einmal dich!“ Die Augen Harukas verengten sich augenblicklich zu schmalen Schlitzen und sie durchlöcherte ihren Mann förmlich mit ihren verärgerten Blicken. Also wenn Blicke töten könnten, wäre sie wohl das beste Beispiel dafür. Herr Ogino sackte sichtlich in sich zusammen, gab nach einem scheinbar endlosen Kampf schließlich klein bei und überreichte auch wenn wohl mehr gezwungen als freiwillig seiner äußerst dominanten Frau das Steuer über den Wagen. Die restliche Zeit verbrachte er schmollend und ohne ein weiteres Wort zu sagen in sich eingekehrt am Beifahrersitz. Und Shina und ich? Wir beide saßen sichtlich verwundert, leicht überfordert und durch die vielen Koffer eingequetscht auf der Rückbank nebeneinander und konnten über die ganze Situation nur leicht schmunzeln. Währenddessen herrschte auf der restlichen Fahrt eisernes Schweigen im Wagen. Aber mir sollte es nur Recht sein. Ich war mehr als glücklich darüber endlich mal ein wenig Ruhe und Frieden zu haben, da mein Schlaf und auch meine Nerven die letzten Tage sehr gelitten hatten und von Shina auch nicht gerade sanft behandelt wurden, da sie noch ziemlich wütend, aus gewissen Gründen, auf die ich nun lieber nicht näher einging auf mich war. Es war zwar nicht gerade schlau sich mit Shina anzulegen, da sie es einem, trotz ihrer netten Fassade doppelt und dreifach ohne nur mit der Wimper zu zucken heimzahlte. Das hatte ich tragischer Weise schon selbst herausfinden müssen und so viel sei gesagt, es war nicht gerade lustig. Während ich mir im Kopf schon die schlimmsten Dinge ausmalte, bog der Wagen zu meinem Überraschen plötzlich in einem Wald ein, was mich nun langsam ein wenig stutzig machte und mich böses erahnen ließ. Mein Verdacht wurde auch nach kurzer Zeit bestätigt, als plötzlich ein hämisches Grinsen auf Shinas Lippen zu erkennen war. Sie hatte etwas geplant und das würde wohl nicht gerade meinen wundervollsten Träumen entsprechen. So viel war sicher. Kapitel 3: Traum oder Wirklichkeit ---------------------------------- Es war stockfinster. Nicht einmal die eigene Hand vor Augen konnte man in dieser Dunkelheit erkennen. Wo war ich hier nur? Ob ich nur träumte? Plötzlich erschien ein schwaches Licht am Horizont, kam langsam immer näher auf mich zu und erhellte zunehmend die Umgebung. Gab seltsame, zugleich erschreckende Gestalten frei, welche man mit dem Wort Monster oder Ungeheuer wohl am besten beschreiben könnte. Sie glichen einer Mischung aus Wolf und Bär. Riesige Fangzähne, welche geschätzt mehr als zehn Zentimeter lang waren blitzen aus ihren furchterregenden Kiefern hervor und ihr dunkelgraues, beinahe schon schwarzes und teilweise blutbeflecktes Fell, schimmerte fahle im Schein des nun immer heller werdenden Lichtes. Hart schlug mein Herz gegen meine Brust, drohte gefühlt jeden Moment zu zerspringen und eine Gänsehaut breitete sich auf meinem gesamten Körper aus. Tausende gelb leuchtende Augenpaare sahen mir bedrohlich entgegen, musterten mich auf die kleinste Pore genauestens, dennoch bewegten sich die Ungeheuer oder was auch immer sie waren nicht, nicht die kleinste Bewegung, nicht der kleinste Wimpernschlag war von ihnen zu vernehmen. Sie sahen mich nur an, trotzdem half mir das in dieser Situation herzlich wenig weiter. Verängstigt wich ich einige Schritte zurück, in der Hoffnung, dass es sich nur um einen Albtraum handelte und ich schnell möglichst wieder aufwachte, um diesem schrecklichen Ort endlich entfliehen zu können. Ein tiefes und bedrohliches Knurren ließ mich in meiner Bewegung inne halten und meinen Körper augenblicklich erstarren. Eine Weile verweilte ich in dieser Position, drehte mich aber schließlich am ganzen Leibe zitternd langsam um. Was ich sah, verschlug mir den Atem und entlockte mir unwillkürlich einen lauten Aufschrei. Dunkelblaue, bedrohlich glitzernde Augen leuchteten mir entgegen und ein erneutes Knurren war von meinen Gegenüber zu vernehmen, ließ mir augenblicklich einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagen. Ich schluckte schwer, sah wie gebannt in das dunkelblaue Augenpaar, ehe ich wie vom Teufel besessen aufsprang und so schnell mich meine Beine nur trugen davon rannte. Ich wollte einfach weg von hier. So schnell, so weit wie möglich weg von hier. Mir war egal, das es wahrscheinlich nur ein Traum war, ein Traum aus dem man wieder erwachen und der einem nichts zu Leide tun konnte. Doch zweifelte ich in diesem Moment, dass es nur ein gewöhnlicher Traum war, war es doch einfach viel zu real dafür. Fest kniff ich meine Augen zusammen, lief mit geballten Fäusten in die Dunkelheit, vorbei an dutzenden von diesen Monster, welche mich mit ihren bedrohlich gelblich glitzernden Augenpaaren fixierten, sich aber zu meinen Glück anscheinend nicht bewegen konnten. Ich versuchte nicht nach hinten zu spähen, doch ein plötzlicher Aufschlag gegen etwas oder besser gesagt gegen jemanden schleuderte mich unsanft nach hinten. Ich erwartete jeden Moment hart am Boden aufzuprallen, doch zu meinem Überraschen wurde ich von zwei starken Armen aufgefangen und nach oben gezogen „Ist mit dir alles in Ordnung?“, vernahm ich die sanfte Stimme meines Gegenübers. Verwundert sah ich zu meinen Retter auf, begutachtete ihn mit überraschten Blick. Zwei rote Augen blitzen unter seinen Pony hervor, blickten mir freundlich, dennoch irgendwie bedrohlich entgegen. Sein langes pechschwarzes Haar fiel ihn in Strähnen über die Schulter und umrahmte wie ein Bilderrahmen sein beinahe schon makelloses Gesicht. Das es sich um meinen Gegenüber auf keinen Fall um einen gewöhnlichen Menschen halten konnte war mir in diesem Moment mehr als klar. Ein erneutes, lautes und bedrohliches Knurren ließ mich hochschrecken. Ungewollt drückte ich mich näher an den mir vollkommen fremden Mann, ein leichter Rotschimmer legte sich dabei auf meine Wangen und ich sah schließlich beschämt zur Seite. Vorsichtig legte der junge Mann seine Hand auf meine Schulter. „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Es wird dir nichts passieren. Schau.“ Mit einer fließenden Handbewegung dirigierte er das Tier zu sich und legte zielsicher die Hand auf seine Stirn. Misstrauisch verfolgte ich die Bewegungen der beiden, achtete dabei auf die kleinste Regung eines Muskels. Das Tier sah zwar nicht so furchteinflößend wie die anderen seltsamen Kreaturen, die ich zuvor gesehen hatte aus, sondern glich eher einen viel, viel zu groß geratenen Schäferhund, aber ich wollte lieber kein Risiko eingehen. War der Wolf trotzdem schon groß und kräftig genug um mich mit nur einen Mal zu verschlingen. Für ihn war ich doch nur eine Mahlzeit für Zwischendurch. Vorsichtig bewegte ich meine Hand auf den Wolf zu, zögerte einige Mal, ehe ich schließlich all meinen Mut zusammennahm und das Tier leicht am Kopf berührte. Behutsam streichelte ich durch das silber-graue, seidig weiche Fell und ein leichtes Lächeln huschte dabei über meine Lippen. „Wie schön. Das Fell ist so weich.“ Lächelnd sah ich zu dem jungen Mann auf, welcher sich nun zu seiner vollen Größe vor mir aufgebaut hatte und mich leicht schmunzelnd, dennoch mit ernsten und leicht nachdenklichen Blick betrachtete. „Chiyuko, Chiyuko wach endlich auf!“, drang lautes, beinahe schon ängstliches Gerufe an meine Ohren. „Shina, Haruka!“, rief ich verwundert in den leeren Raum, zog meine Hand von dem Wolf wieder zu mir heran und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Doch es kam keine, stattdessen ertönten erneut diese schrecklich aufgeregten und ängstlichen Rufe, hallten immer wieder in meinem Kopf wieder. Was war hier nur los? Fragend blickte ich zu dem jungen Mann auf, dessen Gesichtsausdruck nun eine verärgerte und wütende Miene wiederspiegelte. „Was ist los? Was passiert hier? Ist das doch kein Traum?“, erkundigte ich mich verängstigt bei meinem Gegenüber. Dieser sagte nichts, sah mich nur eindringlich an, ehe ein fratzenhaftes Lächeln seine Lippen umspielten und auf die eine auf die andere Sekunde in der Dunkelheit verschwand. „Keine Angst, Chiyuko. Ich hole dich bald zu mir! Das ist ein Versprechen!“, waren die letzten Worte die ich vernahm, bevor ich durch starkes Gerüttel wieder in die Realität zurück geholt wurde. Langsam schlug ich meine Augen auf, blinzelte einige Male verwirrt, ehe ich verwundert zu meinen Gegenübern aufsah. Kopfschüttelnd fasste ich mir an die Stirn. „Du bist wieder aufgewacht, welch Glück!“, sprach Haruka mit erleichterter Stimme und fasste mir lächelnd auf die Schulter. „Was ist passiert?“, erkundigte ich mich noch leicht benommen und rappelte mich vorsichtig auf. „Du hast einen ganz schön tiefen Schlaf meine Liebe. Wir bekamen dich einfach nicht mehr wach!“, war es nur kopfschüttelnd von Shina zu hören. Verwundert sah ich zu der jungen Frau auf. „Ich habe geschlafen. Es war also nur ein Traum.“ „Ja was für ein Traum. Du hast geschrien wie ein kleines Mädchen.“ Schallendes Gelächter war von Shina zu vernehmen. Meine Miene verdunkelte sich leicht, doch ich hatte nun wirklich keine Lust mich mit ihr auf einen Kampf einzulassen, der wahrscheinlich sowieso erst nach Stunden beendet sein würde und auch nicht viel brächte. Außerdem schwirrten mir einfach zu viele Gedanken im Kopf herum und auch wenn ich wusste, dass es nur ein gewöhnlicher Traum war, sagte mir irgendetwas dass, das Gegenteil der Fall war. Besonders die letzten Worte des Mannes wollten mir nicht mehr aus den Sinn gehen, hallten mir immer wieder im Kopf wieder und ließen mich nicht mehr los. „Keine Angst, Chiyuko. Ich hole dich bald zu mir! Das ist ein Versprechen!“ Er kannte meinen Namen und was noch viel wichtiger war, er wollte mich holen. Um ehrlich zuzugeben beunruhigte mich die ganze Sache, doch ein wenig. Schlussendlich ließ ich es aber auf einen einfachen Traum beruhen und verbannte diese Gedanken aus meinen Kopf, was mir leider nicht so Recht gelingen wollte. „Hey Chiyuko, wo bist du denn mit deinen Gedanken.“ Verwundert sah ich zu Shina auf, wessen Lippen nun ein breites Grinsen umspielt hatten. „Da du nun wieder wach bist. Du weißt wir beide haben noch eine Rechnung offen. Chiyuko und die bekommst du dreifach zurück. Das verspreche ich dir“, flüsterte sie mir amüsant grinsend ins Ohr und maschierte schließlich augenzwinkernd und erhoben Hauptes zielsicher von mir und Haruka weg. Seufzend sah ich ihr hinterher. Ihre Rache würde sicher schrecklich werden. Das wusste ich jetzt schon. Ziemlich verwirrt sah ich mich nun in der Gegend um, blickte schließlich fragend zu Haruka auf. „Sag, wo sind wir hier überhaupt?“ „Es war eine Idee von Shina. Sie sagte es würde die Familienkompetenz stärken und wir würden uns näher kommen. Außerdem lernst du so noch ein paar Freunde kennen. Toll oder.“ Bei den letzten Worten leuchteten ihre Augen förmlich auf und sie klatschte freudig in die Hände, ehe sie in die gleiche Richtung wie Shina schon zuvor verschwand. Skeptisch legte ich meine Stirn in Falten und ließ meinen Blick kurz über meine Umgebung schweifen. Bäume, Sträucher, Grünzeug so weit das Auge reichte. So wie es aussah, befand ich mich in einem Wald. Warum um alles in der Welt war ich bitte hier? Was wurde hier nun schon wieder gespielt? Auf jeden Fall würde es mir wohl nicht sonderlich gefallen. Nicht wenn die Idee von Shina kam. So viel war sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)